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- Gabriel Martin
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1 Pressezentrum Dokument: 0/215 CO Sperrfrist: Samstag, 16. Juni 2001; 09:00 Uhr Programmbereich: Bibelarbeiten Veranstaltung: Integrative Bibelarbeit für Menschen mit geistiger Behinderung besonders empfohlen Referent/in: Volker Niggemann, Pfarrer, Lobetal Ort: Messe, Halle 4.0, Raum Europa, Ludwig-Erhard-Anlage 1 Die blutflüssige Frau und die Tochter des Jairus Als Jesus und seine Jünger einmal von einer Ausfahrt mit dem Boot mal braucht man ja seine Ruhe zum Ufer zurückkamen, stehen schon viele Leute dort. Sie warten auf Jesus. Und aus der Menge drängte sich plötzlich ein älterer Mann vor; es war der Synagogenvorstehen Jairus; er war weit gelaufen, denn er erhoffte sich Hilfe von Jesus, und die brauchte er, denn seine kleine Tochter war sehr krank. Er hatte sie von Herzen lieb. Und als es nun mit ihr gar nicht besser werden wollte, war Jairus der Verzweiflung nahe. Wie oft hatten er und mit ihm seine Frau und seine Freunde zu Gotte gerufen und gebetet, aber es trat keine Besserung ein. Und: was passierte? Von Jesus hatte er gehört und dass er den Kranken, denen er begegnete, die Hände auflegte und sie heilte. Waren das Wunder? Jairus wusste es nicht. Es war ihm auch egal. Und dann fällt er vor Jesus nieder mit Tränen in den Augen und bittet ihn: Meine kleine Tochter ist schwer krank. Komm bitte, bitte mit, und mach sie wieder gesund. Welch eine Freude, welche ein Überraschung, als Jesus ohne Umschweife verspricht, in sein Haus zu kommen und ihm zu helfen: Vertrau mir, Jairus, hab keine Angst. Alles wird gut! Und was tat Jairus jetzt wohl? Und was macht Jesus? Wie eine Mutter einem tröstet, sagt er: Alles wird... Aber es war nicht leicht, durch die Menschenmassen zu kommen. Alle wollten etwas von Jesus. Viele wollten geheilt werden; andere wollten hören, was er zu sagen hatte, oder auch nur sein Gewand berühren. Was wollen die Leute von Jesus? So vergingen die Minuten, kostbare Zeit. Und da, was war
2 2 das? Eine Frau drängte sich von hinten an Jesus heran und berührt sein Gewand. Wie fühlen wir uns, wenn wir krank sind? Diese Frau war so schwach, dass sie schon mehr schleichen und kriechen als gehen konnte. Zwölf Jahre lang hatten bei ihr ihre Blutungen nicht aufgehört. Oft glaubte sie, davon so geschwächt worden zu sein, dass sie meinte, ihr letztes Stündlein hätte geschlagen. Ihr ganzes Geld hatte sie verbraucht, aber kein Arzt, kein Wunderheiler, keine Medizin hatte ihr helfen können. Ob es damals schon die AOK gab oder andere Krankenkassen? Und dann hatte sie eines Tages vom Jesus gehört. Wunderbare Dinge hatte man von ihm erzählt. Er war ganz anders in seiner Art als sonst die Priester und Rabbiner. Die machten immer einen Bogen, wenn sie kranken Menschen begegneten oder anderen, die nicht so waren wie sie. Und was macht Jesus? Aber Jesus ging auf diese alle zu. Er hatte keine Angst, dadurch unrein oder selbst krank zu werden. Und es ist merkwürdig, erzählten die Leute, die Kranken strahlten vor Freude, wenn sie ihn sahen. Offenbar spürten sie, da ist einer, der mir hilft. Ich habe jetzt einen Menschen, dem ich nicht gleichgültig bin. Wie geht es uns dann? Und oft, so berichten die Leute, musste wohl etwas wie eine unsichtbare Kraft auf sie übergegangen sein. Und so war es auch hier: Die Frau spürte plötzlich, dass diese Kraft sie heil gemacht hatte. Ihr sehnlichster Wunsch, sollte der in Erfüllung gegangen sein? Sie wusste, sie hatte wie eine Löwin gekämpft um ihre Selbsterhaltung, ein Gebot jüdischer Tradition war das; sich nicht aufzugeben, sondern als wertvoll und würdig zu betrachten, um das eigene Leben zu kämpfen. Das hatte sie getan, aber ehe sie noch weiter darüber nachdenken konnte..., da ertönte eine Stimme. Wer hat mich berührt? Wer hat mein Gewand angefasst? Die Frau erschrak. Hatte sie etwas Verbotenes getan? Und jetzt? Wie geht es uns, wenn einer fragt: Wer war das? Hätte sie doch nicht als Unreine, Ausgestoßene zu Jesus gehen dürfen? Angstschweiß lief über ihre Stirn... Sie dachte: Wird er mich jetzt bestrafen? Und, wird er sie bestrafen?
3 3 Die Jünger wollten ihn beruhigen und sagten: Hier ist soviel Volk, wie willst du wissen, wer dich angerührt hat? Da braucht du erst gar nicht nach fragen... Der Frau wäre das recht gewesen, aber Jesus schaute sie prüfend an, als ob er sagen wollte: Ich weiß schon, du warst s! Da verließen sie einen Moment die Kräfte. Sie sank in die Knie. Jetzt bin ich ertappt, jetzt wird er mich bestrafen. Aber Jesus sagte nichts. Er wartete. Und so wie er blickten jetzt alle auf sie, wie sie da auf dem Boden kniete. Ja, sie hatte sich selbst zu erkennen gegeben, als sie auf die Knie sank. Alle starren auf mich, und ich werde rot... Jetzt musste sie es wohl oder übel eingestehen: O Herr, sagte sie mit zitternder Stimme. Ich war s. Ich dachte mir: Wenn ich nur dein Kleid berühre, werde ich gesund. Seit zwölf Jahren leide ich unter starkem Blutfluss..." Und dann erzählte sie ihre ganze Geschichte wie gut das tut. Einer erzählt, ein anderer hört zu und es geht uns besser. Und jetzt ist etwas an mir geschehen, was ich noch gar nicht fassen kann. Mir ist wieder wohl, und ich bin wieder mit mir zufrieden. Bitte, strafe mich nicht, Herr! Wie soll ich dich strafen?, erwiderte Jesus. Meine Tochter, ich sehe, wie du mir vertraust, und dieses Vertrauen ist der Grund, dass es dir wieder gut geht. Sei wieder froh und gehe hin in Frieden. Und jetzt erst kam der arme leidende Vater wieder in den Blick, Jairus, dessen Töchterchen so krank war. Und jetzt schien alles für ihn zu spät. Seine Nachbarn kamen angelaufen: Jetzt ist es auch zu spät! Es hat keinen Sinn mehr, Jairus. Jesus kann hier nicht bleiben. Deine Tochter ist tot! Und wer ist hier jetzt ganz vergessen worden? Wie es da Jesus gegangen ist? Und Jairus schießen die Tränen in die Augen, aber Jesus geht ganz ruhig weiter: Hab keine Angst, hab nur Vertrauen!" Und Jairus konnte tatsächlich Vertrauen fassen und aufhören zu weinen. Er spürte: Ich bin nicht allein in meiner Not. Er ist ja bei mir. Er wird mich nicht im Stich lassen. Er wird mir helfen. Als sie nun endlich alle am Haus des Jairus ankommen, steht dort alles Kopf. Warum war da so ein Kracht?
4 4 Unbeschreiblicher Lärm tobte ihnen entgegen, heulende, klagende Menschen standen überall. Das war damals so Sitte; mit der Todesklage sollte die Endgültigkeit des Todes rausgeschrieen werden, aber Jesus wendet sich genau dagegen: Was weint ihr so? Ihr braucht die Totenklage nicht zu halten. Das Mädchen ist nicht tot. Es schläft nur! Was haben da die Nachbarn gedacht? Was haben sie gesagt? Da hättet ihr das Lachen hören müssen; die Leute lachten Jesus aus, sie klopfen sich auf die Schenken und tippen sich an die Stirn. Die Leute wissen: Das Kind ist tot, und was tot ist, bleibt tot. Jesus schickt jetzt alle fort. Alle weg. Alle raus. Ich will keine mehr sehn. Nur der Vater und die Mutter des Mädchens dürfen bleiben. Und drei seiner Jünger, die nimmt er mit ins Haus. Als nun Jairus seine Tochter so bleich und reglos da liegen sah, da zog sich sein Herz vor Schmerz wieder ganz zusammen. Doch dann sahen seine tränenfeuchten Augen, wie Jesus die Hand nach dem Mädchen ausstreckte, und er hörte zugleich Jesu Stimme: Wach auf, Mädchen, und lebe! Und er muss wieder weinen... Und was passiert? Und: Jairus konnte es kaum fassen, das Mädchen machte die Augen auf, seine Tochter setzte sich auf, sie lebte. Jetzt steigen den Eltern wieder die Tränen in die Augen - vor Freude. Warum das? Und? fragt Jesus, Wollt Ihr dem Kind nichts zu essen geben, und zu trinken? Es ist ganz sicher hungrig und sehr durstig... Und das Mädchen steht auf. Es geht zu Jesus. Die Eltern und die Jünger sind noch immer ganz erschrocken. Das haben sie nicht für möglich gehalten: Jesus hat den Tod besiegt. Ihre Tochter lebt, der Tod hatte nicht das letzte Wort. Kann Jesus zaubern? Will er das? (Ein, zwei Tricks vorführen) Leidfreies Leben ist eine Illusion, manchmal sogar Unglaube, weil man Jesus mit einem großen Leidwegzauberer verwechselt ( Oh, du ungläubiges Geschlecht! ). Nicht eine Krankheit steht im Zentrum, auch nicht das Thema Hauptsache gesund!, sondern Jesus richtet sein Hauptinteresse auf den Menschen.
5 5 Menschen brauchen Nähe und Berührung: Jesus selbst lässt sich berühren, salben und trösten (Annehmen-Können). Und Jesus berührt auch die, von denen sich andere lieber fernhalten oder fernhalten müssen (den Aussätzigen, den Sünder, die Toten, die menstruierende Frau). Dass es Menschen gibt, die krank sind oder behindert, und die ihr Leben trotzdem vorbehaltlos lieben, die sich auch von Gott geliebt wissen, das kuriert, das heilt uns alle von dem Irrglauben, dass wir bestimmte Leistungen, Fähigkeiten oder ein bestimmtes Aussehen vor Gott vorzubringen hätten. Ohne die Heilung der blutflüssigen Frau wäre die Rettung der Tochter eine letztendlich perspektivlose Tat, und ohne die Rettung der Tochter wäre die Heilung der Blutflüssigen perspektivlos. Gerade dagegen, dass der Tod mit allem Leid, das er verursacht, als unabänderliche Realität selbstverständlich angenommen wird, lehnen sich die neutestamentlichen Berichte über Totenauferweckung auf. Menschliche Not hat ein Anrecht darauf genauso ernstgenommen zu werden wie die Not, die sie verursacht. Jesus steht mit seinem Leben auf der Seite der Not. So berichten die Totenerweckungen davon, wie er der Not, die der Tod verursacht, entgegentritt. Mit seiner Bewegung, die aus dem Tod ins Leben führt, tritt er dem Gesetz, dass Erstorbenes unabänderlich tot ist, entgegen. Mose erhält den Auftrag, Israel aus Ägypten herauszuführen; eine Aufgabe, wie Luther sagt, die vier Könige nicht zustande zu bringen vermögen. Er, der Sprachbehinderte, der Stotterer, soll diese Aufgabe bewältigen? Wer hat denn dem Menschen das Mund geschaffen? Habe ich es nicht getan, spricht der Herr. Unbehinderte wie behinderte Leben kommen aus Gottes guter Schöpferhand. Unser Gott hat die Stummen und die Tauben ebenso geschaffen wie die Redegewandten, die Blinden ebenso wie die Sehenden. Sie alle sind von Gott her gesehen zu höchsten Aufgaben im Volk Gottes tauglich. Sende, wen du willst! Nur nicht mich! Eine solch scharfe Absage an einen Auftrag Gottes ist im Alten Testament einzigartig. Aaron wird nun zum Helfer für Moses eingesetzt, der Helfer als Diener. Beide werden hinsichtlich ihrer bevorstehenden Aufgabe gleichsam zu einer Symbiose zusammengebunden. Mit klarer Rangordnung. In der Natur nennt man ein solches Zusammenleben Symbiose. In der Gemeinde ergibt sich das nicht von selbst. Sie muss erst gelernt werden. Der auferstandene Christus ist selbst behindert, versehrt, mit Nägelmalen gezeichnet. Jesus geht zu denen, von denen sich sonst alle fernhalten; das führt zu der Erfahrung: Es gibt jemanden, dem ich nicht gleichgültig bin. Das lässt Kräfte wachsen, die heilend und belebend sind. Wer auf Gott vertraut, wird auch in Traurigkeit gestärkt, im finsteren Tal begleitet und in schwierigen und schlimmen Tagen getröstet. Gott hat mich lieb und gewollt so wie ich bin; er ist ei mir auch und gerade wenn ich leide oder traurig bin.
6 6 Erinnerungsgeschichten: So wie die Frau und das Mädchen damals können auch wir die Liebe Gottes erfahren. Gott hat jeden von uns so lieb, dass wir selbst als Tote wenn wir gestorben sind ihm nicht gleichgültig sind, nicht tot bleiben werden, sondern neu bei ihm leben werden. Die Totenklage soll die Endgültigkeit des Todes besiegen, aber Jesus wendet sich dagegen. Paulus (2 Kor 12, 6-10) wurde von Christus nicht seine Gesundheit gegeben, seinen Pfahl im Fleisch behielt er, er wurde aber in und mit seiner Behinderung mit Gotteskraft begabt. Wenn ich als Kind krank war, konnte meine Mutter und auch der Arzt oft nicht mir die Krankheit, den Keuchhusten oder was wegnehmen, aber Mutter war da, sie war die ganze Nacht an meinem Bett, blieb bei mir, hat mich getröstet, beruhigt und gestärkt.
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