Einführung in die Astronomie & Astrophysik 5.6 Planetenentstehung
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- Heike Adler
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1 Einführung in die Astronomie & Astrophysik 5.6 Planetenentstehung Wilhelm Kley & Klaus Werner Institut für Astronomie & Astrophysik Kepler Center for Astro and Particle Physics Sommersemester 2011 Astronomie & Astrophysik (SS 2011)
2 5.6 Planetenentstehung Übersicht Einführung Sternentstehung Scheiben Planetenentstehung Bahnelemente Astronomie & Astrophysik (SS 2011) 1
3 5.6.1 Einführung Alter der Sonne Abgleich von Sternentwicklungsrechnungen mit seismologischen Daten der Sonne: Autoren Jahr Alter [Mia. Jahre] Guenther & Demarque ± 0.1 Bonnano, Schlattl & Paterno ± 0.11 Houdek & Gough ± 0.02 Parameter: - Elementhäufigkeiten - Opazitäten - Konvektion - relativistische Korrekturen Alter: ca. 4.6 Mia. Jahre Älteste Meteoriten sind gleich alt und chemisch gleich zur Sonne Gleichzeitige Entstehung von Planeten und Sonne Astronomie & Astrophysik (SS 2011) 2
4 5.6.1 Einführung Sonnensystem 8 Planeten: Merkur bis Neptun 5 Zwerg-Planeten: Ceres, Pluto, Eris, Haumea, Makemake Kleinkörper: TNO, Asteroiden, Kometen Kleinstkörper: Meteoriten, Staub koplanar, zirkulare, gleichförmige Bahnen prograde Rotation (mit Ausnahmen) 99% der Masse in Sonne 99% des Drehimpulses in Planeten erdähnliche/feste Planeten, Gasplaneten (mit Kernen) Alter: ca. 4.6 Mia. Jahre Titius-Bode Regel: r n = n (Johann Titius 1766) Astronomie & Astrophysik (SS 2011) 3
5 5.6.1 Einführung Kant ( ) Urnebel ist Ansammlung aus Staub und Meteoriten ungeordnete Bewegung im Innern wird abgeflacht durch Rotation Teilchen stoßen zusammen verlieren Energie sinken zum Schwerpunkt ab Sonnenbildung Planeten aus Verdichtungen, die Zentrum umkreisen Vorteil: Sonne bildet sich mit kleinem Drehimpuls Astronomie & Astrophysik (SS 2011) 4
6 5.6.1 Einführung Laplace ( ) Entstehung aus hydrodynamischem Kontinuum Astronomie & Astrophysik (SS 2011) 5
7 5.6.1 Einführung von Weizsäcker ( ) (ca. 1943) Gemeinsame Entstehung von Planeten und Sonne aus einer Gasscheibe Hier turbulente Gasscheibe Drehimpulstransport von Innen nach Außen Riesige Wirbel in Gasscheibe Konzentration von festem Material auf ringförmige Zonen Weiterentwicklung mit Lüst (Akkretionsscheibentheorie) Basis für heutige Modelle. (oft Kant-Laplace Nebularhypothese) Astronomie & Astrophysik (SS 2011) 6
8 5.6.1 Einführung Moderne Vorstellung Kollaps einer interstellaren Molekülwolke Leichte Rotation Abplattung Protostern im Zentrum und Scheibenbildung Vgl. mit Leukippos ( v.chr.) Die Welten bilden sich dadurch, dass die Körper in den leeren Raum herabsinken und sich miteinander verflechten. Astronomie & Astrophysik (SS 2011) 7
9 5.6.2 Sternentstehung Sternbild Orion M42 - Orionnebel Ansammlung sehr junger Sterne ( 10 6 Jahre) Sterne enstehen nicht allein, sondern in Sternhaufen aus Molekülwolken. Astronomie & Astrophysik (SS 2011) 8
10 5.6.2 Sternentstehung Sternhaufen (Chandra/Spitzer) M42 - Orionnebel Coronet Cluster (Corona Australis) Massereicher Haufen über 1000 Sterne Abstand über 1500 LJ Offener Haufen einige Dutzend Sterne Abstand 420 LJ Astronomie & Astrophysik (SS 2011) 9
11 5.6.2 Sternentstehung Die Dunkelwolke Barnard 68 Molekülwolke, absobiert das visuelle Licht Dichteverlauf in Wolke Sternbild Ophiuchus, Abstand 500 LJ Astronomie & Astrophysik (SS 2011) 10
12 5.6.2 Sternentstehung Mechanismus Mehrzahl der Sterne (ca. 90%) entsteht in Sternhaufen - Sternentstehungsgebieten, bis zu 10,000 Sterne - aus Molekülwolkenkernen - durch gravitativen Kollaps Jeans-Kriterium: (für Wolke mit Radius R und Masse M) Wolke gebunden falls E tot = E kin + E grav < 0 E grav = M 0 Gm(r) dm = A GM 2 r R E kin = Kollaps, falls: M J = Jeans-Masse A = 3 5 für ρ = const. hier A = 1 (1) 3M 2µm H k B T mittl. Molekulargewicht µ (2) M > M J = 3k BT 2Gµm H R (3) umformuliert mit M = 4π/3R 3 ρ M J ( kb T Gµm H ) 3/2 ρ 1/2 (4) Astronomie & Astrophysik (SS 2011) 11
13 5.6.2 Sternentstehung Überblick I Dunkle Molekülwolkenkerne Gravitations-Kollaps 1 pc AE (nach Hogerheijde, 2001) t = 0 J. J. Eingebetteter Protostern, T Tauri Stern, Akkretions-Scheibe, Ausstrom Akkretions-Scheibe, Ausstrom Astronomie & Astrophysik (SS 2011) 12
14 1 pc AE Sternentstehung Überblick II t = 0 J. Eingebetteter Protostern, Akkretionsscheibe, Ausstrom T Tauri Stern, Akkretionsscheibe, Ausstrom Huelle ~ 8000 AE Akkretions-Scheibe ~ 80 AE 100 AE (Hogerheijde, 2001) t J. t J. Astronomie & Astrophysik (SS 2011) 13
15 5.6.2 Sternentstehung Überblick III Vorhauptreihen-Stern, Scheibenentwicklung Hauptreihen-Stern, Planetensystem 100 AE 50 AE (Hogerheijde, 2001) t J. t > 10 7 J. Astronomie & Astrophysik (SS 2011) 14
16 5.6.2 Sternentstehung Scheiben um junge Sterne (HST) Im Trapez-Haufen Sternbild: Orion Abstand: 1500 LJ. Masse: ca Sterne Alter: um 1 Mio. Jahre Silhouette Scheiben mit rotem Protostern im Zentrum Vor hellem Hintergrund Astronomie & Astrophysik (SS 2011) 15
17 5.6.3 Scheiben Scheiben II Astronomie & Astrophysik (SS 2011) 16
18 5.6.3 Scheiben Spektrale Scheiben-Signatur Sternspektrum Infra-Rot (IR) Exzess Scheibe: - Innerer Rand - Silikat-Buckel (bei 10µm) - Zentrale Scheibe - Außen-Bereich Scheibenindikator: IR-Exzess Astronomie & Astrophysik (SS 2011) 17
19 5.6.3 Scheiben Lebensdauer der Scheiben Aus Infra-Rot (IR) Überschuss IR-Exzess vs. Alter Hfkt. der Scheiben nimmt mit Sternalter ab Lebensdauer: ca Jahre D.h. Planetenentstehung: innerhalb dieser Zeit (Montmerle et al. 2006) Astronomie & Astrophysik (SS 2011) 18
20 5.6.3 Scheiben Charakteristika Scheiben um T Tau Sterne Häufigkeit: um 50% der Sterne Masse: M Scheibe 10 2 M Sonne Durchmesser: AE Lebensdauer: 10 6 Jahre Akkretion: M /yr Zusammensetzung: 99% Gas, 1% Staub ( µm groß) Astronomie & Astrophysik (SS 2011) 19
21 5.6.3 Scheiben HD und Hale-Bobb Was haben diese 2 Objekte gemeinsam? Junger Stern mit Scheibe HST-Bild Pluto Orbit im Perihel, April 1997 Astronomie & Astrophysik (SS 2011) 20
22 5.6.3 Scheiben Spektrenvergleich Spektrum der Scheibe und ein Kometenspektrum sehen sich sehr ähnlich! HD Hale-Bopp amorphes Olivin ((Mg,Fe) 2 SiO 4 ), kristallines Forsterit (Mg 2 SiO 4 ) Astronomie & Astrophysik (SS 2011) 21
23 5.6.4 Planetenentstehung Überblick Planeten entstehen aus einer Scheibe: Protoplanetare Scheibe Astronomie & Astrophysik (SS 2011) 22
24 5.6.4 Planetenentstehung Zwei Hauptmechanism Gravitations-Instabilität (top-down) Sequentielle Akkretion (bottom-up) (L. Mayer) Selbstgravitierende Scheibe Dichte-Fluktuationen wachsen Spiralarme Planeten Schnelle Entstehung (10 3 Jahre) (Kurze Zeitskalen, entfernte Planeten) (NASA, U2) Von kleinen zu großen Teilchen Langsame Entstehung (10 6 Jahre) Brauche: Hohe Haftwahrscheinlichkeit (Kometen, Asteroiden, feste Planeten, Planetenkerne) Astronomie & Astrophysik (SS 2011) 23
25 5.6.4 Planetenentstehung I. Gravitations-Instabilität Betrachte lokale Dichtestörung in Scheibe Analytisch Stabilitäts-Kriterium (Toomre) Q c sκ 0 > 1 πgσ 0 with c s = Schallgeschwindigkeit κ 0 = Epizykel-Frequenz (Ω K ) Σ 0 = Flächendichte Numerisch Entwicklung einer isothermen Scheibe Finite-Differenzen Hydrodynamik Viskose Scheibe Druck & Rotation stabilisieren Dichte destabilisiert (vgl. Jeans) (Tobias Müller) Scheibe heizt sich auf bei Kompression, muss schnell kühlen Brauche: Kühlzeit Bahnperiode Schnelle Bildung Nur in großen Entfernungen vom Stern (ab ca AE, keine Kerne) Astronomie & Astrophysik (SS 2011) 24
26 5.6.4 Planetenentstehung II. Sequentielle Akkretion Koagulation of Staub & Akkretion von Gas (99% Gas, 1% Staub) Protostern Gas Staub Scheibe Wachstum: Staub Planeten (µm 1000km) (Massenwachstum von 35 Größenordnungen) - Sequenz von Kollisionen & Koagulationen - Späte Phase: Gas-Akkretion auf Kern Vorteil: Kerne von Planeten (Sonnensystem, Transit-Systeme) Nachteil: Lange Zeitskalen Äquator hilf Astronomie & Astrophysik (SS 2011) 25
27 5.6.4 Planetenentstehung Staubwachstum Labor-Experimente µm-große Teilchen Fraktales Wachstum Gut bis cm-bereich ( J. Blum, Braunschweig) Haftung durch Van der Waals Kräfte Astronomie & Astrophysik (SS 2011) 26
28 5.6.4 Planetenentstehung Teilchendynamik in Scheibe ( Jürgen Blum (Braunschweig)) Teilchen haben Relativgeschwindigkeit zum Gas Kräfte Problem I: Schnelle Drift nach Innen (bei 1m Größe: 1 AE / 100 Jahre) Astronomie & Astrophysik (SS 2011) 27
29 5.6.4 Planetenentstehung Teilchenkollisionen: Wachstum zu Planetesimalen ( 1 10km) durch Kollisionen/Akkretion? Teilchenmethode Smoothed Particle Hydrodynamics: Elastisch-plastisches Modell. Behandlung von Rissen und Porosität. 2 Basalt Kugeln: 2 poröse Kugeln: (Christoph Schäfer, Ralf Geretshauser, Roland Speith, Univ. Tübingen) Problem II: Zerstörerische Stöße Problem I & II: sog. meter-sized barrier Lösung: Poröse Körper? Astronomie & Astrophysik (SS 2011) 28
30 5.6.4 Planetenentstehung Weiteres Wachstum Planetesimale: - Objekte ab etwa 1-10km bis etwa Mond-größe. - Ausgangspunkt für spätere Phase der Planetenentstehung, - gravitative Wechselwirkung wichtig. Bei 1km Größe werden Teilchen gebraucht, um die terrestrischen Planeten zu erzeugen. Wichtig: Gravitational Focussing Zwei Körper können nur durch physische Stöße anwachsen Durch gegenseitige Gravitation wird effektiver Streuquerschnitt erhöht = Stark erhöhte Stoßwahrscheinlichkeit (R.Mardling) Astronomie & Astrophysik (SS 2011) 29
31 5.6.4 Planetenentstehung Terrestrische Planeten Wasseranteil der Körper Mit Jupiter (stationär) Langzeit N-body Simulationen etwa 2000 Objekte zu Beginn ca. 10 M Erde in [0.5, 5.0]AE mit Jupiter am heutigen Platz (Raymond et al., ) Anfänglich hat die Erde nur geringe Mengen an Wasser aufgrund der hohen Scheibentemperaturen d.h. Erde erhält Wasser aus außenliegenden Bereichen Astronomie & Astrophysik (SS 2011) 30
32 5.6.4 Planetenentstehung Massereiche Gas-Planeten (C. Dullemond) Staub Planetesimale (µm 1-10km, durch Kollisionen) Massereiche Planeten: Gravitation & Gas Akkretion Astronomie & Astrophysik (SS 2011) 31
33 5.6.4 Planetenentstehung Maximale Masse M p = 1 M Jup, a p = 5.2 AE, in Scheibe um 1 M sol Stern Hydrodynamische Entwicklung Spiralarme: stationär im System des Planeten. Lückenbildung: limitiert Wachstum bei etwa 1 M Jup Details (Lückenbreite und Tiefe) anhängig von: Viskosität, Druck, Planetenmasse Astronomie & Astrophysik (SS 2011) 32
34 5.6.4 Planetenentstehung Zusammenfassung Entstehung Planeten entstehen in protoplanetarer Scheibe (in einer Ebene, kreisförmige Bahnen) durch Sequenz von haftenden Kollisionen Innere Planeten: festes Material Äußere: gasförmig mit Kernen, bei großen Abständen Maximale Masse M Jup (Lückenbildung) Extrasolare Planeten? Astronomie & Astrophysik (SS 2011) 33
35 5.6.5 Bahnelemente Grundlagen Nach bzw. schon während ihrer Entstehung wechselwirken Planeten mit ihrer Umgebung. Dies führt üblicherweise zu einer Änderung der Bahnelemente (a, e, i) Vgl.: Heiße Planeten, hohe Exzentrizitären und Bahnneigungen Wichtig sind 3 Wechselwirkungen: mit der umgebenden Gasscheibe (eingebettete Planeten) mit den übriggebliebenen Planetesimalen (Sonnensystem) mit den anderen Protoplaneten (grav. Streuprozesse) Astronomie & Astrophysik (SS 2011) 34
36 5.6.5 Bahnelemente Ursache Planeten-Migration Planet mit 20 M Erde in protoplanetarer Scheibe Hydrodynamische Rechnung Scheibe mit konstanter Dichte (Masset, 2002) Planet erzeugt spiralförmige Störungen in der Dichte der Scheibe Diese bewegen sich mit dem Planeten mit Ω spiral = Ω planet (Vgl. Kielwasser in Schifffahrt) In der Gasscheibe: Ω(r) r 3/2 (Kepler) - Innere Welle ist langsamer als Gasscheibe - Äußere Welle ist schneller als Gasscheibe Anders formuliert: Innere/äußere Spiralen sind Wellen mit negativem/positiven Drehimpuls (bzgl. Scheibe) Reibung/Dissipation (Viskosität, Stoßwellen) - Innere Scheibe verliert Drehimpuls - Äußere Scheibe gewinnt Drehimpuls Abhängigkeit von Temperatur, c s (Masset, 2002) Planet transportiert Drehimpuls von innerer nach äußerer Scheibe Ändert dabei seinen eigenen Drehimpuls Migration Astronomie & Astrophysik (SS 2011) 35
37 5.6.5 Bahnelemente Migration im Sonnensystem Am Beispiel: Neptun und äußere Planetesimalscheibe (Gomes, 2003) Planetesimale werden von Neptun nach Innen gestreut (verlieren Drehimpuls) Neptun gewinnt Drehimpuls (Expansion der Bahn, Anregung der TNOs) Astronomie & Astrophysik (SS 2011) 36
38 5.6.5 Bahnelemente Exzentrizität (ē = 0.29) Radial Velocity Transit Solar 0.7 Eccentricity Distance [AU] Ursprung? Planet-Scheibe Wechselwirkung? Planet-Planet? Planet-Stern? Astronomie & Astrophysik (SS 2011) 37
39 5.6.5 Bahnelemente Planet auf exzentrischer Bahn Viskose Scheibe: M p = 20 M Erde, 2D-Rechnungen (Cresswell et al., 2007) e p = 0.1 Eccentrizität e(t) Scheibe-Planet Wechselwirkung dämpft Exzentrizität. Brauche Streuprozesse zwischen den Planeten, wenn diese sich zu nahe kommen, auch nach dem Verschwinden der Scheibe möglich (Chaotische Entwicklung) Astronomie & Astrophysik (SS 2011) 38
40 5.6 Planetenentstehung Zusammenfassung Planeten entstehen in protoplanetaren Scheiben Sequenzielle Akkretion vs. Grav. Instabilität Anfängliches Kollisionswachstum nicht gut verstanden Nahe (heiße) Planeten durch Scheiben Migration Exzentrische Planeten durch gravitative Streuprozesse Geneigte Bahnen durch Streuprozesse Beobachtungen: Immer neue Überraschungen! Astronomie & Astrophysik (SS 2011) 39
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