Lehmputz. Materialbeschrieb. Mineralische Werkstoffe > Lehmwerkstoffe

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1 Materialgruppen: Mineralische Werkstoffe > Lehmwerkstoffe Materialbeschrieb Lehmputz bezeichnet ein Gemisch aus Ton und unterschiedlich gekörnten Sanden, Wasser sowie gegebenenfalls organischen Zuschlagstoffen. Lehmputze werden seit Jahrhunderten auf Fachwerk- und Lehmsteinfassaden angebracht und können sehr lange erhalten bleiben, wie insbesondere Beispiele aus Japan bezeugen. Seit einigen Jahren findet Lehmputz aufgrund seiner raumklimatischen, reversiblen und ästhetischen Eigenschaften auch in der zeitgenössischen Architektur wieder Verwendung, gilt jedoch weiterhin als Nischenprodukt. Lehmputz ist ausserordentlich feuchtigkeitsregulierend, das heisst er kann sehr viel Feuchtigkeit aus der Luft aufnehmen (das Dreifache im Vergleich zu einem herkömmlichen Putz), diese speichern und bei Bedarf wieder abgeben. Zudem wirkt er geruchsabsorbierend. Aufgrund seiner reversiblen, wasserlöslichen Eigenschaften kann man ihn problemlos und beliebig oft ausbessern oder auch wieder abnehmen. Er verfügt über eine gute Bindekraft und Zugfähigkeit, so dass er auf verschiedensten Putzgründen haftet. In erstarrtem Zustand ist seine Druckfestigkeit sehr gering. Lehmputze können in ihrer natürlichen Farbigkeit belassen, mit Pigmenten eingefärbt oder mit einem Farbanstrich versehen werden. Man kann die Oberfläche auch mit Wachsen oder Ölen behandeln, wodurch allerdings die lehmtypischen Eigenschaften verlorengehen und ein erneuter Auftrag einer Putzschicht zum Ausbessern schadhafter Stellen unmöglich ist. Der Lehmputz eignet sich für mechanisch gering beanspruchte Flächen wie Wände und Decken von Wohnräumen, aber auch für Feuchträume wie Küchen und Bäder dort allerdings nur ausserhalb der Nass- und Spritzwasserbereiche. Man kann ihn als Unter- sowie als Deckputz einsetzen. Für Räume mit einer dauerhaften Feuchtigkeitsbelastung wie Grossküchen oder Hallenbäder ist Lehmputz ungeeignet. Im Aussenraum kommt er ebenfalls zur Anwendung, ist dort allerdings durch entsprechende Oberflächenbehandlung und/oder anderen Bewitterungsschutz wie Dachvorsprüngen zu schützen. Lehmputze können sowohl auf Lehmoberflächen als auch auf andere gängige Putzgründe wie Stein oder Beton aufgetragen werden. MATERIAL ARCHIV / 5

2 Ähnliche Materialien: Lehmmörtel Hintergrund Ökonomie: Mittlerweile werden einige Fertiglehmputze auf dem Markt angeboten. Ökologie: Lehmputz ist ein reiner Naturbaustoff, der oft vor Ort oder in der nahen Umgebung gewonnen werden kann. Recycling: Unstabilisierter Lehmputz, der frei von Verunreinigungen ist, kann problemlos wiederverwendet werden. Herstellung Fertigung: Lehmputz kann aus Grubenlehm, Lehmmehl oder Tonmehlkonzentrat mit Sanden und Wasser angerührt werden, wobei das im Lehm enthaltene Mineralgerüst für die Putzqualität entscheidend ist. Man unterscheidet zwischen Baustellenmischungen und werkmässig vorgefertigten Fertiglehmputzen. Letztere muss man nur noch vor Ort mit Wasser anrühren. Die einzelnen Putzlagen des fertigen Gemischs werden mit einer Kelle nass in nass auf einen geeigneten Untergrund aufgetragen. Eigenschaften Zusammensetzung/Analyse: Lehmputze können mit verschiedenen Zuschlägen pflanzlicher oder mineralischer Natur versetzt werden. Bei zu hohem Tonanteil muss der Putz durch den Zusatz von Sand und Schluff gemagert werden, Pflanzenfasern dienen der Bewehrung und verbessern die wärmedämmenden Eigenschaften. Sogenannte stabilisierte Lehmputze können Kalk, Zement, Gips, modifizierte Stärke oder Methylcellulose enthalten. In Afrika sind organische Zusätze wie Getreidespreu, Kuhmist, Mehl von Baobab-Früchten, Karité-Butter oder Termitenhügelerde gebräuchlich (Lauber, 40). Sie dienen als Bindemittel und verleihen dem Putz Festigkeit. Besonderheiten: Lehmputze mit organischen Zusätzen müssen unbedingt verstampft mehrere Monate lang eingesumpft werden. Durch diesen Prozess entstehen kolloidale Substanzen, die die Wasserdichte und das Aushärten des Putzes positiv beeinflussen (Lauber, 40). Durch den Zuschlag von Fasern wird die Rissbildung der Putzoberfläche minimiert. Ein grobkörniger Putz, der zusätzlich faserarmiert ist, kann dick aufgetragen werden und als Ausgleichsschicht eingesetzt werden. Um Unebenheiten oder unterschiedliche Materialien im Untergrund zu kaschieren, kann ein Jutenetz zwischen Grundputz und Deckputz eingebettet MATERIAL ARCHIV / 5

3 werden. Durch den Zusatz von Hanffasern, Blähglimmer (Vermiculit), Pflanzenkohle oder Kork kann man einen Isolierputz herstellen, der wärmedämmend und feuchtigkeitsabsorbierend wirkt. Erscheinung Aussehen: Je nach Oberflächenbehandlung, verwendetem Lehm und Zuschlägen kann ein Lehmputz sehr unterschiedlich aussehen. Vermiculit beispielsweise verleiht der Oberfläche Glanz. Farbe: Beigetöne, Brauntöne, Gelbtöne, Rottöne Lehmputze können je nach Ausgangsmaterial verschiedene natürliche Farbschattierungen aufweisen, von Braun- über Ockertönen bis hin zu Rot- und Gelbtönen. Zusätzlich können sie durch organische Zuschläge eingefärbt werden, zum Beispiel mit Pflanzenkohle, die nicht nur farbgestaltend wirkt, sondern auch feuchtigkeitsregulierend (Schmidt). Haptik: fest, glatt, griffig, hart, körnig, rau, samtig, strukturiert, trocken Die Haptik von Lehmputz wird durch die Körnung des verwendeten Materials, die Art der Oberflächenbehandlung sowie eventuelle Zuschläge bestimmt. Beständigkeit Lehmputz ist nur bedingt feuchtigkeitsbeständig Mechanische Eigenschaften Rohdichte grün: bis kg/m 3 Thermische Eigenschaften Wärmeleitfähigkeit/-zahl [λ]: bis W/mK Bearbeitung Formen und Generieren: Oberflächenbearbeitung: frei auftragen, prägen, spachteln aufrauen, bürsten, polieren Die Oberfläche eines Lehmputzes kann mit verschiedenen Techniken mechanisch bearbeitet werden, um eine spezifische Oberflächenstruktur zu erhalten. Oberflächenbehandlung: ölen, polieren Arbeitsschutz: MATERIAL ARCHIV / 5

4 Bei der Verarbeitung von Lehmputz ist kein besonderer Arbeitsschutz erforderlich. Anwendung Anwendungsgebiete: Bauwesen Anwendungsbeispiele: - Atelierhaus Boltshauser, Dubsstrasse, Zürich, CH, Wandputz Innenraum (Boltshauser Architekten GmbH, 2012) - Museum Kolumba, Köln, D, Wandputz Innenraum (Peter Zumthor, 2007) - Schulpavillon Allenmoos II, Zürich, CH, Wandputz Innenraum (Boltshauser Architekten GmbH, 2012) - Wohnhaus zur Waid, Rossau, Mettmenstetten, CH, Wandputz in allen Innenräumen (Arge Bhend Klammer Architekten und Ramser Schmidt Architekten, 2009) Sammlungen Muster in folgenden Sammlungen: ETH Zürich Baubibliothek, Gewerbemuseum Winterthur, HKB Bern Fellerstrasse, HSLU T+A Campus Horw, Sitterwerk St. Gallen, ZHAW Winterthur Halle 180 Standort in der Sammlung ETH Zürich Baubibliothek: AP Gewerbemuseum Winterthur: Mineralische Werkstoffe > Schublade 31 HKB Bern Fellerstrasse: KuR ZHAW Winterthur Halle 180: BauStoffArchiv Spezialmuster ETH Zürich Baubibliothek: diverse Oberflächenstrukturen und -behandlungen Bezugsquelle Musterherstellung: Kolumba-Putz: Stuck & Akustik Weck GmbH, Köln, D Lehmputz auf Basis genormter Fertigmischungen: Lanatherm, Sennwald, CH Claytech, Viersen-Boisheim, D selbsthergestellte Lehmputze: Lehmbaubüro GmbH, Doris Müller, Ossingen, CH MATERIAL ARCHIV / 5

5 Quellennachweis Verwendete Quellen: Benad, M. (2003). Das 1 x 1 der Spachteltechniken. Von Kalk bis Kunstharz: Trends mit Tradition. München: Deutsche Verlags-Anstalt, S Benad, M., & Ziegler, P. (2012). Edle Putz- und Spachteltechniken. Handwerkliches Gestalten hochwertiger Oberflächen. München: Deutsche Verlags-Anstalt, S Dachverband Lehm e. V. (Hrsg.) (2009). Lehmbau Regeln. Begriffe Baustoffe Bauteile. Wiesbaden: Vieweg + Teubner, S Hegger, M. (2005). Baustoff-Atlas. Basel: Birkhäuser, S Lauber, W. (2011). Die traditionelle Lehmbauweise der Dogon. In: W. Lauber (Hrsg.). Architektur der Dogon. Traditioneller Lehmbau in Mali. Ostfildern: Hatje Cantz Verlag, S Maier, J. (2007). Putz und Stuck. Materialien, Anwendungstechniken, Restaurierung. Stuttgart: Fraunhofer IRB-Verlag, S Mees, G., & Slaets, P. (2012). Materialien für den Innenraum. Eigenschaften Funktion Ästhetik. München: Deutsche Verlags-Anstalt, S Raith, W. (2005). Lehm, Tadelakt, Kalk. Anleitungsbuch für die Baupraxis. Ditzingen: Tervehn, S Röhlen, U., & Ziegert, Ch. (2010). Lehmbau-Praxis. Planung und Ausführung. Berlin: Bauwerk Verlag GmbH, S Schmidt, H.-P. (2014). Pflanzenkohle mit hervorragenden Dämmeigenschaften. In: Coviss, Nr. 4, ( ). Weitere Quellen: Material-Archiv-Signatur: MIN_WER_LEH_6 Text verfasst von: ETHZ, KB, 2014 Stand: (Online-Schaltung: ) Permalink: materialarchiv.ch/detail/1644 MATERIAL ARCHIV / 5