Nachbarschaftslärm aus Sicht des Mieters eine rechtliche Betrachtung Wibke Werner, Berliner Mieterverein e.v. Berlin,
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- Julius Eberhardt
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1 Nachbarschaftslärm aus Sicht des Mieters eine rechtliche Betrachtung Wibke Werner, Berliner Mieterverein e.v. Berlin,
2 Wann ist Lärm ein Mietmangel? 536 Mietminderung bei Sach- und Rechtsmängeln (1) Hat die Mietsache zur Zeit der Überlassung an den Mieter einen Mangel, der ihre Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch aufhebt, oder entsteht während der Mietzeit ein solcher Mangel, so ist der Mieter für die Zeit, in der die Tauglichkeit aufgehoben ist, von der Entrichtung der Miete befreit. Für die Zeit, während der die Tauglichkeit gemindert ist, hat er nur eine angemessen herabgesetzte Miete zu entrichten. Eine unerhebliche Minderung der Tauglichkeit bleibt außer Betracht. Die Aufhebung oder erhebliche Minderung des vertragsgemäßen Gebrauchs
3 Der vertragsgemäße Gebrauch wird durch die vertraglich vereinbarte Beschaffenheit (Sollbeschaffenheit) definiert. Fehlt eine entsprechende Parteiabrede, ist eine Beschaffenheit geschuldet, die sich für den vereinbarten Nutzungszweck eignet und die vom der Mieter erwarten darf. ( 535 BGB) Zum vertragsgemäßen Gebrauch gehört es, dass der Mieter in seiner Wohnung ungestört leben kann und nicht ständig durch Geräusche und andere Störungen belästigt wird.
4 Ein Mangel setzt eine nicht nur unerhebliche Abweichung des vertragsgemäßen Zustandes voraus. Problem: Es gibt unterschiedliche Lärmquellen-/Ursachen) Es gibt unterschiedliche vertraglich geschuldet Zustände Es gibt unterschiedliche subjektive Maßstäbe Es gibt unterschiedliche rechtliche Bewertungen von Lärm
5 Unterschiedliche Lärmquellen- / Ursachen: Die Sollbeschaffenheit (der vertragsgemäße Gebrauch) kann durch Lärm verletzt sein, a) weil der bauliche Schallschutz im Haus mangelhaft ist b) weil Lärmimmissionen eines Störers unzumutbar stark sind und trotz ausreichender Schallisolierung zu einem unzumutbaren Zustand führen.
6 TA Lärm (Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm) (August 1998) Betrifft Geräusche gewerblicher Anlagen und stellt auf einen auf 16 Stunden des Tages bezogenen äquvalenten Dauerschallpegel ab. DIN 4109 (1989) Schallschutz im Hochbau Der Schallschutz von Wohnungen wird in der DIN 4109 geregelt. Die Anforderungen der DIN Norm stellen lediglich Mindestanforderungen dar, die aus Gründen des Gesundheitsschutzes nicht unterschritten werden dürfen. VDI Richtlinie 2058 (Gewerbelärm in der Nachbarschaft) VDI-Richtlinie 4100 (2012) Hier werden drei Schallschutzstufen für Wohnungen festgelegt und diese Klassifizierung wird durch textliche Erläuterung auch für Nichtfachleute verständlich dargestellt.
7 DIN 4109 ist die Mindestvorschrift für den Schallschutz im Neubau Die Norm wird keinem erhöhten Anspruch an Schallschutz gerecht wird (stammt aus dem Jahr 1989) Wohnungen in Gebäuden älteren Baujahrs unterliegen den Schallschutznormen der jeweiligen Bauzeit (es gibt unterschiedliche vertraglich geschuldet Zustände) VDI-Richtlinie geht über die DIN 4109 hinaus (nur die Schallschutzstufe I entspricht der DIN 4109).
8 VDI 4100 (2012) - Tabelle 1: Wahrnehmung üblicher Geräusche aus Nachbarwohnungen und Zuordnung zu drei Schallschutzstufen (SSt) Art der Geräuschemission Wahrnehmung der Immission aus der Nachbarwohnung, abendlicher Grundgeräuschpegel von 20 db(a) und üblich große Aufenthaltsräume vorausgesetzt Schallschutzstufe I Schallschutzstufe II Schallschutzstufe III laute Sprache verstehbar im allgemeinen verstehbar im allgemeinen nicht verstehbar Sprache mit angehobener Sprechweise im allgemeinen verstehbar im allgemeinen nicht verstehbar nicht verstehbar Sprache mit normaler Sprechweise im allgemeinen nicht verstehbar nicht verstehbar nicht hörbar Gehgeräusche im allgemeinen störend im allgemeinen nicht mehr störend nicht störend Geräusche aus haustechnischen Anlagen unzumutbare Belästigungen werden im allgemeinen vermieden gelegentlich störend nicht oder nur selten störend Hausmusik, laut eingestellte Rundfunk- und Fernsehgeräte, Parties deutlich hörbar im allgemeinen hörbar
9 DIN-Normen private technische Regelungen mit Empfehlungscharakter. BGH , VII ZR 45/06 Wird ein üblicher Qualitäts- und Komfortstandard geschuldet, muss sich das einzuhaltende Schalldämm-Maß an dieser Vereinbarung orientieren. Die Schalldämm- Maße der DIN 4109 können schon deshalb nicht herangezogen werden, weil sie lediglich Mindestanforderungen zur Vermeidung unzumutbarer Belästigungen regeln. Anhaltspunkte können aus den Regelwerken die Schallschutzstufen II und III der VDI- Richtlinie 4100 aus dem Jahre 1994 oder das Beiblatt 2 zu DIN 4109 liefern. BGH VII ZR 54/07 Wird ein üblicher Qualitäts- und Komfortstandard geschuldet, muss sich das einzuhaltende Schalldämm-Maß an dieser Vereinbarung orientieren. Der Umstand, dass im Vertrag auf eine "Schalldämmung nach DIN 4109" Bezug genommen ist, lässt schon deshalb nicht die Annahme zu, es seien lediglich die Mindestmaße der DIN 4109 vereinbart, weil diese Werte in der Regel keine anerkannten Regeln der Technik für die Herstellung des Schallschutzes in Wohnungen sind, die üblichen Qualitäts- und Komfortstandards genügen
10 BGH VIII ZR 287/12 b) Nimmt der Vermieter bauliche Veränderungen an einem älteren Gebäude vor, so kann der Mieter, sofern nicht etwas anderes vereinbart ist, nur dann erwarten, dass der Tritt- und Luftschallschutz anschließend den höheren Anforderungen der zur Zeit der baulichen Veränderungen geltenden DIN-Normen genügt, wenn die Maßnahmen von der Intensität des Eingriffs in die Gebäudesubstanz her mit einem Neubau oder einer grundlegenden Veränderung des Gebäudes vergleichbar sind (Bestätigung der Senatsurteile vom 6. Oktober VIII ZR 355/03, aao; vom 17. Juni VIII ZR 131/08, aao Rn. 12). BGH VIII ZR 85/09 Ohne eine dahingehende vertragliche Regelung hat ein Wohnraummieter regelmäßig keinen Anspruch auf einen gegenüber den Grenzwerten der zur Zeit der Errichtung des Gebäudes geltenden DIN-Norm erhöhten Schallschutz (Bestätigung des Senatsurteils vom 6. Oktober VIII ZR 355/03, NJW 2005, 218). BGH VIII ZR 131/08 Eine Mietwohnung in einem älteren Gebäude weist, wenn nicht vertraglich etwas anderes vereinbart ist, in schallschutztechnischer Hinsicht keinen Mangel auf, sofern der Trittschallschutz den zur Zeit der Errichtung des Gebäudes geltenden DIN-Normen entspricht. Das gilt auch dann, wenn während der Mietzeit in der Wohnung darüber der Fußbodenbelag ausgetauscht wird und sich dadurch der Schallschutz gegenüber dem Zustand bei Anmietung der Wohnung verschlechtert (Abgrenzung zu Senatsurteil vom 6. Oktober VIII ZR 355/03, NJW 2005, 218).
11 Mietmangel immer dann, wenn nicht einmal die bei Errichtung des Gebäudes geltenden einschlägigen Normen eingehalten wurden. Mietmangel immer dann, wenn die Hellhörigkeit zu Gesundheitsgefährdung des Mieters führt. Umstritten ist, ob ein Mieter einen Mängelbeseitigungsanspruch hat, wenn die neuesten technischen Grenzwerte eingehalten sind, die Lärmbelästigung gleichwohl erheblich ist (weil ein Nachbar überdurchschnittlich viel Lärm verursacht).
12 Landgericht Berlin , 65 S 226/13 Für einen Mangel durch Lärm kommt es auf die Frage, ob die Grenzwerte gewahrt sind, nicht entscheidend an. Denn auch wenn die Geräusche innerhalb der zulässigen Messgrenze liegen, genügt dies nicht für die Beurteilung, ob es sich bei dem Geräusch schon um eine Störung oder nur um eine hinzunehmende Belästigung handelt. Bei der Lärmbeeinträchtigung ist die Lästigkeit entscheidend, für die die Lautstärke nur eine Komponente.
13 Es gibt unterschiedliche subjektive Maßstäbe (Un-) Erheblichkeit des Lärms Empfindlichkeit des Lärmopfers Toleranzgebot Ein Geräusch erlangt erst dann juristische Bedeutung, wenn es ein normal empfindlicher verständiger Durchschnittsmensch nicht mehr erträgt, es sei denn, es ist ortsüblich oder unvermeidlich.
14 Keine Minderung für ortsüblichen oder sozialadäquaten Lärm BGH VIII ZR 155/11 In einem Mehrfamilienhaus sind gelegentlich auftretende Beeinträchtigungen wie etwa einzelne Streitigkeiten von Bewohnern oder gelegentliches Feiern als sozialadäquat hinzunehmen und noch nicht als Sachmangel gem. 536 BGB anzusehen. LG Berlin S 59/10 Das Berliner Landes-Immissionsschutzgesetz hat im Februar 2010 festgelegt, dass störende Geräusche, die von Kindern ausgehen, als Ausdruck selbstverständlicher kindlicher Entfaltung und zur Erhaltung kindgerechter Entwicklungsmöglichkeiten grundsätzlich sozialadäquat und damit zumutbar sind.
15 Ortsüblicher Lärm: Keine Unterlassungs- oder Minderungsansprüche, wenn der Lärm aufgrund normaler Wohnnutzung Begehen der Wohnung mit Straßenschuhen, Babygeschrei und gelegentliches Kindergetrampel, Betätigung der Wasserspülung und das Öffnen und Schließen der Fenster entsteht und kein rücksichtsloses Verhalten des Nachbarn vorliegt.
16 Das Gebot der Rücksichtnahme oder die Frage, ob der Lärm vermeidbar ist. Bei Haushaltsgeräten lässt sich der Lärmpegel nicht regulieren. Das Radio und der Fernseher hingegen können auf Zimmerlautstärke zurückgestellt werden. Insbesondere zu den allgemeinen Ruhezeiten, z.b. nach 22 Uhr, gilt der Grundsatz der Zimmerlautstärke. Während der Ruhezeiten muss nur Zimmerlautstärke geduldet werden (Immissionsschutzgesetz / Hausordnung)
17 Was kann der Mieter bei unzulässiger Lärmbelästigung tun? Mietminderung, Instandsetzungsanspruch (insbesondere bei baulichen Mängeln) Unterlassungsanspruch gegen den Störer Polizei / Einleitung eines strafrechtlichen Verfahrens
18 Vor- und Nachteile und Beratungsstrategie? Zeitaufwändiges Verfahren Gefährdung des Hausfrieden Gerichtliche Verfahren oft kostspielig Angst vor Rache Erfolg hängt maßgeblich von der Einsichtsbereitschaft des Störers ab
19 Beratungsstatistik des BMV: Von Beratungen in 2012, wurden 20% zu Mängeln durchgeführt. Während ein großer Anteil davon Schimmel und Feuchtigkeit betrifft, gut zwischen 5 und 10% wohl Lärm durch Nachbarn.
20 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
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