Mitbestimmung der Kinder im Hortalltag
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- Catharina Förstner
- vor 7 Jahren
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1 Mitbestimmung der Kinder im Hortalltag Team des Hortes Rasselbande an der Waldstadtgrundschule in Potsdam Im Jahr 2005 haben wir uns im Hort an der Waldstadtgrundschule in Potsdam mit dem Ziel auf den Weg gemacht, mehr Mitbestimmung und Mitverantwortung aller Kinder im Hortalltag zu ermöglichen. Mit viel Enthusiasmus, aber auch Skepsis haben wir uns gefragt: Kann das funktionieren? Wie können wir unser Ziel ereichen? Was bedeutet es für uns als Erzieherinnen? Was werden wir an Mitbestimmung zulassen können und wollen? Im folgenden Beitrag möchten wir unseren bisher gegangenen Weg vorstellen, erreichte Wirkungen und Ziele darlegen und zur Nachahmung ermutigen. Unser Einstieg in die Thematik war eine Weiterbildung, in der unter anderem die Chancen von Partizipation von Kindern, aber auch Ängste und Befürchtungen von Erzieherinnen thematisiert wurden 1. Folgende Fragestellungen standen hier im Vordergrund und haben uns auf dem weiteren Weg begleitet: Wissen Kinder mit 6 Jahren was sie wollen? Was ist Mitbestimmung kann ich hier auch mitmachen? Was heißt Eigenverantwortung wie können Kinder Eigenverantwortung lernen? Wie stellen Kinder Regeln auf? Kinder können selbst entscheiden können sie das bei uns wirklich? Kinder übernehmen Verantwortung wie können sie lernen diese zu übernehmen? Kinder haben individuelle Lerninteressen und -bedürfnisse, entspricht unsere Arbeitsstruktur diesen Bedürfnissen? Wenn ich als Erzieherin kein/e Bestimmerin mehr bin, wie fühle ich dann und welche Aufgaben habe ich? Ein erster Schritt in der Praxis war dann, zu ermitteln, ob die Kinder wissen, was sie wollen. Also war es wichtig, mit den Kindern ins Gespräch zu kommen. Im Gruppenalltag wurden intensive Gruppengespräche geführt. Uns als Team wurde schnell klar, dass die Kinder sehr wohl wissen, was sie wollen. Die Erzieherinnen sammelten unterschiedliche Meinungen, Ideen und Vorschläge der Kinder ein. Im Ergebnis griffen wir die Idee der Kinder auf, einen Kinderrat zu wählen. Jede Hortgruppe wählte zwei Kinderratsvertreter. Bei der Vorbereitung und Durchführung der Wahlveranstaltung zeigten die Kinder eine große Ernsthaftigkeit. Sie stellten eine Wahl- 1 Die Weiterbildungsmaßnahme wurde von Frau Dr. Stahnke-Jungheim durchgeführt, Mitarbeiterin am Institut für angewandte Familien, Kindheits- und Jugendforschung (IFK) e.v. an der Universität Potsdam. Unter anderem Mitautorin von: Das ist unser Hort! - Partizipation von Kindern in Horteinrichtungen. In: Sturzbecher, D. & Großmann, H. (Hrsg.). Praxis der sozialen Partizipation im Vor- und Grundschulalter (München 2003). 28 MITBESTIMMUNG DER KINDER IM HORTALLTAG
2 urne bereit, schrieben Begründungen für die Wahlvorschläge und erstellten ein Wahlprotokoll. So entstand ein wichtiges Mitbestimmungsgremium im Hort, unser Kinderrat. Die Kinder erarbeiteten sich mit Unterstützung einer Erzieherin ihre Aufgaben. Seit 2006 tagt der Kinderrat einmal wöchentlich. Die Kinder schreiben eigenverantwortlich das Protokoll der Sitzung. Es wird an der Informationstafel des Kinderrates für alle gut sichtbar veröffentlicht. Der Kinderrat ist der Ort für wichtige Entscheidungen, die alle betreffen, und für Aushandlungsprozesse. Die Kinder stellen hier Regeln auf, die für alle gelten, unterbreiten und diskutieren Vorschläge für Aktionen und Anschaffungen, suchen Spiele und Materialien aus. Dies beinhaltet das Ausfüllen des Bestellscheins und das selbstständige Bestellen per Fax oder telefonisch, überwachen die Einhaltung des vorgegebenen Budgets, haben Raum für ihre Beschwerden und suchen nach Lösungen, überprüfen und verändern die Raumgestaltung, planen Projekte und organisieren Feste. Durch die Mitwirkung der Kinder hat sich die Struktur unseres Hortes geöffnet und verändert. In den täglichen Kinderbesprechungen der Bezugsgruppen entwickeln die Kinder ihre Kommunikationsfähigkeit weiter. Sie sprechen über wichtige Ereignisse, Erlebnisse vom Vortag und was sie dabei besonders MITBESTIMMUNG DER KINDER IM HORTALLTAG 29
3 bewegt hat. Sie ermitteln, was gibt es Wichtiges für heute, und sammeln Ideen sowie Vorschläge für den Kinderrat. Die Kinder gehen bei Problemen gemeinsam auf Lösungssuche und probieren diese aus. Die Rolle der Erzieherinnen beschränkt sich darauf, an die Einhaltung der gemeinsam beschlossenen Kommunikationsregeln zu erinnern oder schwierige Gesprächsphasen zu moderieren. Schrittweise entstanden aus unseren Gruppenräumen Funktionsräume mit anspruchsvollen Bildungsangeboten wie Werken, Experimentieren, Lesen, Schreiben und Bewegen. Im Rahmen einer Projektarbeit mit Eltern und Kindern entstand eine Bibliothek. Mit viel Fleiß, Ausdauer, Mühe, Kreativität und Spaß malerten die Kinder ihre eigene Werkstatt und richteten diese nach ihren Vorstellungen ein. In der Werkstatt arbeiten sie konzentriert, ohne dass Erzieherinnen anwesend sind. Die Materialien für die neue Kinderküche besorgten Eltern. Eine Mutter unterstützt die Kinder beim Kochen und Backen. Unsere Bildungsangebote knüpfen heute sehr viel stärker an den Interessen der Kinder an. So gibt es unter anderem die Medien AG, den Koch-Club, die Holzwerkstatt und den Bibo-Club. Ihre Teilnahme an den Angeboten wählen die Kinder sehr bewusst aus. Die Kinder unterbreiten selbst Bildungsangebote, wie zum Beispiel Tanzen, Experimente, ein Regenwaldprojekt, das Nutheprojekt saubere Umwelt oder Eierkuchen backen. Sie planen und führen die Angebote selbstständig durch. Bei Bedarf holen sie sich Unterstützung bei uns Erzieherinnen. Diese Unterstützung erfolgt zunächst in fragender Form: Wobei kann ich helfen? Was braucht ihr zur Umsetzung? Als Arbeitsprinzip hat sich bei uns entwickelt, die Eigenaktivität der Kinder herauszufordern und zu fördern. Wir beobachten systematisch die Aktivitäten der Kinder, dokumentieren diese und führen Interviews mit den Kindern. So können wir immer besser die Stärken der Kinder erkennen und diese gezielt für deren Unterstützung nutzen. Wir kennen individuelle Besonderheiten, lernen, für uns schwierige Situationen auszuhalten und uns in diesen zurückzuhalten. Immer wieder sind wir erstaunt darüber, wie konstruktiv Kinder miteinander umgehen, ihre Konflikte lösen und welche Themen sie selbst gewählt bearbeiten. Immer mehr haben wir Erzieherinnen eine Funktion als Beraterin und Vermittlerin bei der Selbstorganisation der Kinder im Hortalltag eingenommen und nehmen diese bewusst wahr. Wir sind Ansprechpartnerinnen und bieten den Kindern Schutz, Orientierung, Unterstützung, Ermutigung und Geborgenheit. Klare Regeln, Rituale und eine gute Struktur helfen den Kindern sich zurechtzufinden. Kinder können nach dem gemeinsamen Mittagessen und der Kinderbesprechung ihren Hortalltag selbst organisieren. Das gilt auch für die Hausaufgaben. 30 MITBESTIMMUNG DER KINDER IM HORTALLTAG
4 In der Zusammenarbeit mit der Schule erhielten wir große Unterstützung. Es wurden zwei Klassenräume als Hausaufgabenzimmer eingerichtet, die jeweils mit einem/r Lehrerin und einem/r Erzieherin als Ansprechpartner für die Kinder besetzt sind. Die Kinder tragen sich in Anwesenheitslisten ein. Haben sie Probleme bei der Anfertigung der Hausaufgaben, gibt es diesbezüglich Notizen für den/die entsprechende/n Lehrerin und bei Bedarf Rückmeldungen an die Eltern. Den Kindern Mitbestimmung und Selbstorganisation zu ermöglichen, erfordert, ihnen einen klaren Orientierungsrahmen zu geben. Dafür wurde von uns eine Übersichtstafel an einer fest installierten Pinnwand entwickelt. Sie enthält Informationen zum Tag, zu den Aktionen in den Funktionsräumen, Zuständigkeiten der Erwachsenen oder der Kinder und wer wann in welchem Raum zu finden ist. Die Kinder und Besucherinnen des Hortes können sich hier einen Überblick verschaffen, sich selbst orientieren und organisieren. Jedes Kind erhält am ersten Schultag sein Namensschild, das es an der Pinnwand dort anpinnt, wo es sich gerade aufhält. Wenn es diesen Bereich verlässt, muss es eigenständig die Informationen auf der Pinnwand aktualisieren. Die Erzieherinnen unterstützen die Kinder dabei, indem sie ihre Namensschilder gemeinsam mit den Kindern anpinnen, sie an die Regel erinnern und kontrollieren. Was uns bei der Umsetzung geholfen hat: Interne pädagogische Beratung durch die Fachberaterin unseres Trägers, die Teilnahme an externen Weiterbildungsmaßnahmen. Teamsitzungen zur Planung und Reflexion der weiteren Vorgehensweise: MITBESTIMMUNG DER KINDER IM HORTALLTAG 31
5 das Arbeiten mit Zielvereinbarungen: Wo wollen wir hin? Detaillierte Maßnahmeplanung: Wie kommen wir ans Ziel? Was muss wie verändert werden? Zeitlich begrenzte Probephase der Maßnahmen und deren Reflexion im Team: Was gelingt gut? Was ist schwierig und welche Lösungen gibt es? Bewusstes Abschließen der Probephase, neue Zielvereinbarungen treffen, die intensive Zusammenarbeit mit der Schule und die gemeinsame Auseinandersetzung zu pädagogischen Grundsätzen: unser Bild vom Kind und daraus resultierende Handlungsweisen, Spannungsfeld von Freizeit im Hort und Hausaufgaben, Bedeutung der Mitbestimmung und Selbstorganisation von Kindern, die große Unterstützung bei der Raum und Personalplanung und Umsetzung durch die Schule, eine intensive Elternarbeit und Elternmitwirkung: Wir haben gemeinsam mit den Eltern unsere Erziehungsziele und die Rechte der Kinder erarbeitet. Ideen und Vorschläge der Eltern für die Veränderungen wurden im Vorfeld und bei der laufenden Umsetzung eingeholt. Die Eltern werden eingeladen, uns mit ihren Aktivitäten bei der Umsetzung zu unterstützen. Unsere Erkenntnis im Prozess ist, dass es auf jede Frage verschiedene Antworten und auf jede Antwort neue Fragen gibt. Jedes Kind ist einzigartig und hat sein eigenes Lerntempo. Die Kinder sind mit Kreativität, Aktivität, Fantasie, Offenheit, Ehrlichkeit, Ideen, Neugierde und Ausdauer dabei - wenn wir sie lassen. Wir sind als Team auf unserem Weg ein gutes Stück vorangekommen. Auch jeder Erwachsene hat sein Lern-Tempo. Wir lernen auf unseren Stationen, jede/-r anders, aber in einem sind wir uns ALLE einig: Es gibt noch viel zu entdecken und wir bleiben neugierig. Kontakt: Team des Horts an der Waldstadtgrundschule in Potsdam. Der Hort wird in Trägerschaft der AWO Kinder- und Jugendhilfe Potsdam ggmbh geführt und betreut zweihundert Grundschulkinder im Alter von sechs bis zwölf Jahren. Martina Brieskorn (Hortleitung) Friedrich-Wolf-Straße Potsdam Telefon: Fax: rasselbande@awo-potsdam.de 32 MITBESTIMMUNG DER KINDER IM HORTALLTAG
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