Wie verstehen wir Supported Employment? Eine Standortbestimmung
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- Elvira Stieber
- vor 7 Jahren
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1 Einleitendes Statement an der Tagung vom in Olten Wie verstehen wir Supported Employment? Eine Standortbestimmung Thomas Rüst Im Zuge der Vorbereitung dieser Tagung wurde ich von aussenstehenden Referenten mehrfach gefragt "Wie versteht Ihr denn Supported Employment?" Ich denke, dies zu beantworten ist eine zentrale Herausforderung für supported employment schweiz, aber auch für jeden einzelnen von uns, der für sich in Anspruch nimmt, nach diesem Modell zu arbeiten. Ich versuche mich darum in einer Standortbestimmung angesichts der aktuellen Unübersichtlichkeit. supported employment schweiz sah sich von Anfang an damit konfrontiert, dass supported employment viele Geschichten hat, es ist zum einen ein aus den USA stammendes Modell und es hat andererseits auch viele eigenständige Wurzeln. Zur Unübersichtlichkeit dieser Entwicklung gehört, dass wohl niemand wirklich alles im Blick hat. Stationen der Entwicklung in der Schweiz In aller Kürze (ich habe an andern Orten mehr dazu geagt) will ich ein paar Stationen der schweizerischen Entwicklung skizzieren. Seit Mitte der 80er Jahre entstanden kleine Fachstellen, die Stellensuchende mit psychischen Beeinträchtigungen (vielfach mit Rente) vermittelten und sie und deren Vorgesetzte unterstützten. Bis Anfang 2000 waren es etwa ein Dutzend Fachstellen, die alle ohne Kenntnis und Bezug zu einem US-amerikanischen Modell aufgebaut wurden. Finanziert einerseits als Beratung Behinderter (IVG Art 74) oder im Rahmen beruflicher Massnahmen. Die internationale Diskussion zum Modell SE führte nach der Jahrtausendwende in der Schweiz zu drei Forschungsprojekten. Unsere Studie im im Rahmen des NFP 45 erfasste die bestehenden Modelle erstmals unter dem Blickwinkel des Supported Employment und untersuchte die bestehende Praxis. Fast gleichzeitig entstanden die beiden neuen, am amerikanischen Modell orientierten Projekte, welche - im Rahmen kontrollierter Studien - an der UPD in Bern und an der PUK in Zürich wissenschaftlich begleitet wurden. Damit gewannen die Begriffe Supported Employment und Job Coaching vermehrte Verbreitung. Das Berner Projekt nutzte die damals neue Regelung für externe geschützte Arbeitsplätze und entwickelte das Modell der virtuellen geschützten Werkstatt, das wiederum zur Grundlage anderer Fachstellen mit Leiharbeitsmodellen wurde. Die europaweit geführte sozialpolitische Diskussion zu Behinderung
2 und Integration brachte eine neue Dynamik - überall stiegen in den 90er Jahren die Kosten für Renten und andere Transferleistungen, während die Integration stagnierte - Die SUVA und die privaten Taggeldversicherer nahmen Managed Care Konzepte auf und bauten Case Management Angebote für erkrankte und verunfallte Versicherte auf, um deren Reintegration in die Arbeit zu unterstützen. Zunehmend engagieren sich auch Rentenversicherer in diesem Bereich Im Gefolge entstanden neu Privatfirmen, die meist im Auftrag von Privatversicherern entsprechende Dienstleistungen anbieten. Die IV führte zuerst in der 4. Revision die Arbeitsvermittler ein und mit der 5. IVG-Revision, die Möglichkeit, selbst insbesondere mit dem Modell WISA Integrationsmassnahmen am Arbeitsplatz durchzuführen. Die Dynamik erfasste auch viele Betriebe im Behindertenbereich, neue Coaching und Integrationsangebote mit Support werden entwickelt. Stehen vielfach Projekte für psychisch erkrankte Stellensuchende im Vordergrund, entstehen nun auch solche für Menschen mit Lern- oder geistiger Behinderung. Längst wird aber nicht mehr nur im Behindertenbereich von Support am Arbeitsplatz oder Job Coaching gesprochen. Der Begriff erreichte auch das Feld allgemeiner arbeitsmarktlicher Massnahmen und den Migrationsbereich Orientierung an der Haltung der EUSE Das Spektrum der Anbieter, Zielgruppen und Modelle ist weit. Die Umsetzungen sind immer auch geprägt von unterschiedlichen kulturellen und gesellschaftlichen Traditionen, gesetzlichen Grundlagen und Finanzierungsstrukturen. Dies gilt nicht nur für die Schweiz, sondern noch viel mehr in der Vielfalt europäischer Staaten. Dieser Herausforderung stand auch die European Union of Supported Employment (EUSE) gegenüber und sie entschied sich darum für eine sehr weite Definition: Supported Employment umfasst "das Unterstützen von Menschen mit Behinderung oder von anderen benachteiligten Gruppen beim Erlangen und Erhalten von bezahlter Arbeit in Betrieben des allgemeinen Arbeitsmarktes" Sie ergänzte diese Definitionen dann um Prämissen, sowie Werte und Prinzipien und die Grundelemente des Prozesses - als vielleicht noch nicht erreichte, aber anzustrebende Leitlinien. All dies findet sich in einer Publikation auf Im Bestreben, eine offene Plattform zu gründen hat sich supported employment schweiz diese Definition als erste Arbeitsgrundlage zu eigen gemacht. Die breite Teilnahme an dieser Tagung von Mitarbeitenden aus ganz unterschiedlichen Kontexten freut uns darum - mit Ihnen allen möchten wir den Dialog führen.
3 Supported Employment als gemeinsames Dach Ein gemeinsames Label, die Orientierung am Begriff und Modell des Supported Employment soll zur Klärung beitragen. Vergangenes Jahr hatte ich Gelegenheit an der Jahrestagung der BAG-UB teilzunehmen. In den Diskussionen dort hörte ich mehrfach den Satz: "Wo supported employment draufsteht, da soll auch supported employment drin sein". Doch - was ist nun supported employment? Evidence based Methods In der Medizin werden Methoden und Verfahren, die sich in der Praxis und mehreren unabhängigen Studien als erfolgreich erwiesen haben als "evidence based" bezeichnet. In der dabei international massgeblichen Cochrane Review wurde dies für Programme des "Supported Employment" bestätigt. In der Schweiz hält eine vom Eidgenössischen Büro für die Gleichstellung Behinderter (EBGB) in Auftrag gegebene Literaturstudie der Fachhochschule Nordwestschweiz fest: "Die Datenlage bezüglich Wirkungen von Gleichstellungsmassnahmen bei der beruflichen Integration von Menschen mit Behinderungen ist dünn, es bestehen grosse Forschungslücken." und dann Die besten Ergebnisse identifizierten wir für den Ansatz Supported Employment. Länderübergreifend wird von positiven Ergebnissen gesprochen. Solche Beurteilungen setzen nun allerdings voraus, dass Klarheit darüber besteht, was dabei beurteilt und empfohlen wird. Die Cochrane Review bezieht sich auf Modelle der Integration psychisch erkrankter Stellensuchender. Ein wesentliches - und vielfach beforschtes Modell - ist dabei das von Drake, Becker und anderen entwickelte IPS (Individual Placement and Support). Die Autoren haben eine Fidelity Scale entwickelt, d.h. eine Skala von 25 Kriterien, die sich in vergleichenden wissenschaftlichen Untersuchungen als relevant für eine erfolgreiche Umsetzung erwiesen haben. Anhand dieser Skala kann dann beurteilt werden, wie konsequent ein Projekt sich an Supported Employment im Sinne des IPS orientiert. Noch stammen zwar die meisten Forschungsdaten aus den USA und es werden mehr europäische Studien gefordert. Zwei wesentliche Forschungsprojekte aus dem europäischen Raum, die sich am IPS orientieren wurden an der Tagung präsentiert. Texte dazu werden demnächst auf finden sich ebenfalls auf dieser Webseite. Wie weit sich die dieser Skala zu Grunde liegenden Erkenntnisse auf andere Modelle des Supported Employment übertragen lassen, muss geklärt werden. Das Label Supported Employment allein genügt aber sicher nicht, um sich diese Federn an den Hut zu stecken. Auch die Studie des EBGB fügt an:
4 Es wurde aufgezeigt, dass der Erfolg dieses Ansatzes unter anderem darauf basiert, inwieweit bei der Umsetzung, die dem Ansatz zugrunde liegende Werthaltung von Chancengleichheit und Selbstbestimmung berücksichtigt ist" und nennt weitere Kriterien, die sie für notwendig erachten. Keine "reine" Lehre, aber Transparenz und Reflexion. Es kann nicht darum gehen, die "reine Lehre" des Supported Employment zu verkünden, aber wir sind herausgefordert uns nicht unter einem populären Begriff zu verbergen, sondern transparent zu machen, wie wir arbeiten und was wir für wesentlich erachten und uns mit Evaluationen und wissenschaftlichen Ergebnissen auseinanderzuseten und diese nach Möglichkeit umzusetzen. Die offene Plattform von supported employment schweiz soll einen Chance bieten, zu Klärung, Reflexion und Auseinandersetzung und - so hoffe ich - dazu beitragen, dass wir mehr Klarheit erhalten, was notwendig ist, was sich bewährt, und wie sich Modelle auch sinnvoll unterscheiden. Fragen als Anstoss Ein paar Stichworte und Anstösse zu dieser Diskussion: Tradition der Nichtdiskriminierung Supported Employment entstand in den USA wesentlich aus dem Kampf um gleiche Reche für Menschen mit Behinderungen und in der Auseinandersetzung mit Diskriminierung und Stigma. Das Recht auf eine regulär "bezahlte Arbeit" und einen Arbeitsplatz unter anderen nicht behinderten KollegInnen waren wesentlich und fanden ihre Unterstützung auch durch die amerikanische Gesetzgebung, die weniger auf sozialpolitische Massnahmen, als auf die Vermeidung von Diskriminierung angelegt ist. Dazu gehört, dass die ersten Modelle ursprünglich für die Menschen entwickelt wurden, die ohne entsprechene Massnahmen überhaupt keine Chance auf eine Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gehabt hätten. Im Fokus sind schwerst vermittelbare Stellensuchende. Im konkreten Alltag ist dies oft in Frage gestellt.: "Creaming" (Abrahmen) heisst der Fachausdruck dafür, dass man lieber erst und vor allem diejenigen vermittelt und begleitet, die einfacher zu platzieren, die erfolgversprechender zu sein scheinen - das entspricht dem Grundsatz des abnehmenden Grenznutzens - aus unserer Perspektive. Das Nachsehen haben diejenigen, die schon immer stärker benachteiligt waren. Es ergibt zudem auch ein falsches Bild, vom Aufwand der erforderlich ist.
5 Erlangen und Erhalten von Arbeit postuliert die Definition der EUSE. Ist die erfolgreiche Vermittlung auf eine Stelle Ende oder Anfang unserer Arbeit? Zweifellos ist das Finden einer geeigneten Stelle der Knackpunkt. Im Unterschied zu klassischen beruflichen Massnahmen, die sich vielfach nur auf Training und Vorbereitung konzentrieren, ist die Vermittlung zentraler Teil des Prozesses. Vermittelt die Fachstelle wie ein Stellenvermittlungsbüro? Coacht sie die stellensuchende Person beim selbst suchen? Nimmt man sich für die Situation und die Bedürfnisse eines Arbeitgebers gleichermassen Zeit, um Herauszufinden, wo er jemanden brauchen könnte? Gibt es ein "Job Development"? Dieser in den USA verbreitete Begriff Stellenentwicklung - meint einen Prozess, bei dem man mittels der Stellensuche - im Kontakt mit Arbeitgebern - versucht herauszufinden wie eine geeignete Stelle aussehen könnte und wo man so etwas finden kann. Liegt das Schwergewicht auf sorgfältigem Assessment, einer Arbeitsplatzanalyse und dem Suchen einer passgenauen Stelle - dem Matching oder versucht man rasch eine Stelle zu finden, um dann auf Grund der Erfahrungen weitere Schritte zu tun? Bedeutet Erhalten, dass man nur noch im Krisenfall interveniert oder beginnt mit der Stellenvermittlung erst ein längerdauernder Lernund Rehabilitationsprozess am Arbeitsplatz? Wartet man, bis der Klient oder der Vorgesetzte sich melden oder wird bei der Vermittlung das Coaching gemeinsam geplant? Bedeutet Erhalten, dass man Vorgesetzte und/oder Kollegen mit einbezieht, so dass sie zunehmend als "natural ressources" - als Kollegen eben - den notwendigen Support erbringen können? Gehört zum Support, dass man längerfristige Kooperationen mit Unternehmern aufbaut, so dass diese mehr Know-how entwickeln, wo Menschen mit Erwerbsbeeinträchtigungen oder vermehrtem Unterstützungsbedarf platzieren kann (an einer EUSE-Konferenz habe ich von Erfagruppen für Unternehmern gehört, die ihre Erfahrungen unter sich austauschen.) Gehört auch die berufliche Weiterentwicklung die Unterstützung im Sinne einer Personalentwicklung dazu und ev. auch die Unterstützung beim Suchen einer anderen, weiterführenden Stelle? Wie viel Zeit kann/soll man sich nehmen? Ist es wesentlich, dass man sich viel Zeit nimmt für die Vorbereitung, um genau die richtige Stelle finden zu können oder ist es wesentlich, dass man rasch einen Arbeitsplatz erhält, sich in der neuen
6 Rolle als Arbeitende(r) erleben kann und Bestätigung erfährt? Wie lange soll Support nach Vermittlung dauern? Die klassischen Definitionen gehen meist von einer zeitlich nicht begrenzten Unterstützung aus. Offen bleibt dabei, wie eng diese Begleitung ist und wie sie sich im Einzelfall entwickelt. Für nicht wenige Menschen ist Supported Employment auch eine Alternative zum geschützten Arbeitsplatz in einer Behinderteneinrichtung. Warum soll plötzlich zeitlich begrenzt sein, was dort selbstverständlich angeboten wird? Zwei deutsche Evaluationsstudien (zur Vermittlung lernbehinderter Mitarbeitenden) über mehrere Jahre weisen einerseits daraufhin, dass eine länger dauernde Unterstützung in vielen Fällen entscheidend war für den Erhalt der Stellen. Andererseits zeigen sie, dass selbst dort, wo zeitlich nicht begrenzte Unterstützung angeboten wird, vielfach nach 2-3 Jahren eine Loslösung erfolgt. 1 Oder wäre es (s.o.) viel wesentlicher natural ressources (Unterstützung von Kollegen) aufzubauen, als zu meinen, man müsse immer selbst unterstützen... In einem direkten Bezug dazu steht die Frage nach Fallzahlen, der case load. Sind 8-10 Personen, die viel Unterstützung benötigen, genug? Wie weit lässt sich die Zahl 25, die sich beim IPS findet auf andere Instututionen übertragen? Kann man mit 40 bis 50 "Fällen" gutes Supported Employment machen? Ich erinnere mich an das Referat eines englischen Verantwortlichen, der berichtete, sie hätten nach einer Evaluation die Fallzahlen gesenkt, da Job- Coaches mit weniger Fällen weit rascher und nachhaltiger vermittelt hätten......und das Umfeld Und wenn Sie nun ab und zu gedacht haben, "aber die Wirklichkeit, die ist nicht so" dann macht dies vielleicht nur deutlich, dass wir uns auch für Rahmenbedingungen einsetzen müssen, die eine entsprechende Umsetzung erst erlauben. Und damit schlage ich den Bogen zurück zu einer der Prämissen der EUSE, dass Supported Employment sich mit sozialen, politischen, praktischen und Verhaltensbarrieren auseinandersetzen muss, welche bestimmte Personengruppen von bezahlter Arbeit ausgrenzen. 1 Doose Stefan (2007) Unterstützte Beschäftigung: Berufliche Integration auf lange Sicht, Eine Verbleibs- und Verlaufsstudie, Lebenshilfe-Verlag, Marburg Projekt Integration 8 Jahre danach, Verbleib- und Verlaufssutdie, Landschaftsverband Westfalen-Lippe,
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