Mit Diabetes unbeschwerter leben

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1 R. Herrmann, J. Bauer, V. Jung Mit Diabetes unbeschwerter leben Wissenswertes über die Insulinpumpen-Therapie 4. Auflage

2 Herausgeber: Roche Diagnostics GmbH Sandhofer Straße 116 D Mannheim Kundenservice Tel info@disetronic.de Auflage 2004 ISBN Vertrieb nur über Roche Diagnostics GmbH Inhalt Einleitung 7 1. Geschichte der Insulipumpen-Therapie Wer eignet sich für eine Insulipumpen-Therapie Vorteile der Insulinpumpen-Therapie Nachteile der Insulinpumpen-Therapie Gründe für eine Insulinpumpen-Therapie Voraussetzungen für eine Insulinpumpen-Therapie Gegenanzeigen für eine Insulinpumpen-Therapie Gesetzliche Grundlagen Eigene Erfahrungen 25 Autorenteam: Dr. med. Rudolf Herrmann Dr. med. Volker Jung Saale-Klinik Bad Kissingen Reha-Zentrum der BfA Pfaffstraße Bad Kissingen Tel.: 09 71/85 01 Telefax: 09 71/ Dr. med. Johannes Bauer Hochrheinklinik Bad Säckingen Bergseestraße Bad Säckingen Tel.: /558-0 Telefax: / Insulinbedarf: Bolusgröße und Basalrate Bolusabgabe Nahrungsbolus Korrekturbolus Besonderheiten Basalrate Tageszeitabhängiger Rhythmus Höhe der Basalrate Ermittlung der Basalrate Überprüfung der Basalrate Das»PPL-System«: Plane prüfe lerne Planen Prüfen Lernen Ergänzungen und Kritische Anmerkungen zum PPL-System Beispiele zum PPL-System Insuline für die Insulinpumpenbehandlung Humaninsuline Kurzwirksame Insulinanaloga Vorteile der Therapie mit kurzwirkenden Insulinanaloga Nachteile der Therapie mit kurzwirkenden Insulinanaloga Weitere Hinweise für die Behandlung mit kurzwirksamem Insulinanalogon 90

3 Inhalt Inhalt 5. Katheter: Schnittstelle bei der Insulinpumpen-Therapie Katheteraufbau Katheterangebot Katheter mit Metallkanüle Teflonkatheter Gegenüberstellung der wichtigsten Katheterarten Katheterwechsel Folien und Pflaster Katheterprobleme und wie man sie vermeidet Insulinpumpe und Technik Bedienung Basalratenprogrammierung Bolusabgabe Insulinampullen Abruf wichtiger Informationen Sicherheitssystem Insulinpumpe und Handy Zwei-Insulinpumpen-Konzept Leben mit der Insulinpumpe Tragen der Insulinpumpe Insulinpumpe und Psyche Pause von der Insulinpumpe Autofahren und Insulinpumpe Urlaub und Insulinpumpen-Therapie Das gehört in ein»notfall-täschchen« Krankheit im Urlaub Insulin im Ausland Ambulante Weiterbehandlung Insulinpumpe und körperliche Aktivität Einflussgrößen bei Muskelarbeit Spontane körperliche Arbeit Geplante körperliche Aktivität Insulinpumpe als»störfaktor«beim Sport Probleme und Warnhinweise Blutzuckermessgeräte Messgenauigkeit Fehlermöglichkeiten Gerätetypen Tipps und Hinweise Insulinpumpen-Therapie und Ketoazidose Entwicklung einer Ketoazidose Häufigkeit der Ketoazidose bei der Insulinpumpenbehandlung Ketoazidose-Ursachen bei der Insulinpumpen-Therapie Rechtzeitiges Erkennen der Ketoazidose Behandlung der Ketoazidose durch den Insulinpumpenträger Entgleisungssimulation Unterzuckerung Insulinpumpenbehandlung bei Hypoglykämieproblemen Risikosituationen Vermeidungsstrategien Behandlung einer Unterzuckerung Fehlermöglichkeiten Tipps für Helfer bei schwerer Unterzuckerung Ernährung Allgemeine Bemerkungen Genuss ohne Reue Insulintypische Besonderheiten Gesunde Ernährung Gefahren einer Ernährungsliberalisierung Glykämischer Index Hoher Eiweißanteil Alkohol Übergewicht Essstörung Weitere Hinweise Irrtümer und Mythen Was ein Insulinpumpenträger unbedingt beachten sollte Erhebliche Blutzuckerschwankungen 220

4 Inhalt 14. Krankheitsbewältigung Allgemeine Behandlungsziele Persönliche Bewertung Realistische Sichtweise Verhältnis Patient Therapeut Hilfreiche Einstellungen Weitere Informationen Adressen Literaturhinweise Hilfreiche Internetadressen Insulinpumpennotfallausweise in verschiedenen Sprachen Umrechnungstabelle für Blutzuckerwerte 248 Einleitung Für die Behandlung des Typ-1-Diabetikers ist heute die»intensivierte Insulintherapie«allgemein anerkannter Standard. Wesentliche Voraussetzungen hierfür sind regelmäßige Blutzucker-Selbstkontrollen und die eigenverantwortliche Dosisselbstanpassung durch den gut geschulten Diabetiker. Eine Sonderform der intensivierten Therapieform ist die Insulinpumpenbehandlung - auch CSII genannt, d.h. kontinuierliche (engl. continuous) subkutane Insulin-Infusion. In diesem Fall erfolgt die Insulinabgabe mit einer Insulinpumpe, die ständig über ein Katheter-Schlauchsystem Insulin in das Unterhautfettgewebe abgibt. Die Insulinpumpen-Therapie ist heute eine etablierte und immer häufiger angewandte Behandlungsform für den Typ-1-Diabetes. In der Bundesrepublik Deutschland werden derzeit über 8-9% der Typ-1-Diabetiker, d.h. rund Menschen mit dieser Methode behandelt. Dabei werden an den Insulinpumpenträger* selbst, aber auch an das betreuende Team (Diabetesberater, Diabetologen, niedergelassene Internisten und Allgemeinärzte) zusätzliche Anforderungen gestellt, um die komplexen pumpentypischen Besonderheiten im Alltag sinnvoll umsetzen zu können. Wenn die allgemeinen Behandlungsziele, d.h. Wohlbefinden des Diabetikers und Stabilisierung des Blutzuckerverlaufs im normnahen Bereich, mit einer Insulinpumpe verbessert werden sollen, muss für jeden Insulinpumpenträger eine»maßgeschneiderte«insulintherapie gefunden werden. Hierzu ist umfangreiches Wissen notwendig, nach welchen Gesetzmäßigkeiten die körpereigenen Regulationsmechanismen zur Blutzuckersteuerung erfolgen, aber auch die Kenntnis von Störfaktoren, Möglichkeiten der Beeinflussung und deren Alltagsrelevanz. Weiter geht es darum, neben dem Wissen um die Insulinpumpentechnik ein großes Repertoire an Erfahrung zu erwerben. Unser Autoren-Team ist seit vielen Jahren mit der Ersteinstellung, Schulung und Weiterbetreuung von Insulinpumpenträgern beschäftigt und konnte dabei einen reichhaltigen Erfahrungsschatz sammeln. Dies wird durch persönliche Betroffenheit ergänzt: Ein Mitglied unseres Teams ist selbst seit vielen Jahren Insulinpumpenträger. Bereits drei Jahre nach dem erstmaligen Erscheinen unseres Insulinpumpenbuchs war die 4. Auflage erforderlich. Dies zeigt, wie groß das Interesse an Informationen über den praktischen Umgang mit einer Insulinpumpe ist. Gleichzeitig werden wir be- * Um die Lesbarkeit des Textes zu vereinfachen, sprechen wir verkürzt vom»insulinpumpenträger«und meinen damit explizit»insulinpumpenträgerin und -träger«. 7

5 Einleitung Einleitung eine praktische Hilfe für den nicht immer unbeschwerten Alltag von Insulinpumpenträgern sein. Über wesentliche Ergänzungen, widersprüchliche Erfahrungen, aber auch mutmachende Bestätigung aus dem Leserkreis würden wir uns sehr freuen. Zahlreiche Tipps und praktische Anregungen, die in dem Buch enthalten sind, haben wir von Betroffenen erhalten. Vieles durften wir von den zahlreichen Insulinpumpenträgern lernen, die wir in den vergangenen Jahren eine kurze Wegstrecke in ihrem Leben als Menschen mit Diabetes begleitet haben. Rudolf Herrmann Johannes Bauer Volker Jung stätigt, die Bedürfnisse einer großen Leserschaft sei es von Insulinpumpenträgern, noch Unentschlossenen oder Schulungspersonal zu kennen. Die Neuauflage ist bereits im äußeren Erscheinungsbild anders, inhaltlich erfolgte ein komplette Überarbeitung, außerdem änderte sich auch die Autorenreihenfolge. Bereits vorhandene Themen wurden ergänzt und auf den neuesten Stand gebracht: Das Angebot an Insulinsorten und Insulinpumpenmodellen hat sich verändert, das Spektrum der Katheter ist vielfältiger geworden. Die Ausführungen über Insulinpumpenpausen, körperliche Aktivität und Unterzuckerung haben wir erweitert. Das Kapitel über Indikationen zur Insulinpumpen-Therapie ist bewusst sehr umfangreich gestaltet. Dem gegenübergestellt sind die Empfehlungen aufgrund von Leitlinien, wie sie von medizinischen Fachgesellschaften erarbeitet wurden, außerdem die gesetzlichen Vorgaben nach dem Hilfsmittelverzeichnis sowie individuelle Erfahrungen und persönliche Bewertungen der Autoren. Vollkommen neu sind die Abschnitte über Ernährung, Blutzuckermessgeräte, Krankheitsbewältigung, das»ppl-system«und das Kapitel»Irrtümer und Mythen«. Bei allen, die zur Entstehung dieses Buches beigetragen haben, möchten wir uns sehr bedanken. Frau Dr. Langen, Fa. Roche Diagnostics, hat das Kapitel über Insulinpumpe und Technik ergänzt. Bei der formalen Gestaltung sind wir von Frau Buchmüller, Marketing Service, Mainz und von Frau Wesely, Fa. Roche Diagnostics, wesentlich unterstützt worden. Die umfangreichen Schreibarbeiten wurden von Frau Günther, Saale- Klinik, gewissenhaft und mit großer Geduld erledigt. Nicht zuletzt gilt ein herzlicher Dank unseren Frauen Helga Herrmann, Barbara Bauer und Angela Hildenbrand-Jung, die viel Verständnis für unser berufliches Engagement aufbringen. Aus Gründen der Übersichtlichkeit haben wir auf die konsequente Doppelangabe der Blutzucker-Werte in mg/dl und mmol/l verzichtet. Wir verweisen auf die Umrechnungstabelle auf Seite 248. Bad Kissingen, März 2004 Rudolf Herrmann Johannes Bauer Volker Jung Wir wollen den Leser zum Hinterfragen der eigenen Vorgehensweise anregen, ausführliche Checklisten können Handlungsabläufe erleichtern, umfangreiche Aufzählungen verschiedener Möglichkeiten sollen die Vielfältigkeit mancher Probleme verdeutlichen, praktische Beispiele können die Verständlichkeit von komplizierten Ausführungen verbessern. Unsere Absicht ist auch, zu einem weitgefächerten, phantasievollem Nachdenken anzuregen und die eigene Meinungsbildung zu erleichtern. Gewisse inhaltliche Überschneidungen sind gewollt, sie sind Ausdruck für die Komplexität der Thematik. Wir sind davon überzeugt, dass Dogmatismus zur Behandlung von Menschen mit Typ-1-Diabetes wenig hilfreich ist. Es geht uns nicht primär darum, allgemeingültige, verbindliche Richtlinien zu formulieren. Stattdessen berichten wir immer wieder über eigene Erfahrungen. Wir möchten Denkanstöße geben gemäß dem Motto:»Für ein Problem gibt es meist viele verschiedene Lösungen«. Unser Buch will 8 9

6 1. Geschichte der Insulinpumpen-Therapie Vom Dinosaurier zur High-Tech-Insulinpumpe Auf dem Weg von den ersten Prototypen bis zu den heutigen Insulinpumpen hat sich in den letzten 25 Jahren Beachtliches getan. Bezüglich Insulinpumpengröße, Insulinpumpenleistung, Bedienungskomfort und technischer Sicherheit bleiben heute kaum noch Wünsche offen. Nach einer kurzen Phase der Insulinpumpen-Therapie in die Vene, begann Ende der 70er Jahre die subkutane Abgabe mit recht großen und schweren Geräten wie dem Mill-Hill-Infuser und der Auto-Syringe-6C-Insulinpumpe. Ältere Insulinpumpen-Modelle 10 11

7 1. Geschichte der Insulinpumpen-Therapie 1. Geschichte der Insulinpumpen-Therapie Diese waren, streng genommen, keine Insulin- sondern Medikamentenpumpen z.b. für die Applikation von Schmerzmitteln, deren Förderrate nicht in Insulineinheiten geeicht war. Eine Umrechnung in Insulineinheiten war daher notwendig und zeitraubend. Bei der Mill-Hill-Insulinpumpe wurde der Bolus mechanisch durch Drehen einer Rändelschraube abgegeben. Die Basalrate musste durch Änderung des Mischungsverhältnisses von Insulin und Kochsalzlösung angepasst werden, da die Förderrate konstant war. Alarmsysteme gab es praktisch nicht. Im Laufe der Jahre kamen zahlreiche Insulinpumpenmodelle auf den Markt, die zunehmend kompakter und technisch ausgereifter waren gab es mit dem Hoechst MRS1-Infusor erstmals eine Insulinpumpe, mit der die Basalrate stündlich programmiert werden konnte. Dieser Infusor wurde von der Schweizer Firma Disetronic entwickelt, hergestellt und von Hoechst vertrieben. Schrittweise wurden die Nachfolgemodelle, die Insulinpumpen H-TRON und D-TRON von Disetronic verbessert bzw. entwickelt bis hin zu den heutigen Modellen. Die niederländische Firma Dahedi stellte ihre»rw-insulinpumpe«mitte der 80iger Jahre vor. Es handelte sich zunächst um eine Einbasalratenpumpe, die in einer späteren Version mit einer alternativen Basalrate versehen wurde. Diese Insulinpumpe wurde bis 2003 von Disetronic vertrieben. Aktuelle Insulinpumpenmodelle der Firma Medtronic Minimed Die von der Firma Medtronic Minimed entwickelten Insulinpumpen hatten zunächst vier, sechs und zwölf Basalratenfelder. Mittlerweile wird die Medtronic Minimed 508 mit 48 Basalraten pro 24 Stunden angeboten. Seit Anfang 2003 ist das Pumpenmodell Paradigm der Firma Medtronic Minimed auf dem Markt. Aktuelle Insulinpumpenmodelle von Roche Diagnostics (Disetronic) 12 13

8 1. Geschichte der Insulinpumpen-Therapie 1. Geschichte der Insulinpumpen-Therapie Insulinpumpenname Herstellungs- Besonderheiten land Mill-Hill-Infusor GB eine Basalrate ab ca Insulin-Kochsalzmischung nur eine Vorschubgeschwindigkeit Bolus mechanisch über Rändelschraube Auto-Syringe 6C USA eine Basalrate ab ca Insulin-Kochsalzmischung Vorschubgeschwindigkeit wählbar CPI 9100 USA erste Insulinpumpe mit alternativer Basalab ca rate, die jeden Abend programmiert werden musste Sicherheitsschaltung Siemens Promedos D Rolleninsulinpumpe mit einer Basalrate ab ca Zusatzrate in Rechteckform möglich Auto-Syringe 8 MP USA erste Insulinpumpe mit 4 Basalraten ab ca Alarmsystem verbessert Insulinkonzentration programmierbar Betatron II USA alternative Basalrate ab ca reichhaltigere Alarme Nordisk-Infuser GB eine Basalrate ab ca vorgefüllte Insulinpatrone mit U100-Insulin robustes Gehäuse aus Spritzguss Medtronic Minimed 504 USA 4 Basalraten ab ca Dahedi RW 90/91 Niederlande eine Basalrate ab ca später auch als RW 90/91 P mit alternativer Basalrate Hoechst MRS1-Infusor Schweiz erstmals 24-Stunden-Basalratenprofil 1985 mit externem Programmiergerät Zusatzrate als 1-stündiger Rechteckbolus Insulinpumpenname Herstellungs- Besonderheiten land H-TRONplus Schweiz erweiterter Datenspeicher: Disetronic 1997 letzte 10 Boli mit Uhrzeit, letzte 5 Error-Meldungen mit Uhrzeit vorübergehende Basalratenerhöhung in 10%-Schritten über 12 Stunden (z.b. bei Grippe) vorübergehende Basalratensenkung in 10%-Schritten über 4 Stunden (z.b. bei längerer Wanderung) Fertigampullen (3 ml) mit stabilisiertem Insuman Infusat Stündlich programmierbare Basalrate über 24 Stunden Zwei-Pumpen-Konzept, d.h. ständig Ersatzinsulinpumpe verfügbar D-TRONplus Schweiz Vorgefüllte 3 ml Patronen mit Humalog Disetronic 2002 verwendbar Spezielles Druckventil auch für verminderten Druck in der Ampulle Zwei verschiedene Basalraten programmierbar Zeitintervall für prozentuale Basalratenerhöhung und -absenkung am Gerät programmierbar Bolusstreckung über vorwählbares Zeitintervall Beleuchtetes Display Vibrationsalarm Anzeige des Restinhaltes der vorgefüllten Ampulle Zwei-Pumpen-Konzept Datenspeicher Tastensperre Syrotron 40 DDR eine Basalrate ab ca Abb. 1: Historische Insulinpumpenmodelle Abb. 2: Aktuelle Insulinpumpenmodelle 14 15

9 1. Geschichte der Insulinpumpen-Therapie Insulinpumpenname Herstellungs- Besonderheiten land Dahedi 25 Früher Holland, Stündlich programmierbare Basalrate nun Deutschland über 24 Stunden Pause nach Bolus (vorübergehender Stop der Basalrate in Abhängigkeit von der Bolusgröße) Fertigampullen mit stabilisiertem U100-Insulin (Insuman Infusat) Insulinpumpe wasserdicht z.zt. kleinste Insulinpumpe (67 x 43 x 20 mm) ständig Ersatzinsulinpumpe verfügbar 2. Wer eignet sich für eine Insulinpumpen-Therapie?»Mit einer Insulinpumpe habe ich immer normale Blutzuckerwerte.Mit der Insulinpumpe kann ich meinen Diabetes vergessen.ich brauche viel weniger Selbstkontrollen als unter der herkömmlichen Therapie.«Dies sind Aussagen von Patienten, bei denen eine Insulinpumpen-Therapie höchstwahrscheinlich scheitern wird. Die Therapie mit der Insulinpumpe ist nur so gut wie ihre Anwender. Der Diabetes kann nicht an die Insulinpumpe abgegeben werde! Eine Insulinpumpenbehandlung erfordert vielmehr Interesse, Engagement und Motivation. Medtronic Minimed 508 USA 48 Basalraten pro 24 Stunden 2000 verbesserte Speicherfunktionen (letzte 24 Bolusdosen, letzte 12 Fehleroder Warnmeldungen) Kombinierter Bolus (schnelle und verzögerte Bolusabgabe kombinierbar) Fernsteuerung für Run/Stop- Zustand und Bolusabgabe Drei verschiedene Basalratenprogramme Beleuchtetes Display Umstellbar von U40 auf U100 Medtronic Paradigm USA Wichtige Funktionen ähnlich 2003 dem Modell 508 Optimierte Menüführung Kein Insulinabgabegeräusch Nur Verwendung von Minimed-Kathetern möglich (kein Luer-Anschluss) Leerampulle mit 1,76 ml Abb. 2: Aktuelle Insulinpumpenmodelle 16 17

10 2. Wer eignet sich für eine Insulinpumpen-Therapie 2. Wer eignet sich für eine Insulinpumpen-Therapie 2.1 Vorteile der Insulinpumpen-Therapie Gegenüber der intensivierten konventionellen Insulintherapie (ICT) mit Insulinspritze/ Pen ergeben sich bei der kontinuierlichen subkutanen Insulininfusion (CSII) mit der Insulinpumpe Vorteile durch die ständige Abgabe des Insulins. In kurzen Abständen fördert die Insulinpumpe kleinste Insulinmengen und schafft somit die Voraussetzung für eine bedarfsgerechtere Insulinversorgung im Unterhautfettgewebe. Die subkutane Aufnahme des Verzögerungsinsulins bei der ICT ist dagegen größeren Schwankungen unterworfen. Insulinpumpen mit stündlich programmierbarer Basalrate erlauben zudem eine variable basale Versorgung unter Berücksichtigung der sich tageszeitlich ändernden Insulinempfindlichkeit. Dies ist vor allem in der Nacht und in den frühen Morgenstunden von Bedeutung. Wesentliche Vorteile einer Insulinpumpenbehandlung sind in Abb. 3 aufgeführt. Aus der Sicht der Diabetiker steht als Vorteil der Insulinpumpen-Therapie neben der besseren Stoffwechseleinstellung vor allem der Gewinn an Flexibilität und Lebensqualität im Vordergrund. Dies haben mehrere Befragungen von Insulinpumpenträgern gezeigt (siehe Abbildung 4). Die unter ICT notwendigen vielfachen Injektionen (4 bis 8 pro Tag) entfallen. Der Katheterwechsel ist lediglich alle 2 bis 3 Tage erforderlich. Diabetiker können unter der Insulinpumpen-Therapie Mahlzeiten problemlos verschieben, Zwischenmahlzeiten sind verzichtbar. Ausschlafen am Wochenende ist wieder möglich ohne hohe Nüchternblutzuckerwerte zu riskieren. 2.2 Nachteile der Insulinpumpen-Therapie Nach der oben angeführten Umfrage aus dem Jahre 1998 bei Insulinpumpenträgern empfinden 60 % der befragten Diabetiker ihre Insulinpumpe als Fremdkörper, der ständig am Körper getragen werden muss. Beim Sport, Urlaub, Baden u.a. kann die Insulinpumpe hinderlich sein (24 %). 31% der Befragten geben an, dass sie u.a. Probleme mit der Katheterverträglichkeit oder der Betreuung (keine Insulinpumpenspezialisten in der näheren Umgebung) haben. Aus medizinischer Sicht ist das erhöhte Ketoazidoserisiko sowie das Infektionsrisiko an der Kathetereinstichstelle zu bedenken (s. Kapitel 5 und10). Generell sind Insulinpumpenträger auf Betreuung durch pumpenerfahrene Ärzte angewiesen. Hinsichtlich Anschaffungspreis, Schulungsaufwand und laufenden Kosten ist die Insulinpumpen-Therapie teurer als die ICT. Die aktuellen Insulinpumpenmodelle kosten derzeit ca ,- (D-TRONplus) und 3.680,- (Paradigm). Die Kosten für Insulinpumpenspezifisches Verbrauchsmaterial liegen zwischen 5,- und 12,-. Im Vergleich zur ICT liegen somit die Mehrkosten der Insulinpumpen-Therapie bei ca. 6,- /Tag. konstantere und normnähere Blutzuckerwerte durch kontinuierliche Insulinabgabe ausreichende Basalinsulinversorgung, vor allem während der Nacht und in den frühen Morgenstunden größere Unabhängigkeit beim Essen bezüglich Zeitpunkt und Menge bessere Steuerbarkeit des Stoffwechsels bei körperlicher Aktivität, bei Schichtarbeit oder auch bei erhöhtem Insulinbedarf (z.b. fieberhafter Infekt) tendenziell weniger Unterzuckerungen insbesondere bei Diabetikern mit stark schwankenden Blutzuckerwerten und häufigen Hypoglykämien meist deutlicher Gewinn an Lebensqualität Abb. 3: Vorteile der Insulinpumpen-Therapie bessere Stoffwechseleinstellung höhere Flexibilität höhere Lebensqualität keine Spritzen/Injektionen mehr optimale Insulinverabreichung Sonstiges Anzahl der Antworten Abb. 4: Vorteile der Insulinpumpen-Therapie (Internationale Befragung von Insulinpumpenträgern 1998; pro Patient maximal 3 Antworten möglich) 18 19

11 2. Wer eignet sich für eine Insulinpumpen-Therapie 2. Wer eignet sich für eine Insulinpumpen-Therapie 2.3 Gründe für eine Insulinpumpen-Therapie In erster Linie ist die Insulinpumpen-Therapie eine Behandlungsform des Insulinmangeldiabetes (Typ 1). Sie ist immer dann zu erwägen, wenn mit einer ICT das individuelle Therapieziel nicht erreicht werden kann (Abb. 4). Diabetiker mit einem ausgeprägten»morgendämmerungs-phänomen«haben einen starken Blutzuckeranstieg etwa ab 4.00 Uhr in den Morgenstunden. Das ist bedingt durch einen Anstieg von Hormonen, die gegensätzlich zum Insulin wirken (siehe Abschnitt 3.2.1). Hohe Nüchternblutzuckerwerte sind die Folge. Hier ist der Einsatz einer Insulinpumpe mit variabel programmierbarer Basalrate besonders sinnvoll. Bei übergewichtigen Typ-2-Diabetikern haben wir mit der Insulinpumpenbehandlung eher schlechte Erfahrungen gemacht. Dies ist nicht verwunderlich. Bei dieser Patientengruppe steht im Regelfall nicht ein Insulinmangel im Vordergrund, sondern eine mangelnde Insulinwirksamkeit infolge einer genetischen Veranlagung und aufgrund des bestehenden Übergewichtes. Anders ausgedrückt: nicht ein»insulinversagen«ist hier in erster Linie das Kernproblem, sondern der nicht diabetesgerechte Lebensstil (zuviel Kalorien, zuwenig Bewegung) sind von wesentlicher Bedeutung. Gründe für eine Insulinpumpenbehandlung»Dawn-Phänomen«(sog.»Morgendämmerungsphänomen«) im Tagesverlauf stark schwankende Blutzucker-Verläufe (»Brittle-Diabetes«) berufliche Gegebenheiten diabetische Folgeerkrankungen, insbesondere schmerzhafte diabetische Neuropathie Zusatzerkrankungen, welche den Blutzuckerverlauf beeinflussen (hormonelle Erkrankungen, Erkrankungen mit medikamentöser Kortisonbehandlung u.ä.) schlechte Hypoglykämiewahrnehmung Diabetikerinnen mit Kinderwunsch und während der Schwangerschaft Abb. 5: Indikationen zur Insulinpumpen-Therapie aufgrund von Leitlinien (gemäß Fachkommission Diabetes Sachsen, Dezember 1998) Zwingende Gründe, sogenannte»absolute Indikationen«für eine Insulinpumpenbehandlung, gibt es nicht. Ein Mensch mit Typ-1-Diabetes ist zwar auf Insulin angewiesen, nicht aber auf eine Insulinpumpe. Folglich stellen sich die Fragen: Wer hat Anspruch auf eine Insulinpumpe? Wem soll die Insulinpumpe verweigert werden? Diesbezüglich besteht ein Interessenkonflikt zwischen den Ansprüchen und den Bedürfnissen von Patienten, Ärzten, Industrie, Krankenkassen und Gesellschaft. Die Grenzen der Entscheidung sind dabei fließend, es gibt einen großen Graubereich. Zwar heißt es:»der Patient muss im Mittelpunkt stehen«. Dies ist vordergründig meist richtig und drückt auch unser Bemühen aus. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass in dem komplexen deutschen Sozialsystem diese wünschenswerte Zielvorstellung teilweise kritisch zu hinterfragen ist. Ethik und»monetik«prallen auch hier aufeinander. Eine Hilfe bei dem Bemühen um möglichst große Objektivität können dabei Leitlinien sein, wie sie beispielsweise von der Fachkommission Diabetes von Sachsen erarbeitet wurden. Diese Leitlinien sind sinngemäß in Abb. 5 zusammengestellt

12 2. Wer eignet sich für eine Insulinpumpen-Therapie 2. Wer eignet sich für eine Insulinpumpen-Therapie 2.4 Voraussetzungen für eine Insulinpumpen-Therapie Eine ausreichende Motivation und das Wissen, dass der Diabetes nicht»an die Insulinpumpe abgegeben werden kann«, sind für uns die wichtigste Voraussetzung für eine erfolgreiche Insulinpumpen-Therapie. Mit Intuition und detektivischem Spürsinn müssen bisweilen Ursachen für hohe Blutzuckerwerte herausgefunden werden, um entsprechende Abhilfe zu schaffen. Technische Pannen dürfen nicht gleich zur Verzweiflung führen. Eine gewisse psychische Stabilität ist bei der Insulinpumpen-Therapie sicherlich erforderlich. Das regelmäßige Führen eines Blutzuckertagebuches sowie regelmäßige Blutzuckerkontrollen gehören zu den Grundvoraussetzungen. Daneben sind ausreichende theoretische und praktische Kenntnisse über die Durchführung der ICT zu fordern. Der Insulinpumpenträger braucht eine gute Schulung in der Erkennung und Behandlung von Hypo- bzw. Hyperglykämien. Wünschenswert ist ferner eine längerfristige Betreuung durch ein Insulinpumpenzentrum oder durch einen niedergelassenen insulinpumpenerfahrenen Diabetologen. 2.5 Gegenanzeigen für eine Insulinpumpen-Therapie Nicht geeignet für eine Insulinpumpen-Therapie sind sicherlich Diabetiker mit Alkohol- und Drogenabhängigkeit sowie Patienten mit schweren Essstörungen. Zurückhaltung erscheint ferner angezeigt bei Diabetikern mit erheblichen psychischen Problemen. Diabetiker mit fortgeschrittener diabetischer Augenerkrankung (proliferativer Retinopathie) sollten vor einer geplanten Insulinpumpen-Therapie ihren Augenarzt konsultieren. Eine rasche Stoffwechselnormalisierung ist in diesen Fällen zu vermeiden. Die Blutzuckerwerte müssen hier im Laufe von mehreren Monaten langsam gesenkt werden. Ähnlich wie bei den Gründen für die Insulinpumpen-Therapie gibt es einen Ermessensspielraum bei der Entscheidung, welcher Patient eher nicht in Frage kommt (relative Kontraindikation) bzw. bei welchen Patienten sie unbedingt abzulehnen ist (absolute Kontraindikation). Beispielhaft sollen hier wieder sinngemäß die Empfehlungen der Fachkommission Diabetes von Sachsen aufgeführt werden. (Abb. 7) Voraussetzungen für eine Insulinpumpen-Therapie gute Kenntnisse und Erfahrungen mit der ICT Akzeptanz des Diabetes»diabetologisches Selbstbewusstsein«psychische Stabilität Kreativität und Intuition»detektivischer Spürsinn«Disziplin beim Führen des BZ-Tagebuches sowie bei den Blutzuckerkontrollen (mindestens 4 x täglich) gute Insulinpumpenschulung Abb. 6: Voraussetzungen für eine Insulinpumpen-Therapie Absolute Kontraindikation Medikamenten-, Drogen- und Alkoholabhängigkeit Selbstmordgefährdung (akute und chronische Suizidalität) Relative Kontraindikationen Allgemein besteht für Patienten, bei denen gegenüber dem erhöhten Aufwand kein therapeutischer Nutzen zu erwarten ist, keine Notwendigkeit zur Insulinpumpenbehandlung. Gründe hierfür können sein: fehlende Bereitschaft des Patienten zur Insulinpumpenbehandlung eingeschränkte Mitarbeit und Eigenverantwortung von Seiten des Patienten (Blutzucker-Selbstkontrolle, Lebensführung, Intellekt u.ä.) Unbefriedigende Stoffwechselsituation aufgrund psychischer oder psychosozialer Probleme fehlende kompetente ambulante Weiterbetreuung wohnortnah Abb. 7: Kontraindikationen zur Insulinpumpen-Therapie aufgrund von Leitlinien (gemäß Fachkommission Diabetes, Sachsen, Dezember 1998) 22 23

13 2. Wer eignet sich für eine Insulinpumpen-Therapie 2. Wer eignet sich für eine Insulinpumpen-Therapie 2.6 Gesetzliche Grundlagen Im Zeitalter der Budgetierungen und der leeren Kassen im Sozialversicherungssystem muss es Richtlinien geben, für welche Patienten unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten eine medizinisch wünschenswerte Insulinpumpenbehandlung vertretbar ist. Nicht alles ist machbar und finanzierbar. Die gesetzlichen Vorgaben ermöglichen keine»optimale«, sondern nur eine»notwendige«therapie. Allgemeingültige Empfehlungen für die Versicherten der gesetzlichen Krankenkassen (AOK, Ersatzkassen, Betriebskrankenkassen, usw.) sind im Hilfsmittelverzeichnis aufgeführt. Dieses wurde im Bundesanzeiger Nummer 126 a, Jahrgang 50, ausgegeben und am 11. Juli 1998 veröffentlicht. Im Kapitel»Produktgruppe 03 Applikationshilfen«sind die Indikationen für die Verordnung von Insulinpumpen aufgelistet; die Kostenübernahme für eine Insulinpumpe kann erfolgen für Diabetiker, die trotz intensivierter konventioneller Insulintherapie (ICT) bei mehreren Insulininjektionen täglich keine stabile normoglykämische Blutzuckereinstellung erreichen können (z.b. wegen einer hohen Stoffwechsellabilität). Diabetiker mit Neigung zu schweren Hypoglykämien, insbesondere wenn diese nachts auftreten. Diabetiker mit deutlich erhöhtem Insulinbedarf in den Morgenstunden (z.b. ausgeprägtes Dawn-Phänomen). Diabetiker mit einem sehr unregelmäßigen Lebensrhythmus, insbesondere häufig wechselndem Tag-/Nachtrhythmus, z.b. bedingt durch Schichtarbeit, die mit konventioneller Insulinapplikation nicht eingestellt werden können. Diabetikerinnen (mit aktuellem Kinderwunsch) vor und während einer Schwangerschaft, insbesondere bei schwierig einzustellendem Stoffwechsel (der Insulinpumpeneinsatz kann auf die Schwangerschaft begrenzt sein). Diabetiker mit ausgeprägten Symptomen durch Spätkomplikationen, welche eine normoglykämische Blutzuckereinstellung erfordern. Als weitere Voraussetzungen für eine Insulinpumpen-Behandlung sind im Hilfsmittelverzeichnis ausgeführt: Eine Insulinpumpenbehandlung erfordert vom Versicherten ein hohes Maß an Kenntnis, Motivation und Zuverlässigkeit. Ferner muss die Bereitschaft zu einer langfristigen Blutzucker-Selbstkontrolle mit adäquater Protokollierung bestehen. Die Einhaltung folgender Voraussetzungen ist bei einer Insulinpumpen-Therapie notwendig: Durch Teilnahme an einem allgemeinen Diabetes-Schulungsprogramm müssen umfangreiche Kenntnisse über die Krankheit und ihre Behandlung vorliegen; 24 die Durchführung der konventionellen intensivierten Therapie muss beherrscht werden. Durch Teilnahme an einem speziellen Schulungskurs zur Insulinpumpen-Behandlung ist eine spezifische Einweisung in diese Therapieform und in die Bedienung der Insulinpumpe erfolgt. Es ist eine adäquate Nachbetreuung/Nachbehandlung durch ein Pumpenzentrum/eine Pumpenambulanz sichergestellt, mit welchem/welcher bei Problemen jederzeit Kontakt aufgenommen werden kann, um fachlichen Rat einzuholen. 2.7 Eigene Erfahrungen Die Autoren haben jeweils eine mehr als zehnjährige Erfahrung in der Insulinpumpen- Therapie überwiegend als Ärzte in einer Diabetesklinik. Während dieser Zeit betreuten sie zusammen über Insulinpumpenträger und konnten ein breites Spektrum von Besonderheiten beobachten. Der größere Teil der Patienten kam bereits mit einer Insulinpumpe in die Klinik. Sie wurden ambulant von den verschiedensten Einrichtungen betreut (diabetologische Schwerpunktpraxen, Insulinpumpenambulanzen von Kliniken mit diabetologischem Schwerpunkt, niedergelassene Allgemeinärzte bzw. Internisten). Als Resümee der eigenen Erfahrungen lässt sich formulieren: Erfolg und Zufriedenheit unter Insulinpumpenbehandlung sind in erster Linie vom Patienten selbst abhängig. Dabei spielen eine wesentliche Rolle: Persönlichkeitsstruktur, Krankheitsakzeptanz, Motivation, Eigenverantwortung, Wissen. Die Kompetenz der pumpenbetreuenden Einrichtung ist von nachgeordneter, aber nicht unwichtiger Bedeutung. Die subjektive Zufriedenheit der Insulinpumpenträger ist meist sehr groß. Die objektiven Gegebenheiten sind gelegentlich verbesserungsbedürftig: keine normnahe Blutzuckereinstellung, HbA 1c -Werte über 8%, trotz Insulinpumpe sehr hohe Unterzuckerungshäufigkeit, unangemessen hoher Verbrauch an Hilfsmitteln, fehlende Beachtung der insulinpumpentypischen Besonderheiten, übermäßige Gewichtszunahme seit Beginn der Insulinpumpenbehandlung. Es gibt einige Patienten, die während Ersteinstellung und Weiterbehandlung zeitlich und fachlich eher dürftig betreut wurden und deshalb von den Vorteilen einer Insulinpumpen-Therapie nicht wesentlich profitieren. Nur als»spritzenersatz«ist eine Insulinpumpenbehandlung zu kostspielig und unter dem Aspekt der notwendigen und wirtschaftlichen Verteilung von Sozialversicherungsgeldern nicht vertretbar. 25

14 2. Wer eignet sich für eine Insulinpumpen-Therapie 2. Wer eignet sich für eine Insulinpumpen-Therapie Dabei ist zu beachten, dass unter den Insulinpumpenträgern, die zu einer stationären Reha-Massnahme in die Klinik kommen, gehäuft Problempatienten sind. Deshalb sind die eigenen Erfahrungen nicht unbedingt repräsentativ. In Tabelle 8 sind unsere Beobachtungen in tabellarischer Form für verschiedene Patientengruppen zusammengestellt. Wie bereits ausgeführt, gibt es keine zwingenden Gründe für die Insulinpumpen-Therapie. Es handelt sich um eine vordergründig sehr bequeme, allerdings auch kostenintensiv erscheinende Behandlung. Bei der Einzelfallentscheidung für oder gegen eine Insulinpumpe spielen nach unserer Meinung folgende Gesichtspunkte eine wichtige Rolle: objektive körpereigene Gegebenheiten wie Restfunktion der Bauchspeicheldrüse, Insulinempfindlichkeit,»Dawn-Phänomen«Unterzuckerungsproblematik: große Hypoglykämiehäufigkeit, erschwerte Wahrnehmung einer Unterzuckerung begleitende Folgeerkrankungen, insbesondere schmerzhafte Polyneuropathie Persönlichkeitsstruktur des Patienten, psychische Stabilität, soziales Umfeld bisherige Erfahrung des Patienten mit der intensivierten Insulintherapie; genaue Analyse, warum eine Spritzenbehandlung nicht erfolgreich war Wunsch nach Flexibilität im Alltag, z.b. Schichtdienst, ungeregelte Arbeitszeiten, spontaner Lebensstil, sehr unterschiedliche Essenszeiten, stark wechselnde körperliche Aktivität, Ausschlafen erhöhte Anforderungen an eine gute Einstellungsqualität, z.b. möglichst Normalwerte vor und während einer Schwangerschaft Bereitschaft des Patienten zur Eigenverantwortung, Krankheitsakzeptanz diabetologische Weiterbetreuung: fachliche Kompetenz, Pumpenerfahrung, zeitliches und personelles Engagement. Die Einstellphase der Insulinpumpen-Therapie sollte duchaus als»probephase«genutzt werden; hierzu bietet sich die Verordnung einer Leihpumpe an. Werden die allgemeinen Behandlungsziele längerfristig nicht erreicht, sollte man den Mut haben, eine Insulinpumpenbehandlung in Einzelfällen wieder abzubrechen. Warnen wollen wir vor der gelegentlich anzutreffenden Meinung und falschen Erwartung, in der Insulinpumpe das»allheilmittel«zu sehen, das bei schlechter Einstellungsqualität unter der Spritzentherapie stets zu einer Verbesserung der Stoffwechselsituation führt. Mehrfach haben wir betont, dass die Insulinpumpe nur ein Insulindosiergerät ist, also ein Hilfsmittel für die Insulinabgabe und kein»automat«zur Lösung von Problemen aller Art. Folglich kann die Insulinpumpe keine»reservemethode«sein, die immer mit Erfolg einzusetzen ist, wenn ausgefeilte Spritzschemata bereits gescheitert sind. Insulinpumpenbehandlung ist nicht»einfacher«als die intensivierte Insulintherapie mit der Spritze, sie führt nicht zwangsläufig zu einer besseren Patientengruppe keine körpereigene Insulinbildung mehr (C-Peptid nicht mehr nachweisbar): Typ-1-Diabetes ohne Restfunktion der Bauchspeicheldrüse Patienten mit operativ kompletter Entfernung der Bauchspeicheldrüse noch geringe körpereigene Insulinbildung (C-Peptid nachweisbar, aber erniedrigt): Typ-1-Diabetes mit Restfunktion der Bauchspeicheldrüse evtl. auch normalgewichtigte Typ-2- Diabetiker Patienten mit deutlicher peripherer Insulinresistenz (C-Peptid-Spiegel kaum erniedrigt, teilweise sogar relativ hoch): Typ-2 mit Übergewicht Typ-2 mit Essproblematik Bewertung Abb. 8: Therapieerfolge bei unterschiedlichen Patientenguppen Bei geeigneter Patientenauswahl und kompetenter ärztlicher Betreuung: sehr gute Langzeitergebnisse bezüglich subjektiver Patientenzufriedenheit und objektiver Einstellungsqualität.»Domäne«der Insulinpumpen-Therapie Insulinpumpen-Therapie oft erfolgreich, aber streng genommen nicht notwendig. Meist Gewinn an Lebensqualität, aber oft keine Verbesserung der Stoffwechseleinstellung. Fragliche Aufwand/Nutzen-Relation Eine Insulinpumpenbehandlung ist sehr kritisch zu sehen. Oft Problem der Gewichtszunahme unter der Insulinpumpen- Therapie, teilweise drastisch (in einem Einzelfall mehr als 50 kg in 3 Jahren). Objektiv betrachtet meist ein ungünstiges Langzeitergebnis. Stoffwechseleinstellung. Auch die Insulinpumpe bringt nicht die absolute Freiheit nach dem Motto:»Jetzt kann ich essen, trinken und tun, was ich will, die Insulinpumpe wird es schon richten«. In der Hand des geeigneten, gut geschulten, eigenverantwortlichen Patienten und bei kompetenter diabetologischer Betreuung ist die Insulinpumpen-Therapie derzeit eine erfolgversprechende sowie komfortable Behandlungsform für Menschen mit Typ-1- Diabetes ohne körpereigene Restfunktion und langfristig gesehen vermutlich auch kostengünstig. Die Richtigkeit dieser Aussage gilt zumindest solange, bis irgendwann mit der automatischen Insulinsteuerung, dem sogenannten»closed loop«verfahren, eine neue Behandlungsepoche für Typ-1-Diabetiker eingeläutet wird

15 3. Insulinbedarf: Bolusgröße und Basalrate 3. Insulinbedarf: Bolusgröße und Basalrate Der Insulinbedarf des Typ-1-Diabetikers setzt sich bei systematischer Trennung aus folgenden Anteilen zusammen: Insulinbedarf = Basalrate + Nahrungsbolus + Korrekturbolus Die Besonderheit der Insulinpumpen-Therapie gegenüber einer Spritzenbehandlung besteht darin, dass eine konsequentere Trennung zwischen Basalrate und Bolusinsulin möglich ist. Zwar wird auch bei der intensivierten Insulintherapie (ICT) nach dem Basis/ Boluskonzept diese Aufteilung angestrebt, doch ist unter einer Spritzenbehandlung insbesondere die nächtliche bzw. frühmorgendliche Basalinsulinversorgung problematisch und oft nicht bedarfsgerecht zu verwirklichen. 3.1 Bolusgabe Zwischen einer Insulinpumpen-Therapie und der ICT gibt es hinsichtlich der Bolusgabe keinen wesentlichen Unterschied allenfalls in der Häufigkeit der Bolusverabreichung. Als eher pumpentypische Besonderheiten sind jedoch aufzuführen: Zwischenmahlzeiten werden meist extra abgespritzt. Die getrennte Gabe von Nahrungs- und Korrekturbolus ist möglich. Es besteht die Möglichkeit von Bolussplitting für das Nahrungsinsulin, z.b. bei großen Mahlzeiten, die sich über einen längeren Zeitraum erstrecken (s ). Die Bolusgröße kann in kleinen Schritten verändert werden (z.b. in Abständen von 0,1 l.e.). Bei den neueren Pumpen ist wahlweise eine verzögerte Bolusabgabe über ein vorwählbares Zeitintervall möglich Nahrungsbolus Der Bedarf an Insulin zu den Mahlzeiten unterliegt in der Regel tageszeitlichen Schwankungen (sog. circadiane Rhythmik). Der Grund dafür ist die wechselnde Insulinempfindlichkeit während eines Tages mit, im Normalfall, zweigipfligem Verlauf. Besonders morgens ist die Insulinempfindlichkeit relativ gering (siehe Abschnitt 3.2 Basalrate), weshalb für das Frühstück ein verhältnismäßig hoher Bedarf an Nahrungsinsulin besteht. Dagegen ist die Insulinempfindlichkeit eher hoch während der Mittagszeit und insbesondere zwischen Uhr und 3.00 Uhr mit folglich verhältnismäßig geringem Insulinbedarf. Kennzeichnend für die ICT und die Insulinpumpen-Therapie ist, dass der Diabetiker die aufzunehmende Menge an Kohlehydraten schätzt und anhand des sogenannten BE- Faktors die Dosis des Mahlzeiteninsulins festlegt. Als BE-Faktor wird die Insulinmenge bezeichnet, die für die Verstoffwechselung einer einzigen BE (entspricht g Kohlehydrate) benötigt wird. Damit errechnet sich die erforderliche Nahrungsinsulinmenge für eine geplante Mahlzeit wie folgt: Nahrungsinsulin = gewünschte BE-Menge x BE-Faktor Beispiel: gewünschte Kohlehydratmenge: individueller BE-Faktor: Nahrungsbolus: 3 BE 2 I.E. pro BE 6 I.E. Abb. 9: Berechnung des Nahrungsbolus mit BE-Faktor 28 29

16 3. Insulinbedarf: Bolusgröße und Basalrate 3. Insulinbedarf: Bolusgröße und Basalrate Die Höhe des BE-Faktors ist eng mit der jeweiligen Insulinempfindlichkeit verbunden. Diese wird von verschiedenen Einflussfaktoren bestimmt und ist im Wesentlichen abhängig von: Tageszeit Qualität der Blutzuckereinstellung körperlicher Aktivität Körpergewicht Fettstoffwechsel hormoneller Situation (Menstruationszyklus, Infekt, psychische Situation usw.) Korrekturbolus Der Korrekturbolus ist genau wie bei der ICT erforderlich, um den Blutzuckerwert in das gewünschte Zielintervall zu bringen. In der Regel sind folgende Blutzuckerzielbereiche anzustreben: nüchtern bzw. vor den Hauptmahlzeiten: mg/dl 4,4-6,6 mmol/l Zwischen relativer Höhe der jeweiligen Basalrate und der Größe des Nahrungsbolus zur entsprechenden Tageszeit besteht ein logischer Zusammenhang: Bei vergleichsweise hoher stündlicher Basalrate ist auch der entsprechende Nahrungsbolus relativ groß; umgekehrt ist bei eher niedriger stündlicher Basalrate auch der jeweilige Bedarf an Nahrungsinsulin verhältnismäßig gering. Die folgende Tabelle zeigt Anhaltspunkte für BE-Faktoren in Abhängigkeit von der Tagesgesamtinsulinmenge (Basalbedarf und Nahrungsbedarf) sowie der jeweiligen Tageszeit. vor dem Schlafengehen: Abb. 11: Blutzuckerzielbereiche mg/dl 4,9-7,2 mmol/l BE-Faktor Tagesgesamtinsulin morgens mittags abends (Bolus + Basal) 20 I.E. 1 0,5 0,75 30 l.e. 1,5 0, I.E ,5 60 I.E. 3 1,5 2 Abb. 10: Anhaltspunkte für BE-Faktoren Es wird jedoch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass diese Tabellenwerte nur als Faustregeln anzusehen sind. Ihre Gültigkeit ist im Einzelfall stets kritisch zu hinterfragen; ihre Richtigkeit wird jeweils nach der Methode»Versuch und Irrtum«sowie»Erfolg gibt Recht«herausgefunden

17 3. Insulinbedarf: Bolusgröße und Basalrate 3. Insulinbedarf: Bolusgröße und Basalrate Ein Anheben des BZ-Zielbereiches vor dem Schlafen auf Werte von mindestens 110 mg/dl, wie es für die Spritzenbehandlung üblicherweise empfohlen wird, ist im Regelfall bei der Insulinpumpen-Therapie nicht erforderlich (vgl. Kap , Hinweis 4. Nächtliche Basalrate). Die Blutzuckerwerte ca. 1 bis 2 Stunden nach einer Mahlzeit (sogenannte post-prandiale Werte = pp-werte) liegen meist mg/dl bzw. 1,7-2,8 mmol/l höher als vorher. Es gilt die Empfehlung: Korrekturinsulin ist im Regelfall nur zu geben, falls der Blutzuckerwert nüchtern, vor den Hauptmahlzeiten bzw. vor dem Schlafengehen nicht im gewünschten Zielbereich liegt. Folglich ist routinemäßig nur zu diesen Zeiten eine Blutzuckerselbstkontrolle erforderlich (in Sondersituationen selbstverständlich häufiger). Die Differenz zwischen dem aktuellen Blutzuckerwert und dem Zielwert wird ermittelt und anschließend durch die sogenannte Korrekturzahl geteilt. Korrekturinsulin = Beispiel: aktueller Blutzuckerwert: Blutzucker-Zielwert: (aktueller Blutzuckerwert minus Zielwert) Korrekturzahl 240 mg/dl 120 mg/dl individuelle Korrekturzahl: 40 mg/dl pro I.E. erforderliches Korrekturinsulin: 3 Einheiten Insulin = 40 Abb. 12: Bestimmung des Korrekturinsulins (Beispiel in mg/dl)»40er Regel«ab einem Zielwert von 120 mg/dl (Schritte von 1 I.E.): bis 120 mg/dl + 0 I.E mg/dl + 1 I.E mg/dl + 2 I.E mg/dl + 3 I.E. usw. Abb. 12.1: Bestimmung des Korrekturinsulins in Schritten von 1 I.E. (Beispiel in mg/dl) Korrekturzahl und Blutzuckerzielwert müssen idealerweise nun für jede Tageszeit gesondert ermittelt werden. So kann beispielsweise für das Frühstück eine»schärfere«korrekturregel erforderlich sein, z.b. eine»30er Regel«bei einem Blutzuckerzielbereich von 120 mg/dl. Zum Mittagessen darf eventuell erst ab einem Blutzucker von 150 mg/dl mit der»50er Regel«korrigiert werden. Der Grund für diesen unterschiedlichen Bedarf an Korrekturinsulin liegt, wie bereits oben ausgeführt, in der tageszeitlich verschiedenen Insulinempfindlichkeit. Bei der Insulinpumpenbehandlung kann die Bolusabgabe üblicherweise in Abständen von 0,1 I.E. verändert werden. Diese Möglichkeit sollte bei der Ermittlung des Nahrungsbolus und des Korrekturbolus durchaus genutzt werden. Auf das Beispiel von Abb übertragen, hieße dies:»40er Regel«ab einem Zielwert von 120 mg/dl (Schritte von 0,5 I.E.): bis 120 mg/dl + 0 I.E mg/dl + 0,5 I.E mg/dl + 1 I.E mg/dl + 1,5 I.E. usw. Die Korrekturzahl bezeichnet dabei den Blutzuckerabfall bei subkutaner Gabe von 1 Einheit Insulin. Weicht der aktuell gemessene Blutzuckerwert von dem gewünschten Zielwert ab, so lässt sich die notwendige Menge an Korrekturinsulin, wie in Abb. 12 beschrieben, berechnen. Abb. 12.2: Bestimmung des Korrekturinsulins in Schritten von 0,5 I.E. (Beispiel in mg/dl) Alternativ kann man bei dem Beispiel in Abb. 12 auch von der sogenannten»40er Regel«ab einem Blutzucker von 120 mg/dl sprechen. Ab einem Blutzucker von 120 mg/dl wird in 40er Schritten mit jeweils einer Insulineinheit korrigiert. Es ergibt sich folgendes praktikables Schema zur Berechnung des Korrekturinsulins (Abb 12.1)

18 3. Insulinbedarf: Bolusgröße und Basalrate 3. Insulinbedarf: Bolusgröße und Basalrate Abb. 13 enthält Anhaltspunkte für die Höhe der Korrekturzahl in Abhängigkeit vom Tagesgesamtinsulin und der Tageszeit. Korrekturzahl (in mg/dl pro I.E.) Tagesgesamtinsulin (Bolus + Basal) morgens mittags abends 20 I.E I.E I.E I.E Korrekturzahl (in mmol/l pro I.E.) Tagesgesamtinsulin (Bolus + Basal) morgens mittags abends 20 I.E. 2,7 4,2 3,3 30 I.E. 2,2 3,3 2,8 45 I.E. 1,7 2,8 2,2 60 I.E. 1,4 2,2 1,7 Abb. 13: Anhaltspunkte für die Korrekturzahl Hinweise: Es wird ausdrücklich betont, dass diese Tabellenwerte nur Faustregeln sein können. Die Richtigkeit der Korrekturzahl muss individuell überprüft werden. Der Abstand zwischen zwei Blutzuckerkorrekturen sollte bei Verwendung von Normalinsulin im Allgemeinen mindestens 4 Stunden betragen (Ausnahme: Azeton ++/ +++ bei drohender ketoazidotischer Entgleisung). Bei Verwendung von einem kurzwirksamen Insulinanalogon als Korrekturinsulin sollte mindestens ein Abstand von 2 Stunden eingehalten werden. Bei Blutzuckerkorrektur im Zusammenhang mit Sport, nach Alkoholgenuss bzw. vor einer Autofahrt empfehlen wir besondere Vorsicht. In diesen Fällen erhöht zuviel Korrekturinsulin das Risiko einer Unterzuckerung. Trotz ausgefeilter Korrekturregeln kann es nicht gelingen, den Blutzuckerverlauf 100%ig zu beherrschen, um stets optimale Blutzuckerwerte zu erreichen. Die Beeinflussung und Steuerung des Blutzuckers ist eben nicht vergleichbar mit der Bedienung einer Maschine, bei der wir alle Einstellungsmöglichkeiten kennen. Die Insulinpum- 34 penbehandlung ist nur eine andere Form der Insulinabgabe. Zwar kann die Insulinversorgung nach Bedarf einfacher gesteuert werden, Gegebenheiten wie bei einem Nichtdiabetiker lassen sich jedoch nicht erreichen. Als Gründe seien hier nur stichwortartig genannt: subkutane Insulinbereitstellung statt Insulinabgabe in den Leberkreislauf wie beim Gesunden, wechselnde Insulinempfindlichkeit durch viele Faktoren (z.b. Stress, Bewegung, Infekt). Eine gewisse Gelassenheit und Bescheidenheit bei den Zielvorgaben für eine gute Stoffwechseleinstellung sind daher angebracht und wünschenswert. Die folgende Checkliste fasst zusammen, worauf bei der Festlegung der Bolusgröße zu achten ist. Checkliste für die Bolusgröße Aktueller Blutzuckerwert? Wert glaubhaft? Messfehler möglich? Verdacht auf drohende Entgleisung? Was war vorher? Wann und was vorher gegessen? Letzter Bolus? Vorherige körperliche Aktivität? Vorher Alkoholgenuss? Vorangegangene Unterzuckerung? Blutzuckertrend? Insulinpumpendefekt bzw. Bedienungsfehler denkbar? Was ist geplant? Essenswunsch (Was? Wie viel? Wann?) Körperliche Aktivität? Alkoholgenuss? Autofahrt? Neue, unübliche Situation? Individuelle Besonderheiten? Akute Krankheit mit erfahrungsgemäßer Stoffwechselverschlechterung? Zu lange Katheterliegezeit? Geänderte Insulinempfindlichkeit? (z.b. Periode) Außergewöhnliche psychische Belastung? Bewusste Veränderung des Blutzucker-Zielbereiches? Änderung der Begleitmedikation? (z.b. Cortison, Diuretika) Magenentleerungsstörung? Abb. 14: Checkliste für die Bolusgröße 35

19 3. Insulinbedarf: Bolusgröße und Basalrate 3. Insulinbedarf: Bolusgröße und Basalrate Drück-Ess-Abstand (DEA) BZ vor dem Essen bei Normalinsulin bei kurzwirksamem in mg/dl in mmol/l Insulinanalogon unter 60 unter 3,3 erst Hypoglykämie behandeln erst Hypoglykämie behandeln ,3-4,4 spritzen und gleich essen nach dem Essen spritzen ,4-6, Minuten direkt vor dem Essen spritzen ,7-11, Minuten 0-20 Minuten ,1-13, Minuten Minuten über 250 über 13,9 Azeton messen! Korrektur spritzen erneut Blutzucker testen vor dem Essen erst essen bei BZ unter 200 mg/dl bzw. 11,1 mmol/l genereller Tipp: morgens eher längerer DEA mittags eher kürzerer DEA Abb. 15: Faustregeln für den Drück-Ess-Abstand Bei Verwendung von Normalinsulin als Pumpeninsulin ist in der Regel ein Drück-Ess- Abstand (DEA) in Abhängigkeit von der Höhe des Blutzuckerwertes unverzichtbar. Zu Zeiten geringerer Insulinempfindlichkeit (z.b. morgens vor dem Frühstück) wird oft ein größerer DEA benötigt als beispielsweise vor dem Mittagessen. Falls bei Verwendung von Normalinsulin kein DEA eingehalten werden kann, ist mit einem erhöhten pp-wert (pp = post-prandial, d.h. ca. 1-2 Stunden nach der Mahlzeit) zu rechnen. Die Anwendung eines kurzwirkamen Insulinanalogon (Humalog, Novo- Rapid) als Insulinpumpeninsulin kann hier von Vorteil sein. Der Drück-Ess-Abstand ist in diesem Fall aufgrund des rascheren Wirkungsbeginns im Allgemeinen Min. kürzer als bei Verwendung von Normalinsulin. Wenn der Blutzucker vor einer Mahlzeit im wünschenswerten Bereich von mg/dl bzw. 4,4-6,7 mmol/l liegt, ist daher bei Verwendung von kurzwirkamem Insulinanalogon kein DEA erforderlich. Da Normalinsulin üblicherweise eine Wirkdauer von ca. 4-6 Stunden besitzt, stellen die pp-werte, die 1-2 Stunden nach der Mahlzeit ermittelt werden, kein Kriterium für die Höhe des Bolusinsulins dar. Die pp-werte sind vor allem vom DEA und von der Nahrungszusammensetzung abhängig.»schnelle Kohlehydrate«(z.B. Cola) gehen rascher ins Blut als»langsame Kohlehydrate«(z.B. Müsli); auch erhöhen fettarme bzw. fettfreie Mahlzeiten (z.b. Obst) den Blutzucker rascher als fettreiche Speisen (z.b. Pizza)

20 3. Insulinbedarf: Bolusgröße und Basalrate 3. Insulinbedarf: Bolusgröße und Basalrate Die Bestimmung und Korrektur des pp-wertes wird deshalb nicht routinemäßig empfohlen. Beispielsweise kann ein pp-wert von 200 mg/dl bzw. 11,1 mmol/l durchaus durch einen zu kurzen DEA bedingt sein. Eine Korrektur mit Normalinsulin könnte hierbei zu einer Bolusüberlappung führen. Bei Korrektur mit einem kurzwirksamen Insulinanalogon ist dies erfahrungsgemäß unproblematischer. Tipp: Insulindosis-Anpassung Bei der Festlegung der Bolusmenge gehen nicht wenige Insulinpumpenträger nach verhältnismäßig starren Anpassungsregeln vor, die eher schematisch und unflexibel gehandhabt werden. Ohne Zweifel haben»be-faktoren«und»korrekturzahlen«ihre Berechtigung und sind nützlich, um sich im Gestrüpp der Blutzuckersteuerung einigermaßen zurechtzufinden. Sie gründen sich auf folgende Erfahrungen: Bei höherem Blutzuckerwert ist der Bedarf an Korrekturinsulin größer. Die Menge an Nahrungsinsulin hängt davon ab, wie viel und was (BE!) gegessen und getrunken wird. Andererseits ist der Blutzuckerverlauf von zahlreichen mehr oder weniger wichtigen Einflussfaktoren abhängig wie: Insulinmenge im Blut, Insulinwirkprofil, körperliche Aktivität, Insulinempfindlichkeit, psychische Verfassung, hormonelle Situation (Kortison, Adrenalin, Wachstumshormon, Schilddrüsenhormon), Begleiterkrankungen, Fettstoffwechsel, Einfluss von Medikamenten. Bleiben diese unberücksichtigt, entsteht nicht selten der Eindruck einer unberechenbaren Willkür. Bei der Prognose des Blutzuckerverlaufs ist es ähnlich wie bei Wettervorhersagen. Eine 100 %ige Treffsicherheit ist nicht erreichbar. In beiden Fällen ist eine genaue Beobachtung der Begleitumstände wichtig; es können Regeln aufgestellt werden, die Prognosen für den weiteren Verlauf zulassen. Unerwartete, nicht berücksichtigte Ereignisse können solche Vorhersagen jedoch über den Haufen werfen. Das Regelwerk für die Prognoseerstellung muss immer wieder überdacht und aufgrund von Erfahrungen punktuell korrigiert werden. Als Grundlage für die Insulindosisanpassung kann folgendes Schema dienen: Beobachten (B) Handeln (H) Beispiel A: Blutzucker Beobachten: Wie ist der aktuelle Blutzucker? (Blutzuckermessung) Nachdenken: Warum ist der Blutzuckerwert so, wie er ist? Was war vorher? Entscheiden: Korrekturinsulin erforderlich? Hypoglykämiegefahr? Handeln: evtl. Bolusgabe bzw. Extra-BE? Beispiel B: Essen im Restaurant B: Was will ich essen? Wie groß ist die BE-Menge? Wie ist die Zubereitung? Will ich Alkohol trinken? N: Hatte ich in der Vergangenheit vergleichbare Situationen? Was wäre, wenn ich eine Unterzuckerung hätte (Risikoabschätzung)? E: Welche Bolusmenge benötige ich? Welcher Drück-Ess-Abstand ist empfehlenswert? H: Bolusgabe Beispiel C: unerwartet hoher Blutzucker B: aktueller Blutzucker 280 mg/dl (15,5 mmol/l), keine offensichtliche Erklärung, leichtes Unwohlsein N: Warum ist der Blutzucker so hoch? Zuviel gegessen? Vorher zu geringer Bolus? Bolus vergessen? Katheterliegedauer? Insulinpumpendefekt möglich? Fehlmessung mit dem BZ-Messgerät? Zuckerreste an der Hand? E: von der Möglichkeit einer drohenden ketoazidotischen Entgleisung ausgehen H: Urinkontrolle auf Azeton, Zweitmessung des Blutzuckers nach Händewaschen, Bolusgabe zur Blutzuckersenkung, keine körperliche Aktivität, Blutzucker-Selbstkontrolle in 2stündigen Abständen Abb. 16: Beispiele für die Insulindosis-Anpassung Diese Beispiele können beliebig fortgesetzt werden. Jeder insulinspritzende Diabetiker mit flexibler Lebensgestaltung sollte sich immer wieder klarmachen, welchen zentralen Stellenwert Beobachtung und Nachdenken haben. Nachdenken (N) Entscheiden (E) Wie dies konkret aussehen kann, wird an einigen Beispielen aufgezeigt (Abb. 16)

21 3. Insulinbedarf: Bolusgröße und Basalrate 3. Insulinbedarf: Bolusgröße und Basalrate Tipp: Üppiges (BE-reiches) Essen am späten Abend Tipp: Blutzucker-Zielbereiche Die üblichen, wünschenswerten Blutzuckerzielbereiche (siehe Abb. 11) müssen selbstverständlich immer wieder kritisch hinterfragt werden und sind stets den individuellen und aktuellen Gegebenheiten anzupassen. Eine»schärfere«Blutzuckereinstellung als im Regelfall ist beispielsweise anzustreben: vor einer geplanten Schwangerschaft während einer Schwangerschaft bei schmerzhafter Polyneuropathie (diabetische Nervenerkrankung) Gelegentlich ist es auch empfehlenswert, die Blutzuckerzielwerte anzuheben. Eine kurzfristige Erhöhung des Blutzuckerzielbereiches kann vorteilhaft sein: Insulinpumpenträger können sich bei der Tagesgestaltung weitgehend genauso verhalten wie Nichtdiabetiker. Allerdings müssen mögliche Probleme vorher bedacht werden. So ist bei Verwendung von Normalinsulin in der Insulinpumpe ein umfangreiches Abendessen nach Uhr mitunter kritisch, denn der notwendige größere Nahrungsbolus hat eine Wirkdauer von 5 Stunden und mehr. Es besteht deshalb eine erhöhte Unterzuckerungsgefahr in der zweiten Nachthälfte zwischen 1.00 und 4.00 Uhr. Hierbei gibt es folgende Lösungsmöglichkeiten: a) Der Nahrungsbolus vor dem Abendessen wird gezielt um 1-3 I.E. Insulin verringert, d.h. eine anschließend schlechtere Blutzuckereinstellung wird bewusst in Kauf genommen. Damit wird natürlich das nächtliche Unterzuckerungsrisiko deutlich verringert. b) Es wird der übliche Nahrungsbolus gespritzt, jedoch anschließend vor dem Schlafen gehen bewusst der Blutzucker in der Nacht durch Zufuhr von Extra-BE angehoben. c) Vor dem Abendessen wird der übliche Nahrungsbolus gesetzt, anschließend aber die Basalrate deutlich für 3-4 Stunden reduziert (50 % oder mehr). d) Der Nahrungsbolus zum Abendessen wird als kurzwirksames Insulinanaloga (Humalog bzw. NovoRapid) in einem Pen abgegeben. Beachte: kurzwirksame Insulinanaloga können als sogenanntes»partyinsulin«dienen. Die zusätzliche Verwendung eines Insulin- Pens wird allerdings von vielen Insulinpumpenträgern als umständlich angesehen. vor, während und mitunter auch nach körperlicher Aktivität nach Alkoholgenuss während einer Autofahrt immer dann, wenn eine Hypoglykämie ein besonderes Risiko darstellt (z.b. Klettern, Radfahren, Schwimmen) Eine längerfristige Erhöhung des Blutzuckerzielbereiches kann in Erwägung gezogen werden bei: proliferativer Retinopathie (fortgeschrittene Netzhautveränderungen mit Gefäßneubildungen), bis eine augenärztliche Behandlung (Lasertherapie) zu einer Stabilisierung der Augenhintergrundsveränderungen geführt hat häufigen problematischen Unterzuckerungen einer erschwerten oder aufgehobenen Hypoglykämiewahrnehmung (siehe Kapitel 11) Langzeitdiabetikern (Diabetesdauer 25 Jahre oder mehr), die vermehrte Unterzuckerungsprobleme, aber keine wesentlichen Folgeerkrankungen haben. Das hier dargestellte Beispiel soll auch verdeutlichen, dass es für ein Problem (z.b. üppiges Essen am späten Abend) meist mehrere verschiedene Lösungsmöglichkeiten gibt. Dabei sind Phantasie, Kreativität sowie Mut zum Ausprobieren gefragt

22 3. Insulinbedarf: Bolusgröße und Basalrate 3. Insulinbedarf: Bolusgröße und Basalrate Tipp: Korrekturinsulin Die notwendige Menge an Korrekturbolus hängt keinesfalls nur von der aktuellen Blutzuckerhöhe ab. Diese stellt zwar eine wesentliche Bezugsgröße dar, doch müssen bei der Festlegung der Menge an Korrekturinsulin auch weitere Punkte berücksichtigt werden. Bei einem mäßig erhöhten Blutzuckerwert von ca. 200 mg/dl (11,1 mmol/l) sollte zurückhaltend (bzw. gar nicht) korrigiert werden: Stunden nach einer Mahlzeit (bei Verwendung von Normalinsulin) vor einer Autofahrt vor körperlicher Aktivität vor dem Schlafengehen nach vorangegangenem Alkoholgenuss. Dagegen kann eher großzügig korrigiert werden: bei erhöhtem Nüchternwert morgens bei positivem Azetonnachweis im Urin (siehe Abschnitt 10.5) bei fieberhaften Infekten bei länger bestehender Blutzuckererhöhung. In diesen Fällen liegt meist eine verminderte Insulinempfindlichkeit vor Besonderheiten Zwischenmahlzeiten Ein wesentlicher Vorteil der Insulinpumpen-Therapie besteht auch darin, dass für jede Zwischenmahlzeit ohne großen Aufwand ein Insulinbolus abgegeben werden kann. Dies bedingt mehr Flexibilität, denn Zeitpunkt und Umfang des Essens können weitgehend freizügig durch den Insulinpumpenträger festgelegt werden. Konkret heißt dies: Es besteht kein»muss«für Zwischenmahlzeiten. Umfang und Zeitpunkt der Zwischenmahlzeiten sind variabel. Die Bolusabgabe für die Zwischenmahlzeit erfolgt in direktem zeitlichen Zusammenhang mit der gewünschten Nahrungszufuhr. Vor Zwischenmahlzeiten wird in der Regel keine Blutzuckerselbstkontrolle empfohlen und dementsprechend auch kein Korrekturinsulin verabreicht (Gefahr der Insulinüberlappung beim Einsatz von Normalinsulin!). Um das Risiko einer evtl. Unterzuckerung gering zu halten (keine begleitende Blutzuckerselbstkontrolle!) wird der Nahrungsbolus zu den Zwischenmahlzeiten eher knapp berechnet bzw. nach unten abgerundet. Der entsprechende BE-Faktor kann als Mittelwert aus den Faktoren der Hauptmahlzeiten vorher und nachher berechnet werden (Abb. 17). Beispiel: Alternativ besteht hier auch die Möglichkeit, den kleineren der beiden entsprechenden BE-Faktoren zu verwenden. Das Risiko für eine Unterzuckerung wird bei diesem Vorgehen weiter verringert. In unserem Beispiel hieße dies: BE-Faktor für Zwischenmahlzeit am Vormittag: 1,0 I.E./BE. Großer Bolus Bei Verwendung von Normalinsulin: Wegen der vergleichsweise langen Wirkdauer von Normalinsulin (4-6 Stunden) ist es gelegentlich vorteilhaft, nach Gabe eines relativ großen Bolus (8 I.E. oder mehr) nach ca. 3 Stunden eine Zwischenmahlzeit von 1 BE zu essen, ohne diese mit einem gesonderten Bolus abzuspritzen. Dadurch kann das nach 4-6 Stunden auftretende Unterzuckerungsrisiko verringert werden. Eine zusätzliche Zufuhr von Kohlehydraten ist natürlich besonders wichtig bei sportlicher Aktivität in diesem Zeitraum. Bolussplitting BE-Faktor morgens: BE-Faktor mittags: BE-Faktor für Zwischenmahlzeit am Vormittag: Abb. 17: BE-Faktor für Zwischenmahlzeiten (Beispiel) 2,0 I.E./BE 1,0 I.E./BE 1,5 I.E./BE Alternativ ist auch bei hohen Insulindosen ein sogenanntes Bolussplitting möglich. Vor einer Mahlzeit mit relativ langsam resorbierbaren Kohlehydraten (z.b. 8 BE Pizza) werden nur 2/3 der berechneten Insulinmenge verabreicht. Das restliche Drittel wird erst 1-2 Stunden später gegeben. Bolussplitting ist insbesondere bei Verwendung von einem kurzwirksamen Insulinanalogon empfehlenswert, falls sich das Essen (z.b. mehrere Gänge eines Festmahls) über einen längeren Zeitraum erstreckt (siehe auch S. 40, Tipp: Üppiges BE-reiches Essen). 43

23 3. Insulinbedarf: Bolusgröße und Basalrate 3. Insulinbedarf: Bolusgröße und Basalrate Tipp: Bolussplitting Ein großer Vorteil bei der Insulinpumpenbehandlung gegenüber der Spritzen-/Pen-Therapie besteht darin, dass die Insulingabe ohne nennenswerten Aufwand und ohne Injektionsschmerz erfolgen kann. Mit Beginn einer Insulinpumpen-Therapie wird im Regelfall die bei der ICT sinnvolle und praktische Gewohnheit beibehalten, Nahrungsbolus und Korrekturbolus gemeinsam, d.h. als einen Gesamtbolus zu verabreichen. Mitunter ist es aber vorteilhaft, von dieser Vorgehensweise abzuweichen. Situationen für ein sogenanntes»bolussplitting«können sein: getrennte Gabe von Nahrungsinsulin und Korrekturinsulin: Daran kann gedacht werden, wenn ein hoher Ausgangsblutzucker gemessen wurde und der Zeitpunkt der nächsten Mahlzeit noch nicht klar ist. Dies trifft beispielsweise zu bei einem hohen Blutzuckerwert nach dem Aufstehen und Frühstücksbeginn erst nach dem Brötchenholen. Oder auch beim Essen im Restaurant bzw. bei Einladungen mit oft nicht genau festzulegendem Beginn der Nahrungsaufnahme und bei gleichzeitig vorher ermitteltem deutlich erhöhtem Blutzuckerwert. Eine getrennte Gabe von Korrekturinsulin und Nahrungsinsulin ist auch sinnvoll bei erhöhtem Blutzuckernüchternwert in der Schwangerschaft und Neigung zu morgendlichem Erbrechen. Umfang und Beginn des Frühstückes können dann relativ freizügig gewählt werden. Aufteilung des Nahrungsbolus in zwei oder auch mehrere kleinere Mengen: Dies ist beispielsweise sinnvoll, wenn während des Essens der Wunsch nach mehr Nahrungszufuhr besteht, d.h. es werden mehr BE gegessen als vorher geplant, weil es einfach gut schmeckt oder weil es so gemütlich beim Essen ist. Insbesondere bei einem mehrgängigen Festmenü wird der Insulinpumpenträger die notwendige Nahrungsinsulinmenge nach und nach in kleineren Portionen abgeben. Hier erweist sich ein kurzwirksames Insulinanalogon als besonders vorteilhaft. Andere Alltagssituationen für ein Splitting des Nahrungsbolus können sein: niedrige BZ-Werte vor dem Essen (z.b. unter 70 mg/dl bzw. 3,9 mmol/l) oder das Vorliegen einer sogenannten Gastroparese, d.h. einer verzögerten Entleerung des Magens mit dadurch bedingten tendenziell niedrigen BZ-Werten 1-2 Stunden nach einer Mahlzeit. Die Insulinpumpe D-TRONplus von Roche Diagnostics (Disetronic) und die Insulinpumpen von Medtronic Minimed bieten über den»verzögerten Bolus«eine hervorragende Möglichkeit den Nahrungsbolus zu verteilen. Beispielsweise bei Banketts, Empfängen oder auch bei fettreichen Speisen ist es von Vorteil, die Bolusgabe über einen zuvor festgelegten Zeitraum gleichmäßig abzugeben. Auf einige Gefahren des Bolussplittings ist hinzuweisen: Da die aufgeteilten Boli im Regelfall in zeitlich nicht zu großen Abständen gegeben werden, kommt es zu einer Bolusüberlappung mit verstärkter Insulinwirkung nach 2-4 Stunden. Dies ist insbesondere bei Verwendung von Normalinsulin wegen der längeren Insulinwirkungsdauer von Bedeutung. 44 Ein für später geplanter Nahrungsbolus wird einfach vergessen. Die Gabe des Nahrungsinsulins vor einer Mahlzeit ist eine oft seit Jahren bestehende, 3 x täglich durchgeführte Gewohnheit, und es erfordert ein bewusstes Umdenken, davon in Sonderfällen abzuweichen. Man kann insbesondere während eines Festessens mit gleichzeitigem Alkoholgenuss leicht die Kontrolle über die Aufeinanderfolge der aufgesplitteten Nahrungsboli verlieren. Hier ist es hilfreich, die letzten Boli einschließlich der dazugehörigen Uhrzeit bei der Insulinpumpe abzufragen. Dies ist ohne weiteres bei den Disetronic- und Minimed-Insulinpumpen möglich. Autoregulation Unter Blutzuckerautoregulation versteht man, dass im Bereich bis ca. 180 mg/dl eine selbständige langsame Regulation des Blutzuckers auf den Normalbereich hin erfolgen kann, ohne dass zusätzlich Korrekturinsulin gegeben wird. Dieses Prinzip scheint bei einigen Menschen mit Typ-1-Diabetes eine gewisse Bedeutung zu besitzen. Als Konsequenz für die Praxis bedeutet dies: Bei Blutzuckerwerten von mg/dl können einige Typ-1-Diabetiker mit der Gabe von Korrekturinsulin zurückhaltend sein und abwarten, ob sich der Blutzucker bis zur nächsten Kontrolle normalisiert hat. Dies setzt voraus, dass eine Verschlechterung der Insulinempfindlichkeit (z.b. fieberhafter Infekt) oder technische Katheter- bzw. Pumpenprobleme mit Insulinmangelversorgung (z.b. Luftblasen im Katheter, zu lange Katheterliegedauer) als Ursache der Blutzuckererhöhung ausgeschlossen sind. Andererseits empfiehlt es sich, bei leicht erniedrigten Blutzuckerwerten von mg/dl die übliche Insulinmenge für das Essen, d.h. den normalerweise erforderlichen Nahrungsbolus nicht zu verringern; auch hier gilt wieder die Einschränkung, dass eine Verbesserung der Insulinempfindlichkeit (z.b. durch Sport) weitgehend als Grund auszuschließen ist. Zweckmäßigerweise erfolgt in diesen Fällen eine Korrektur ausschließlich über den Drück-Ess-Abstand. Also: Bei Blutzuckerwerten von mg/dl den DEA um ca min verlängern. Bei Werten von mg/dl empfiehlt sich eine Verkürzung des DEA um 5-10 min, bzw. die Bolusgabe erst während des Essens oder sogar auch erst nach dem Essen (siehe Abb. 15). Um die Bedeutung der Autoregulation im Einzelfall erkennen zu können, sollte man probeweise mit der Gabe von Korrekturinsulin im Blutzuckerbereich von mg/dl zurückhaltend sein bzw. auf eine Verringerung des üblichen Nahrungsbolus im Bereich von mg/dl verzichten. Anhand von eigenen Erfahrungen gilt es, die persönlichen individuellen Reaktionsmuster kennenzulernen. 45

24 3. Insulinbedarf: Bolusgröße und Basalrate 3. Insulinbedarf: Bolusgröße und Basalrate Tipp: Einfluss von Leber bzw. Muskelgewebe Bei der Blutzuckersteuerung sind zahlreiche körpereigene Regulationsmechanismen von wesentlicher Bedeutung, beispielsweise die blutzuckererhöhenden Hormone Cortison, Adrenalin und das Wachstumshormon. Aber auch zwei Organsysteme, nämlich Leber und Muskulatur, spielen eine wichtige Rolle: Die Leber stellt eine Art»Zuckerfabrik«im menschlichen Körper dar. Wie bei einer richtigen Fabrik alten Stils laufen Produktionsvorgänge ab und es erfolgt eine Lagerhaltung. Die Leber speichert Zucker in Form von Glykogen (5-10 BE!), das bei Bedarf als Glucose in die Blutbahn abgegeben werden kann. Als Folge davon kann es zu einem Blutzucker-Anstieg ohne vorangegangene Nahrungsaufnahme kommen (z.b. unter hormonellem Einfluss in psychisch belastenden Situationen). Andererseits gibt es Situationen, in denen ein vorher teilweise entleerter Glykogenspeicher (z.b. wegen körperlicher Tätigkeit bei knappen Blutzuckerwerten) wieder aufgefüllt wird. In diesem Fall kommt es zu einem nicht ohne weiteres erklärbaren Blutzuckerabfall (»Sport wirkt nach«). 3.2 Basalrate Auch wenn nichts gegessen wird, braucht der Körper Insulin. Dieser Insulinbedarf ist u.a. erforderlich für den Zuckereinstrom in die verschiedenen Körperzellen, denn Zucker ist ein wesentlicher Energielieferant für die Zellen. Außerdem wird Insulin für die Zuckerspeicherung in der Leber benötigt (Glykogensynthese). Man spricht hier insgesamt vom nahrungsunabhängigen Insulingrundbedarf bzw. vom basalen Insulinbedarf Tageszeitabhängiger Rhythmus Der basale Insulinbedarf ist während der 24 Stunden eines Tages nicht stets gleich hoch, sondern unterliegt im Regelfall einem typischen, zweigipfligen Verlauf. Es liegt eine tageszeitabhängige Rhythmik vor mit einem deutlichen Gipfel am frühen Mor- Schließlich ist die Leber auch ein Produktionsort zur Bildung von Zucker (sogenannte»glukoneogenese«). Im Durchschnitt produziert die Leber pro Stunde 0,5 bis 1 BE Glucose beispielsweise durch Abbau von Eiweißstoffen. Diese Zuckerneubildung in der Leber unterliegt mengenmäßig größeren Schwankungen. Durch hormonelle Einflüsse kann die Abgabe von sogenanntem»leberzucker«in die Blutbahn verändert werden, was ebenfalls Auswirkungen auf die Blutzuckerhöhe hat. Die Muskulatur hat insbesondere im Zusammenhang mit körperlicher Aktivität einen bedeutsamen Einfluss auf den Blutzuckerspiegel (vergleiche Kapitel 8). Auch in der Muskulatur ist»speicherzucker«in Form von Gykogen vorhanden allerdings deutlich weniger als in der Leber. Diese Depots können bei körperlicher Tätigkeit teilweise entleert werden, wodurch ein zu rascher Blutzuckerabfall verhindert wird. In der Erholungsphase nach Muskeltätigkeit werden diese Glykogendepots wieder gefüllt, sogenannter»muskelauffülleffekt«nach körperlicher Tätigkeit. Desweiteren kann die Muskulatur im Zusammenhang mit der Blutzuckerautoregulation ebenfalls die Höhe des Blutzuckerspiegels beeinflussen. Zwar lassen sich Ausmaß und Stärke der Blutzuckerveränderungen, die von Leber und Muskelgewebe ausgeübt werden, weder direkt messen noch unmittelbar beeinflussen, es ist jedoch vorteilhaft, diese Zusammenhänge zu kennen und zu beachten. So erklären sich manche vordergründig unverständlichen Blutzuckerwerte und es lassen sich durch aufmerksames Beobachten gewisse körpereigene Gesetzmäßigkeiten hinsichtlich des Blutzuckerverlaufs erahnen. Diese können in Zukunft bei der Festlegung der Insulinmenge berücksichtigt werden

25 3. Insulinbedarf: Bolusgröße und Basalrate 3. Insulinbedarf: Bolusgröße und Basalrate gen (meist zwischen 5.00 und 7.00 Uhr), dem»morgendämmerungs-phänomen«. Der Gipfel am späten Nachmittag ist meist geringer ausgeprägt (»Abenddämmerungs- Phänomen«). Ein geringerer Insulinbedarf (sog.»insulintal«) besteht gegen Uhr mittags sowie um Mitternacht (siehe Abb. 18). Der wechselnde Insulinbedarf ist hauptsächlich durch Hormone (körpereigene Botenstoffe) bedingt, die den Blutzucker erhöhen können. Beispiele hierfür sind: Cortison, das Wachstumshormon STH und Adrenalin. Diese Hormone sind tageszeitabhängig verschieden stark aktiv und verursachen dadurch in der Regel eine wechselnde Insulinempfindlichkeit des Körpers mit dem charakteristischen zweigipfligen Muster. Dawn-Phänomen (Morgendämmerung) Dusk-Phänomen (Abenddämmerung) In der Anfangszeit der Insulinpumpen-Therapie besaßen die Geräte häufig nur eine einzige Basalrate, die während 24 Stunden auf konstanter Höhe eingestellt war. Dadurch kam es insbesondere um Mitternacht eher zu einer Überinsulinierung, während in den früheren Morgenstunden häufiger eine Insulinmangelversorgung in Kauf genommen werden musste. Die physiologischen Überlegungen sowie die Erfahrungen mit programmierbaren Insulinpumpenmodellen zeigten jedoch, dass es von Vorteil ist, wenn die basale Insulinabgabe durch automatische Steuerung mit der Insulinpumpe die circadiane Rhythmik des Insulinbedarfs möglichst gut nachahmt. Im Regelfall werden deshalb heute Insulinpumpen benutzt, bei denen im Voraus eine tageszeitlich variable Insulinbasalrate fest einprogrammiert werden kann (z.b. stündliche Variation des Basalratenprofils bei den Disetronic-Insulinpumpen: H-TRONplus und D-TRONplus; 48 Basalraten pro 24 Stunden bei Medtronic Minimed 508 und Medtronic Paradigm). Nur in Ausnahmefällen ist der typische zweigipflige Verlauf des basalen Insulinbedarfs weitgehend aufgehoben bzw. nicht vorhanden höchster Insulinbedarf Uhr hoher Insulinbedarf Insulinabgabe [I.E./h] 10,0 2,0 1,5 1,0 niedriger Insulinbedarf Abb. 18: Insulinbedarf beim Nicht-Diabetiker niedrigster Insulinbedarf 0,5 0, Uhrzeit [Std.] Abb. 19: Beispiel für Basalrate mit zweigipfligem Verlauf Durch die Insulinpumpen-Therapie kann die Basalmenge an Insulin viel bedarfsgerechter verabreicht werden, als dies unter einer Spritzenbehandlung mit mehreren Injektionen pro Tag möglich ist. Besonders deutlich wird das in der Nacht, wenn der Insulinbedarf des Körpers aus dem»insulintal«zum»morgendämmerungsgipfel«wechselt Höhe der Basalrate Die strenge Trennung zwischen basalem Insulinbedarf und Nahrungs- bzw. Korrekturinsulin gelingt bei der intensivierten Insulintherapie nicht völlig; sie ist dagegen bei der Insulinpumpen-Therapie unter Berücksichtigung von typischen Gesetzmäßigkeiten meist relativ leicht zu verwirklichen. Ein solches Charakteristikum ist neben dem 49

26 3. Insulinbedarf: Bolusgröße und Basalrate 3. Insulinbedarf: Bolusgröße und Basalrate zweigipfligen Verlauf die Höhe des Gesamtbedarfs an Basalinsulin während 24 Stunden. Zwischen der Tagesgesamtinsulinmenge unter Insulinpumpen-Therapie und dem Basalinsulinbedarf besteht die folgende Faustregel (Abb. 20). Basalinsulin während 24 Stunden = ca. 50% des Tagesgesamtinsulins Beispiel: Tagesgesamtinsulin: Basalrate insgesamt: I.E. ca. 22 I.E. Abb. 20: Faustregel für die Basalrate Diese Faustregel gilt unter folgenden Voraussetzungen: Ernährung mit ausgeglichener Kalorienzahl, d.h. die täglich aufgenommene Nahrungsmenge führt weder zu einer Gewichtszunahme noch zu einer Gewichtsabnahme keine stärkere körperliche Aktivität keine begleitende Infektionskrankheit keine Phasen mit atypisch hohem bzw. niedrigem Insulinbedarf Falls die Höhe der täglichen Basalrate sehr stark von der Hälfte des Tagesgesamtinsulins abweicht, ist immer zu vermuten, dass eine strikte Aufteilung zwischen Basalinsulin und Nahrungsinsulin nicht erfolgt ist Ermittlung der Basalrate Aufgrund der bisherigen Ausführungen können wir folgende Merksätze zusammenfassen: Für eine erfolgreiche, vorteilhafte Insulinpumpen-Therapie ist die Ermittlung des adäquaten Basalratenprofils von großer Bedeutung. Eine einmal gefundene und sich als richtig bewährte Basalrate sollte nicht vorschnell komplett geändert werden. In Sondersituationen (z.b. sportliche Aktivität, Infektionskrankheit) ist es wünschenswert, das Basalratenprofil während eines bestimmten Zeitraums prozentual abzusenken bzw. prozentual zu erhöhen. Eine solche prozentuale Basalratenvariation ist beispielsweise bei den Insulinpumpenmodellen H-TRONplus und D-TRONplus möglich. Wie findet man die passende Basalrate? Bei der Umstellung von ICT auf Insulinpumpen-Therapie hat sich folgende Vorgehensweise bewährt (Modifikation nach Empfehlungen des Insulinpumpenzentrums München-Bogenhausen, Abb. 21). a) Patienten mit vorbestehender befriedigender bis guter Blutzuckereinstellung und seltenen Hypoglykämien (d.h. HbA 1c etwa 7-8 %; höchstens im Mittel zwei leichtere Unterzuckerungen pro Woche): Tagesgesamtinsulinmenge unter ICT um % verringern; von der verbleibenden Menge für die Basalrate die Hälfte nehmen b) Patienten mit guter bis sehr guter vorangegangener Einstellung und häufigen Hypoglykämien (d.h. HbA 1c unter 7%, im Mittel mehr als zwei Unterzuckerungen pro Woche): Insulinmenge unter ICT um ca. 30 % reduzieren; von der verbleibenden Menge für die Basalrate die Hälfte nehmen c) Patienten mit vorbestehender nicht befriedigender Stoffwechselqualität und seltenen Hypoglykämien (d.h. HbA 1c über 8 %; im Durchschnitt weniger als eine Unterzuckerung pro Woche): Insulinmenge nicht reduzieren; Von der vorbestehenden Tagesgesamtinsulinmenge wird % als Basalrate über 24 Stunden angesetzt. Abb. 21: Umstellung von ICT auf Insulinpumpenbehandlung Für die Festlegung der stündlichen Basalraten ist ein Rechenschieber hilfreich, der bei Roche Diagnostics erhältlich ist. Hiermit kann man für eine bestimmte Basalrate/ 24 Std. (z.b. 18 I.E.) leicht ermitteln, wie hoch die einzelnen Basalraten für die Stundenintervalle während eines Tages sind dabei ist der charakteristische zweigipflige Basalratenverlauf während 24 Stunden Voraussetzung (Abb. 22). Ergänzende Hinweise: 1. Start der Insulinpumpen-Therapie Bei Beginn einer Insulinpumpen-Therapie ist zu bedenken, dass ein vorher gespritztes Verzögerungsinsulin noch nachwirkt und eine zu niedrige Basalrate vortäuscht. Die Erstanlage der Insulinpumpe sollte daher am Vormittag nach dem Frühstück erfolgen, wobei der Diabetiker zuvor auf sein morgendliches Basalinsulin verzichtet hat. Entsprechendes gilt bei der Rückumstellung einer vorübergehenden ICT-Behandlung auf die Insulinpumpen-Therapie. 51

27 3. Insulinbedarf: Bolusgröße und Basalrate 3. Insulinbedarf: Bolusgröße und Basalrate 2. Anpassung in der Einstellungszeit Bei Neueinstellung auf die Insulinpumpen-Therapie kommt es in der Regel zu einer besseren Ausgeglichenheit der Blutzuckerverläufe mit geringerer Hypoglykämiehäufigkeit und reduzierten Blutzuckerspitzen. Durch die insgesamt stabileren Blutzuckerverläufe erfolgt eine Verbesserung der Insulinempfindlichkeit, d.h. der Tagesgesamtinsulinbedarf und damit auch die Basalraten können nicht selten während der ersten 14 Tage nach Beginn einer Insulinbehandlung zusätzlich um ca % verringert werden. 3. Atypischer Basalratenverlauf Es besteht ein relativ hoher Insulinbedarf morgens und eher geringer Insulinbedarf abends (überhöhter Morgengipfel, abgeflachter Abendgipfel). Ein solches Basalratenprofil kommt nach unseren Erfahrungen nicht selten bei schlanken Frauen mit großer Insulinempfindlichkeit und später Erstmanifestation nach dem 20. Lebensjahr vor. Der zweigipflige Verlauf ist nur sehr gering ausgeprägt (abgeflachter Morgen-und Abendgipfel, ausgefüllte Täler). Diese Basalrate findet sich häufiger bei Langzeitdiabetikern mit fortgeschrittener autonomer Polyneuropathie. Das Basalratenprofil ist zwar typisch zweigipflig, jedoch auf erhöhtem Niveau. Ein so gearteter Basalratenverlauf zeigt sich mitunter bei übergewichtigen Typ-1-Diabetikern (als Ursache wird eine zusätzliche periphere Insulinresistenz diskutiert). 4. Nächtliche Basalrate Die bedarfsangemessene Insulinbereitstellung während der Nacht ist ein wesentlicher Vorteil der Insulinpumpenbehandlung im Vergleich zur Spritzentherapie. Eine bewusst niedrig programmierte Basalrate in der ersten Nachthälfte, also um Mitternacht, verringert im Regelfall die Gefahr einer Unterzuckerung während des Schlafens deutlich. Dadurch ist üblicherweise eine Erhöhung des Blutzuckerzielbereiches vor dem Schlafengehen nicht notwendig. Zum Ausgleich empfehlen wir, die Basalrate in der zweiten Nachthälfte, d.h. etwa morgens ab 4.00 Uhr bei Verwendung von Normalinsulin und ab 5.00 Uhr bei Gebrauch von kurzwirksamem Insulinanalogon zu erhöhen. Unter dieser Strategie für die Programmierung der nächtlichen Basalrate tritt eine Hypoglykämie, wenn überhaupt, erst in den Morgenstunden auf, d.h. zu einer Zeit der geringeren Schlaftiefe bei gleichzeitig besserer Wahrnehmung von Unterzuckerungszeichen. Auf besondere Situationen mit erhöhtem Risiko für eine nächtliche Unterzuckerung wird in Kapitel 11 eingegangen. 5. Vorübergehende Basalratenerhöhung Während mancher akuter Begleiterkrankung (z.b. fieberhafter Infekt) oder nach einer ketoazidotischen Entgleisung ist der Basalratenbedarf über mehrere Stunden erhöht. Diesem Sachverhalt kann durch eine vorübergehende Basalratenerhöhung entgegengewirkt werden. Dies ist beispielsweise bei den InsulinpumpenH-TRONplus und D-TRONplus möglich. Alternativ kann in etwa 3-stündigen Intervallen Korrekturinsu- 52 lin als Bolus in geringen Mengen gegeben werden. Auch durch medikamentöse Einflüsse (z.b. durch eine Cortisonbehandlung) kann es zu einer deutlichen Veränderung des Basalratenbedarfs kommen. 6. Menstruationszyklus Bei Frauen ist nicht selten eine wechselnde Insulinempfindlichkeit parallel zum Menstruationszyklus zu beobachten. Es kommt häufig vermehrt an den Tagen vor der Monatsblutung zu einer vorübergehenden Erhöhung des Insulinbedarfs und mit Einsetzen der Periode wieder zu einer Verringerung. Bisweilen verhält es sich aber genau umgekehrt, oder es ist keine Beeinflussung feststellbar. Daher ist es vorteilhaft, in dieser Zeit engmaschige BZ-Kontrollen durchzuführen und zu protokollieren, um eigene Gesetzmäßigkeiten zu erkennen. 7. Schwangerschaft Während der Schwangerschaft muss die Basalrate in der ersten Hälfte (etwa bis zur 20. Woche) meist geringgradig verringert werden. Erfahrungsgemäß steigt der Basalratenbedarf in der zweiten Hälfte der Schwangerschaft oft sehr deutlich an, mitunter bis mehr als das Doppelte des Ausgangsniveaus. Nach der Entbindung ist in der Regel eine drastische Reduzierung der Insulinmenge notwendig. 8. Vorübergehende Basalratensenkung Bei körperlicher Aktivität über mehrere Stunden (z.b. Bergwanderung, Fahrradtour) ist auch der Basalinsulinbedarf geringer. Deshalb empfiehlt sich in solchen Fällen eine Basalratenabsenkung (ca. um 50 % oder auch mehr). Bei einem mehrstündigen kompletten Insulinpumpenstopp kann es allerdings leicht zu einem deutlichen Insulinmangel kommen und dadurch bedingt zu einem Blutzuckeranstieg trotz körperlicher Aktivität (siehe auch Kapitel 8). 9. Änderungen der Basalrate Änderungen an der Basalrate sind insgesamt eher selten vorzunehmen und sollten sehr überlegt erfolgen. Ihre Richtigkeit sollte durch gezielte Fastentests überprüft werden (siehe 3.2.4). Große Sprünge in der Insulinempfindlichkeit sind von einer Stun- 53

28 3. Insulinbedarf: Bolusgröße und Basalrate 3. Insulinbedarf: Bolusgröße und Basalrate Tipp: Start mit der Insulinpumpe Zu Beginn der Insulinpumpenbehandlung empfehlen wir ebenfalls, den Blutzuckerzielbereich etwas anzuheben. Es ist immer wieder überraschend, wie deutlich die Tagesgesamtmenge an Insulin bei kontinuierlicher, bedarfsangemessener Basalversorgung verringert werden kann. Absenkungen der Gesamtinsulinmenge von 30% und mehr sind keine Seltenheit. Bei dosisgleichem Übergang von ICT auf Insulinpumpe besteht ein relativ hohes Risiko für gehäufte Unterzuckerungen. In der Anfangszeit der Insulinpumpen-Therapie hat man diesen Aspekt mitunter zu wenig beachtet. Es gibt Berichte über eine vorübergehende Verschlechterung einer vorbestehenden diabetischen Retinopathie sowie über ein vermehrtes Auftreten von Netzhautblutungen nach Insulinpumpen-Therapiebeginn.Aus diesen Gründen raten wir zu einer vorherigen Untersuchung beim Augenarzt. Gegebenenfalls ist erst großzügig eine Lasertherapie durchzuführen und später mit der Insulinpumpenbehandlung zu starten. de zur anderen physiologisch nicht zu erwarten. Deshalb sollte sich auch die Basalratenhöhe nicht zu abrupt ändern. Sogenannte»Manhattan-Profile«mit deutlichem, häufig wechselndem»auf und Ab«müssen immer kritisch hinterfragt werden. Nicht selten sind sie Ausdruck von häufig wiederkehrenden Ereignissen (z.b. Hypoglykämie nach Alkoholgenuss, erhöhte Eiweißzufuhr am Abend), die fälschlicherweise in die Basalratenprogrammierung übernommen werden. Bei Verwendung von Normalinsulin mit einer Wirkdauer von ca. 4 Stunden ist zu berücksichtigen, dass sich eine Basalratenänderung erst ca. 2 Stunden später auswirkt. Beispielsweise zeigt sich der Effekt einer Änderung um Uhr morgens erst nach ca. 2 Stunden, d.h. etwa um Uhr. Dies erklärt sich durch die verzögerte Aufnahme des Normalinsulins aus dem subkutanen Depot. Aufgrund der kürzeren Wirkdauer und des unmittelbar einsetzenden Wirkbeginns spielen diese Überlegungen bei der Anwendung von einem kurzwirksamen Insulinanalogon eine geringere Rolle (Vorlaufzeit etwa 30 Minuten). Falls vor Beginn der Insulinpumpen-Therapie die basale Insulinversorgung mit Lantus erfolgte, ist die relativ lange Wirkungsdauer dieses Verzögerungsinsulins zu berücksichtigen. Diese scheint entgegen manchen Behauptungen größere Schwankungen zu haben, vereinzelt kann sie bis zu 30 Stunden betragen. Wenn unter ICT der basale Insulinbedarf mit einer abendlichen Einmalgabe von Lantus näherungsweise abgedeckt wurde, haben wir gute Erfahrung damit gemacht, am Vorabend ein NPH-Insulin spritzen zu lassen und zwar etwa Prozent der üblichen Lantusmenge. Der Überlappungseffekt erweist sich dann meist als gering, wenn am Folgetag in den Vormittagsstunden mit der Insulinpumpenbehandlung begonnen wird. Wegen der kaum vorhersehbaren Absenkung des Insulinbedarfs raten wir in den ersten Tagen nach Beginn der Insulinpumpen-Therapie zu einer besonderen Vorsicht beim Autofahren. Die Fahrtüchtigkeit kann, wie amerikanische Studien zeigten, bereits bei Blutzuckerwerten von mg/dl also im grenzwertig hypoglykämischen Bereich erheblich beeinträchtigt sein. Dieser Aspekt ist insbesondere bei einer ambulanten Umstellung auf die Insulinpumpe zu beachten, und der Insulinpumpenträger sollte über diese Problematik informiert sein. Vor dem Start einer Insulinpumpenbehandlung setzen wir voraus, dass der Insulinpumpenträger die intensivierte Insulinbehandlung (ICT) mit Spritze/Pen beherrscht.als einfach zu überprüfendes, minimales Kriterium ist zu fordern, dass diese über einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten durchgeführt wurde. Dies erleichtert es abzuschätzen, inwieweit mit der Insulinpumpe eine bessere Einstellung zu erwarten ist. Eventuelle andere Probleme, die trotz Insulinpumpen-Therapie erfahrungsgemäß nicht gelöst werden, lassen sich rascher erkennen. Viele Behandlungserfordernisse sind unabhängig von der Art der Insulinabgabe und können so bereits eingeübt werden. Zudem kann später bei einer längeren Insulinpumpenpause, einem Insulinpumpendefekt ohne Ersatzgerät oder einem geplanten mehrtätigen Ablegen der Insulinpumpe, auf die Vorerfahrungen mit ICT zurückgegriffen werden

29 3. Insulinbedarf: Bolusgröße und Basalrate 3. Insulinbedarf: Bolusgröße und Basalrate Tipp: Basalratenveränderung Ein weiterer Vorteil der Insulinpumpen-Therapie gegenüber ICT ist die Möglichkeit der relativ einfach und rasch durchzuführenden Basalratenvariation, d.h. für einen gewissen Zeitraum kann die fest einprogrammierte Basalrate bewusst verändert werden. Bei den Insulinpumpenmodellen Medtronic Minimed 508 und Medtronic Paradigm wird als vorübergehend neue Basalrate eine konstante, d.h. feste Größe eingegeben. Dagegen kann bei den Insulinpumpen H-TRONplus und D-TRONplus die Basalrate prozentual in 10%-lntervallen erniedrigt bzw. erhöht werden. Bei der Insulinpumpe H-TRONplus erfolgt die Basalratenabsenkung standardmäßig während eines Zeitraumes von 4 Stunden, die Basalratenerhöhung ist beim Standardmodell für 12 Stunden einprogrammiert. Diese Zeiten können jedoch von Roche Diagnostics (Disetronic) umprogrammiert werden. Bei der Insulinpumpe D-TRONplus ist die Basalratenabsenkung von 1-24 h frei einstellbar. Eine Basalratenabsenkung kann in folgenden Fällen in Betracht gezogen werden: Abb. 22:»Rechenschieber«für Basalratenverteilung nach Dr. R. Renner, München im Zusammenhang mit körperlicher Aktivität (siehe Kapitel 8) Falls bei Alkoholgenuss die Aufnahme von Extra-BE nicht gewünscht wird, kann durch Basalratenabsenkung einer drohenden Hypoglykämie zirka 3-6 Stunden nach Alkoholgenuss vorgebeugt werden. Mitunter ist auch eine bewusste Anhebung des Blutzuckerzielbereiches wünschenswert (z.b. vor/bei längerer Autofahrt). Wer dies nicht mit Extra-BE bzw. Verringerung des vorangehenden Nahrungsbolus erreichen möchte, kann stattdessen auch die Basalrate vorübergehend absenken. Immer dann, wenn das Unterzuckerungsrisiko über einen längeren Zeitraum bewusst verringert werden soll (z.b. auch bei wichtigen Besprechungen), kann an eine Basalratenabsenkung gedacht werden. Bei Verwendung von Normalinsulin kommt es nach einem großen Nahrungsbolus (z.b. mehr als 8 I.E.) aufgrund der relativ langen Wirkungsdauer nach 3-5 Stunden oft zu einem»insulinüberhang«. Falls in diesem Zeitraum eine Zwischenmahlzeit auf keinen Fall gewünscht wird, lässt sich eine drohende Unterzuckerungsneigung statt dessen auch durch Basalratenabsenkung verringern. Eine Basalratenerhöhung ist bei einer vorübergehenden Verschlechterung der Insulinempfindlichkeit angezeigt. Als Beispiele hierfür können genannt werden: fieberhafte Infekte medikamentöse Begleitbehandlung (z.b. mit kortisonhaltigen Tabletten) nach einer ketoazidotischen Entgleisung verminderte körperliche Bewegung (z.b.»faulenzerurlaub«, Bettlägerigkeit) vereinzelt im Rahmen des Menstruationszyklus

30 3. Insulinbedarf: Bolusgröße und Basalrate 3. Insulinbedarf: Bolusgröße und Basalrate Tipp: Geringer Insulinbedarf Nachdem im Jahre 2002 der Vertrieb von H-Tronin 40 eingestellt wurde, ist derzeit in vorgefertigten Verpackungen bedauerlicherweise kein U40-Insulin mehr erhältlich, das offiziell für die Insulinpumpenbehandlung zugelassen ist. Früher hatten wir bei sehr guter Insulinempfindlichkeit, d.h. bei einem täglichen Gesamtbedarf von weniger als 25 I.E. unter ICT, die Verwendung eines U40-Insulins empfohlen.wird stattdessen auch in diesen Fällen ein U100-Insulin benutzt, bestehen folgende wesentliche Nachteile: Geringere Durchflussrate, deshalb höheres Risiko für einen Katheterverschluss. Zeitlich späteres Auftreten eines Verstopfungsalarmes, da dieser von der absoluten Insulinmenge abhängig ist. Der Gesamtinhalt einer Insulinampulle reicht mehr als 10 Tage. Deshalb ist das Insulin relativ lange ungünstigen äußeren Einflüssen wie Schütteln und Wärme ausgesetzt. Höheres Risiko für die Entstehung von Luftblasen. Diese haben zusätzlich eine größere Bedeutung, denn gleich große Luftblasen entsprechen bei einer U100-Konzentration mehr Insulineinheiten. U100-Insuline fluten hinsichtlich der blutzuckersenkenden Wirkung etwas langsamer an als U40-Insuline, d.h. Wirkungsbeginn und Wirkungsmaximum sind zeitlich später, die Wirkungsdauer ist etwas länger. Dieser Gesichtspunkt ist insbesondere bei der Verwendung von Normalinsulin zu beachten. Sollten im Einzelfall einige dieser Nachteile von erheblicher Bedeutung sein, kann als Ersatzlösung folgendes ausprobiert werden: In der Apotheke lässt man das U100-Insulin aus einem 10 ml Fläschchen mit einer geeigneten Verdünnungslösung im Verhältnis 1:1 mischen und wieder steril verpacken. Damit bekommt man eine U50-Konzentration, d.h. 1 ml der neuen Mischlösung enthält 50 I.E. Insulin und nicht wie üblich 100 I.E. Diese Mischlösung kann in die für das jeweilige Insulinpumpenmodell geeignete Insulinampulle umgefüllt werden. Auch für die Insulinpumpen D-TRONplus und H-TRONplus gibt es entsprechende Leerpatronen. Anschließend ist zu beachten: Wird ein Bolus von 1 I.E. per Knopfdruck abgegeben, so entspricht dies nur einer Insulinmenge von 0,5 I.E. (Faktor 1/2!). Wird eine Insulinmenge von 1 I.E. benötigt, so muss per Knopfdruck ein Bolus von 2 I.E. gesetzt werden (Faktor 2!) Anders ausgedrückt: Die per Knopfdruck abzugebende Menge ist formal doppelt so groß wie die gewünschte tatsächliche Insulinmenge. Eine Insulinampulle mit der U50-Mischlösung reicht nur halb so lange wie eine frühere U100-Originallösung. Die Durchflussgeschwindigkeit ist doppelt so hoch; ein eventueller Verstopfungsalarm erscheint bereits nach der Hälfte der üblichen Zeit. Mit dieser Methode lässt sich prinzipiell jede beliebige Insulinkonzentration erzeugen. Beispielsweise erhält man eine U40-Konzentration, wenn ein U100-Insulin mit der entsprechenden Mischlösung im Verhältnis 2:3 verdünnt wird. Nach Angaben der Insulinhersteller ist eine physiologische Kochsalzlösung aus Stabilitätsgründen zum Mischen nicht geeignet und offiziell auch nicht zugelassen. Für U100 Humalog wird von Lilly die Lösung»Sterile Diluent ND-800«angeboten. Diese ist in 10 ml Fläschchen erhältlich und besitzt die Zulassung in den USA. Weitere Informationen hierzu erteilt die Kundenbetreuung der Fa. Lilly unter der Telefonnummer 0180/ Für das Normalinsulin Insuman Infusat kann über Aventis als geeignete Mischlösung die Substanz»Verdünnungspuffer HOE 21 PH«bezogen werden. Dagegen ist nach Aussage Novo Nordisk für das U100 Insulin NovoRapid keine Verdünnungslösung erhältlich. Es wird allerdings ausdrücklich betont, dass die Verdünnung eines U100-Insulins selbstverständlich keine Routinemaßnahme sein darf, sondern sie sollte nur in besonderen Ausnahmefällen unter fachlich kompetenter Aufsicht durchgeführt werden

31 3. Insulinbedarf: Bolusgröße und Basalrate 3. Insulinbedarf: Bolusgröße und Basalrate Überprüfung der Basalrate Die Basalrate kennzeichnet den Insulinbedarf des Organismus ohne begleitende Nahrungsaufnahme. Somit erscheint es naheliegend, die Richtigkeit des Basalratenprofils durch eine Nahrungspause ohne wesentliche körperliche Aktivität zu überprüfen. Ein 24-stündiger Fastentag wird von manchen Insulinpumpenzentren auch heute noch favorisiert. Wir empfehlen stattdessen gezielte Mahlzeitenauslassversuche, d.h. es wird jeweils nur eine Hauptmahlzeit sowie die eventuell anschließende Zwischenmahlzeit weggelassen. Voraussetzung hierfür ist ein Ausgangsblutzucker von mg/dl bzw. 4,4-7,8 mmol/l. Durch zweistündliche Blutzuckermessungen wird nun überprüft, ob die Basalrate»passt«. Im Anschluss daran können Änderungen der Basalrate gezielt und dosiert vorgenommen werden. Zwar erstreckt sich dieses Vorgehen über mehrere Tage, es wird jedoch von den Insulinpumpenträgern als viel angenehmer empfunden. Außerdem kann es während einer 24-stündigen Nahrungspause zu störenden Stoffwechselvorgängen mit vermehrtem Eiweiß- und Fettabbau kommen, wodurch sich die Insulinempfindlichkeit und damit der basale Insulinbedarf ändert. Gezielte Mahlzeitenauslassversuche können auch ohne weiteres ambulant unter häuslichen Bedingungen erfolgen. Eine mögliche Vorgehensweise für die Basalratentestung durch Mahlzeitenauslassversuche ist in Abb. 23 zusammengestellt. Bei der Austestung des Basalratenprofils ist gerade die nächtliche Basalrate besonders wichtig. Nur wenn diese relativ genau ermittelt wurde, ist zum einen das Risiko für eine nächtliche Unterzuckerung gering, zum anderen die Wahrscheinlichkeit für gute Blutzuckernüchternwerte hoch. Damit ist ein längeres Ausschlafen mit guten Blutzuckerwerten ohne weiteres möglich. Tag A: Tag B: Tag C: Tag D: Ausgangsblutzucker: Durchführung: Abbruch: Fall 1: Fall 2: Hinweise: kein Frühstück kein Mittagessen kein Abendessen, ab Uhr Spätmahlzeit erlaubt nach dem Abendessen: Keine Spätmahlzeit! zwischen 80 und 140 mg/dl bzw. 4,4-7,8 mmol/l Blutzuckermessung alle 2 Stunden (nachts in der Regel Uhr, 2.00 Uhr, 6.00 Uhr) keine Zwischenmahlzeiten ausreichend trinken möglichst wenig körperliche Bewegung wenn Blutzucker stark ansteigt Basalrate erhöhen wenn Blutzucker stark abfällt Basalrate reduzieren Die A-B-C-D-Fastentests sind zur Feineinstellung der Basalrate empfehlenswert. Zwischen zwei Fastentests sollten mindestens 3 Hauptmahlzeiten eingenommen werden. kein Fastentest bei Krankheit. kein Fastentest nach vorangegangener Hypoglykämie oder ketoazidotischer Entgleisung. kein Fastentest nach vorhergehendem Alkoholkonsum. Nach Korrektur der Basalrate muss meist der BE-Faktor angepasst werden. Ein weiterer wichtiger Hinweis für die Richtigkeit des Basalratenprofils ergibt sich daraus, dass zwischen der jeweiligen stündlichen Basalrate, dem BE-Faktor und der Korrekturzahl zu einer bestimmten Tageszeit ein logischer Zusammenhang besteht. Die verbindende Größe wird durch die entsprechende Insulinempfindlichkeit charakterisiert. Bei geringer Basalrate ist der BE-Faktor entsprechend klein und die Korrekturzahl verhältnismäßig groß. Bei hoher Basalrate verhält es sich umgekehrt. Grobe Richtwerte für die Beziehung zwischen Basalrate, BE-Faktor und Korrekturzahl sind in Abb. 24 aufgeführt. Sie müssen selbstverständlich individuell angepasst werden. Abb. 23: A-B-C-D-Basalratentest Basalrate [I.E. Insulin pro Stunde] 0,5 1,0 1,5 2,0 3,0 BE-Faktor [I.E. Insulin pro BE] 0,6 1,0 1,8 2,5 4,0 Korrekturzahl [mg/dl pro I.E. Insulin] Abb. 24: Anhaltspunkte für den Insulinbedarf 60 61

32 3. Insulinbedarf: Bolusgröße und Basalrate 3. Insulinbedarf: Bolusgröße und Basalrate Im Folgenden wird mit zwei Beispielen aufgezeigt, wie der Zusammenhang zwischen Basalratenmenge und Bolusbedarf im Einzelfall aussehen kann. Aufgeführt ist der Nahrungsbolus in Abhängigkeit von der geplanten BE-Menge, zusätzlich wird der eventuell erforderliche Korrekturbolus mit dem zugehörigen empfehlenswerten Drück-Ess-Abstand (DEA) angegeben. Bolusplan Beispiel 1 (in mg/dl): Insuman Infusat als Pumpeninsulin Nahrungsinsulin Korrekturinsulin Drück-Ess-Abstand morgens: Beispiel 1 28jährige Frau, Typ-1-Diabetes seit dem 14. Lebensjahr, seit 2 Jahren Insulinpumpenbehandlung Insulinpumpenmodell: H-TRONplus, Insulin: Insuman Infusat keine Folgeerkrankungen Es liegt ein klassisches Dawn-Phänomen mit typischerweise erhöhtem Insulinbedarf in den Morgenstunden vor. Auch in den Abendstunden ist der basale Insulinbedarf erhöht. BE-Faktor 2,0 I.E./BE 1 BE 2,0 I.E. 2 BE 4,0 I.E. 3 BE 6,0 I.E. 4 BE 8,0 I.E. usw. 1. Zwischenmahlzeit Korrekturzahl 40 mg/dl/i.e. bis 80: 0,0 I.E : 0,0 I.E : + 0,5 I.E : + 1,0 I.E : + 1,5 I.E : + 2,0 I.E. Bolusabgabe vor dem Essen ca. 15 Minuten ca. 20 Minuten ca. 30 Minuten ca. 35 Minuten ca. 45 Minuten BE-Faktor 1,0 I.E./BE Korrekturzahl Bolusabgabe Basalrate [I.E./h] Tagessumme 22,3 I.E. Datum/Date 1 BE 1,0 I.E. 2 BE 2,0 I.E. 3 BE 3,0 I.E. entfällt vor dem Essen 2,5 2,5 mittags: 2,0 1,5 1,0 2,0 1,5 1,0 BE-Faktor 1,0 I.E./BE 1 BE 1,0 I.E. 2 BE 2,0 I.E. 3 BE 3,0 I.E. 4 BE 4,0 I.E. usw. Korrekturzahl 40 mg/dl/i.e. bis 80: 0,5 I.E : 0,0 I.E : + 0,5 I.E : + 1,0 I.E : + 1,5 I.E. Bolusabgabe beim Essen vor dem Essen ca. 10 Minuten ca. 20 Minuten ca. 30 Minuten 0,5 0,5 2. Zwischenmahlzeit: BE-Faktor 1,0 I.E./BE (siehe oben) h 0 abends BE-Faktor 1,5 I.E./BE Korrekturzahl 40 mg/dl/i.e. Bolusabgabe Abb. 25: Basalrate Beispiel 1 1 BE 1,5 I.E. 2 BE 3,0 I.E. 3 BE 4,5 I.E. 4 BE 6,0 I.E. usw. bis 80: 0,0 I.E : 0,0 I.E : + 0,5 I.E : + 1,0 I.E : + 1,5 I.E. Spätmahlzeit: BE-Faktor 1,0 I.E./BE (siehe oben) vor dem Essen ca. 10 Minuten ca. 20 Minuten ca. 30 Minuten ca. 40 Minuten 62 Abb. 26: Bolusplan Beispiel 1 (in mg/dl): Insuman Infusat als Pumpeninsulin 63

33 3. Insulinbedarf: Bolusgröße und Basalrate 3. Insulinbedarf: Bolusgröße und Basalrate Beispiel 2 55jähriger Mann, Typ-1-Diabetes seit dem 12. Lebensjahr, Insulinpumpen-Therapie seit 5 Jahren Insulinpumpenmodell: H-TRONplus, Insulin: Humalog Folgeerkrankungen: Polyneuropathie, Nephropathie Von der Persönlichkeitsstruktur handelt es sich um einen disziplinierten, gewissenhaften, kritisch denkenden, bzgl. der Diabeteserkrankung sehr selbständig handelnden Menschen, der um ausgefeilte Anpassungsregeln bemüht ist. Der täglich notwendige Gesamtinsulinbedarf beträgt ca I.E. Insulin, davon 15,1 I.E. als basales Insulin. Es handelt sich um ein Beispiel mit einem eher niedrigen täglichen Insulinbedarf und relativ geringer Schwankungsbreite des Basalratenprofils. Diese Kennzeichen finden sich nicht selten bei Langzeitdiabetikern mit einer Erkrankungsdauer von 20 Jahren und mehr. Bolusplan Beispiel 2 (in mg/dl): Humalog als Pumpeninsulin Nahrungsinsulin Korrekturinsulin Drück-Ess-Abstand morgens: BE-Faktor 1,0 I.E./BE 1 BE 1,0 I.E. 2 BE 2,0 I.E. 3 BE 3,0 I.E. 4 BE 4,0 I.E. usw. 1. Zwischenmahlzeit Korrekturzahl 40 mg/dl/i.e. bis 80: 0,0 I.E : 0,0 I.E : + 0,5 I.E : + 1,0 I.E : + 1,5 I.E. Bolusabgabe beim Essen vor dem Essen ca. 10 Minuten ca. 15 Minuten ca. 25 Minuten BE-Faktor 0,7 I.E./BE Korrekturzahl Bolusabgabe 2,5 Basalrate [I.E./h] Tagessumme 15,1 I.E. Datum/Date 2,5 mittags: 1 BE 0,5 I.E. 2 BE 1,5 I.E. 3 BE 2,0 I.E. entfällt vor dem Essen 2,0 1,5 1,0 2,0 1,5 1,0 BE-Faktor 0,6 I.E./BE 1 BE 0,5 I.E. 2 BE 1,0 I.E. 3 BE 2,0 I.E. 4 BE 2,5 I.E. usw. Korrekturzahl 60 mg/dl/i.e. bis 80: 0,5 I.E : 0,0 I.E : + 0,5 I.E : + 1,0 I.E : + 1,5 I.E. Bolusabgabe beim Essen vor dem Essen ca. 10 Minuten ca. 15 Minuten ca. 20 Minuten 0,5 0,5 2. Zwischenmahlzeit: BE-Faktor 0,7 I.E./BE (siehe oben) h abends BE-Faktor 0,8 I.E./BE Korrekturzahl 50 mg/dl/i.e. Bolusabgabe Abb. 27: Basalrate Beispiel 2 1 BE 1,0 I.E. 2 BE 1,5 I.E. 3 BE 2,5 I.E. 4 BE 3,0 I.E. usw. bis 80: 0,0 I.E : 0,0 I.E : + 0,5 I.E : + 1,0 I.E : + 1,5 I.E. nach dem Essen vor dem Essen ca. 10 Minuten ca. 20 Minuten ca. 25 Minuten Spätmahlzeit: BE-Faktor 0,5 I.E./BE (analog oben) 64 Abb. 28: Bolusplan Beispiel 2 (in mg/dl): Humalog als Pumpeninsulin 65

34 3. Insulinbedarf: Bolusgröße und Basalrate 3. Insulinbedarf: Bolusgröße und Basalrate Bemerkungen zu den Beispielen: Im Beispiel 1 wird unabhängig von der Tageszeit stets die gleiche Korrekturzahl von 40 mg/dl/i.e. benutzt. Um der schlechteren Insulinempfindlichkeit morgens gerecht zu werden, wird hier bereits ab einem BZ-Wert von 120 mg/dl korrigiert und zusätzlich der DEA großzügiger verlängert. In Beispiel 1 wird bei den Zwischenmahlzeiten stets der im Vergleich zu den Hauptmahlzeiten eher niedrige BE-Faktor von 1,0 I.E./BE benutzt. Der DEA in Beispiel 1 ist morgens tendenziell länger als mittags und abends. Im Beispiel 2 entfällt bei Blutzuckerwerten im wünschenswerten Bereich jeglicher DEA, da das rascher wirksame Insulin Lispro benutzt wird. Bei knappen Blutzuckerwerten morgens erfolgt in beiden Beispielen keine Bolusverringerung, stattdessen wird nur der DEA verkürzt, d.h. es wird beim bzw. nach dem Essen gespritzt. Haupt- und insbesondere Zwischenmahlzeiten können in beiden Beispielen selbstverständlich entfallen. Zu den Zwischenmahlzeiten ist bewusst kein Korrekturinsulin und kein DEA vorgesehen. Normalerweise erfolgt vor Zwischenmahlzeiten keine Blutzuckerselbstkontrolle und somit erübrigt sich die Gabe von Korrekturinsulin bzw. das Einhalten eines DEA. Falls in Sonderfällen eine BZ-Messung stattfindet, können selbstverständlich entsprechende Konsequenzen gezogen werden. Die Anpassungsschemata haben nur Gültigkeit für den»normalfall«. In Sondersituationen müssen sinnvolle Änderungen vorgenommen werden. Dies gilt insbesondere vor körperlicher Aktivität, meist auch vor einer längeren Autofahrt als Fahrer (in diesen Fällen Bolusverringerung) bzw. bei Begleiterkrankungen mit dadurch bedingtem vermehrtem Insulinbedarf (Boluserhöhung). Das Maximum des Basalratenprofils ist in Beispiel 1 (Normalinsulin!) zeitlich früher als in Beispiel 2 (Insulin Humalog!). 3.3 Das»PPL-System«: Plane prüfe lerne Wesentliche Fragen bei der Behandlung von Menschen mit Typ-1-Diabetes (absoluter Insulinmangel) sind: Wie viel Insulin wird in der Blutbahn oder genauer an den Rezeptoren der Zellen benötigt, damit der Blutzuckerspiegel im wünschenswerten Bereich von mg/dl stabilisiert werden kann? Wie kann erreicht werden, dass diese erforderliche Insulinmenge nach Gabe ins Unterhautfettgewebe zum richtigen Zeitpunkt im Blutkreislauf vorhanden ist? Beim Gesunden erfolgt die Insulinbildung in den Langerhans schen Inseln der Bauchspeicheldrüse, und die Abgabe in die Blutbahn wird entsprechend dem jeweiligen Bedarf gesteuert. Dabei sind komplexe körpereigene Regulationsmechanismen von Bedeutung. Aufgrund eines Defektes der Insulinproduktion und -freisetzung ist dies bei Menschen mit Typ-1-Diabetes nicht mehr gewährleistet. Stattdessen muss der»kopf«des Typ-1-Diabetikers diese Steuerungsfunktion übernehmen und abschätzen, wie hoch der Insulinbedarf aktuell und in den Stunden während der Wirkdauer des gespritzten Insulins sein wird. Diese geschätzte Insulinmenge wird dann in das Unterhautfettgewebe abgegeben, dabei ist es primär nicht entscheidend, ob dies mit Insulinspritzen, mit einer Pen-Injektion oder mit Hilfe einer Insulinpumpe geschieht. Anders ausgedrückt: Das»Organ zwischen den Ohren«muss beim Typ-1-Diabetiker die Steuerungsfunktion der Bauchspeicheldrüse hinsichtlich der geeigneten Insulinmenge übernehmen. Nicht die Insulinpumpe an sich ist der Schlüssel zum Erfolg, sondern es kommt darauf an, wie gut der Mensch mit Typ-1-Diabetes erahnen kann, welche Insulinmenge sein Körper in den verschiedenen Lebenssituationen braucht. Dazu gehört umfangreiches Wissen, viel Erfahrung, eine gute Wahrnehmung der persönlichen Besonderheiten, ein ständiges Hinterfragen von Erfolg und Misserfolg, aber auch ein Quäntchen Glück sowie die Bescheidenheit, nicht alles erklären zu können. Die Insulinpumpe ist lediglich das zur Zeit optimale Hilfsmittel, um Insulin kontinuierlich in das Unterhautfettgewebe abzugeben. Entscheidende Fragen sind demnach: Wie viel Insulin brauche ich? Wovon hängt mein Insulinbedarf ab? Die Antworten hierauf sind sehr vielschichtig, die Insulinwirkung an der Zelle ist nämlich von zahlreichen Faktoren abhängig nicht alle sind messbar und können beeinflusst werden

35 3. Insulinbedarf: Bolusgröße und Basalrate 3. Insulinbedarf: Bolusgröße und Basalrate Als wesentliche Bestimmungsgrößen seien genannt: Kohlehydratmenge der Nahrung (BE-Anzahl) Art der Kohlehydrate (glykämischer Index) weitere Nahrungsbestandteile (Eiweiß-, Fett- und Flüssigkeitsanteil) körperliche Aktivität (Kapitel 8) Insulinempfindlichkeit (Abschnitt 3.1.1) Leberstoffwechsel (Abschnitt 3.1.3) Muskelauffülleffekt (Abschnitt 3.1.3) Autoregulation (Abschnitt 3.1.3) Bedarf an basalem Insulin (Abschnitt 3.2.4) hormonelle Einflüsse (Kortison, Wachstumshormon, Glukagon, Adrenalin, Schilddrüsenhormon) psychische Situation (Stress, Ärger, Kränkung, Ängste, Trauer, Wut, Verzweiflung) circadiane Rhythmik des Insulinbedarfs Menstruationszyklus bei Frauen begleitende Infekte medikamentöse Einflüsse (z.b. Kortisonbehandlung) Alkoholgenuss Insulinaufnahme aus dem Unterhautfettgewebe. Manch einer mag angesichts dieser Vielfalt verzweifeln und resignieren und die Meinung vertreten:»das schaffe ich nie«. Doch dazu besteht kein Grund. Es gibt eine verhältnismäßig übersichtliche Methode, wie man sich in diesem Wirrwarr von Einflussfaktoren zurechtfinden kann, nämlich durch 68 Beobachten Nachdenken Handeln. Eine Hilfe dabei will das sogenannte PPL-System sein: Plane Prüfe Lerne Planen Die notwendige Insulinmenge an Bolusinsulin richtet sich im Wesentlichen nach folgenden Punkten: 1. Was und wie viel will ich essen? 2. Wie ist die aktuelle Blutzucker-Höhe? 3. Ist körperliche Aktivität in den kommenden Stunden geplant? 4. Sind Sonderbedingungen zu berücksichtigen? 5. Ist die Standard-Basalrate richtig? Zu 1.: Der Nahrungsbolus hängt insbesondere davon ab, was gegessen und getrunken wird. Hierbei ist die BE-Menge wichtig, aber auch die Nahrungszusammensetzung ist von Bedeutung (Stichwort: glykämischer Index, Abschnitt 12.6). Persönliche Erfahrungen sind zu berücksichtigen. Bei außergewöhnlich eiweißreicher Kost (z.b. Steak, Hähnchen) ist nicht selten eine geringe zusätzliche Menge an Bolusinsulin erforderlich; es hat sich dabei bewährt, für ca g Eiweiß eine Einheit Insulin zusätzlich zu verabreichen, bei Verwendung von kurzwirksamem Insulinanalogon allerdings mit zeitlicher Verzögerung (Bolussplitting!). Auch hier gilt: daran denken und ausprobieren. Zu 2.: Aufgrund des aktuellen Blutzuckerwertes wird entschieden, ob zusätzlich ein Korrekturbolus angezeigt ist. Bei erhöhten Blutzuckerwerten haben sich Dosisanpassungsregeln wie beispielsweise die»40er Regel«bewährt (vgl. Abschnitt 3.1.2). Bei Blutzuckerergebnissen unter 80 mg/dl ist es oft erfolgreicher, nicht die übliche Menge an Insulin um 1 bis 2 Einheiten zu verringern, sondern statt dessen den Drück-Ess-Abstand zu verkleinern, bzw. während des Essens oder auch erst nach dem Essen zu spritzen. Für die Menge an Korrekturinsulin können neben der Blutzuckerhöhe weitere Gesichtspunkte von Bedeutung sein: Korrekte Ermittlung des tatsächlichen Blutzuckerwertes. Als Hinweise seien genannt: die Problematik der Messgenauigkeit und der Fehlmessung (siehe Kapitel 9). Blutzuckertrend: Bei ansteigenden Blutzuckerwerten die Insulinmenge großzügig erhöhen, bei absteigenden Verläufen die Bolusgabe eher verringern. Der Blutzuckertrend wird im Regelfall nicht nur durch Messung ermittelt eine stündliche bzw. halbstündliche Blutzuckerbestimmung wird nicht empfohlen sondern er ist durch gedankliche Überlegungen zu erahnen, indem blutzuckerbeeinflussende Rahmenbedingungen berücksichtigt werden. Mechanismus der»autoregulation«(siehe Abschnitt 3.1.3). Zu 3. Bei körperlicher Aktivität ist der Insulinbedarf geringer. Dies ist bei der Bolusabgabe zu beachten, wenn die Muskelarbeit während der Wirkdauer des Bolus stattfindet und wenn sie planbar ist. Entsprechend den persönlichen Erfahrungen ist der übliche Bolus zu verringern oder/und die Basalrate vorübergehend abzusenken (siehe Abschnitt 8, körperliche Aktivität). Alternativ sind Zusatz-BE erforderlich. Zu 4. Häufig nicht genügend beachtet und unterschätzt wird die Bedeutung von Sonderbedingungen, die den Insulinbedarf verändern können. Als Beispiele seien aufgeführt: fieberhafte Infektionen Situationen mit vermehrter psychischer Belastung 69

36 3. Insulinbedarf: Bolusgröße und Basalrate 3. Insulinbedarf: Bolusgröße und Basalrate Einfluss von Alkohol Muskelauffülleffekt nach körperlicher Aktivität wechselnde Insulinempfindlichkeit beispielsweise durch: Menstruationszyklus, längerfristig deutlich erniedrigte bzw. erhöhte Blutzuckerverläufe, Gewichtsschwankungen, mehrtägige drastische Erhöhung bzw. Verringerung der Gesamtinsulindosis (sog.»up-and-down«-regulation) Wunsch nach bewusster Anhebung des Blutzuckerzielbereichs (längere Autofahrt, Besprechungen), um eine Unterzuckerung möglichst zu vermeiden. Praktische Anwendung des PPL-Systems Blutzuckerwert vorher:... Was und wie viel will ich essen? Nahrungsinsulin:... I.E. In solchen Sondersituationen ist teilweise eine größere Bolusgabe zweckmäßig (Infekt, Stress), teilweise eine Verringerung des Bolus empfehlenswert (höherer Blutzuckerzielbereich, vor und nach Sport, Alkoholgenuss). zu 5. Die bisher beschriebenen Gesichtspunkte zur Ermittlung der Bolusgröße gehen stillschweigend davon aus, dass die programmierte Basalrate dem tatsächlichen Bedarf an basalem Insulin unter Standardbedingungen entspricht. Dies muss nicht zwangsläufig richtig sein. Für eine überschaubare Anwendung des PPL-Systems ist dies allerdings Voraussetzung. Auf die entsprechenden Ausführungen in Abschnitt 3.2 wird verwiesen. In der Phase des Planens geht es darum, die erforderliche Menge an Insulin während der Wirkdauer des verabreichten Bolus zu erahnen. Wünschenswert und notwendig ist also das»vor-denken«. Hilfsmittel, sozusagen wesentliche»handwerkzeuge«, sind dabei: umfassendes Wissen über die Blutzuckerveränderung durch Essen und Trinken (BE-Kenntnisse, glykämischer Index, BE-Faktoren). Einflussgrößen der Insulinwirkung wie Insulinwirkkurven, Insulinempfindlichkeit, Autoregulation. die Möglichkeiten der Korrektur durch Drück-Ess-Abstand und Korrekturzahlen. die Auswirkungen von körperlicher Aktivität: Bewegungseinheiten, Muskelauffülleffekt. den Bedarf an basalem Insulin, programmierte Basalrate. die Berücksichtigung von individuellen Besonderheiten. die Nutzung eigener Erfahrungswerte Abb. 29 beschreibt ein Arbeitsblatt für das praktische Vorgehen mit dem PPL- System. Für einen konkreten Fall können die einzelnen hier dargestellten Schritte nachvollzogen werden. Die Bolusgrößen zu den jeweiligen Planungsannahmen sind einzutragen, das Ergebnis wird bewertet, dann lassen sich geeignete Lernhypothesen für das zukünftige Vorgehen aufstellen. Planen Prüfen Lernen Ist der Blutzucker im Zielbereich? evtl. Korrekturinsulin: Körperliche Aktivität geplant? evtl. Insulinverringerung: Muss ich Besonderheiten berücksichtigen? evtl. Insulinveränderung: empfehlenswerte Gesamt-Insulinmenge:... I.E.... I.E.... I.E.... I.E. Blutzuckerwert nachher:... Waren meine Planungsannahmen richtig? Was ist anders als erwartet? Warum ist der Blutzucker so, wie er ist? Was kann ich für die Zukunft lernen? Was will ich das nächste Mal anders machen? Welche neuen Erfahrungen sind mir wichtig? Abb. 29: Arbeitsblatt zum PPL-System 70 71

37 3. Insulinbedarf: Bolusgröße und Basalrate 3. Insulinbedarf: Bolusgröße und Basalrate Prüfen Die Ergebnisse der Blutzucker-Selbstkontrolle sind der»goldstandard«um zu beurteilen, ob die verabreichte Insulinmenge richtig war. Damit lassen sich die Planungsannahmen überprüfen. Für den Zeitpunkt der Blutzuckermessung sind zwei Fälle zu unterscheiden: a) Nur die Basalrate ist wirksam. Im Regelfall betrifft dies die Messzeiten»nüchtern«,»vor den Hauptmahlzeiten«,»vor dem Schlafengehen«und in der zweiten Nachthälfte oder allgemein: Seit der letzten Bolusgabe ist ein Zeitraum verstrichen, der länger ist als die Wirkdauer des verwendeten Insulinpumpeninsulins, d.h. bei kurzwirksamem Insulinanalogon mindestens 3 Stunden und bei Normalinsulin mindestens 5-6 Stunden. Als Zielbereich ist anzustreben: mg/dl (vergleiche Abschnitt 3.1.2) b) Zusätzlich ist Bolusinsulin wirksam. Eine routinemäßige Bestimmung des Blutzuckerwertes während des Wirkintervalls des Insulinbolus wird nicht empfohlen. Sollte die Blutzuckermessung bereits weniger als zwei Stunden nach Bolusgabe von kurzwirksamem Insulinanalogon bzw. weniger als vier Stunden nach derjenigen von Normalinsulin stattfinden, so ist die noch bestehende zusätzliche Wirkung des Bolusinsulins zu berücksichtigen. Als Zielbereich ist ein höherer Wert zu tolerieren, im Regelfall mg/dl. Ähnliche Überlegungen sind anzustellen, falls über den Messzeitpunkt hinaus noch andere wesentliche Faktoren den Blutzucker beeinflussen. Dann gilt es zu erahnen, wie sich der weitere Blutzuckerverlauf gestalten wird. Eher zu einem Blutzucker-Anstieg wird es kommen, falls Stunden vorher eine fett- und eiweißreiche Mahlzeit (z.b. Schnitzel mit Pommes frites, Pizza) gegessen wurde, mitunter auch nach Speisen mit hohem Ballaststoffanteil (Linsengericht). Ein Blutzuckerabfall ist möglich und wahrscheinlich, wenn zuvor eine körperliche Aktivität von längerer Dauer stattgefunden hat, oder falls Stunden vorher ein alkoholisches Getränk mit niedrigem Kohlenhydratanteil (z.b. Diabetiker-Bier, bzw. trockener Wein) getrunken wurde. Solche Zusammenhänge sind zu beachten, wenn das Messergebnis der Blutzucker- Selbstkontrolle bewertet wird. Durch Nachdenken wird überprüft, ob die Planungsannahmen richtig waren. Dabei ist eine möglichst genaue und zuverlässige Methode der Blutzuckermessung unabdingbar. Eine aussagekräftige Dokumentation der Ergebnisse ist hilfreich, um einen Vergleich mit früheren ähnlichen Situationen zu ermöglichen. Hierzu eignet sich ein Insulinpumpentagebuch, in dem neben Blutzuckerwerten, BE- Mengen und Bolusgaben auch Besonderheiten wie körperliche Aktivität, Alkoholgenuss, psychische Belastungssituationen, Katheterprobleme, fieberhafte Infekte und weitere Sondersituationen festgehalten werden können. Eine zusätzliche graphische Darstellung ist oft hilfreich. Ein gewisser»spürsinn«ist erforderlich, um die individuellen Gesetzmäßigkeiten zu erahnen und herauszufinden. Dabei wollen und können folgende Fragen Denkanstöße sein: Warum ist der Blutzucker so, wie er ist? Was ist anders als erwartet? Welche Einflussgröße wurde unterschätzt? Was wurde nicht genügend berücksichtigt? Bei der Beantwortung dieser Fragen möchten die Checklisten in den Abb. 30 und 31 eine Hilfe sein. Sie sollen das nachträgliche Überdenken erleichtern, wenn es darum geht, eigene Regeln der Blutzuckersteuerung herauszufinden. Die zugrundeliegenden Leitideen sind:»lernen am Erfolg«und»Erfolg gibt Recht«. Zur Klarstellung soll betont werden: Diese Checklisten sind nicht für die tägliche, routinemäßige Anwendung gedacht. Sie wollen Denkanstöße geben, um vordergründig eher überraschende Blutzuckerverläufe angemessen verstehen zu können. Jeder Pumpenträger ist im Hinblick auf die Blutzuckerverläufe sein eigener»detektiv«. Er sammelt so einen großen Erfahrungsschatz, der für eine zukünftige erfolgreiche Festlegung der Insulindosis vorteilhaft ist. Der»Kopf«des Typ-1-Diabetikers muss mit seinem Denkvermögen die Fehlfunktion der Bauchspeicheldrüse möglichst gut ersetzen

38 3. Insulinbedarf: Bolusgröße und Basalrate 3. Insulinbedarf: Bolusgröße und Basalrate Checkliste: Blutzucker höher als erwartet BE-Menge falsch eingeschätzt, mehr gegessen als geplant, z.b. Restaurant-Essen Nahrung mit hohem Eiweißgehalt (z.b. Steak, Hähnchen) Kohlenhydratanteil in Getränken nicht berücksichtigt Nahrungsbolus zu gering (BE-Faktor zu niedrig) Korrekturbolus zu gering (Korrekturzahl zu groß) geplante körperliche Aktivität fand nicht statt Katheterproblematik: z.b. zu lange Liegedauer, Schlauch nicht ordnungsgemäß gefüllt, Luftblasenprobleme, Katheterverschluß ohne Alarmmeldung, Leckage im Katheterverlauf, Rückfluss bei großem Bolus aus dem Stichkanal Insulinpumpenproblematik: Insulinpumpe versehentlich im Stopp, kein Insulintransport außergewöhnliche psychische Belastung, Stress Gegenregulation nach vorangegangener Unterzuckerung Bolusgabe zu spät, zu geringer Drück-Ess-Abstand Überkorrektur: gleichzeitig mehr gegessen und weniger gespritzt Fehlmessung bei der Blutzucker-Selbstkontrolle geplante Bolusgabe vergessen körperliche Tätigkeit bei Insulinmangel längere Phase ohne Nahrungsaufnahme (verminderte Insulinempfindlichkeit durch»hungerazeton«) beginnender grippaler Infekt oder sonstige Begleiterkrankung zyklusbedingte Schwankungen bei Frauen Einfluss von anderen Medikamenten hormonelle Ursachen (Kortison, Schilddrüsenhormon, Wachstumshormon) geringere Insulinempfindlichkeit (z.b. bei Gewichtszunahme) zu große Basalratenabsenkung in Sondersituationen zu langes Ablegen der Insulinpumpe weitere eigene Erkenntnisse:... Checkliste: Blutzucker niedriger als erwartet BE-Menge falsch eingeschätzt, weniger gegessen als geplant Nahrung mit geringem Eiweiß- und Fettanteil Nahrungsbolus zu hoch (zu großer BE-Faktor) zu viel Korrekturbolus (Korrekturzahl zu klein) zu viel körperliche Aktivität körperliche Aktivität als solche nicht wahrgenommen körperliche Aktivität bei zu hohen Insulinspiegeln zu langer Drück-Ess-Abstand, Insulin zu früh abgegeben Überkorrektur: gleichzeitig weniger gegessen und mehr gespritzt Fehlmessung bei der Blutzucker-Selbstkontrolle Überlappung von Bolusgaben nicht beachtet Bolus versehentlich zweimal abgegeben Alkoholgenuss längerfristige körperliche Aktivität (Muskelauffülleffekt) zyklusbedingte Schwankungen bei Frauen größere Insulinempfindlichkeit (z.b. bei Gewichtsreduktion) bessere Hautdurchblutung (z.b. Saunabesuch, warmes Bad, Sonnenbad) zu starke Basalratenerhöhung in Sondersituationen, bzw. fehlende Basalratenabsenkung bei geringerem Insulinbedarf bereits Unterzuckerung innerhalb der vorangegangenen 24 Stunden Wechsel der Insulinpatrone ohne gleichzeitigen Katheterwechsel (durch die Systemadaptation ungewollte Insulinabgabe!) Magen-Darm-Probleme mit Erbrechen. Gesundungsphase nach vorherigem fieberhaftem Infekt weitere eigene Erkenntnisse: Abb. 30: Ursachen für unerwartet hohe Blutzuckerwerte Abb. 31: Ursachen für unerwartet niedrige Blutzuckerwerte 74 75

39 3. Insulinbedarf: Bolusgröße und Basalrate 3. Insulinbedarf: Bolusgröße und Basalrate Lerne Ein wichtiger Schritt, um die Komplexität der Blutzuckersteuerung zu erfassen, ist das Überdenken der Ergebnisse und der Blutzucker-Verläufe. Im Falle des Erfolges wird die eigene Vorgehensweise bestätigt, das Vertrauen zur eigenen Kompetenz gestärkt, die Zufriedenheit hinsichtlich der Diabetes-Erkrankung gesteigert, kurzum Wohlbefinden und Lebensqualität des Insulinpumpenträgers werden verbessert. Falls der Blutzuckerwert nicht im wünschenswerten Bereich liegt, gilt es, hieraus für das zukünftige Verhalten zu lernen. Dabei können folgende Fragen hilfreich sein: Was sollte ich das nächste Mal anders machen? Welche Besonderheiten habe ich falsch eingeschätzt? Welche neuen Erfahrungen habe ich gemacht? Welche Gesetzmäßigkeiten kann ich vermuten? Was ist eher nur zufällig anders? Wo brauche ich die Gelassenheit, um Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann? Eine realistische Bewertung der Ergebnisse ist wünschenswert. Nicht alles ist machbar, manches kann nicht beeinflusst werden. Es geht darum, Unabänderliches zu akzeptieren und gewisse Grenzen der Freiheit anzunehmen. Denn trotz Insulinpumpe wird Insulin an der»falschen«stelle abgegeben (in das Unterhautfettgewebe und nicht, wie beim Gesunden, direkt in den Blutkreislauf des Pfortadersystems). Außerdem beträgt die durchschnittliche Wirkdauer, selbst bei Verwendung von kurzwirksamem Insulinanalogon, mindestens zwei Stunden und nicht nur Minuten wie beim Gesunden denn Insulin in der Blutbahn hat eine wesentlich kürzere Verweildauer (»falsches Insulin zur falschen Zeit am falschen Ort«). Trotz allem sind Zuversicht und Optimismus im Zusammenhang mit der Insulinpumpen-Therapie berechtigt. Der Insulinpumpenträger kann heute Wesentliches selbst zum Gelingen beitragen, er besitzt ein besseres»handwerkszeug«als die Generationen vor ihm. Gerade die Blutzucker-Selbstkontrolle hat die Behandlungsmöglichkeiten revolutioniert. Es ist möglich und zu hoffen, dass in den nächsten Jahren neue Meilensteine der Erleichterung erreicht werden. Als Stichwort seien genannt: unblutige Blutzuckermessung und geschlossenes System der Blutzuckersteuerung. Schließlich sind Mut und Phantasie gefragt: Neues will ausprobiert sein, andere Wege wollen beschritten werden, Sackgassen sind als solche zu erkennen. Bei allem ist es angebracht, eine offene aber auch selbstkritische Haltung zu bewahren. Die eigenen Erfahrungen sind von Zeit zu Zeit zu hinterfragen. Tipps und Handlungsanweisungen von»diabetologischem Fachpersonal«sind auf ihre Gültigkeit und Zweckmäßigkeit zu überprüfen Ergänzungen und kritische Anmerkungen zum PPL-System Zweifelsohne ist das PPL-System nicht nur bei der Insulinpumpenbehandlung eine Möglichkeit der Therapieverbesserung. Es lässt sich allgemein bei jeglicher Form der Insulingabe anwenden. Freilich ist unter Insulinpumpen-Therapie wegen der strikten Trennung von Basalrate und Bolusgabe die Überschaubarkeit und die Berechenbarkeit des Insulinbedarfs einfacher und übersichtlicher. Bei einer Spritzenbehandlung kommt natürlich auch Verzögerungsinsulin zur Anwendung. Die Wirkdauer und Resorption dieser Insulinsorte besitzt gewisse Schwankungen und ist weniger gut vorhersehbar und steuerbar. Mit keiner Sorte von Verzögerungsinsulin lässt sich der nahrungsunabhängige Grundbedarf an Insulin wegen des zweigipfligen Verlaufs über 24 Stunden auch nur annähernd so gut nachahmen, wie mit einer Insulinpumpe, bei der sich die Basalrate in stündlichen Intervallen variabel programmieren lässt, und bei der die Insulinaufnahme aus dem Unterhautfettgewebe nur gering schwankt. Nicht jeder Insulinpumpenträger profitiert von solch einem strukturierten Vorgehen wie beim PPL-System. Oft entscheiden sich Diabetiker intuitiv entsprechendes Wissen vorausgesetzt für die zweckmäßige Insulinmenge. Sie handeln ohne allzu viel analytischem Denken nach der Methode»Versuch und Irrtum«sowie»Erfolg gibt Recht«und erreichen damit das allgemeine Therapieziel, nämlich möglichst weitgehendes subjektives Wohlbefinden bei guter Lebensqualität sowie gleichzeitig eine möglichst normnahe Stoffwechseleinstellung ohne größeres Risiko für Akutkomplikationen (Unterzuckerung, ketoazidotische Entgleisung) bzw. für chronische Folgeerkrankungen. Das PPL-System setzt stillschweigend voraus, dass der Anwender ein umfangreiches Wissen über Insulinbedarf, Wirkdauer der Insulinsorte, Einflussgrößen und Störfaktoren der Blutzuckersteuerung hat und über die komplexen Zusammenhänge der körpereigenen Regulationsmechanismen gut informiert ist. Das PPL-System in der hier beschriebenen Form geht davon aus, dass die Basalrate in der Insulinpumpe bedarfsgerecht ermittelt wurde und auch in Sondersituationen nicht geändert wird. Dementsprechend ist im Abschnitt»Planen«nur die Bolusvariation beschrieben. Selbstverständlich kann statt Boluserhöhung bzw. -erniedrigung eine geeignete vorübergehende Veränderung an der Basalrate vorgenommen werden (siehe Abschnitt 3.2.3). Nicht empfehlenswert ist, das aufwändige Konzept des PPL-Systems ständig anwenden zu wollen. Dies beinhaltet die Gefahr eines»beruf-diabetikers«. Stattdessen kann es vorteilhaft sein, das eigene Vorgehen im Hinblick auf die Insulindosisfindung hin und wieder etwas strukturierter und überlegter zu hinterfragen. Dies kann beispielsweise ein- oder zweimal im Monat sein, bzw. auf Situationen beschränkt bleiben, in denen das Blutzuckerverhalten nicht ohne weiteres nachvollziehbar ist. 77

40 3. Insulinbedarf: Bolusgröße und Basalrate 3. Insulinbedarf: Bolusgröße und Basalrate Gerade für Sondersituationen, die erfahrungsgemäß immer wieder auftreten und die sich auf die Blutzuckerstabilität ungünstig auswirken, empfiehlt es sich, das PPL- System gezielt einzusetzen. Dadurch lassen sich personenspezifische Besonderheiten leichter erkennen. Beispielhaft seien genannt: Pizzaessen, Einkaufsbummel, Fahrradtour, Bergwanderung, Saunanachmittag, Tennisspielen, Kegelabend mit anschließendem Biertrinken, Tanzabend mit Sekt. Wie bereits betont, ist umfangreiches Wissen unabdingbar für den Erfolg. Hierbei kann geeignete Literatur eine Hilfe sein, nicht selten ist der Gedankenaustausch mit Betroffenen sehr vorteilhaft. Auch die Erfahrung und Beratung von kompetentem Diabetesfachpersonal (Diabetologe, Diabetes-BeraterInnen) sind häufig eine wertvolle Unterstützung. Andererseits sollten die Aussagen von angeblichen»fachleuten«nicht zu unkritisch übernommen werden. Die Erfahrung zeigt: Studienergebnisse machen meist eine Mittelwertaussage unter standardisierten Bedingungen, sie lassen sich nicht uneingeschränkt auf den individuellen Einzelfall übertragen. Die objektiv fassbare Realität muss nicht stets mit der subjektiv erlebten Wirklichkeit übereinstimmen. Das PPL-System will einen Weg zur Therapieoptimierung aufzeigen. Es erhebt nicht den Anspruch für jeden Diabetiker hilfreich und vorteilhaft zu sein. Manche Diabetiker sind aufgrund ihrer Persönlichkeitsstruktur dafür zu begeistern, andere werden von dieser strukturierten und analytischen Methode nicht angesprochen. Jeder möge sich das herausnehmen, was ihm persönlich weiterhilft. Eine Gefahr des PPL-Systems besteht im Drang zum Perfektionismus. Wir wollen und müssen uns stets darüber im Klaren sein, dass sich mit keiner Methode der Blutzuckerverlauf zu 100 % vorhersagen und beherrschen lässt. Die körpereigenen Blutzuckerregulationen sind so komplex und zeigen uns immer wieder Grenzen der Machbarkeit auf. Dies gilt es, ohne jegliche Schuldgefühle in Bescheidenheit zu akzeptieren gemäß dem Satz:»Kräht der Hahn auf dem Mist, so ändert sich der Blutzucker, oder er bleibt wie er ist.«(nach Dr. Teupe, Bad Mergentheim) Beispiele zum PPL-System Vorbemerkung: Für die folgenden Beispiele wird stillschweigend angenommen, dass die Basalrate für den Normalfall einprogrammiert ist, d.h. sie hat Gültigkeit für die patiententypische, übliche Insulinempfindlichkeit. Beispiel A: Bewusste Anhebung des Blutzuckerwertes während einer Autofahrt Herr N. will zum Frühstück ein Vollkornbrötchen (2 BE) mit Wurstaufschnitt sowie einen kleinen Fruchtjoghurt (1 BE) essen. Dazu trinkt er Kaffee und 120 ml Orangensaft (1 BE). Sein BE-Faktor morgens ist 1,75 I.E. Insulin pro BE. Der Blutzuckerwert vor dem Frühstück liegt bei 160 mg/dl, die Korrekturzahl morgens ist 40 mg/dl pro Einheit Insulin. Als Pumpeninsulin benutzt er Humalog. Nach dem Frühstück plant Herr N. eine zweistündige Autofahrt. Der übliche Blutzuckerzielbereich ist 120 mg/dl. Plane: Nahrungsinsulin: 4 BE x 1, I.E. Humalog Korrekturinsulin: ( ) : I.E. Humalog Sonderinsulin: höherer Zielbereich wegen Autofahrt - 1 I.E. Humalog Herr N. gibt sich demnach einen Bolus von 7 I.E. Insulin zum Frühstück, als DEA wählt er ca. 10 Minuten Prüfe: 3 Stunden nach dem Frühstück ermittelt Herr N. einen Blutzuckerwert von 150 mg/dl. Mit diesem Ergebnis ist Herr N. zufrieden. Lerne: Seine Entscheidungen waren der Situation angemessen. Bei vergleichbaren Gegebenheiten wird er sich in Zukunft ähnlich verhalten. Beispiel B: Hausarbeit und Einkaufen Frau K. isst wie üblich zum Frühstück Brot (2 BE) mit Käseaufstrich, dazu noch Obstsalat (2 BE). Ihr BE-Faktor ist 1,5 I.E. pro BE. Sie hat allerdings nach dem Aufstehen einen Blutzuckerwert von 220 mg/dl gemessen. Ihre Korrekturzahl morgens ist 40 mg/dl, ihr zugehöriger Blutzuckerzielbereich 100 mg/dl, ihr Insulin Humalog. Nach dem Frühstück räumt sie wie auch sonst an einem Samstag die Wohnung auf und geht dann zu Fuß in die Stadt zum Einkaufen; Ihre körperliche Aktivität nach dem Frühstück dauert ca. 2,5 Stunden

41 3. Insulinbedarf: Bolusgröße und Basalrate 3. Insulinbedarf: Bolusgröße und Basalrate Plane: Nahrungsinsulin: 4 BE x 1,5 + 6,0 I.E. Humalog Korrekturinsulin: ( ) : ,0 I.E. Humalog Insulinverringerung wegen geplanter Bewegung - 1,5 I.E. Humalog Auf Grund dieser Überlegungen entscheidet sie sich für einen Bolus von 7,5 I.E. und wählt als DEA 20 Minuten. Prüfe: Auf dem Nachhause-Weg bemerkt Frau K. eine Unterzuckerungssymptomatik. Sie isst sofort 2 Täfelchen Traubenzucker und misst als Blutzucker einen Wert von 45 mg/dl. Lerne: Vermutlich hat Frau K. den blutzuckersenkenden Effekt der körperlichen Aktivität (Wohnung aufräumen, Einkaufen) unterschätzt. Die Muskeltätigkeit fand zudem im Zeitraum relativ starker Insulinwirkung statt. In ähnlichen Situationen will sie in Zukunft eine stärkere Verringerung der Bolusinsulinmenge vornehmen, oder rechtzeitig während des Einkaufens 1-2 Extra-BE zu sich nehmen (z.b. Obst, Gebäckstück, Getränk). Beachte: Humalog hat sein Wirkungsmaximum in der Zeit 1-2 Stunden nach Injektion, d.h. in dieser Zeit ist bei körperlicher Aktivität mit einem stärkeren BZ-Abfall zu rechnen. Beispiel C: Fieberhafter Infekt Frau S. hat seit zwei Tagen einen grippalen Infekt mit 38,5 Grad Körpertemperatur, dazu Husten, Hals- und Kopfschmerzen. Aus Erfahrung weiß sie bereits, dass ihr Insulinbedarf in solchen Situationen ca. 20 % höher ist als sonst. Ihre 24-stündige Basalrate beträgt insgesamt 20 I.E.. Der Nüchternwert liegt bei 200 mg/dl. Der übliche BE-Faktor morgens ist 2,0 I.E./BE, die Korrekturzahl 30 mg/dl und der Zielbereich 100 mg/dl. Zum Frühstück möchte sie ein kleines Honig-Brötchen essen (insgesamt 2,5 BE) Lerne: Ihre Erfahrung des größeren Insulinbedarfs bei fieberhaften Infekten bestätigt sich, er ist sogar mehr als 30 % höher als üblich. Deshalb hätte sie den Bolus morgens statt um insgesamt 2,5 I.E. sogar um 4,5 I.E. auf 12,5 I.E. erhöhen können. Sie gibt sich deshalb mittags erneut einen deutlich höheren Bolus als üblich. Bemerkung zu diesem Beispiel: Während eines Infektes empfiehlt sich am Tag eine Erhöhung des Bolus vor den Mahlzeiten. Während der Nacht ist es günstiger, die Basalrate um 10 bis 20 % anzuheben (bei den Insulinpumpen H-TRONplus und D-TRONplus möglich). Nicht selten kommt es 1 bis 2 Tage vor Ausbruch der Infektion zu einer primär nicht nachvollziehbaren Verschlechterung des Blutzuckerprofils. D.h.: Eine nicht ohne weiteres erklärbare Erhöhung der Blutzuckerwerte kann auch Ausdruck eines beginnenden fieberhaften Infektes mit noch fehlender klinischer Symptomatik sein. Andererseits normalisiert sich nicht selten der vorher erhöhte Insulinbedarf bereits in der abklingenden Phase einer akuten Erkrankung, also bei noch bestehender klinischer Symptomatik wie Husten, Halsschmerzen usw. Das bedeutet: Eine vorübergehende vermehrte Insulinabgabe ist rechtzeitig auf das übliche Niveau zu verringern. Die Änderungen der Insulinempfindlichkeit während akuter Erkrankungen erfolgen meist ohne offensichtliche, einfach beschreibbare Gesetzmäßigkeiten. Deshalb ist in solchen Situationen empfehlenswert: häufigere Blutzuckerkontrollen, an die Möglichkeit einer kurz- bis mittelfristigen Änderung des Insulinbedarfs denken, geeignete Anpassung der Insulinmenge in kleinen Schritten. Plane: Nahrungsinsulin: 2,5 BE x 2 + 5,0 I.E. Korrekturinsulin: ( ) : ,0 I.E. Zuschlag für Infekt (+ 20%) + 1,5 I.E. Zuschlag für höheren Basalbedarf am Vormittag + 1,0 I.E. Nach diesen Überlegungen gibt sie sich einen Bolus von 10,5 I.E. etwa 15 Min. vor Beginn des Frühstücks. Prüfe: Um Uhr möchte Frau S. eine heiße Suppe essen, deshalb kontrolliert sie den Blutzucker und erhält als Ergebnis 220 mg/dl

42 4. Insuline für die Pumpenbehandlung 4. Insuline für die Insulinpumpenbehandlung 4.1 Humaninsuline Insuman Infusat Im Rahmen der Insulinpumpen-Therapie kommen ausschließlich kurzwirksame Insuline zur Anwendung: Normalinsulin (Altinsulin) bzw. Insulinanalogon. Die zusätzliche Basalinsulingabe entfällt methodenbedingt bei der Insulinpumpenbehandlung. Das Insulin für die basale Insulinversorgung des Organismus wird von der Insulinpumpe entsprechend der voreingestellten Basalrate kontinuierlich in Form von Kurzzeitinsulin abgegeben. Bei den Insulinpumpen H-TRONplus und D-TRONplus beispielsweise wird alle drei Minuten eine kleine Insulinmenge, nämlich 1 /20 der entsprechenden stündlichen Basalrate freigesetzt. Als Insulinpumpeninsuline werden heute ausschließlich neutrale Insuline verwendet. Saure Insuline mit einem ph-wert von 3,2-3,5 spielen heute keine Rolle mehr. Unter diesen Insulinen kam es früher vermehrt zu einem Fettgewebsschwund sowie zu Wechselwirkungen mit Katheter- und Ampullenmaterial. Die kurzwirksamen Insulinanaloga haben inzwischen die kurzwirkenden Humaninsuline (Normalinsuline) in der Anwendungshäufigkeit überholt. Dieses Pumpeninsulin ist ein Normalinsulin und wird nur noch in der Konzentration U100 (100 I.E./ml) hergestellt. Insuman Infusat ist in Fläschchen und in vorgefüllten Fertigampullen auf dem Markt; die Fertigampullen sind für H-TRON-100-Insulinpumpen-Modelle geeignet und machen ein Umfüllen des Insulins in die Insulinpumpenampulle überflüssig. Im Vergleich zum üblichen Normalinsulin und zu den kurzwirkenden Insulinanaloga besitzt dieses Insulin zusätzlich Genapol als Stabilisator. Dieses lagert sich an die Kontaktflächen der Insulinlösung mit der Luft und dem Ampullen- oder Kathetermaterial an und schützt somit das Insulin vor einer möglichen Beschädigung, welche z.b. zu Katheterverschlüssen oder einer teilweisen Insulininaktivierung führen kann. Neben einer guten Verträglichkeit mit Katheter- und Ampullenmaterialien müssen die zur Insulinpumpen-Therapie geeigneten Insuline stabil sein gegenüber Temperaturschwankungen und mechanischen Beeinträchtigungen. Nur so kann ein denkbarer Wirkungsverlust verhindert werden. Folgende Insulinsorten sind derzeit für die Insulinpumpen-Therapie zugelassen: A. Normalinsuline (Humaninsulin, Altinsulin): Insuman Infusat (Fa. Aventis) Insulin Actrapid PP (Fa. Novo Nordisk) Diese beiden Insuline sind speziell für die Insulinpumpen-Therapie entwickelt worden. B. Kurzwirksame Insulinanaloga Humalog (Fa. Lilly) NovoRapid (Fa. Novo Nordisk) Diese Insuline werden auch zur Spritzen- bzw. Penbehandlung benutzt. Bei den kurzwirksamen Insulinanaloga sind keine besonderen Zubereitungsformen für die Insulinpumpenbehandlung notwendig. Abb. 32: Das Insulin Insuman Infusat 100 Als Desinfektionsmittel ist Phenol enthalten, dessen Aktivität durch Kathetermaterialien weniger verringert wird als dies beim üblichen Cresol der Fall ist

43 4. Insuline für die Pumpenbehandlung 4. Insuline für die Pumpenbehandlung Insulin Actrapid PP Mit dem Normalinsulin Actrapid PP, welches das früher von Novo Nordisk angebotene Insulin Velasulin PP ersetzt hat, liegt ein spezielles Pumpeninsulin vor, das kein Genapol enthält. Erhöht wurde bei diesem Insulin der Anteil des Hydrogenphosphatpuffers, um Ausfällungen zu vermeiden. Actrapid PP ist ebenfalls ein Humaninsulin mit der Konzentration U100, allerdings sind dafür keine vorgefüllten Ampullen im Handel. Die Notwendigkeit eines speziellen Pumpeninsulins mit Genapol oder erhöhtem Anteil an Puffersubstanz wird kontrovers diskutiert: Die kurzwirksamen Insulinanloga wurden bisher ohne größere Gefahr der Katheterverstopfung in der Insulinpumpe D-TRONplus und anderen Insulinpumpenmodellen verwendet. Die Notwendigkeit einer Puffersubstanz ergab sich nur bei heute nicht mehr im Handel befindlichen PVC Kathetern durch die Gefahr der ph-werterniedrigung durch darin enthaltene Weichmacher. Das moderne Kathetermaterial ist optimal insulinverträglich. Bekanntlich besteht Insulin aus 51 verschiedenen Eiweißbausteinen, die sich wie Perlen auf einer zweireihigen Kette zu einem komplizierten räumlichen Gebilde anordnen. Im Unterschied zum Humaninsulin sind beim Insulin Humalog in der Eiweißsequenz der B-Kette die Aminosäuren in Position 28 und 29 vertauscht; die beiden vertauschten Eiweißbausteine heißen Lysin und Prolin daher auch die Namensgebung Lispro. Beim Insulin NovoRapid wurde an der Position 28 der längeren B-Kette ein Eiweißbaustein ausgetauscht (Prolin gegen Asparaginsäure). Daher auch der Name Aspart. A-Kette 1 S S S S S S 21 Es wird diskutiert, ob durch genapolhaltige Infusionslösungen eventuell Entzündungen der Schilddrüse gefördert werden. Sichere Zusammenhänge diesbezüglich sind bis jetzt nicht bekannt. 1 B-Kette Kurzwirksame Insulinanaloga Die kurzwirksamen Insulinanaloga Humalog (Lispro) und NovoRapid (Aspart) eignen sich in gleicher Weise für die Spritzen/Pentherapie wie für die Insulinpumpenbehandlung. Abb. 33: Molekülstruktur von Lispro (Humalog) S S A-Kette B28 Lys B29 Pro 1 21 S S S S 1 B-Kette 30 B28 Asp Abb. 34: Molekülstruktur von Aspart (NovoRapid) 84 85

44 4. Insuline für die Pumpenbehandlung 4. Insuline für die Pumpenbehandlung Im Vergleich zum Normalinsulin zeichnen sich die kurzwirksamen Insulinanaloga durch folgende charakteristische Eigenschaften aus: rascherer Wirkungsbeginn höheres Wirkungsmaximum kürzere Wirkungsdauer keine wesentliche dosisabhängige Verlängerung der Wirkdauer In Abb. 35 sind die typischen Kennzeichen der Wirkung zusammengestellt: Wirkbeginn stärkste Wirkung Wirkdauer 0-10 Minuten nach ca. 1-1,5 Stunden ca. 2-4 Stunden Abb. 35: Wirkungscharakteristika der kurzwirksamen Insulinanaloga Humalog scheint im Vergleich zu NovoRapid etwas rascher vom Unterhautfettgewebe in die Blutbahn aufgenommen zu werden. Das Wirkungsmaximum liegt dadurch bei Humalog etwas früher, die Gesamtwirkdauer ist entsprechend etwas kürzer, d. h. sie liegt bei Humalog etwa bei 3 Stunden und bei NovoRapid ungefähr bei 3,5 Stunden. Die Wirkkurven von kurzwirksamem Insulinanalogon bzw. von Normalinsulin im Vergleich zur nahrungsbedingten Insulinausschüttung eines Nichtdiabetikers (physiologische Insulinfreisetzung) sind in Abb. 36 dargestellt: Ein weitere Eigenschaft der kurzwirksamen Insulinanaloga soll nicht unerwähnt bleiben: Sie sind reine gentechnologisch hergestellte»kunstprodukte«. Sie unterscheiden sich von Humaninsulin dadurch, dass beim Humalog quasi zwei Aminosäuren vertauscht werden, während beim NovoRapid eine Aminosäure gegen eine neue ausgetauscht wird. Solche Insulinvarianten kommen in der Natur weder beim Menschen noch bei irgendeiner Tierart vor. Warum diese kleinen denkbaren»webfehler«durch Evolutionsprozesse keine Verbreitung gefunden haben, könnte zumindest etwas nachdenklich stimmen. Da die allgemeinen klinischen Erfahrungen bisher weniger als 10 Jahre umfassen, lässt sich zur Zeit nichts darüber sagen, wie sich die ausschließliche Verwendung dieser Kunstprodukte anstelle von Humaninsulin beim Menschen längerfristig, d.h. nach Jahrzehnten auswirkt. Diesbezüglich sind zwar bis heute keine unerwünschten Ereignisse (z.b. kein Tumorwachstum, keine Förderung von Arteriosklerose, keine ungünstigen Auswirkungen auf andere Organsysteme) aufgetreten, doch eine gewisse Restunsicherheit aufgrund von theoretischen Überlegungen bleibt bestehen. Dies ist fairerweise hier zu erwähnen, soll aber keinesfalls Anlass zur Dramatisierung sein. Da Humalog gegenüber NovoRapid bereits einige Jahre länger auf dem Markt ist und auch häufiger eingesetzt wird, sind die Bedenken wegen der fehlenden Langzeiterfahrung mit Kunstinsulinen bei Humalog eher als geringer zu bewerten. Aufgrund der physikalischen und chemischen Eigenschaften besonders im Hinblick auf Stabilität der Substanz und Konstanz der Wirkung sind beide Insuline ohne weiteres für die Behandlung mit der Insulinpumpe geeignet. Beide Insuline sind pumpentaugliche Insuline und für diese Therapie auch zugelassen. physiologische Insulinfreisetzung bei Mahlzeitenbeginn kurzwirksames Insulinanalogon Normalinsulin 4.3 Vorteile der Therapie mit kurzwirkenden Insulinanaloga Die zahlreichen Patienten, die bisher Humalog oder NovoRapid in einer Insulinpumpe benutzen, schätzen insbesondere die größere Flexibilität und Freizügigkeit bei gleichzeitiger Stabilität der Blutzuckerverläufe ohne Zunahme der Unterzuckerungshäufigkeit. Sie erleben mit den kurzwirksamen Insulinanaloga in der Insulinpumpe einen deutlichen Gewinn an Lebensqualität mit tendenzieller Verbesserung der Stoffwechselqualität. Besonders hinzuweisen ist auf folgende konkrete Vorteile: Stunden Abb. 36: Insulinwirkkurven Wenn die Blutzuckerwerte im Zielbereich sind, ist normalerweise kein oder nur ein kurzer Drück-Ess-Abstand (DEA) notwendig. Kein überschießender Blutzuckeranstieg 1-2 Stunden nach den Mahlzeiten (schnellere Wirkung im Vergleich zu Normalinsulin!). Deutlich überhöhte Blutzuckerwerte können rascher abgesenkt werden

45 4. Insuline für die Pumpenbehandlung 4. Insuline für die Pumpenbehandlung Die Gabe von Korrekturinsulin ist bereits 2-3 Stunden nach dem letzten Bolus möglich (geringere Bolusüberlappung!) Keine wesentlichen Probleme beim Sport später als 3 Stunden nach Bolusgabe. Beim Essen im Restaurant Bolusgabe erst dann, wenn das Essen auf dem Tisch steht (mitunter sogar erst nach dem Essen, wenn man weiß, wie viel gegessen wurde). Bei Essen mit mehreren Gängen (Festmenü!)»Bolussplitting«empfehlenswert, d.h. ein Bolus wird zu jedem Gang gegeben (individuellere Insulinanpassung). Je nach Insulinpumpenmodell kann auch ein verzögerter Bolus programmiert werden (Insulinpumpe D-TRONplus). Größere BE-Mengen (z.b. Pizza mit mehr als 6 BE) am späten Abend möglich, ohne größere Gefahr der nächtlichen Hypoglykämie. Je nach Insulinpumpenmodell kann auch hier ein verzögerter Bolus programmiert werden (Insulinpumpe D-TRONplus). 4.4 Nachteile der Therapie mit kurzwirkenden Insulinanaloga Die üblichen Nachteile der Behandlung mit einem kurzwirksamen Insulinanalogon bei einer Spritzentherapie nach dem ICT-Schema (d.h. häufige tägliche Injektionen, meist 3 x tägliche Gabe eines NPH-Basalinsulins), spielen bei einer Insulinpumpenbehandlung mit Humalog oder NovoRapid keine Rolle. Dagegen sind andere Punkte als nachteilig zu nennen: Raschere Entwicklung einer ketoazidotischen Entgleisung Spontanes Ablegen der Insulinpumpe höchstens für 2,5 Stunden empfehlenswert ohne zusätzliche Insulingabe mit Spritze oder Pen Die Fertigampullen von Humalog passen nur in die Insulinpumpe D-TRONplus; für NovoRapid gibt es keine Fertigampullen für die Insulinpumpenbehandlung. In der Schwangerschaft liegen bisher keine ausreichenden Erfahrungen für kurzwirksame Insulinanaloga vor. Auch für Frauen mit Kinderwunsch empfehlen wir daher Zurückhaltung beim Einsatz von kurzwirksamen Insulinanaloga in der Insulinpumpe. Verstärkte Unterzuckerungsgefahr bei körperlicher Aktivität unmittelbar nach Bolusgabe Erhöhtes Unterzuckerungsrisiko bei Gastroparese (Magenlähmung) jeder Insulinpumpenträger, ob unter Normalinsulin oder kurzwirksamem Insulinanalogon, muss über die Frühzeichen einer beginnenden Ketoazidose genauestens Bescheid wissen, um rasch die richtigen Sofortmaßnahmen ergreifen zu können. Unter Insulinanalogon treten bei einem absoluten Insulinmangel (z.b. Katheterverschluss) die Erstsymptome einer drohenden Ketoazidose etwa 2 Stunden früher auf, der weitere Verlauf und die erforderlichen Gegenmaßnahmen sind ähnlich wie bei der Benutzung von Normalinsulin als Pumpeninsulin. Das kürzere Intervall für ein Ablegen der Insulinpumpe (z.b. beim Saunabesuch) wird mitunter als lästig empfunden. Durch eine einmalige zwischenzeitliche subkutane Insulingabe mit einem Pen kann der Zeitraum für die Insulinpumpenpause ohne weiteres auf 4 Stunden verlängert werden. Die 3ml-Penampullen von Lilly passen in die Insulinpumpe D-TRONplus, so dass bei Verwendung von Humalog ein Umfüllen in für diese Insulinpumpe geeignete Leerampullen entfällt. Die Verwendung anderer Insuline in der Insulinpumpe D-TRONplus ist möglich, diese müssen jedoch zuvor in Leerampullen aufgezogen werden. Kleinere Widerstände durch Reibung des Ampullenstopfens an der Innenwand der Ampulle führten anfangs bei der Insulinpumpe D-TRON zu einem gehäuften Auftreten eines E4-Alarms, obwohl keine Katheterverstopfung vorlag. Durch einen Aufsatz auf den Flansch (Teller an der Gewindestange) konnte das Auftreten»falscher«E4-Alarme bei der Insulinpumpe D-TRON deutlich reduziert werden. Beim Nachfolgemodell, der Insulinpumpe D-TRONplus, ist der Aufsatz bereits im Flansch integriert. Wird Humalog im Insulinpumpenmodell H-TRONplus von Disetronic oder in den Pumpen von Medtronic Minimed benutzt, müssen vorab entsprechende Leerampullen gefüllt werden. Bei Verwendung von NovoRapid in der Insulinpumpe muss stets in eine geeignete Leerampulle umgefüllt werden, denn die Pen-Fertigampullen von NovoRapid passen zur Zeit in kein Insulinpumpenmodell. Das raschere Auftreten einer Ketoazidose bei fehlender subkutaner Insulinabgabe (z.b. bei Insulinpumpen- oder Katheterdefekt) wird mitunter als so wesentlich bewertet, dass deshalb von einer Verwendung von Lispro und Aspart als Insulinpumpeninsulin abgeraten wird. Dieser Meinung können wir uns nicht anschließen. Denn Spritzampullen-Set für die Insulinpumpe H-TRONplus 88 89

46 4. Insuline für die Pumpenbehandlung 4. Insuline für die Pumpenbehandlung Bei Anwendung von kurzwirksamem Insulinanalogon ist aufgrund des Wirkungsprofils die stärkste Insulinwirkung ca. 1-1,5 Stunden nach Bolusgabe zu erwarten, d.h. zu einem Zeitpunkt, an dem unter Normalinsulin wegen des verzögert einsetzenden Wirkungsbeginns eine Unterzuckerung eher unwahrscheinlich ist. Somit muss bei kurzwirksamem Insulinanalogon bereits relativ kurzzeitig nach der Bolusgabe bei körperlicher Aktivität mit einer Unterzuckerung gerechnet werden. Andererseits ist die Insulinwirkung 3-4 Stunden nach Gabe eines größeren Bolus deutlich geringer als unter Normalinsulin, d.h. das Risiko für eine Unterzuckerung ist mehr als 3-4 Stunden nach vorangegangener Bolusgabe unter einem kurzwirksamen Insulinanalogon geringer als unter Normalinsulin. Dies ist sicherlich für Sportler von Vorteil. Über diese Besonderheiten bei körperlicher Aktivität sollte der Insulinpumpenträger, der kurzwirksames Insulinanalogon benutzt, genauestens informiert sein, um entsprechende Vorsichtsmaßnahmen wie ausreichende Reduktion der Insulinmenge vor körperlicher Aktivität oder rechtzeitige Aufnahme von geeigneten Zusatz-BE vornehmen zu können. Nach fett- und eiweißreichen Mahlzeiten (z.b. Pizza) sowie nach ballaststoffreichen Speisen (z.b. Müsli) ist ein verzögerter Blutzuckeranstieg nach dem Essen möglich. Dies ist bei der Wahl des Drück-Ess-Abstandes (DEA) zu berücksichtigen, ggf. sollte die Insulingabe erst nach dem Essen erfolgen. Ein solcher»negativer«dea ist allerdings ungewohnt und darf nicht vergessen werden! Zur Behandlung in der Schwangerschaft sind kurzwirksame Insulinanaloga derzeit offiziell nicht zugelassen. Deshalb sollte Humalog bzw. NovoRapid bei Frauen mit Kinderwunsch und bei Schwangeren nicht zum Einsatz kommen. Hier müssen Langzeitstudien abgewartet werden. 4.5 Weitere Hinweise für die Behandlung mit kurzwirksamem Insulinanalogon Infolge des rascheren Wirkungsbeginns sollte bei Umstellung von Normalinsulin auf kurzwirksames Insulinanalogon das Basalratenprofil um eine Stunde vorgestellt werden. Ansonsten kann die Gesamtmenge an Basalrate und Bolusgabe in etwa dosisgleich umgesetzt werden. Dies gilt üblicherweise auch für die BE-Faktoren und Korrekturzahlen. Allerdings zeigten sich bei den von uns behandelten Patienten nach Umstellung doch gewisse individuelle Unterschiede. Nicht selten war der tägliche Gesamtinsulinbedarf um ca. 10 % geringer, ganz vereinzelt allerdings auch bis zu 10 % höher als unter Normalinsulin. Somit muss die notwendige Feinabstimmung für die erforderliche Insulinmenge im Einzelfall neu festgelegt gelegt werden. 90 Aufgrund der kürzeren Wirkdauer und wegen des rascheren Auftretens einer beginnenden ketoazidotischen Entgleisung haben Gewissenhaftigkeit und Genauigkeit bei der Blutzuckerselbstkontrolle einen besonders hohen Stellenwert bei der Insulinpumpen-Therapie mit kurzwirksamem Insulinanalogon. Mindestens 4 x täglich (morgens, mittags, abends und vor dem Schlafengehen) ist die Blutzuckerselbstkontrolle unter Lispro und Aspart ein notwendiges Muss. Im Folgenden sind die wesentlichen Unterschiede zwischen Normalinsulin und kurzwirksamem Insulinanalogon im Hinblick auf die Insulinpumpen-Therapie nochmals übersichtsmäßig in Tabellenform zusammengestellt. Normalinsulin (Insuman Infusat, Actrapid PP ) Kurzwirksames Insulinanalogon (Humalog, NovoRapid) Wirkungseintritt nach Minuten nach 0-10 Minuten Wirkungshöhepunkt nach ca. 2 Stunden nach ca. 1-1,5 Stunden Wirkungsdauer ca. 4-6 Stunden ca. 2-4 Stunden größere Insulinmengen wirken weitgehend unabhängig länger, kleinere kürzer von der Insulinmenge Drück-Ess-Abstand bei Minuten 0-10 Minuten BZ-Werten im Zielbereich BZ-Korrektur ca. 4 Stunden ca. 2 Stunden möglich nach Zwischenmahlzeit kann evtl. zur Hauptmahlzeit muss extra berechnet mitgespritzt werden und gespritzt werden Fertigampullen Für die Insulinpumpe H-TRONplus Für die Insulinpumpe (Insuman Infusat) D-TRONplus (Humalog) Entwicklung einer verzögert rascher Ketoazidose Basalratenvorlaufzeit ca. 2 Stunden ca. 1 Stunde Risiko bei Langzeit- unbedenklich ungeklärt behandlung Anwendung bei ja z.zt. noch nein Schwangeren Abb. 37: Übersicht Normalinsulin / Kurzwirksame Insulinanaloga 91

47 5. Katheter: Schnittstelle bei der Insulinpumpen-Therapie 5. Katheter: Schnittstelle bei der Insulinpumpen-Therapie 1 1 Luer-Anschluss Katheter, auch Infusionssets genannt, verbinden die Insulinpumpe mit dem Insulinpumpenträger. Auf dem Weg von der Insulinpumpe ins Unterhautfettgewebe kann es zu Störungen des Insulintransportes kommen: Durch Leckagen ist ein Insulinverlust möglich, und seltener kann durch Katheterverschluss ein Insulinaufstau eintreten. 2 2 Katheterschlauch Eine noch so gut und fein steuerbare Insulinpumpe ist ohne Nutzen, wenn der Insulinfluss gestört ist! Deshalb ist der Katheter das schwächste Glied in der Insulinpumpen-Therapie (Abbildung 38). linverlust und Ketoazidosen. Zu weiches Material führte zu Lockerungen. Mittlerweile wurden die Materialeigenschaften wesentlich verbessert. 3 Kanülenträger 4 Rondelle 5 Kanüle Abb. 38: Aufbau eines Katheters 5.1 Katheteraufbau Luer-Lock-Anschluss* Der Katheter wird mittels eines Luer- Lock-Anschlusses an der Insulinampulle befestigt. Bei allen Insulinpumpen von Disetronic erfolgt der Anschluss durch ein Gewinde, bei den Medtronic Minimed-Insulinpumpen wird der auf die Spritze aufgesetzte Anschluss mit einem Bügel fixiert. Früher eingesetzte Luer- Lock-Anschlüsse aus Hartkunststoff neigten zur Bildung von Haarrissen, wenn sie zu fest in das Innengewinde gedreht wurden. Es kam zu unbemerktem Insu- * Der universelle Luer-Lock-Anschluss ist bei den Kathetern für die Insulinpumpe Paradigm von Medtronic Minimed nicht vorhanden. Katheterschlauch In den ersten Jahren der CSII kamen Nylon-Katheter oder Venülen zum Einsatz, die sonst zur venösen Infusion/ Blutabnahme bei Säuglingen dienten. Die Katheterschläuche bestanden fast ausschließlich aus PVC-Material, wobei des öfteren Katheterverstopfungen und -infektionen an der Kathetereinstichstelle beobachtet wurden. Untersuchungen zeigten, dass»weichmacher«im PVC-Kunststoff zur Insulinausfällung und damit zur Katheterverstopfung führten. Eine Inaktivierung der Insulinkonservierungsstoffe hatte Infektionen an der Einstichstelle zur Folge. Zwischenzeitlich wurden neue Materialien entwickelt. An die Stelle des PVC traten Polyethylen, Polyolefin und Polyuretan, die mit Insulin besser verträglich sind. Die Katheterschläuche werden meist in den Längen 30, 60, 80 und 110 cm angeboten. Das Innenvolumen der Schläuche hat abgenommen. Ein 80 cm langer Schlauch beinhaltet nunmehr nur noch ca. 8 Einheiten U100-Insulin. Die Durchflussgeschwindigkeit durch den Katheter wurde so erhöht und die Kontaktzeit des Insulins mit dem Schlauchmaterial verkürzt. Bei einem Katheterwechsel geht zudem so weniger Insulin verloren. Kanülenträger Er stellt die Verbindung zwischen Schlauch und Nadel her. Auch hier wurden mittlerweile die Materialeigenschaften wesentlich verbessert. Auf Klebstoffe kann inzwi

48 5. Katheter: Schnittstelle bei der Insulinpumpen-Therapie 5. Katheter: Schnittstelle bei der Insulinpumpen-Therapie schen weitgehend verzichtet werden. Durch Verschweißung der einzelnen Katheterteile wurde das Auftreten von Allergien deutlich vermindert. Diskonnektionen mit Undichtigkeit kommen an diesen Stellen praktisch nicht mehr vor. Rondelle, Flügel Dieses Katheterteil dient zur Fixierung des Katheters auf der Haut. Es gibt Rondellen aus selbstklebendem Vlies mit senkrechter Metallnadel, bzw. senkrecht oder schräg einzustechender Teflonkanüle. Katheter mit Kunststoffflügeln sind weitgehend vom Markt verschwunden, sie werden durch Flügel aus Vlies (z.b. Katheter Disetronic Classic) ersetzt. Kunststoff findet sich heute noch beim Sof-Set (Medtronic Minimed). Katheterkanülen Insulinpumpenträger können prinzipiell zwischen Metall- oder Teflonkanülen wählen. Die angebotenen Stahlkanülen haben einen sehr feinen Durchmesser (0,36 mm beim den Kathetern Disetronic Rapid und Rapid D) und sind je nach Hautdicke in verschiedenen Längen lieferbar (12 mm, 10 mm, 8 mm sowie 6 mm). Für Patienten mit einer Nickelallergie oder sehr dünnem Unterhautfettgewebe gibt es Kanülen aus Teflonmaterial, die allerdings einen größeren Durchmesser aufweisen (0,5 mm) und somit zu einer Narbenbildung in der Haut führen können. Abkoppelbare Katheter Wenn die Insulinpumpe kurzzeitig abgelegt werden soll, ohne dass anschließend ein neuer Katheter gelegt werden muss (z.b. beim Sport), ist das mit abkoppelbaren Kathetern möglich. Dabei verbleibt die Kanüle in der Haut, die Insulinpumpe kann mit dem Verbindungsschlauch abgelegt werden. Je nach Art des verwendeten Insulins (Normal- oder kurzwirksames Insulinanalogon) muss die Insulinpumpenpause evtl. durch Bolusgaben mit einem Pen überbrückt werden (siehe Abschnitt 7.3). Als Vorteil der abkoppelbaren Katheter ist neben der größeren Flexibilität ebenfalls die Einsparung von Insulin zu sehen, da das Füllen des Verbindungsschlauchs beim Wechsel der Kanüle entfällt vorausgesetzt ein getrennter Bezug von Kanülenteil und Verbindungsschlauch ist möglich. Dies trifft beispielsweise für den Katheter Disetronic Rapid D zu, gilt jedoch nicht für die abkoppelbaren Katheter von Medtronic Minimed. Als abkoppelbare Katheter stehen derzeit der Disetronic Tender, der Disetronic Rapid D, von Medtronic Minimed das Sof-Set QR, der Quick-Set, der Polyfin QR und der Easy-Set zur Verfügung. Disetronic Rapid, Disetronic Tender und Disetronic Classic sind Marken eines Unternehmens der Roche-Gruppe Katheterangebot (Stand: Herbst 2002) Auf dem Markt sind eine Fülle von verschiedenen Kathetern, so dass die geeignete Auswahl nicht immer leicht fällt. Es gibt nicht den idealen Katheter schlechthin, sondern jeder Insulinpumpenträger sollte sich für denjenigen entscheiden, der seinen eigenen Bedürfnissen am ehesten entspricht. Wesentliche Kriterien dabei sind: Verträglichkeit Abkoppelbarkeit Preis Nadel- und Schlauchlänge Von entscheidender Bedeutung ist die individuelle Verträglichkeit, d.h. keine unerwünschten Hauterscheinungen, keine allergischen Reaktionen, keine gehäuften Entzündungen, keine subjektiv störende Beeinträchtigung wie Stechen, Kratzen oder Pieksen. Üblicherweise ist primär ein Katheter mit Stahlkanüle zu verwenden. Gründe dafür sind: relativ geringer Nadeldurchmesser, dadurch weniger Schmerzen beim Einstechen, keine Gefahr des Abknickens, vergleichsweise niedriger Preis, einfache Handhabung. Nur wenn ein Katheter mit einer Metallnadel nicht vertragen wird oder unangenehme Trageeigenschaften besitzt, sollte ein Teflonkatheter benutzt werden. Ein weiterer Gesichtspunkt ist die Abkoppelbarkeit. Wer die Insulinpumpe häufiger ablegen möchte, z.b. beim Duschen, Baden, Sex, Schwimmen oder bei sportlicher Aktivität, sollte sich für ein Kathetermodell mit der Möglichkeit des Abkoppelns entscheiden. Diese Katheter sind in der Herstellung etwas aufwändiger und deshalb teurer. Ein komplett getrennter Bezug von Kanülenteil und Verbindungsschlauch ist nur beim Katheter Disetronic Rapid D möglich. Der Austausch des Transfer Sets ist lediglich beim Ampullenwechsel notwendig. Dies spart Insulin, Abfall, Zeit und Kosten. Beim Katheter Disetronic Tender sind in einer Packungseinheit jeweils 20 Kanülen und 10 Schläuche vorhanden. Dagegen sind bei den abkoppelbaren Kathetern der Firma Medtronic Minimed stets Nadel- und Schlauchteil gemeinsam verpackt, wodurch der Aufwand an Material, Geld und Zeit größer ist. Allerdings beinhaltet die Möglichkeit des Abkoppelns auch die Gefahr einer Diskonnektion. Die Kosten für Kathetermaterial sind bei einer Insulinpumpenbehandlung beträchtlich. Von jedem Insulinpumpenträger sollte der Gesichtspunkt Wirtschaftlichkeit bedacht werden und bei der Katheterauswahl Berücksichtigung finden. Eine falsche Sparsamkeit mit zu seltenem Katheterwechsel und gleichzeitig erhöhtem Risiko für Hautinfektionen mit evtl. Abszessbildung und der Gefahr der BZ-Entgleisung bei seltenem Wechsel ist freilich nicht angezeigt. Ein nachgeordnetes Entscheidungskriterium sind Nadel- und Schlauchlänge. Für die Katheter mit senkrechter Einstichrichtung sind unterschiedliche Kanülenlängen erhältlich. Eine Nadellänge von 6 mm ist Kindern und sehr schlanken Personen vorbe- 95

49 5. Katheter: Schnittstelle bei der Insulinpumpen-Therapie 5. Katheter: Schnittstelle bei der Insulinpumpen-Therapie halten, denn die Gefahr des Herausrutschens der Kanüle und des Insulinrückflusses bei größerem Bolus ist größer. Auf eine sichere Fixierung ist zu achten. In den meisten Fällen wird eine Nadellänge von 8-10 mm gewählt, dabei sind Hautdicke und Tragekomfort zu beachten. Kanülen mit einer Länge von 12 mm sind in der Regel nur für übergewichtige Menschen empfehlenswert. Bei denjenigen Kathetern, die schräg eingestochen werden, ist die Nadellänge natürlicherweise größer, die wünschenswerte Einstichtiefe ist durch den Einstichwinkel veränderbar. Ein größerer Wechsel der Einstichtiefe ist zu vermeiden, da die Geschwindigkeit der Insulinaufnahme aus dem Unterhautfettgewebe auch davon abhängt. Die Kanülen sollten allerdings mit ihrer gesamten Länge in die Haut geschoben werden, um das Risiko für ein Herausrutschen zu verringern. Die Wahl der Schlauchlänge richtet sich nach den persönlichen Vorlieben. Katheter Disetronic Rapid D abkoppelbar mit Metallkanüle Katheter mit Metallkanüle Disetronic Rapid: Katheter mit senkrechter Stahlkanüle, selbsthaftender Rondelle aus Baumwolle, Rondellenhalter einfach abnehmbar (Luer-Anschluss). Kanülendurchmesser 0,36 mm, Kanülenlängen 6, 8, 10 und 12 mm, Schlauchlängen 60, 80 und 110 cm. Wegen der einfachen Handhabung, der feinen Kanüle, des hohen Tragekomforts und des relativ günstigen Preises ist er ein sehr bewährtes und häufig benutztes Modell, wenn auf die Abkoppelbarkeit kein Wert gelegt wird. Hinweis: Bei vermehrtem Schwitzen und bei Sport ist eine zusätzliche Fixierung mit einem durchsichtigen Folienpflaster empfehlenswert. werden; er ist in den Längen 20, 50, 70 und 100 cm erhältlich. Die Kupplung erfolgt mit einer kleinen Nadel, die eine elastische Membran durchsticht; beim An- und Abkoppeln erfolgt daher kein Insulinschub. Zum Schutz vor Verschmutzung werden die Kupplungsteile nach dem Abkoppeln mit wasserdichten Schutzkappen (»Protective Cap«) verschlossen. Falls eine Stahlkanüle gut vertragen wird und der Komfort der Abkoppelbarkeit wichtig ist, stellt dieser Katheter ein sehr empfehlenswertes und auch relativ kostengünstiges Modell dar. Hinweis: Kanüle und Katheter können getrennt bezogen werden. Der Austausch des Verbindungsschlauches sollte aber spätestens beim Ampullenwechsel erfolgen. Der Einstich der Kanüle ist durch den sehr geringen Durchmesser der Nadel deutlich schmerzärmer als bei den Teflonkathetern und führt zu einer deutlich geringeren Narbenbildung. Disetronic Classic: Der von der Konzeption her älteste Katheter. Die Stahlkanüle ist vorgebogen, sie wird schräg in die Haut eingestochen. Kanülendurchmesser 0,40 mm, Katheter Disetronic Rapid mit abnehmbarem Rondellenhalter Disetronic Rapid D: Dieser Katheter besitzt hinsichtlich des Kanülenteils die gleichen Eigenschaften wie der Katheter Disetronic Rapid, also senkrechte Stahlkanüle (Durchmesser: 0,36 mm, Kanülenlängen 6, 8, 10 und 12 mm), selbstklebende Rondelle mit abnehmbarer Halterung. Die Schlauchlänge ist 10 cm und besitzt ein Kupplungsstück. Hier kann der Verbindungsschlauch (»Transfer Set Rapid D«genannt) angekoppelt Katheter Disetronic Classic mit Flügel 96 97

50 5. Katheter: Schnittstelle bei der Insulinpumpen-Therapie 5. Katheter: Schnittstelle bei der Insulinpumpen-Therapie Kanülenlänge 13 mm, Schlauchlängen 30, 60, 80 und 110 cm. Er hat Stoffflügel aus hautverträglicher Baumwolle und ist derzeit der kostengünstigste Katheter. Hinweis: Es sollte eine Entlastungsschlaufe gebildet werden. Polyfin und Polyfin QR (Medtronic Minimed): Katheter mit gebogener Stahlkanüle, mit und ohne Stofflügel erhältlich. Kanülendurchmesser 0,4 mm, Kanülenlänge 18,2 mm, Schlauchlängen 61 und 107 cm. Das Modell Polyfin QR (Quick Release) besitzt eine Diskonnektiereinheit und ist von den abkoppelbaren Kathetern der preisgünstigste. Hinweis: Eine Entlastungsschlaufe ist ratsam. Easy-set (Medtronic Minimed): Katheter mit senkrechter Stahlkanüle, Kleberondelle und Entkoppelungseinheit inklusive Kopplungsschutz. Nadelteil und Kupplungsteil sind wie beim Katheter Disetronic Rapid D mit einem kurzen Schlauchstück verbunden, allerdings besitzt auch das Kupplungsstück eine Kleberondelle. Es entspricht von der Bauart her dem des Katheters Disetronic Tender. Nadeldurchmesser 0,4 mm, Nadellängen 6, 8 und 10 mm, Schlauchlänge insgesamt 80 cm. Der getrennte Bezug von Nadelteil und Schlauchteil ist nicht möglich. Wesentliche Vorteile gegenüber dem vergleichbaren Katheter Disetronic Rapid D bestehen nicht, der Preis ist jedoch deutlich höher Teflonkatheter Anstelle einer Stahlkanüle wird bei diesen Kathetern ein Teflonschlauch mit Hilfe einer Führungsnadel (Mandrin) ins Unterhautfettgewebe eingebracht. Der Stahlmandrin wird nach dem Einstechen entfernt, der flexible Teflonschlauch verbleibt in der Haut. Das erneute Einführen des Mandrins in den liegenden Teflonschlauch muss auf jeden Fall unterbleiben, da ansonsten Teflonteile»abgeschilfert«werden könnten. Vorteile des Teflonkatheters: kein»kratzen«auf der Muskelfaszie (z.b. beim Sport) keine Schmerzen bei dünnem Unterhautfettgewebe angenehmerer Tragekomfort Ausweg bei Nickelallergie Nachteile des Teflonkatheters größerer Kanülendurchmesser der Einstich ist meist schmerzhafter Gefahr des»aufbördelns«des Teflonschlauches beim Einstechen höherer Preis kein Umsetzen der Nadel möglich Gefahr des Abknickens, insbesondere bei schräger Einstichrichtung oft bleiben weiße Einstichnarben zurück Hinweise zum Einstechen des Teflonschlauches Das Easy-set von Medtronic Minimed Um während des Durchstechens der obersten Hautschicht ein Aufbördeln des Teflonschlauches über dem Mandrin zu vermeiden, kann man den Katheter zuvor eine Stunde in das Eisfach des Kühlschrankes legen. Der Teflonschlauch wird dadurch härter. Die Firma Medtronic Minimed bietet für ihre Kathetermodelle Sof-Set bzw. Quick-Set spezielle Einführhilfen, nämlich den Sof-Serter bzw. den Quick-Serter als Zubehör an. Damit lassen sich die Teflonkanülen sicherer und schmerzärmer applizieren, die Gefahr eines»aufbördelns«ist kaum gegeben. Allerdings ist die Handhabung etwas umständlich, und die Einstechhilfen sind sperrig und teuer

51 5. Katheter: Schnittstelle bei der Insulinpumpen-Therapie 5. Katheter: Schnittstelle bei der Insulinpumpen-Therapie Das abkoppelbare Soft-set von Medtronic Minimed Der abkoppelbare Katheter Disetronic Tender mit Teflonkanüle Katheter Disetronic Tender: Katheter mit 17 mm langer Kunststoffkanüle aus Teflon, die schräg in die Haut gestochen wird. Einstichwinkel und damit Einstichtiefe sind individuell veränderbar. Die Teflonkanüle (0,50 mm) mit Führungsnadel hat im Vergleich zu anderen Kunststoffkanülen einen geringeren Durchmesser, ein spezielles»schussgerät«zum Einstechen ist nicht erforderlich. Die Fixierung erfolgt über eine selbstklebende Rondelle mit kleinem Sichtfenster an der Einstichstelle. Vier verschiedene Schlauchlängen mit 30, 60, 80 und 110 cm stehen zur Verfügung. Der Verbindungsschlauch zur Insulinampulle kann direkt am Kanülenteil abgekoppelt werden, ein Verbindungsstück wie beim Katheter Disetronic Rapid D oder beim Easy-set ist nicht erforderlich. Spezielle Adapter dienen zum sicheren Verschluss während des Abkoppelns. Der Übergang Schlauch/Teflonnadel wird durch eine kleine Nadel mit Membran hergestellt, so dass beim Ankoppeln kein Insulinschub erfolgt. Eine Packungseinheit enthält 20 Kanülen und 10 Schläuche, ein Schlauchwechsel erfolgt somit nicht bei jedem Kanülenwechsel. Dies spart Insulin, Zeit und Geld, auch ist der Abfall geringer. Sof-Set (Medtronic Minimed): Katheter mit senkrechter Teflonkanüle, Kanülendurchmesser 0,55 mm, Schlauchlänge: 61 cm und 107 cm. Kanülenlänge 9 mm. Kein Abkopplungsmechanismus. Einführhilfe»Sof-serter«erhältlich. Preisgünstigster Katheter mit Kunststoffkanüle. Sof-Set Micro QR / Sof-Set Ultimate QR (Medtronic Minimed): Wie beim Sof-Set senkrechte Teflonkanüle, gleicher Durchmesser von 0,55 mm, gleiche Schlauchlängen, Kanülenlänge beim Sof-Set Micro QR 6 mm und beim Sof-Set Ultimate QR 9 mm. Quick Release Mechanismus zum Abkoppeln. Kanülen- und Schlauchteil sind nur gemeinsam erhältlich. Als Zubehör gibt es den»sof-serter«zum leichteren Einstechen. Hinweis: Bei Kathetern der Sof-Set Reihe wurde vermehrt über ein Herausrutschen der Kunststoffkanüle aus der Haut berichtet, insbesondere beim Sof-Set Micro QR. Die Fixierung über eine kleine Klebefläche am Flügel und das mitgelieferte Pflaster ist manchmal nicht ausreichend. Quick-Set (Medtronic Minimed): Abkoppelbarer Katheter mit senkrechter Teflonkanüle und Kleberondelle. Der Abkopplungsmechanismus befindet sich direkt am Kanülenteil. Kanülendurchmesser 0,50 mm, Nadellänge 6 und 9 mm, Schlauchlänge 58 und 109 cm. Zur Applikationserleichterung steht der»quick-serter«zur Verfügung. Ein getrennter Bezug von Kanülenteil und Schlauchteil ist nicht möglich. Gegenüber den anderen Kathetern mit Kunststoffkanüle bestehen keine offensichtlichen Vorteile, die den deutlich höheren Preis rechtfertigen

52 5. Katheter: Schnittstelle bei der Insulinpumpen-Therapie 5. Katheter: Schnittstelle bei der Insulinpumpen-Therapie Gegenüberstellung der wichtigsten Katheterarten A: Katheter mit Metallkanüle B: Katheter mit Teflonnadel Disetronic Polyfin/ Disetronic Disetronic Easy-set Classic Polyfin QR Rapid Rapid D (Medtronic mit Flügel (Medtronic Minimed) Minimed) Einstichrichtung schräg schräg senkrecht senkrecht senkrecht Disetronic Sof-Set Sof-Set Sof-Set Quick-Set Tender (Medtronic micro QR ultimate QR (Medtronic Minimed) (Medtronic (Medtronic Minimed) Minimed) Minimed) Einstichrichtung schräg senkrecht senkrecht senkrecht senkrecht abkoppelbar nein nein / QR: ja nein ja ja abkoppelbar ja nein ja ja ja Kanülendurch- 0,40 0,40 0,36 0,36 0,40 messer in mm Kanülendurch- 0,50 0,55 0,55 0,55 0,50 messer in mm Kanülenlänge 16 18,2 6; 8; 6; 8; 8; 10; in mm 10; 12 10; Kanülenlänge ; 9 in mm Schlauchlänge 30; 60; 61; ; 80; Nadelteil: in cm 80; TransferSet: 20; 50; 70; 100 Anschluss- Luer Luer und Luer Luer Luer und möglichkeit ausschließlich ausschließlich für Paradigm für Paradigm Schlauchlänge 30; 60; 61; ; ; ; 110 in cm 80; 110 Anschluss- Luer Luer Luer und Luer und Luer und möglichkeit ausschließlich ausschließlich ausschließlich für Paradigm für Paradigm für Paradigm Abb. 39 Abb

53 5. Katheter: Schnittstelle bei der Insulinpumpen-Therapie 5. Katheter: Schnittstelle bei der Insulinpumpen-Therapie 5.3 Katheterwechsel Körperregionen Die Bauchhaut ist sicherlich zurecht beim Insulinpumpenträger die beliebteste Kathetereinstichstelle. Hier wird das Insulin am schnellsten und gleichmäßigsten aufgenommen, die Durchblutung der Bauchhaut ist konstanter als bei Körperregionen wie Oberschenkel und Oberarm, die aktiv bewegt werden. Das relativ dicke Unterhautfettgewebe am Bauch schützt zudem die obere Muskelschicht vor Verletzungen. Als Kathetereinstichstellen sollten Bezirke gewählt werden, die»ruhig liegen«(keine Hautfalten, kein Druck durch Gürtel, Hosenträger oder Gummizug). Der Bereich unmittelbar um den Nabel ist zu meiden, ebenso narbig veränderte Hautregionen oder Fettgewebsansammlungen. Wie beim herkömmlichen Insulinspritzen sollte die Einstichstelle regelmäßig gewechselt werden (rechte / linke Bauchseite sowie oberhalb / unterhalb des Gürtels). Gerade im Rahmen der Insulinpumpen-Therapie kann die Verwendung von»lieblingsstellen«zu massiven Fettgewebsansammlungen (Lipohypertrophien) führen. Vereinzelt (z.b. in der Schwangerschaft) kann alternativ die seitliche Gesäßregion als Einstichstelle benutzt werden. Dabei ist auf eine evtl. langsamere Insulinwirkung zu achten. Lipohypertrophien nach 17-jähriger Insulinpumpen-Therapie

54 5. Katheter: Schnittstelle bei der Insulinpumpen-Therapie 5. Katheter: Schnittstelle bei der Insulinpumpen-Therapie Vorbereitung und Durchführung des Katheterwechsels Generell sollte hier möglichst sauber gearbeitet werden, um Infektionen zu vermeiden. Nach dem Händewaschen werden die nötigen Materialien bereit gelegt: Hautspray, Katheter, Pflaster, evtl. neue Ampulle. Wir plädieren für die Einmalverwendung der Materialien. Katheter sollten nur einmal benutzt werden. Eine gebrauchte Katheternadel kann bei mehrfacher Verwendung Keime ins Unterhautfettgewebe bringen und hier zu Entzündung und Eiteransammlung (Abszess) führen. Fixierung der Schlaufe mit Folie gebracht. Alternativ hat sich in diesen Fällen auch die Verwendung von bakterizider Salbe (z.b. Braunovidon) bewährt, die nach dem Einstich vorsichtig am Übergang Nadel-Kanülenträger platziert wird. Bei sauberem Vorgehen ist es vertretbar und empfehlenswert, dass der Schlauchanteil bei abkoppelbaren Kathetern mehrmals benutzt wird. Ein Austausch sollte dann zweckmäßigerweise zusammen mit einem Patronenwechsel vorgenommen werden. Dies ist aus Kostengründen beim Katheter Rapid D angezeigt, da hier Kanülenstück und Schlauchanteil getrennt geliefert werden. Beim Quick-Set, Sof-Set und Easy-Set ist dies bisher leider nicht möglich, da nur Packungen mit Schlauch und Nadelteil geliefert werden. Vor der Punktion wird, wie bei der Injektion mit Spritze/ Pen, eine Hautfalte gebildet. Bei Kathetern mit senkrechter Kanüle erfolgt der Einstich senkrecht in die Hautfalte. Bei den übrigen Kathetern mit schräger Nadel wird im gewünschten Winkel eingestochen. Von einigen Insulinpumpenzentren wird empfohlen, während des Punktionsvorganges einen Bolus von 0,5 I.E. abzugeben. Damit wird insbesondere gewährleistet, dass die Insulinpumpe nicht versehentlich im Stop-Zustand verbleibt und Hautpartikel nicht die feinen Kanülen verstopfen. Bei Teflonkathetern mit Mandrin (Tender, Quick-Set, Sof-Set,) ist es notwendig, nach dem Entfernen des Mandrins (Führungsnadel) 0,5-1 I.E. als Extrabolus zu geben, um den Teflonteil zu füllen. Zur Sicherung des Katheters empfehlen wir, eine Entlastungsschlaufe anzulegen, damit bei einem plötzlichen Zug der Katheter nicht herausrutscht. In der folgenden Checkliste ist die Durchführung des Katheterwechsels genau beschrieben (Abb. 41). Bei Glas- und Kunststoffampullen sind ebenfalls nur für den Einmalgebrauch gedacht. Nach mehrmaligem Gebrauch kann die Innenbeschichtung der Ampullen abgenutzt und die Gleitfähigkeit des Gummistopfens herabgesetzt sein. Zudem kann durch unvollständige Entleerung der Ampulle das Insulin geleeartig verändert und in seiner Wirkung eingeschränkt werden. Vor dem Katheterlegen muss die Haut mit einem Spray gewissenhaft desinfiziert werden, um Hautinfektionen zu vermeiden. Die empfohlene Einwirkzeit des Desinfektionsmittels (ca. 2 Minuten) ist dabei zu beachten. Besonders zu Hautinfektionen neigende Patienten profitieren von folgendem Vorgehen: Nach der Desinfektion wird zunächst ein kleines durchsichtiges Pflaster auf die Haut geklebt (z.b. Tegaderm) und dann hindurchpunktiert. Dadurch werden weniger Hautkeime in den Stichkanal ein- Fixierung mit einem Pflaster

55 5. Katheter: Schnittstelle bei der Insulinpumpen-Therapie 5. Katheter: Schnittstelle bei der Insulinpumpen-Therapie Checkliste bei Katheterwechsel (beispielhaft für Insulinpumpe H-TRONplus) 1. Reinigen der Hände Bereitlegen der Materialien (Katheter, Pflaster, Desinfektionsmittel)... Häufigkeit des Katheterwechsels Die üblicherweise empfohlene Katheterliegedauer beträgt ca. 2 Tage. Bei seltenerem Wechsel erhöht sich die Infektionsgefahr an der Einstichstelle. Nicht selten kommt es bei längerer Katheterliegedauer zu einer Verschlechterung der Insulinaufnahme mit Wirkungsabschwächung. Als Folge ist das Risiko einer ketoazidotischen Entgleisung erhöht. 3. Gebrauchten Katheter entfernen Insulinpumpe in Stop-Zustand bringen Desinfektion der Haut an der geplanten Einstichstelle (ca. 2 Minuten Wirkzeit)... Blutzucker Katheterwechsel 6. Neuen Katheter vorbereiten Gegebenenfalls neue Ampulle einsetzen und Insulinpumpe initialisieren Katheter an der Insulinpumpe festschrauben Katheter füllen (Insulinpumpe dabei aufstellen wegen möglicher Luftbläschen) Insulinpumpe in Run-Zustand bringen evtl. Bolus von 0,5 Einheiten setzen Katheter einstechen Katheter fixieren (Sicherheitsschlaufe) Kontrolle: Insulinpumpe im Grundzustand Run?... Abb. 41: Checkliste beim Katheterwechsel für Insulinpumpen von Disetronic Montag Dienstag Mittwoch Donnerstag Freitag Abb. 42: Periodik der Blutzuckerentgleisung bei seltenem Katheterwechsel (Schematische Darstellung) Da der Preis für einen Katheter zwischen 5 und 12 beträgt, wollen kostenbewusste Insulinpumpenträger auch aus diesen Gründen den Katheterwechsel seltener durchführen. Dies ist sicher am falschen Ort gespart! Ein täglicher Katheterwechsel ist allerdings im Regelfall selten notwendig. Tipp: Unsachgemäßes Ankoppeln des Katheters Rapid D Falls beim Katheter Disetronic Rapid D die beiden Kupplungsenden nicht passgerecht miteinander verbunden werden, sondern sie sehr schräg zusammengesteckt werden und dabei gleichzeitig etwas Druck ausgeübt wird, kann die im Kupplungsteil des Verbindungssets eingeschweißte Nadel abgebogen werden. Diese kann dann nicht mehr die Sicherheitsmembran im Kupplungsstück des 10 cm langen Kanülenschlauches durchstoßen. Als Folge tritt Insulin an der Kopplungsstelle aus (Geruch! Feuchtigkeit!). Wird dieser Defekt vom Insulinpumpenträger nicht rasch bemerkt und behoben, kommt es zu einem absoluten Insulinmangel mit ketoazidotischer Entgleisung

56 5. Katheter: Schnittstelle bei der Insulinpumpen-Therapie 5. Katheter: Schnittstelle bei der Insulinpumpen-Therapie Tipp: Luft in der Ampulle bzw. im Schlauch Aufgrund von Temperaturschwankungen können sich in der Insulinampulle Luftansammlungen bilden. Falls diese durch den Katheterschlauch in das Unterhautfettgewebe gelangen, besteht in keinem Fall eine direkte, größere Gefahr die Angst vor einer Luftembolie ist völlig unbegründet und entbehrt jeglichem Realitätssinn. Stattdessen besteht das Problem der unerwünschten Luftblasen in der fehlenden Insulinwirkung, denn»luft senkt nicht den Blutzucker«. Das folgende»anti-luft-programm«will dazu beitragen, dass bedeutsame Luftmengen in der Ampulle nicht entstehen, bzw. es will verhindern, dass Luft in den Katheter gelangt. Insulinfläschchen bzw. Fertigampullen sind rechtzeitig vor dem Umfüllen bzw. Einsetzen in die Insulinpumpe aus dem Kühlschrank zu nehmen. Das Insulin in der Patrone sollte beim Ampullenwechsel auf Zimmertemperatur angewärmt sein. Die Insulinampulle ist vor dem erstmaligen Einsetzen und bei jedem Katheterwechsel auf eventuelle Luftansammlungen zu überprüfen. Die Insulinpumpe während des Katheterfüllprogramms senkrecht stellen mit der Katheteranschlussstelle nach oben. Schlauchsystem auf eventuelle Luftblasen überprüfen. Patronen- bzw. Kanülenwechsel möglichst nicht vor dem Schlafengehen durchführen. Es wird empfohlen, die Insulinpumpe am Körper nicht senkrecht mit der Katheteranschlussstelle nach oben zu tragen. Sollte trotzdem eine kurze Luftstrecke im Katheterschlauch bemerkt werden, besteht überhaupt kein Grund zur Panik. Luftansammlungen bis 2 cm Länge sind völlig harmlos. Man beachte: Die Menge von 1 I.E. Insulin entspricht bei einer U100-Konzentration einer Schlauchlänge von etwa 10 cm. Tipp: Fehler beim Katheterwechsel Unwissenheit, aber auch mangelnde Sorgfalt bedingen immer wieder ein fehlerhaftes Vorgehen beim Katheterwechsel. Dadurch kann die korrekte Insulinabgabe unterbrochen werden und es besteht die Möglichkeit einer ketoazidotischen Entgleisung.Als Gefahrenpunkte sind zu nennen: Die Insulinpumpe bleibt versehentlich im Stop-Zustand. Es wird vergessen, das Katheterfüllprogramm zu aktivieren. Der Luer-Lock-Anschluss wird nicht ausreichend festgeschraubt, so dass an dieser Stelle Insulin entweichen kann. Der Luer-Lock-Anschluss wird zu stark festgedreht, so dass ein kleiner Haarriss entsteht, durch den Insulin austritt. Beim abkoppelbaren Katheter werden die beiden Koppelungsteile nicht korrekt miteinander verbunden, z.b. Abknicken der Nadel beim Katheter Rapid D. Als zweckmäßige Vorsichtsmaßnahmen bzw. zum raschen Erkennen eines Fehlers dienen folgende einfache Empfehlungen: Vor dem Einstechen der Kanüle in das Unterhautfettgewebe sollte die Insulinpumpe in den Run-Zustand versetzt werden, es ist ein Bolus von 0,5-1 I.E. Insulin abzugeben und es wird bewusst beobachtet, wie ein kleiner Insulintropfen an der Nadelspitze erscheint. Erst dann wird die Nadel eingestochen. Kommt es 5-10 Stunden nach einer Veränderung am Kathetersystem (vorübergehendes Abkoppeln, Kanülenwechsel, Austausch von Schlauch bzw. Insulinampulle) zu einem vordergründig unerklärlichen Blutzuckeranstieg bzw. werden Frühzeichen einer ketoazidotischen Entgleisung wahrgenommen, muss als Ursache auch eine Unterbrechung der Insulinzufuhr in Erwägung gezogen werden. Das komplette Ampullen-/Katheter-/Kanülensystem ist zu überprüfen und großzügig zu wechseln. Es ist auf den typischen Insulingeruch zu achten. Wird dieser wahrgenommen, gelangt irgendwo auf dem Weg von der Ampulle zur Nadel Insulin nach außen. Die Leckstelle muss umgehend ausfindig gemacht werden, und die Ursache ist zu beseitigen. Ein weiterer Hinweis für eine Leckage ist das Auftreten von Feuchtigkeit an einer Anschlussstelle bzw. längs des Katheterverlaufs

57 5. Katheter: Schnittstelle bei der Insulinpumpen-Therapie 5. Katheter: Schnittstelle bei der Insulinpumpen-Therapie Weitere Tipps: Eine Katheterliegedauer länger als 2 bis 3 Tage birgt das Risiko von Infektionen und einer veränderten Insulinwirkung. Eine fehlende Desinfektion der Kathetereinstichstelle kann zu Entzündungen führen (Einwirkdauer des Desinfektionsmittels von ca. 2 Minuten beachten). Von einem Ampullenwechsel mit im Bauch liegender Katheternadel ist dringend abzuraten. Auch sollten Manipulationen an der Adapterschraube bzw. am Luer-Anschluss bei liegendem Katheter vermieden werden. In diesem Fall kann es zu einer unkontrollierten Insulinabgabe kommen. Wird nach dem Wechseln des gesamten Kathetersystems vergessen, den Schlauch mit Insulin zu füllen, so kommt es je nach benutzter Katheterlänge zu einem Insulinmangel von 5 bis 20 I.E., d.h. es besteht ein Insulindefizit, das bis zur Hälfte des täglich notwendigen Insulinbedarfs betragen kann. Wegen des sich in der Folge entwickelnden vollständigen Insulinmangels kann es zu einer beginnenden ketoazidotischen Entgleisung kommen. Abhilfe: Vor dem Einstechen der Katheternadel in die Haut wird ein»sicherheitsbolus«von 0,5-1 I.E. Insulin abgegeben und beobachtet, wie an der Nadelspitze ein kleines Flüssigkeitströpfchen erscheint. Damit ist gewährleistet, dass der Katheter vollständig gefüllt ist und dass sich die Insulinpumpe im Grundzustand RUN befindet. 1. Wasserdichte durchsichtige Folien Klebkraft Zugfestigkeit Handhabung Ensure-it (BD) ++ + gut Hydrofilm (Hartmann) O + gut OpSite (Smith-Nephew) ++ + sehr gut Tegaderm (3M) + + sehr gut 2. Nicht wasserdichte Folien 5.4 Folien Folien haben die Aufgabe, den Katheter zu fixieren und eine Keimbesiedlung der Kathetereinstichstelle zu vermindern. Es gibt zwei Arten von Folienmaterialien: wasserdichte durchsichtige Folien nicht wasserdichte Folien (Vlies o.ä.) Klebkraft Zugfestigkeit Handhabung Leukosilk (Hartmann) O + gut Omnifix (Hartmann) gut Primapore (Smith-Nephew) gut O = gering ausgeprägt + = stark ausgeprägt ++ = sehr stark ausgeprägt Abb. 43: Eigene Erfahrungen mit Folienmaterialien Folienmaterialien 112 Prinzipiell ist bei jeder Folie die Möglichkeit einer allergischen Reaktion gegeben. Diese äußert sich durch Juckreiz im Bereich der Folie oder Blasenbildung am Rande der Folie. In diesen Fällen müssen andere Materialien ausprobiert werden. Erfahrungsgemäß werden die wasserdichten Folien besser vertragen, als die Folien aus Vlies. Die Ensure-it-Folie scheint besonders selten Allergien hervorzurufen. 113

58 5. Katheter: Schnittstelle bei der Insulinpumpen-Therapie 5. Katheter: Schnittstelle bei der Insulinpumpen-Therapie Leukosilk eignet sich nur zur Fixation einer Katheterschlaufe, evtl. eines Rondellenkatheters. Es sollte nicht mit einem Flügelkatheter verwendet werden. Mit dem Cavilon-Spray 3M kann ein Film zwischen Haut und Pflastermaterial erzeugt werden. Damit lassen sich allergische Reaktionen verringern bzw. vollkommen vermeiden. Auch ist das Infektionsrisiko an der Kathetereinstichstelle kleiner. 5.5 Katheterprobleme und wie man sie vermeidet Allergien gegen Kathetermaterialien, z.b. gegen das Material der Rondelle und Flügel, äußern sich durch Rötung und Juckreiz der Haut. Ähnliches gilt auch für Allergien gegen das Material der Nadel (Nickel), die zu Rötung und Juckreiz an der Einstichstelle führen und von bakteriell bedingten Entzündungen abgegrenzt werden müssen. Bei Allergien gegen das Material der Flügel, die Rondelle oder auch das Pflaster kann das Cavilon-Spray helfen. Es bildet einen luftdurchlässigen Film zwischen der Haut und dem Material. Außerdem klebt das Pflaster auch besser. Bei Unverträglichkeit der Nadel (Nickelallergie) hilft oft nur die Umstellung auf Katheter mit Teflonkanüle. Einige Katheterprobleme äußern sich durch Schmerzen bei der Bolusgabe. Neben Entzündungen und Infektionen (siehe Abschnitt 5.3) können als Ursachen die Verwendung einer zu langen oder zu kurzen Kanüle, eine ungünstig ausgewählte Einstichstelle (Hosenbund o.ä. drückt auf Kanüle, Katheter liegt in einer Hautfalte) sowie eine zu lange Liegedauer des Katheters in Frage kommen. Herausrutschen der Nadel durch ungenügende Fixierung des Katheters (Haut»riecht«nach Insulin, Feuchtigkeit an der Einstichstelle) Abknicken des Teflonkatheters unter oder über der Haut Leckage an Verbindungsstücken oder am Schlauchsystem (Leck»riecht«nach Insulin) Beispiele: Unsachgemäße Ankopplung der beiden Enden beim abkoppelbaren Katheter Riss des Schlauches durch starken Zug (auch ein Tierbiss ist schon vorgekommen) Lockerung des Katheters (Luer-Lock-Anschluss) Abb. 44: Ursachen für Leckagen Bei einem Katheterdefekt sollte der Katheter der jeweiligen Insulinpumpenfirma zugesandt werden, die wiederum Kontakt mit der Herstellerfirma der Katheter aufnimmt. Nur so ist schließlich eine weitere Verbesserung des Kathetermaterials möglich. Das Auftreten von Blut im Katheter kann durch eine zu lang gewählte Kanüle oder durch ungenügende Fixierung eines Flügelkatheters hervorgerufen werden. Auch wenn es nicht zu einem Anstieg der Blutzuckerwerte (das Insulin wird durch Zersetzung zum Teil inaktiviert) oder zu einem Katheterverschluss durch Blutgerinnung im Schlauch kommt, sollte man den Katheter sofort wechseln. Im Gegensatz zum Katheterverschluss mit einem Druckanstieg in der Ampulle (Insulinpumpe D-TRONplus) gibt es für Katheterleckagen keine Alarmzeichen. Da unter der laufenden Basalrate nur ein relativ kleines subkutanes Insulindepot von ca. 2-3 Einheiten besteht, kann es durch den auftretenden Insulinmangel infolge eines Katheterlecks innerhalb weniger Stunden zur Lipolyse und ketoazidotischen Entgleisung kommen. Regelmäßige Blutzuckerselbstkontrollen (mindestens 4 x / Tag) sind somit für den Insulinpumpenträger die einzige Sicherheit, Ketoazidosen zu vermeiden. Ursachen für Katheterleckagen sind in Abb. 44 aufgezeigt

59 6. Insulinpumpe und Technik 6. Insulinpumpe und Technik Ganz klar: Eine Insulinpumpe muss unbedingt zuverlässig sein, denn man vertraut ihr rund um die Uhr seine Insulinversorgung an. Dass man sich wirklich auf dieses kleine Präzisionssystem verlassen kann, zeigt ein Blick auf die Technik. Eine Insulinpumpe, hier die D-TRONplus von Disetronic, besteht im Wesentlichen aus einem programmierbaren Mikroprozessor, einem Motor mit Getriebe, einer Gewindestange, einer Insulinampulle und einem Adapter. Der lautlose Motor sorgt dafür, dass die Gewindestange den Stopfen der Insulin gefüllten Ampulle nach oben schiebt. Dieser Vorgang wird über einen Computer gesteuert und richtet sich nach der vom Benutzer vorgenommenen Programmierung. Zwei Mikroprozessoren, die sich laufend gegenseitig auf ihre Funktion überprüfen sorgen für eine reibungslose Insulinabgabe. Sollte es einmal zu Unregelmäßigkeiten kommen, die die Insulinversorgung gefährden, z.b. bei einer Katheterverstopfung, meldet sich die Insulinpumpe mit einem entsprechenden Alarm. 6.1 Bedienung Die Bedienung der Insulinpumpe H-TRONplus erfolgt über drei Knöpfe, zwei auf der Oberseite der Pumpe und einen auf der Vorderseite. Alle Knöpfe sind gut fühlbar, so dass die Pumpe auch unsichtbar durch die Kleidung bedient werden kann. Jede Eingabe wird über Piepstöne akustisch bestätigt, wobei diese Töne bis auf Alarme abgestellt werden können. Für die Bedienung gibt es Schemata. Menügesteuert erfolgt die Bedienung bei der Insulinpumpe D-TRONplus, der neuesten Disetronic-Insulinpumpe. Vier Knöpfe dienen zum Blättern in den verschiedenen Menüs und zur Bestätigung der ausgewählten Funktionen. Alle Befehle werden wie bei der Insulinpumpe H-TRONplus durch Töne und Vibrationen bestätigt, die ebenfalls ausgeschaltet werden können. Mit der neu entwickelten DiaLog-Software zur Pumpenprogrammierung ist die Programmierung der Insulinpumpe und die Auswertung der gespeicherten Daten auch über PC möglich. DiaLog ist zunächst nur kompatibel mit der Insulinpumpe D-TRONplus. Die Kommunikation erfolgt bidirektional über eine Infrarot-Schnittstelle. Der Adapter bildet die Brücke zwischen der Insulinampulle und dem Katheter. In ihn wird der Katheter eingeschraubt, durch den nun das Insulin in den Körper gelangt. Die Energieversorgung der Insulinpumpe erfolgt über Batterien. Auch wenn jedes Insulinpumpenmodell technische Variationen aufweist, ist die grundsätzliche Funktionsweise doch bei allen gleich. Unterschiede zeigen sich vor allem im Detail, wenn es z.b. um die Programmierung geht. Dies sei am Beispiel der zwei Disetronic-Insulinpumpen im folgenden dargestellt: Software zur Programmierung der Insulinpumpe D-TRONplus: DiaLog

60 6. Insulinpumpe und Technik 6. Insulinpumpe und Technik 6.2 Basalratenprogrammierung Die Abgabe der Basalraten wird von einem kleinen Computer präzise gesteuert, der dafür sorgt, dass ständig kleinste Mengen Insulin an den Körper abgegeben werden. Durch geeignete Programmierung wird versucht, den basalen Insulinbedarf wie bei einem Nicht-Diabetiker möglichst gut nachzuahmen. Zur Basalratenprogrammierung werden bei allen Disetronic-Insulinpumpen stündliche Gesamtabgabemengen festgelegt. Das so entstehende Basalratenprofil setzt sich aus 24 Basalraten zusammen, die in Feinabstufungen von 0,1 I.E programmiert werden können. Bei der Insulinpumpe H-TRONplus kann ein Basalratenprofil und bei der Insulinpumpe D-TRONplus können zwei Profile programmiert werden. Die Abgabe des Insulins erfolgt bei den Insulinpumpen H-TRONplus und D-TRONplus alle drei Minuten (variable Abgabemenge). Bei körperlichen Aktivitäten (Sport, Gartenarbeit etc.) kann das Basalratenprofil bei beiden Insulinpumpen prozentual gesenkt werden ohne das ursprüngliche Basalratenprofil zu verändern. Entsprechend ist auch eine prozentuale Erhöhung möglich, z.b. wenn man krank im Bett liegt. Die Senkung bzw. Erhöhung erfolgt prozentual auf Knopfdruck (Insulinpumpen H-TRONplus und D-TRONplus). 6.3 Bolusabgabe Nahrungsbolus und /oder Korrekturbolus werden vom Pumpenträger je nach Bedarf festgelegt und per Knopfdruck aktuell einprogrammiert. Vor der Bolusabgabe ist eine abschaltbare akustische Bestätigung fakultativ möglich. Die Insulinpumpe D-TRONplus bietet mit drei Bolusvarianten (schnell, individuell, verzögert), die sich in sehr feinen Schritten programmieren lassen, den größten Komfort. Die Insulinpumpe H-TRONplus und verfügt über eine Bolusvariante. Bei beiden Insulinpumpenmodellen erfolgt die eigentliche Bolusabgabe wie übrigens auch die Abgabe der Basalrate lautlos, d.h. ohne begleitendes hörbares Motorengeräusch. 6.4 Insulinampullen Für alle Disetronic-Insulinpumpen stehen vorgefüllte Insulinampullen zur Verfügung: Insuman Infusat in U100 für die Insulinpumpe H-TRONplus sowie vorgefüllte Penampullen mit HumalogInsulin für die Insulinpumpe D-TRONplus. Andere Insuline können in Leerampullen aufgezogen werden. Nach dem Einlegen der Ampulle ist nur noch das Katheterfüllprogramm zu starten. 6.5 Abruf wichtiger Informationen Bei jedem Knopfdruck schaltet sich das Display ein und zeigt z.b. die aktuelle Basalrate oder eine aktivierte vorübergehende Basalratenänderung an. Außerdem verfügen die Insulinpumpen H-TRONplus und D-TRONplus über Datenspeicher, aus denen folgende Informationen abgerufen werden können: der aktuelle Inhalt der Insulinampulle die Tagesinsulinabgabe (Basalrate und Bolus) seit 0 Uhr die letzten 10 Boli die letzten 5 Sicherheitsmeldungen mit Uhrzeit die Insulinpumpe D-TRONplus verfügt zusätzlich über einen Datenspeicher, der die letzten Ereignisse speichern kann. Diese können mit Hilfe der Pumpensoftware DiaLog abgerufen werden. Über ein Interface sind weiterhin die letzten 15 Ereignisse bzw. eingegebene Befehle mit der dazugehörenden Uhrzeit abrufbar, wie z.b. der Aufruf des Katheterfüllprogramms oder eine vorgenommene Umprogrammierung der Basalrate. 6.6 Sicherheitssystem Eine wichtige Rolle für die Sicherheit der Insulinpumpen-Therapie spielen die Alarm- und Errormeldungen, mit denen die Pumpe vor einer Unterbrechung der Insulinversorgung warnt. Diese Situation kann durch eine Batterie mit zu geringer Spannung entstehen, eine fast leere Insulinampulle oder z.b. durch eine Katheterverstopfung oder ein Leck in der Ampulle. Alle Disetronic-Insulinpumpen verfügen über ein umfangreiches Sicherheitssystem. Sie»melden«sich über Pieptöne (Insulinpumpe H-TRONplus) und zusätzlich über Vibrationsalarm (Insulinpumpe D-TRONplus), wenn es zu Problemen kommt. Alle Alarm- und Errormeldungen sind auf der Rückseite aufgelistet und können eindeutig zugeordnet werden

61 6. Insulinpumpe und Technik 6. Insulinpumpe und Technik 6.8 Zwei-Insulinpumpen-Konzept Jeder Insulinpumpenträger erhält zwei Disetronic-Insulinpumpen. Mit diesem Zwei- Insulinpumpen-Konzept hat der Insulinpumpenträger immer eine funktionsfähige Insulinpumpe, sodass er nicht wegen eventueller technischer Probleme die Behandlung ändern oder stationär bzw. ambulant behandelt werden muss. Außerdem bietet dieses Konzept ein hohes Maß an Sicherheit, besonders wenn sich der Insulinpumpenträger weit entfernt von seinem Arzt bzw. Insulinpumpenzentrum aufhält (z.b. auf Auslandsreisen). In jede Insulinpumpe ist eine Laufzeit von zwei Jahren einprogrammiert. Bei Disetronic Insulinpumpen können alle Alarme eindeutig zugeordnet werden Als einzige Insulinpumpe verfügt die D-TRONplus über ein Drucksensor-System, das permanent die Insulinabgabe kontrolliert. Steigt der Druck in der Ampulle an, z.b. bei einer Katheterverstopfung, wird ein Alarm ausgelöst. Ebenso, wenn der Druck in der Ampulle abfällt, z.b. bei einem Leck. 6.7 Insulinpumpe und Handy Das Sicherheitssystem der Insulinpumpen H-TRONplus und D-TRONplus verhindert das Auftreten von Ungenauigkeiten in der Insulindosierung bei Beeinflussung der Insulinpumpenelektronik durch starke elektromagnetische Felder. So kommt es im Extremfall zu einem Sicherheitsalarm (Error07: Elektronikstörung) und die Insulinzufuhr wird unterbrochen. In aktuellen Untersuchungen (EMC Fribourg SA, EMC Testcenter Zürich; 1999) wurde speziell der Einfluss von Mobiltelefonen (Handies) auf die Funktionen der Insulinpumpe H-TRONplus geprüft. Dabei reichte die Sendeleistung der Handies (C-, D- und E-Netz) nicht einmal aus, um einen Elektronikalarm auszulösen. Obwohl moderne Handies die Insulinpumpe H-TRONplus nicht beeinträchtigen, empfiehlt Disetronic dennoch vorsorglich, das Handy nicht in unmittelbarer Nähe der Insulinpumpe zu betreiben bzw. zu tragen, der Abstand zwischen beiden sollte 5 cm nicht unterschreiten

62 6. Insulinpumpe und Technik Tipp:»Technische Fallen«7. Leben mit der Insulinpumpe Insulinpumpe im Grundzustand STOP (Insulinpumpen H-TRONplus bzw. D-TRONplus) Nach einem Katheterwechsel wird bei der H-TRONplus bzw. D-TRONplus mitunter vergessen, die Insulinpumpe wieder einzuschalten. Oft wurde dabei zuvor die üblicherweise jede Minute auftretende»stop-warnung«ausgeschaltet.wir empfehlen daher, von der Möglichkeit des Abschaltens der Piepstöne nur selten Gebrauch zu machen. Das versehentliche Belassen der Insulinpumpe im Stop-Zustand lässt sich verhindern, indem nach einem Katheterwechsel routinemäßig vor dem Einstechen der Nadel ein kleiner Bolus (z. B. 0,5 Einheiten) gesetzt und die Abgabe von Insulin an der Nadelspitze beobachtet wird. Dazu muss sich die Insulinpumpe notwendigerweise im»run«befinden. Sicherheitsalarm (Insulinpumpen H-TRONplus bzw. D-TRONplus) Der Sicherheitsalarm weckt Sie in den frühen Morgenstunden. Grund: In dem voreingestellten Zeitintervall (meist 12 Stunden) wurde an der Insulinpumpe kein Knopf gedrückt. Abhilfe:»bed-side-check«, d. h. vor dem Schlafengehen einen beliebigen Bedienknopf z.b. zur Aktivierung bzw. Beleuchtung des Displays drücken. Gleichzeitig überprüfen Sie, ob sich die Insulinpumpe im Grundzustand»Run«befindet. Falscher Ampulleninhalt (Insulinpumpe H-TRONplus) Nach einem Ampullen- und Katheterwechsel wird mitunter fälschlicherweise erst das Katheterfüllprogramm gestartet und dann erst die Initialisierung»neue Patrone«durchgeführt. In diesem Fall ist die auf dem Display angezeigte Insulinmenge größer als die tatsächliche Restfüllmenge in der Ampulle. Bei leerer Ampulle kommt es schließlich zum Error 04 (Katheter-/ Nadelverschluss) und nicht zum Error 10 (20 Einheiten Restinhalt). Ein ähnliches Problem stellt sich beim unvollständigen Füllen einer Insulinampulle (z.b. mit Humalog-lnsulin). 7.1 Tragen der Insulinpumpe Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, die Insulinpumpe am Körper zu tragen. Dabei sind die individuellen Wünsche und Vorlieben des Insulinpumpenträgers zu berücksichtigen, wie z.b. bevorzugte Kleidung, Sichtbarkeit der Insulinpumpe, Einfachheit der Bedienung, Katheterlänge sowie das Insulinpumpenmodell. Ganz allgemein sollte bei der persönlichen Trageweise der Insulinpumpe darauf geachtet werden, dass einerseits die akustischen Alarmmeldungen jederzeit sicher bemerkt werden können und dass andererseits eine rasche zuverlässige Bedienung der Insulinpumpe möglich ist. Die wichtigsten Funktionen können bei allen Insulinpumpen ohne visuelle Kontrolle, d.h. auch unter der Kleidung, betätigt werden. Befestigung am Gürtel oder Bund Taschen mit Gürtelschlaufen oder Clip erlauben die Befestigung am Hosen- oder Rockgürtel bzw. am Bund. Vorteil: gute Bedienbarkeit Nachteil: Insulinpumpe ist sichtbar Abhilfe schafft hier ein Insulinpumpengürtel mit Klettverschluss. Die Insulinpumpe kann so unter der Kleidung versteckt werden. Befestigung am Gürtel bzw. Hosenbund mit Clip Case

63 7. Leben mit der Insulinpumpe 7. Leben mit der Insulinpumpe Insulinpumpe in der Hosentasche Frauen können die Insulinpumpe außerdem in oder an ihrem BH tragen. Vorteil: gute Bedienbarkeit Nachteil: eventuell Hängenbleiben des Schlauches an Türgriffen, Sichtbarkeit des Schlauches eventuell können Luftblasen in den Schlauch gelangen (Luer- Lock-Anschluss zeigt nach oben). Tipp für Hobbyschneiderlnnen: Die Hosentasche kann am oberen Ansatz innen aufgetrennt werden. So wird die Insulinpumpe mit Schlauch problemlos von innen in die Hosentasche eingeführt. Der Schlauch ist nicht mehr sichtbar. Eine weitere Möglichkeit ist die Nutzung einer für die Insulinpumpe H-TRONplus angebotenen Schutzhülle zum Einnähen. Dazu wird auf der Innenseite der Kleidung ein Klettelement eingenäht bzw. aufgebügelt. Die Schutzhülle besitzt ein entsprechendes Gegenstück und wird damit befestigt. Insulinpumpe in Hemd- oder T-Shirt-Tasche Eine weitere Möglichkeit besteht in der Unterbringung in Hemdtaschen oder in T-Shirts mit eingenähter Tasche. Befestigung an einer Kordel Eine häufige Methode ist die Befestigung der Insulinpumpe an einer Leder- oder Stoffkordel, die um den Hals gelegt wird. Die Insulinpumpe kann so unter der Kleidung getragen werden, der Luer-Lock-Anschluß zeigt nach unten. Vorteil: gute Bedienbarkeit Luftblasen gelangen nicht in den Schlauch Insulin bleibt im Winter körperwarm Befestigung an einer Kordel

64 7. Leben mit der Insulinpumpe 7. Leben mit der Insulinpumpe Insulinpumpe in der Nacht In der Nacht besteht das Risiko, dass Alarmmeldungen buchstäblich verschlafen werden. Einige Patienten lagern die Insulinpumpe daher»an der langen Leine«neben sich. Nachteil: Abkopplungen sowie Verknotungen im Schlauch sind möglich. Die Insulinpumpenfirmen bieten spezielle Gürtel an, die eine Fixierung der Insulinpumpe am Körper gestatten oder Cliptaschen, bzw. an der Insulinpumpe zu befestigende Clip-Einrichtungen für den Schlafanzugbund. Vor dem Zubettgehen hat sich eine kurze Prüfung der Insulinpumpenfunktion bewährt: Insulinpumpe im Run-Zustand? (»Insulinpumpengruß«bei den Insulinpumpen H-TRONplus und D-TRONplus) Luer-Lock-Anschluss und Katheternadel gut fixiert? Größere Luftblasen im Schlauch? Genügend Restinsulin in der Ampulle? Abb. 45:»bed-side-check«Duschen, Schwimmen und Tauchen mit der Insulinpumpe Die Insulinpumpe D-TRONplus ist wasserdicht und muss während des Duschens nicht abgelegt werden, die Minimed 508 sollte in einem Duschbeutel getragen werden. Die Insulinpumpe H-TRONplus ist während des Duschens abzulegen, dabei haben sich abkoppelbare Katheter bewährt. Werden die Sicherheitsmaßnahmen beachtet (Batteriefächer, Ampullenfach durch Gummiringe sicher gedichtet), kann mit der Insulinpumpe D-TRONplus gebadet werden, Salzwasser sollte nachher abgespült werden. Für die nur spritzwassergeschützte Minimed 508 bietet die Firma einen kleinen durchsichtigen Kunststofftresor an, der das Baden mit diesem Modell ebenfalls erlaubt. Zum Tauchen dürfen die Insulinpumpen nicht getragen werden. Beim Saunagang müssen alle Insulinpumpenmodelle»draußenbleiben«. 7.2 Insulinpumpe und Psyche Die Entscheidung für eine Insulinpumpenbehandlung erfolgt in vielen Fällen nicht nur aus medizinischer Notwendigkeit, sondern auch mit dem Wunsch, neben einer optimalen Stoffwechseleinstellung bestimmte Vorteile dieser Therapie zu nutzen. Je mehr Vorteile ein Diabetiker gegenüber seiner bisherigen Therapie für sich ausfindig machen kann, um so höher wird seine persönliche Motivation sein, eine derartige Therapie zu beginnen. Letzte Zweifel können nur durch»ausprobieren«geklärt werden. In den meisten Fällen wird dabei auch die psychologische Barriere überwunden, ständig»verkabelt«zu sein und seine Insulinpumpe immer mit sich herumtragen zu müssen. Die Auswirkungen der Insulinpumpen-Therapie sind sowohl in Beruf und Freizeit wie auch in Freundschaft und Partnerschaft mehr oder minder spürbar. Wenn der künftige Insulinpumpenträger noch keinen festen Partner hat, muss er sich darüber klar werden, ob er genügend Selbstvertrauen besitzt, vor anderen seine Insu

65 7. Leben mit der Insulinpumpe 7. Leben mit der Insulinpumpe linpumpen-therapie zu vertreten. Vor allem Mädchen und Frauen scheuen oft aus rein optischen, ästhetischen Gründen das Tragen einer Insulinpumpe. Wie bereits besprochen, muss die Insulinpumpe nicht offen sichtbar getragen, sondern kann unter der Kleidung verborgen werden. Dies erfordert allerdings in den Sommermonaten oft zusätzlichen Einfallsreichtum. Jedoch spätestens dann, wenn die Beziehung enger bzw. intimer wird, ist die Konfrontation des Partners mit der Insulinpumpen-Therapie und der Insulinpumpe nicht zu vermeiden. Spätestens an diesem Punkt (besser aber früher) sollte der Insulinpumpenträger»Farbe bekennen«und mit seinem Partner über den Diabetes und dessen Therapie offen sprechen. Sollte der Beziehungswunsch wirklich ernst gemeint sein, wird auch mit Insulinpumpe einer Intensivierung der Partnerschaft nichts im Wege stehen. Wenn bereits eine feste Partnerschaft besteht, sollte prinzipiell auch der Partner an der Entscheidungsfindung pro oder contra Insulinpumpe beteiligt werden. In erster Linie muss sich natürlich der Diabetiker selbst im Klaren sein, ob er sich vorstellen kann, Tag und Nacht an eine Insulinpumpe angeschlossen zu sein. Aber auch der Partner ist direkt und indirekt von einer derartigen Therapie betroffen. Auch er darf die Insulinpumpe nicht als»störenfried«empfinden. Eine Hilfe für beide Partner kann die Erkenntnis sein, dass die Insulinpumpe eine optimale Stoffwechseleinstellung ermöglicht und damit die Angst vor Folgeerkrankungen vermindern kann. Eine echt und ernst gemeinte Beziehung wird letztlich nicht am Diabetes selbst oder an der Insulinpumpe scheitern. Je besser der Diabetiker geschult ist und je mehr Erfahrungen er mit der Handhabung der Insulinpumpe hat, um so geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Insulinpumpe die Partnerschaft kompliziert und zu einer zusätzlichen Belastung führt. Die Möglichkeit der größeren Flexibilität durch die Insulinpumpe kann für beide Partner durchaus von Vorteil sein. In der Regel kann man davon ausgehen, dass dem Diabetiker das Tragen der Insulinpumpe und deren Handhabung mit der Zeit zur Routine werden. Ein adäquates Vorgehen bei Alarmmeldungen der Insulinpumpe sollte theoretisch vorbereitet und für den»ernstfall«trainiert werden, um aufkommende Angst in lösungsorientierte Verhaltensweisen umsetzen zu können. Das schließt auch ein, dass der Partner dem Insulinpumpenträger in Notsituationen (Krankheit, Ketoazidose, schwere Unterzuckerung) behilflich sein kann. Wünscht sich eine Diabetikerin Kinder, so ist bereits vor, besonders aber während der Schwangerschaft eine optimale Stoffwechsellage anzustreben. Dazu kann die Insulinpumpenbehandlung hilfreich sein. Nach der Entbindung behalten viele Diabetikerinnen die Insulinpumpen-Therapie bei. 128 Bereits im Vorfeld der Entscheidung über eine geplante Insulinpumpen-Therapie sollte auch das Thema Sexualität nicht ausgeklammert werden. Es stellen sich Fragen, ob die Insulinpumpe die Partner beim Liebesspiel stört, ob Verletzungen durch die Katheternadel zu erwarten sind, oder ob Spontaneität und Genuss bei der Sexualität durch die Insulinpumpe eingeschränkt werden. Allein das Aussprechen derartiger Befürchtungen ist bereits oftmals hilfreich. In einem persönlichen Beratungsgespräch mit einem Arzt, der Erfahrung mit Insulinpumpen hat, dürfen diese Fragen nicht ausgeklammert werden. Eine für jeden gültige Antwort können wir an dieser Stelle nicht geben. Menschliches Handeln und menschliche Empfindungen sind vielfältig. Im Falle des Liebesspiels bezieht sich das Handeln keineswegs auf den Geschlechtsakt allein, sondern beinhaltet viele Formen und Ausdrücke körperlicher und geistiger Nähe zum Partner. Der Geschlechtsverkehr muss durch das Tragen einer Insulinpumpe nicht gestört werden. Die Insulinpumpe wird von den meisten Diabetikern nicht als»liebestöter«empfunden. Grundsätzlich kann die Insulinpumpe beim Liebesspiel abgelegt und damit die Insulinzufuhr für einen begrenzten Zeitraum unterbrochen werden. Der Katheter wird entfernt und später dann erneut angelegt. Viele Diabetiker bevorzugen einen langen Katheter und haben damit die Möglichkeit, die Insulinpumpe beim Liebesspiel abzule- 129

66 7. Leben mit der Insulinpumpe 7. Leben mit der Insulinpumpe gen. Eine weitere, sehr vorteilhafte Variante ist die Verwendung von abkoppelbaren Kathetern, wie z.b. des Katheters Disetronic Rapid D. In diesem Fall kann die Insulinpumpe einfach ab- bzw. angekoppelt werden, ohne dass der Katheter neu gelegt werden muss. Probieren geht auch in diesem Fall über Studieren. Je mehr sich die Partner aufeinander einzustellen bereit sind und je besser sich auch der nichtdiabetische Partner mit der Insulinpumpe auskennt, um so größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Insulinpumpe nicht als etwas»fremdes«und»trennendes«erlebt wird. Manchmal muss die Aufmerksamkeit von der Insulinpumpe, vor allem aber von der Nadel weg auf die eigentliche Intimbeziehung gelenkt werden. Die Wiederaufnahme des Intimverkehrs nach Beginn einer Insulinpumpen-Therapie wird in der Anfangsphase von beiden Partnern ein gewisses Maß an Sensibilität und Geduld erfordern. Die gemeinsame Erfahrung, mit dieser Situation fertig geworden zu sein, kann jedoch auch zu einem beziehungsvertiefenden Erlebnis werden! Tipp: Denkanstöße Eine Insulinpumpenbehandlung erfordert auch eine mentale und emotionale Auseinandersetzung mit dieser speziellen Behandlungsform der intensivierten Insulintherapie. Eine realistische Bewertung und eine zuversichtliche Einstellung sind wünschenswert; ungünstig sind übertriebene Hoffnungen oder Sorglosigkeit, mangelnde Eigeninitiative, zu wenig Selbstkritik. Folgende Hinweise mögen hilfreich sein: Als Insulinpumpenträger sind Sie kein Sonderling! Sie sind ein»völlig normaler Mensch«, bei dem lediglich die Art und Weise der Insulinzufuhr eine andere ist. Diabetes ist nicht alles! Die Insulinpumpenbehandlung ist eine wichtige Nebensache in Ihrem Leben aber nicht die Hauptsache. Haben Sie den Mut, Neues auszuprobieren (z.b. hinsichtlich Essen, Getränken, Süßigkeiten, Eis, körperlicher Tätigkeit, Änderung des Tagesrhythmus). Kein Zwang zum Perfektionismus! Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen! Gestehen Sie sich Misserfolge und Unzulänglichkeiten zu. 7.3 Pause von der Insulinpumpe Die Insulinbehandlung mit einer Insulinpumpe kann jederzeit unterbrochen werden. Es besteht ja bei Menschen mit Typ-1-Diabetes keine»abhängigkeit«von der Insulinpumpe, sondern lediglich vom Insulin. Als Gründe für ein vorübergehendes Ablegen einer Insulinpumpe kommen beispielsweise in Frage: Duschen, sexuelle Aktivität, Schwimmbad- bzw. Saunabesuch, Badeurlaub, Tragen von enganliegender Kleidung (Abendgarderobe), sportliche Aktivitäten, bei denen die Insulinpumpe lästig ist bzw. eine Gefahr darstellt (Kampfsport, Wassersport), leere Ampulle bzw. leere Batterie ohne Ersatzmaterial, Insulinpumpendefekt. In Abb. 46 sind Tipps zusammengestellt, die beim Ablegen der Insulinpumpe unabhängig von der Länge der Pause von Bedeutung sind. Nach Wiederanlegen der Insulinpumpe sind einige Besonderheiten zu beachten; diese sind in Form einer Checkliste in Abb. 47 aufgeführt. Insulinpumpenpause Worauf kommt es an? Keine»Abhängigkeit«von der Insulinpumpe, sondern lediglich vom Insulin Abkoppelbare Katheter sind empfehlenswert»fehlende«basalrate während des Ablegens berücksichtigen Deutliche Insulinminderversorgung vermeiden (keine»insulinlöcher«!) An die Möglichkeit einer ketoazidotischen Entgleisung denken Eventuell die abgelegte Insulinpumpe im»run-modus«belassen Öfters den Blutzucker messen (Sondersituation!) Vorübergehend leicht erhöhte Blutzuckerwerte tolerieren Eine größere Blutzuckerlabilität ist besonders bei sportlicher Aktivität möglich Die Insulinwirkdauer bestimmt, ob und in welchen Abständen während der Insulinpumpenpause Insulin zusätzlich gegeben werden sollte Die zwischenzeitliche Insulingabe kann mit Spritze/Pen oder durch kurzfristiges Ankoppeln der Insulinpumpe erfolgen Für Zwangspausen (Insulinpumpendefekt, Batterie leer, o.ä.) Ersatzmaterial bereithalten Ergebnisse dokumentieren Erfahrungen überdenken Abb. 46: Tipps für das Ablegen der Insulinpumpe

67 7. Leben mit der Insulinpumpe 7. Leben mit der Insulinpumpe Checkliste nach Wiederanlegen der Insulinpumpe Insulinpumpe im»run-modus«? Katheter gefüllt? Katheter richtig angekoppelt? Luftblasen im Katheter? Kleiner Extra-Bolus notwendig? Überlappungseffekt, d.h. ist noch Insulin wirksam, das zwischenzeitlich mit Spritze/Pen oder als Insulinpumpenbolus verabreicht wurde? Blutzuckermessung nach Wiederanlegen notwendig? Blutzuckerwert nach 3-5 Stunden zweckmäßig? Hinweise: Es kann 2-4 Stunden dauern, bis sich der übliche basale Insulinspiegel wieder stabilisiert hat Vorübergehend ist eine größere Blutzuckerlabilität möglich Abb. 47: Besonderheiten nach einer Insulinpumpenpause Prinzipiell können, entsprechend der Dauer des Ablegens, verschiedene Arten von Insulinpumpenpausen unterschieden werden. Pause bis zu einer Stunde Ein sehr kurzzeitiges Ablegen der Insulinpumpe (z.b. beim Duschen) mit einer Dauer von weniger als einer Stunde ist meistens unbedenklich, besondere Maßnahmen sind hier nicht erforderlich. Eine gesonderte Blutzucker-Selbstkontrolle bzw. eine zusätzliche Bolusgabe vor oder nach dem Ablegen ist im Regelfall nicht notwendig. Die Verwendung von abkoppelbaren Kathetern erweist sich als vorteilhaft und empfehlenswert. Kurzzeitige Pause (kürzer als die Insulinwirkdauer) Ist die Insulinpumpenpause bei Verwendung von kurzwirksamem Insulinanalogon kürzer als 2,5 Stunden bzw. bei Verwendung von Normalinsulin kürzer als 4 Stunden, erübrigt sich eine gesonderte Insulingabe mit der Spritze. Je nach Ausgangssituation 132 und Unterzuckerungsgefahr kann ein zusätzlicher Bolus vor und/oder nach dem Ablegen der Insulinpumpe gegeben werden. Dieser Bolus sollte höchstens so groß sein, wie die Gesamtmenge der Basalrate während des Ablegens gewesen wäre. Beispiel: Das Ablegen der Insulinpumpe findet in der Zeit von Uhr statt; Die Basalrate in dieser Zeit beträgt 0,6 I.E. pro Stunde, d.h. insgesamt 1,8 I.E. während des geplanten Zeitraumes ohne Insulinpumpe. Eine Möglichkeit wäre, unmittelbar vor dem Abkoppeln der Insulinpumpe noch einen Zusatzbolus von 0,5 I.E. zu geben sowie direkt nach dem Wiederanlegen einen weiteren Bolus von 1,0 I.E. Vor einer Bolusgabe, insbesondere wenn sie vor dem Schlafengehen erfolgt, sollte großzugig eine Blutzuckertestung durchgeführt werden. Eine alternative Möglichkeit mit geringerem Unterzuckerungsrisiko bestünde darin, vorher keinen Extrabolus zu setzen und nach dem Anlegen einen Zusatzbolus von 1-1,5 I.E. zu geben (dabei sollte die Höhe des aktuellen Blutzuckerwertes berücksichtigt werden). Findet während des Ablegens der Insulinpumpe vermehrte Muskelarbeit statt, sollte eine Bolusgabe vorher auf jeden Fall unterbleiben, und auch der Bolus nachher ist zu 133

68 7. Leben mit der Insulinpumpe 7. Leben mit der Insulinpumpe Die erforderliche Insulinmenge für die basale Insulinversorgung wird mit einer üblichen Spritze bzw. mit einem Pen verabreicht. Bei Verwendung einer Spritze kann das Insulin aus der Insulinpumpenpatrone entnommen werden. Dabei ist zu beachten, dass die anschließend auf dem Display angezeigte Insulinrestmenge abverringern. In solchen Fällen ist es empfehlenswert, engmaschigere Blutzuckerselbstkontrollen durchzuführen und eigene individuelle Erfahrungen zu nutzen. Bei einem Saunabesuch ist die raschere Insulinaufnahme aus dem Unterhautfettgewebe sowie die dadurch bedingte etwas kürzere Wirkdauer zu beachten. Zudem ist in der Sauna eine evtl. Unterzuckerung meist deutlich schlechter oder auch überhaupt nicht wahrzunehmen. Deshalb ist während des Saunaaufenthaltes eine Erhöhung des Blutzuckerzielbereiches dringend anzuraten. Zum Thema»Sauna«ein weiterer Hinweis: Die Insulinpumpe darf auf keinen Fall mit in die Hitzekammer genommen werden. Bei Verwendung des abkoppelbaren Ka- theters Rapid D darf zwar die Nadel mit dem 10 cm langen Schlauchstück am Körper bleiben inwieweit dies wünschenswert ist, bleibt dahingestellt. Wegen der hohen Temperaturen ist jedoch von einer Denaturierung und Inaktivierung des Insulins im verbleibenden Schlauch auszugehen, d.h. das Insulin im Schlauch wird durch die Hitzeeinwirkung unbrauchbar. Nach Wiederanlegen der Insulinpumpe muss das Insulin im Schlauch durch neues ersetzt werden, man benötigt deshalb einen Extrabolus von 1-2 I.E. Da das Ausmaß der Denaturierung des Insulins im Schlauchstück unklar ist, empfehlen wir, den Rapid D Katheter in der Sauna komplett zu entfernen. Engmaschige Blutzuckerkontrollen sowie nur sehr vorsichtige Korrekturen mit Insulinbolus bzw. großzügige Zufuhr von Extra-BE sind bei einem Saunabesuch ratsam. Bei einem kurzzeitigen Ablegen empfiehlt es sich, die Insulinpumpe im»run-zustand«weiterlaufen zu lassen. Zwar kann die Stopp-Warnung der Insulinpumpen H-TRONplus und D-TRONplus»weggedrückt werden«, dies birgt jedoch Risiken bei der späteren erneuten Insulinpumpenanlage. Die fehlende akustische Warnung hat in manchen Fällen schon zu einer Ketoazidose geführt, weil der Insulinpumpenträger nach vorübergehendem Ablegen der Insulinpumpe vergaß, diese wieder in den»run- Zustand«zu bringen. Mehrstündige Pause während des Tages (länger als die Insulinwirkdauer) Ein längeres Ablegen der Insulinpumpe kann z.b. während eines Strandtages, eines sportlichen Wettkampfes, eines Gesellschaftsabends (Tragen von enganliegender Kleidung) oder eines ausgiebigen Saunabesuches wünschenswert sein. Auch zwangsweise Pausen von mehreren Stunden kommen immer wieder vor: Eine leere Batterie bei gleichzeitigem Fehlen einer Ersatzbatterie bzw. fehlender Möglichkeit, Insulin mit einer Spritze oder einem Pen zu verabreichen, hat schon manchen Insulinpumpenträger in eine kurzfristig unangenehme Situation gebracht. Im Unterschied zur Spritzenbehandlung fehlt bei der Insulinpumpen-Therapie ein größeres subkutanes»insulindepot«, und es kann innerhalb von wenigen Stunden mit absolutem Insulinmangel zu einer drohenden ketoazidotischen Entgleisung kommen. Diese Insulinpumpentypische Gefahr ist im Kapitel 10 ausführlich beschrieben. Bei mehrstündiger, längerer Insulinpumpenpause freiwillig oder auch zwangsweise gibt es verschiedene Möglichkeiten des Handelns:

69 7. Leben mit der Insulinpumpe 7. Leben mit der Insulinpumpe hängig von verwendeten Insulinpumpenmodell eventuell nicht mehr korrekt ist. Bei der Insulinpumpe H-TRONplus enthält die Ampulle dann z.b. weniger Insulin als angezeigt. Anders verhält es sich bei der Insulinpumpe D-TRONplus: anhand der Stellung der Gewindestage wird die Insulinrestmenge in der Ampulle errechnet und korrekt angezeigt. Aus diesem Grund ist bei der Insulinpumpe D-TRONplus auch die Verwendung angebrochener Ampullen möglich. Als maximale Zeitabstände sind bei Verwendung von kurzwirksamem Insulinanalogon Intervalle von 2-3 Stunden zu wählen; wird Normalinsulin benutzt, so sollten die Injektionen in mindestens 4-5stündlichen Abständen erfolgen. Die Insulinmenge richtet sich nach dem Basalbedarf im zu überbrückenden Zeitintervall. Bei intermittierender Gabe mit Spritze/ Pen kommt es zwangsläufig zu stärkeren Schwankungen des Insulinspiegels im Blut (vgl. die Wirkkurven in Abb. 36). Dies bedingt eine größere Instabilität des Blutzuckerverlaufs. Kurzfristige Phasen mit überhöhten Insulinspiegeln lassen sich kaum vermeiden und können etwas»unterfüttert«werden, wenn zum richtigen Zeitpunkt geringe Kohlenhydratmengen von 0,5-1 BE aufgenommen werden. Alternativ kann die Insulingabe auch nach kurzzeitigem Anlegen mit der Insulinpumpe direkt erfolgen (abkoppelbarer Katheter!). Dies ist schmerzfrei, und die Dosierung kann in feineren Abständen, z.b. in 0,5 I.E.-Schritten variiert werden. Bei längerer Insulinpumpenpause am Tag kann auch ein Verzögerungsinsulin (z.b. ein NPH-Insulin wie Protaphan bzw. Insuman Basal) verwendet werden. Dabei ist der verzögerte Wirkbeginn nach ca Minuten, das Wirkungsmaximum nach ca. 3-5 Stunden sowie die unterschiedlich lange Gesamtwirkdauer von ca Stunden zu beachten. Insbesondere wegen der individuell unterschiedlichen Wirkdauer kann es nach dem Wiederanlegen der Insulinpumpe zu einem unerwünschten Überlappungseffekt kommen. Durch eine vorübergehende Basalratenabsenkung auf etwa 50 % kann dieser Sachverhalt berücksichtigt werden. Das Verzögerungsinsulin Lantus ist wegen seiner langen Wirkdauer von ca. 24 Stunden zur Überbrückung einer Insulinpumpenpause während des Tages nicht geeignet. Engmaschige Blutzuckerkontrollen sind in Phasen von Insulinpumpenpausen selbstverständlich notwendig. Beim Wiederanlegen der Insulinpumpe muss beachtet werden, dass ca. 2 3 Stunden vergehen, bis wieder ein ausreichender Basalinsulinspiegel aufgebaut ist. Eine kleine zusätzliche Bolusgabe nach Anlegen der Insulinpumpe kann daher notwendig sein, Überlappungseffekte sind jedoch zu beachten. Um zwangsweise Pausen wegen Insulinpumpendefekt und gleichzeitigem Fehlen von Ersatzmaterial zu vermeiden, ist daran zu denken, in einem»notfall-täschchen«neben Materialien zur Blutzucker-Selbstkontrolle und Not-BE s (Traubenzucker o.ä.) auch Ersatzbatterien, Aceton-Teststreifen, Materialien zum Katheterwechsel und eine ge- 136 eignete Insulinspritze bzw. einen funktionsfähigen Pen mit sich zu nehmen (vergleiche Abschnitt 7.51). Mehrstündige Insulinpumpenpause während der Nacht Denkbar sind auch Situationen (z.b. neue Partnerschaft), in denen insbesondere während der Nacht das Tragen einer Insulinpumpe unerwünscht ist. In solchen Fällen darf auf das Spritzen von Insulin keinesfalls verzichtet werden, ansonsten droht eine ketoazidotische Entgleisung wegen des absoluten Insulinmangels. Bekanntlich ist die»depot-wirkung«des Insulins unter Insulinpumpen-Therapie je nach verwendeter Insulinsorte nur 2-5 Stunden. Als Langzeitinsulin wird bei einer Insulinpumpenpause während der Nacht entweder ein NPH-Insulin (z.b. Protaphan, Insuman-Basal) oder auch Semilente empfohlen. Die erforderliche Insulinmenge richtet sich nach der jeweiligen zu überbrückenden Basalrate, Erfahrungen aus der»vor-insulinpumpen-zeit«sind zu berücksichtigen. An die Möglichkeit des Überlappungseffektes nach Wiederanlegen der Insulinpumpe morgens ist zu denken. Das Verzögerungsinsulin Lantus ist zur Überbrückung einer lediglich nächtlichen Insulinpumpenpause wegen seiner langen Wirkdauer von ca. 24 Stunden nicht geeignet. Mehrtägige bzw. mehrwöchige Insulinpumpenpause Ein Verzicht auf die Insulinpumpen-Therapie während mehrerer Tage oder Wochen ist ebenfalls möglich. Für die Praxis empfiehlt es sich, auf das bewährte ICT-Schema vor Einsatz der Insulinpumpen-Therapie zurückzugreifen. Natürlich ist es sinnvoll, die neuen Erkenntnisse zu berücksichtigen, die während der Insulinpumpen-Therapie hinsichtlich Basalratenbedarf und tageszeitlich wechselnder Insulinempfindlichkeit gewonnen wurden. Generell zeigt die Erfahrung, dass der tägliche Gesamtinsulinbedarf unter ICT mit Spritze oder Pen meist um ca. 10% höher liegt als bei der Insulinpumpen-Therapie. Somit empfehlen sich in den ersten Tagen nach Umstellung häufigere Blutzuckerkontrollen. Grundsätzlich ist es ratsam, mit dem behandelnden Diabetologen ein ICT-Schema mit Normal- und NPH-lnsulin für alle Fälle zu erarbeiten. Von Roche Diagnostics wird ein von Dr. R. Renner (München) erstellter Rechenschieber angeboten, der, ausgehend vom Tagesinsulinbedarf unter der Insulinpumpen-Therapie, Hinweise zur Verteilung des Verzögerungs- und Mahlzeiteninsulins unter der ICT gibt. 137

70 7. Leben mit der Insulinpumpe 7. Leben mit der Insulinpumpe Während einer Autofahrt muss eine Unterzuckerung vermieden werden. Geeignete Vorsichtsmaßnahmen sind: Bolusverringerung, Basalratenabsenkung, Extra-BE, höherer Blutzuckerzielbereich, häufigere Blutzuckermessungen. 7.5 Urlaub und Insulinpumpen-Therapie Die bessere Steuerbarkeit des Blutinsulinspiegels durch die Insulinpumpen-Therapie hat große Vorteile bei Urlaubsreisen. Das gilt besonders für Interkontinentalflüge mit Zeitverschiebung. Flexibilität in der Gestaltung der Mahlzeiten ist besonders in der Urlaubszeit wichtig, wenn es um die Verschiebung von Essenszeiten oder das Auslassen von Mahlzeiten geht. Selbstverständlich erfordert eine Urlaubsreise gezielte Planung, um ungetrübte Urlaubsfreuden zu gewährleisten. Erkrankung am Urlaubsort, Fluglot- 7.4 Autofahren und Insulinpumpe Zweckmäßigerweise sollten bei einer Neueinstellung auf die Insulinpumpen-Therapie Autofahrten erst durchgeführt werden, wenn es zu einer Stabilisierung des Blutzuckerverlaufs gekommen ist. Wir empfehlen daher keine Autofahrten während der Einstellungsphase in der Klinik. Später sollte vor jedem Fahrtantritt eine Blutzuckerkontrolle erfolgen, weitere Messungen sind alle zwei Stunden sinnvoll (»Boxenstop«). Der Blutzucker sollte beim Autofahren über 120 mg/dl bzw. 6,7mmol/l liegen. Im Falle einer Unterzuckerung muss natürlich die Fahrt sofort unterbrochen werden. Das Auto ist zu parken und der Motor abzustellen. Als»Notfallreserve«sind genügend schnelle BE (z.b. Cola, Traubenzucker) und langsame BE, z.b. TUC-Kräcker (3 Stück = 1 BE) unverzichtbar. Es ist darauf zu achten, dass der Sicherheitsgurt nicht über der Insulinpumpe bzw. über der Kathetereinstichstelle verläuft

71 7. Leben mit der Insulinpumpe 7. Leben mit der Insulinpumpe senstreiks, Lawinenabgänge usw. können eine längere Verweildauer notwendig machen. Besonders Kathetermaterial, Pflaster, Teststreifen, Insulin, Insulinspritzen, Batterien sollten daher in ausreichender Menge mitgenommen werden. Im Falle eines Insulinpumpendefekts ist eine Ersatzinsulinpumpe hilfreich. Bei Verlust oder Defekt des Blutzuckermessgerätes kann der schönste Urlaub ein abruptes Ende finden. Dringend zu empfehlen sind daher für den Notfall Blutzuckerteststreifen mit der Möglichkeit der optischen Kontrolle oder ein zweites BZ-Messgerät. Im Rahmen des sogenannten Zwei-Insulinpumpen-Konzeptes wird von der Firma Roche Diagnostics für die Insulinpumpenmodelle H-TRONplus und D-TRONplus routinemäßig eine Zweitinsulinpumpe zur Verfügung gestellt. Diese sollte bei längerer Abwesenheit von Zuhause stets mitgenommen werden. Die Fa. Medtronic Minimed stellt auf Anfrage eine kostenpflichtige Ersatzinsulinpumpe für die Urlaubszeit zur Verfügung. Als weitere Materialien gehören ins Reisegepäck: Duschbeutel, Gewindestange für die Insulinpumpe H-TRONplus, Adapter für die Insulinpumpe D-TRONplus, sowie Pen oder Spritze, um die Zeiträume ohne Insulinpumpen-Therapie (z. B. Strand) überbrücken zu können. Bei Flugreisen kann man prinzipiell davon ausgehen, dass es zu keiner Funktionsstörung der vier auf dem deutschen Markt angebotenen Insulinpumpen durch Sicherheitskontrollen am Zoll kommt. Ebenso erfolgt keine Beeinflussung der Insulinpumpe durch die Bordelektronik und umgekehrt. Von den Herstellern der Insulinpumpen kann eine Bescheinigung bezogen werden, die den Reisenden als Insulinpumpenträger ausweist. In dieser Bescheinigung, die möglichst in der Sprache des jeweiligen Urlaubslandes verfasst sein sollte, muss auch das Verbrauchsmaterial (Spritzen, Katheter, Teststreifen etc.) Erwähnung finden. Eventuell sollte mit der jeweiligen Fluggesellschaft vor Reiseantritt Rücksprache genommen werden. Insulinpumpen-Verbrauchsmaterial sollte mit an Bord genommen werden, damit bei Verlust der Koffer keine Versorgungsprobleme entstehen Das gehört in ein»notfall-täschchen«bei mehrstündiger Abwesenheit von Zuhause, insbesondere bei auswärtiger Übernachtung, empfiehlt es sich, ein»notfall-täschchen«mitzunehmen, in dem die wichtigsten Insulinpumpenutensilien enthalten sind. Sollten Verbrauchsmaterialien nicht ausreichen oder im Urlaub entwendet werden, kann man sich über die Insulinpumpenfirmen Materialien nachschicken zu lassen. Roche Diagnostics bietet darüber hinaus Bezugsadressen für ihre Artikel weltweit. Bei einer Unterzuckerung sind Traubenzucker und evtl. Glukagon im Handgepäck unent- 140 Folgende Hilfsmittel sollten stets mitgeführt werden: Traubenzucker (oder andere»schnelle«be) Blutzucker-Teststreifen (Stechhilfe, Tupfer, Blutzucker-Messgerät ) Insulinspritze (Insulinkonzentration beachten!) oder Pen Material zum Katheterwechsel (Ersatzkatheter, Pflaster, Alkoholtupfer, Adapter für die Insulinpumpe D-TRONplus) Ersatzbatterien Ketonteststreifen Eventuell auch: Glukagonspritze (bei erschwerter rechtzeitiger Wahrnehmung einer Unterzuckerung) Bei mehrtägiger Abwesenheit von Zuhause zusätzlich: Insulinpumpenausweis in Landessprache (siehe Anhang) Telefonnummer des betreuenden Insulinpumpenzentrums neue Insulinampulle bzw. Insulinfläschen und Leerampulle Zweit-Insulinpumpe Evtl. Ersatzblutzuckermessgerät Ersatzadapter, Gewindestange (für die Insulinpumpe H-TRONplus) Abb. 48: Checkliste für unterwegs behrlich. Wenn möglich, sollte ein Angehöriger mit der Hypoglykämiebehandlung und den wichtigsten Insulinpumpenfunktionen vertraut sein Krankheit im Urlaub Im Anhang dieses Buches finden Sie Notfallausweise in den Sprachen der wichtigsten Urlaubsländer. Fieberhafte Magen-Darm-Infekte mit beginnender Ketoazidose sind im Urlaub keine Seltenheit. Auf Diagnose und Therapie der Ketoazidose wird in Kapitel 10 ausführlich eingegangen. Die Mitnahme spezieller Mineralkonzentrate (Elotransbeutel, Oralpädon) für den Fall einer Durchfallerkrankung ist empfehlenswert. Wird ein Krankenhausaufenthalt erforderlich, sollte man sich die Insulinpumpe nicht ohne weiteres wegnehmen lassen, sondern versuchen, die Insulinpumpen-Therapie gemeinsam mit dem zuständigen Arzt im Krankenhaus weiterzuführen. Die Insulinpumpenfirmen bieten eine Kurzfassung der Insulinpumpenbetriebsanleitung auch in englischer Sprache an, um Ärzten am Urlaubsort eine kurze Einführung in die Funktionsweise einer Insulinpumpe zu ermöglichen. 141

72 7. Leben mit der Insulinpumpe 7. Leben mit der Insulinpumpe Tipp: Extreme Temperaturen Bei höheren Lufttemperaturen, verstärkt durch ein gleichzeitiges Sonnenbad, kann Insulin schneller aus dem Unterhautfettgewebe in die Blutbahn abgegeben werden, d.h. Wirkbeginn und Wirkmaximum sind früher, die Wirkdauer ist kürzer. Folglich ist der Drück-Ess-Abstand zu verringern bzw. der Nahrungsbolus sollte erst während des Essens oder auch danach abgegeben werden. Bei stärkerem Schwitzen kann sich das Pflaster zur Katheterbefestigung leichter ablösen; auch werden häufiger Hautreaktionen (Jucken, Rötungen, Entzündungen) beobachtet. Deshalb sollte bei übermäßiger Schweißbildung die Nadeleinstichstelle vermehrt kontrolliert werden, eventuell ist der Katheter häufiger zu wechseln. Insulin darf keinesfalls Temperaturen unter dem Gefrierpunkt ausgesetzt werden, dadurch würde die Molekülstruktur zerstört werden. Gefrorenes und wieder aufgetautes Insulin ist biologisch unwirksam. Bei extremer Kälteeinwirkung (z.b. beim Skifahren) ist die Insulinpumpe am Körper zu tragen, damit sie vor Frost geschützt wird. Weiter darf Insulin bei niedrigen Außentemperaturen nicht für längere Zeit in einem parkenden Auto bzw. im Kofferraum aufbewahrt werden. Während eines Sommerurlaubs in südlichen Ländern, beim Aufenthalt in den Tropen, aber auch an heißen Tagen in Mitteleuropa können die Lufttemperaturen über 30ºC liegen. In solchen Fällen sind als Vorsichtsmaßnahmen zu empfehlen: Die Insulinpumpe und das Schlauchsystem sollten nicht für längere Zeit direkter Sonneneinstrahlung ausgesetzt sein; eventuell ist die Insulinpumpe mit Neopren-Taschen zu schützen. Die Insulinvorräte sind kühl zu lagern. Falls kein Kühlschrank vorhanden ist eine Aufbewahrung im Gefrierfach bzw. in einem Tiefkühlschrank muss freilich unterbleiben - stellt die»frio-tasche«(infos bei Frio C/-IPS Service Center, Köln, Tel.Nr ) eine brauchbare Alternative dar. Das Prinzip dabei ist: Die Innentasche wird in kaltes Wasser getaucht, spezielle Kristalle bilden ein Gel und verursachen beim anschließenden Verdunstungsvorgang über viele Stunden eine ausreichende Kühlwirkung. Ein lästiges Hantieren mit Thermoskannen, Styroporbehältern, Kühlakkus o.ä. kann unterbleiben, es besteht keine Abhängigkeit vom elektrischen Strom. Eine beigefügte Außentasche hat nur Schutzfunktion. Nach Herstellerangaben kann bei 38ºC Außentemperatur Insulin für mehr als 45 Stunden ausreichend kühl aufbewahrt werden. Bestellungen und weitere Informationen unter der Tel.-Nr bzw. beim Versandhandel für Diabetikerbedarf. Es ist zu bedenken, dass bei Sonneneinstrahlung die Temperatur im Innenraum eines Autos auch im Kofferraum deutlich höher als die Umgebungstemperatur sein kann. Insulin, das nach extremen Temperaturschwankungen Trübungen bzw. Ausflockungen aufweist, ist unbrauchbar und darf keinesfalls mehr verwendet werden. Bei außergewöhnlichen klimatischen Verhältnissen ist eine größere Häufigkeit der Blutzuckerselbstkontrolle empfehlenswert. Auch ist auf eine richtige Handhabung und Lagerung der Teststreifen zu achten: geeigneter Temperaturbereich, Schutz vor Feuchtigkeit und Nässe, Aufbewahrung nur in Originalverpackungen Insulin im Ausland Wie bereits erwähnt ist es ratsam, im Ausland immer genügend Insulin mitzuführen. Wenn Sie Insulin in der Apotheke besorgen müssen, ist auf die richtige Insulinkonzentration zu achten. Bei U40-Insulin enthält 1 ml insgesamt 40 I.E. Insulin. Bei U100-Insulin ist es die 2,5-fache Menge, nämlich 100 I.E. Insulin je ml. Ist das benutzte Insulinpumpeninsulin (z.b. Insuman Infusat ) nicht erhältlich, kann konzentrationsgleiches Normalinsulin (englisch:»regular-insulin«) als Insulinpumpeninsulin verwendet werden. U40-Insulin: 1 ml enthält 40 I.E. U100-Insulin: 1 ml enthält 100 I.E. Abb. 49: Insulinkonzentrationen

73 7. Leben mit der Insulinpumpe 7. Leben mit der Insulinpumpe Zeitverschiebung WICHTIG: Bei Flugreisen muss unbedingt darauf geachtet werden, dass bei der Insulinpumpe H-TRONplus die roten Verschlussstücke des Adapters nicht aufgesetzt sind. Dadurch ist der Druckausgleich zwischen Umgebung und Ampullenfach gewährleistet. Ansonsten besteht die Gefahr einer unkontrollierten, übermäßigen Insulinabgabe mit massiver Hypoglykämieneigung. 7.6 Ambulante Weiterbetreuung Bei Flügen über mehrere Zeitzonen wird der Tag in Ost-West-Richtung länger (Frankfurt New York), bei Flügen in West-Ost-Richtung kürzer (Frankfurt-Bombay). Durch diese Zeitverschiebung und Veränderung des Schlaf-Wach-Rhythmus kommt es zu einer langsamen Änderung der anfangs beschriebenen Biorhythmik der kontrainsulinären Hormone. Dies gilt besonders für Patienten mit ausgeprägter Schwankung der Insulinempfindlichkeit im Tagesverlauf. Bekannterweise stellt sich die körpereigene»innere Uhr«erst innerhalb von einigen Tagen auf den neuen Rhythmus ein. Studien haben ergeben, dass die Umstellung bei Flügen in West-Ost-Richtung schneller geschieht als bei Flügen in Ost-West-Richtung. Wenig bzw. keine Probleme gibt es bei Zeitverschiebungen von höchstens zwei bis drei Stunden. Bei Interkontinentalflügen hat es sich bewährt, die Insulinpumpenuhr täglich um 2 Stunden der Ortszeit anzunähern. Alternativ kann ebenfalls folgendermaßen vorgegangen werden: Für die erste Nacht nach der Ankunft wird eine konstante Basalrate einprogrammiert, die die Mitte des ersten Gipfels und des vormittäglichen Tales repräsentiert. Nicht vergessen: Vor der Programmierung der konstanten Basalrate sollte die bisherige Basalrate der Insulinpumpe aufgeschrieben werden! Während der ersten Zeit mit der geänderten Basalrate ist es notwendig, den Blutzucker häufig zu kontrollieren und ggf. Boluskorrekturen vorzunehmen. Innerhalb von zwei bis drei nachfolgenden Tagen erfolgt langsam der Aufbau zur gewohnten Basalrate. Eine andere Variante ist, bei Zeitverschiebungen vorübergehend bewusst eine niedrigere Basalrate einzustellen. Dadurch wird das Unterzuckerungsrisiko geringer, aber gleichzeitig eine kurzfristige Verschlechterung der BZ-Werte in Kauf genommen. 144 Wie bereits mehrfach erwähnt, ist die Insulinpumpe keine Garantie für eine optimale Blutzuckereinstellung. In der Praxis sehen wir immer wieder Insulinpumpenträger mit zum Teil deutlich erhöhten HbA 1c -Werten. Studienergebnisse zeigen, dass die Insulinpumpen-Therapie nur dann der Spritzenbehandlung nach dem Basis-Bolus-Konzept (unabhängige Gabe von Kurzzeitinsulin und Verzögerungsinsulin) bezüglich der HbA 1c -Werte überlegen ist, wenn die Insulinpumpenträger entsprechend motiviert sind, wenn sie die Selbstkontrollen regelmäßig durchführen und wenn sie eine gezielte Bolusgabe nach aktuellen Gegebenheiten vornehmen. Auf einen Nenner gebracht: Mit der Insulinpumpe kann genauso»geschlampt«werden wie mit jeder anderen Insulintherapie. Die Ursachen und Folgen einer mangelnden Motivation sind sicher vielfältig. Ursachen beruflicher und privater Stress mangelnde Unterstützung und Anerkennung Ablehnung der Insulinpumpe Ablehnung des Diabetes an sich psychische Probleme Folgen keine Dokumentation der Blutzuckerwerte Vernachlässigung der Selbstkontrollen (Blutzucker und Azeton) unsystematische Bolusgabe kein Überdenken der eigenen Ergebnisse zu seltener Katheterwechsel Abb. 50: Ursachen und Folgen von Motivationsproblemen (Beispiele) 145

74 7. Leben mit der Insulinpumpe 7. Leben mit der Insulinpumpe In jedem Fall sollte die Insulinpumpe»integriert sein im Gesamtkonzept des Lebens«. Der Insulinpumpenträger muss die Insulinpumpe»vom Kopf her wollen«und mit ihr»vom Herz her einverstanden sein«(zitate Prof. Dr. Frank, Neunkirchen). Widerstände gegen eine Insulinpumpen-Therapie sollten vorher ausgiebig in Gesprächen mit dem Lebenspartner und dem betreuenden Arzt geklärt werden (siehe Kapitel 7.2). Die Insulinpumpe nimmt dem Diabetiker seine Verantwortung bezüglich der Selbstkontrolle und der Dosisanpassung keineswegs ab. Die vereinfachte Insulinabgabe und das Vertrauen in die Technik verführen allerdings dazu, es mit den Kontrollen im Alltag nicht mehr so genau zu nehmen. Aus diesem Grund sollte sich jeder Insulinpumpenträger einen diabeteserfahrenen Arzt seines Vertrauens suchen, bei dem er regelmäßig alle drei Monate seine HbA 1c - Kontrollen sowie Untersuchungen entsprechend dem Gesundheitspass Diabetes durchführen lässt. Günstig ist ein Arzt, der Verständnis für die spezifischen Bedürfnisse des Insulinpumpenträgers aufbringt, der einfühlsam zuhören und mit praxistauglichen Tipps immer wieder neu motivieren kann. Fragen Sie nach bei Ihrem Arzt! Lassen Sie die Werte in den Gesundheitspass Diabetes eintragen. Allgemeines Körpergröße:... Gewicht:... Diabetes bekannt seit:... Blutzucker HbA 1c -Wert (Langzeitzuckerwert):... Blutzuckerwert nüchtern:... Blutzuckerwert nach dem Essen:... Blutdruck Blutdruckwert: Behandlung wegen Bluthochdruck? Ja Nein Blutfette Gesamt-Cholesterin:... HDL / LDL-Cholesterin:... Triglyceride nüchtern:... Rauchen Nikotinkonsum? Ja Nein Wenn ja, wie viele Zigaretten pro Tag?... Unterzuckerung Zahl der Unterzuckerungen pro Woche? ca.... nächtliche Unterzuckerungen? Unterzuckerungen mit Hilflosigkeit? Ja Nein Ja Nein Folgeerkrankungen Folgeerkrankungen wegen des Diabetes? Ja Nein Wenn ja, welche? Niere Micraltest positiv? Ja Nein Nerven Stimmgabeltest zu niedrig? Ja Nein Augen regelmäßige Kontrolle? Ja Nein weitere: Abb. 51: Fragen zum Gesundheitspass Diabetes Gesundheits-Pass Diabetes

75 7. Leben mit der Insulinpumpe 7. Leben mit der Insulinpumpe Wo stehen Sie? Bitte kreuzen Sie die Spalte mit Ihrem Wert an! Gut Mäßig Schlecht (geringes Risiko) (erhöhtes Risiko) (hohes Risiko) HbA 1c in % bis 6,5 bis 7,5 mehr als 7,5 (»Langzeitzucker«) Nüchtern-Blutzucker mg/dl bis 110 bis 125 mehr als 125 mmol/l bis 6,0 bis 7,0 mehr als 7,0 Blutzucker nach dem Essen (postprandial) mg/dl bis 135 bis 160 mehr als 160 mmol/l bis 7,5 bis 9,0 mehr als 9,0 Blutdruck mmhg bis 130/80 bis 140/85 mehr als 140/85 Cholesterin mg/dl bis 185 bis 230 über 230 mmol/l bis 4,8 bis 6,0 über 6,0 HDL-Cholesterin (»gutes«cholesterin) mg/dl mehr als weniger als 39 mmol/l mehr als 1,2 1,0-1,2 weniger als 1,0 LDL-Cholesterin (»schlechtes«cholesterin) mg/dl bis 115 bis 155 mehr als 155 mmol/l bis 3,0 bis 4,0 mehr als 4,0 Triglyceride mg/dl bis 150 bis 200 mehr als 200 mmol/l bis 1,7 bis 2,2 mehr als 2,2 Micraltest negativ leicht positiv deutlich positiv Rauchen Nicht Rauchen Rauchen Ein Insulinpumpenexperte in einer Fachambulanz oder einer Schwerpunktpraxis in der nächst größeren Stadt kann bei Problemen mit Basalrate, Bolusgabe, Katheter oder anderen Insulinpumpentypischen Besonderheiten weiterhelfen. Bei Folgeerkrankungen wie Nephropathie (Nierenerkrankung), Retinopathie (Augenerkrankung), Neuropathie (Nervenerkrankung), erektile Dysfunktion (Impotenz) und Angiopathie (Herzund Gefäßerkrankungen) müssen gegebenenfalls Fachärzte in die Behandlung mit einbezogen werden. Psychische Probleme, die in den meisten Fällen für eine HbA 1c - Verschlechterung mit verantwortlich sind, bedürfen ebenfalls einer entsprechenden Aufmerksamkeit und eventuell Behandlung durch einen Psychologen oder Psychotherapeuten Ihres Vertrauens (siehe Psychotherapieführer für Menschen mit Diabetes, Adresse Kapitel 15.2). Angelehnt an die Richtlinien der Europäischen Diabetesgesellschaft (1999) Bei Vorliegen von bestimmten Folgeerkrankungen oder anderen Erkrankungen können abweichende Zielwerte notwendig sein. Abb.52: Risiko-Check bei Diabetes

76 8. Insulinpumpe und körperliche Aktivität 8. Insulinpumpe und körperliche Aktivität 8.1 Einflussgrößen bei Muskelarbeit Bei körperlicher Aktivität denken wir natürlich in erster Linie an Sport. Dazu gehören jedoch auch ganz alltägliche Dinge wie Spaziergänge, Einkaufen, Hausarbeit und Hausputz, Gartenarbeit, Tanzen und Kegeln. Typ-1-Diabetiker müssen bei jeder Form von Muskelarbeit verschiedene Einflüsse berücksichtigen: Wann wurde zuletzt Insulin gespritzt und wie viel Insulin? Wann wurde zuletzt gegessen? um nur das Wichtigste zu nennen. Daneben sind der aktuelle Trainingszustand, die Belastungsart, die Belastungsstärke sowie die Belastungsdauer zu bedenken. Ein großer Vorteil der Insulinpumpen-Therapie bei körperlicher Aktivität ist die»maßgeschneiderte«basalrate. Wurde die Basalrate durch gezielte Mahlzeitenauslassversuche geprüft, liegen zu keinem Zeitpunkt des Tages erhöhte Basalinsulinspiegel vor. Dies ist eine wichtige Voraussetzung zur Vermeidung von Hypoglykämien bei Muskelarbeit. Abb. 53 zeigt die Insulinausschüttung der gesunden Bauchspeicheldrüse mit und ohne körperliche Aktivität. Beim Nichtdiabetiker kommt es unmittelbar nach Beginn der Muskelarbeit zu einem Absinken der körpereigenen Insulinausschüttung bis auf ca. 40 % der normalen Basissekretionsrate. Dadurch fällt der Insulinspiegel im Blut ab. Eine starke Blutzuckersenkung und damit die Gefahr einer Unterzuckerung werden somit verhindert. Bei Muskelarbeit ist die Muskelzelle wesentlich insulinempfindlicher als unter Ruhebedingungen. Es wird also weniger Insulin benötigt, um den Zuckereinstrom in die Zellen zu gewährleisten. Darüber hinaus haben geringe Insulinspiegel im Blut die vermehrte Zuckerfreisetzung und -neubildung in der Leber zur Folge. Die Leber ist ein wichtiger Zuckerspeicher des Körpers. Eine vermehrte Zuckerfreisetzung aus der Leber erfolgt jedoch nur bei niedrigen Insulinspiegeln. Für insulinbehandelte Diabetiker ergeben sich daraus folgende Zusammenhänge: Bei hohem Insulinspiegel zum Zeitpunkt der körperlichen Aktivität kommt es zu einer starken Blutzuckersenkung. Der Zuckereinstrom in die Muskelzellen ist deutlich gesteigert. Die Zuckerfreisetzung und -neubildung in der Leber ist dagegen blockiert. Hinsichtlich der Unterzuckerungsgefahr bei körperlicher Aktivität heißt dies: 150 Erhöhte Hypoglykämiegefahr bei hohen Insulinspiegeln! 6.00 Abb. 53: Insulinausschüttung beim Nichtdiabetiker Dem Ausgangsinsulinspiegel bzw. der Insulindosisreduktion kommt somit bei körperlicher Aktivität eine wesentliche Bedeutung zu. Die Insulindosisreduktion kann bei der Insulinpumpen-Therapie sowohl über den Bolus wie auch über die Basalrate erfolgen. Der Insulinspiegel im Blut kann natürlich auch in einigen Fällen zu gering sein, z.b. bei übermäßiger Insulindosisverringerung, nach längerer Insulinpumpenpause oder im Falle eines Katheterdefektes. Es kommt dann zu einer vermehrten Bereitstellung von Zucker aus der Leber und damit zu einem Blutzuckeranstieg trotz körperlicher Aktivität. Der Insulinspiegel im Blut ist für den Blutzuckerverlauf bei körperlicher Aktivität von wesentlicher Bedeutung! Empfehlungen Mahlzeiteninsulin Uhr basale Sekretion Kurzfristige Aktivitäten bis zu maximal einer Stunde Dauer bedürfen in der Regel keiner Absenkung der Basalrate. Bei geplanter Muskelarbeit nach einer Mahlzeit ist eine Bolusreduktion ausreichend, bei spontanen Aktivitäten genügen zusätzliche»sport- BE«. Pro 30 Minuten mittlerer Belastung ist eine»sport-be«einzuplanen. Als geeignete»schnelle BE«haben sich Traubenzucker, Fruchtsaft und normale Cola bewährt. Als»langsame BE«für den Ausdauersport eignen sich Brot, Obst und Schokoriegel (z. B. 1 Hanuta = 1 BE). Ist körperliche Aktivität unmittelbar nach einer Mahlzeit geplant, erfolgt die Insulindosisreduktion sehr effektiv über eine Verringerung des Mahlzeitenbolus (ca. 50 % oder mehr). Dauert die körperliche Bewegung länger als zwei Stunden an, kann zusätzlich die Basalrate abgesenkt werden. Bei der Verwendung von Normalinsulin in 151

77 8. Insulinpumpe und körperliche Aktivität 8. Insulinpumpe und körperliche Aktivität der Insulinpumpe ist es hierbei wichtig, die Basalrate bereits ca. 2 Stunden vor der geplanten Aktivität abzusenken. Als Faustregel hat sich bei mittelschwerer körperlicher Belastung eine Basalratenreduktion um ca. 50 % bewährt. Längerdauernde Sportaktivitäten, z. B. eine Tageswanderung, Fahrradausflug oder Langlauftour, erfordern eine Absenkung über einen entsprechend längeren Zeitraum. In aller Regel muss dann auch in der darauffolgenden Nacht die Basalrate gesenkt werden. Leber und Muskulatur füllen nach einem anstrengenden Sporttag in der Nacht ihre Zuckerspeicher wieder auf. Dies geht natürlich auf Kosten des Blutzuckers, gefährliche Hypoglykämien in den Nachtstunden können die Folge sein. Sport wirkt nach!!! 8.2 Spontane körperliche Aktivität Menschen ohne Diabeteserkrankung brauchen vor jeglicher Art von körperlicher Tätigkeit nicht darüber nachzudenken, was zu tun ist, damit der Blutzucker während der Muskelarbeit im Bereich von ca mg/dl bleibt. Dies trifft für Menschen mit Typ-1-Diabetes nicht mehr zu, unabhängig davon, ob Insulin mit Spritze, Pen oder Insulinpumpe zugeführt wird. Stattdessen muss der Diabetiker selbst den Ausfall der körpereigenen Regulationsmechanismen bezüglich Blutzuckersteuerung übernehmen. Er hat Sorge dafür zu tragen, dass die zahlreichen Einflussgrößen für die Blutzuckerhöhe geeignet aufeinander abgestimmt sind, so dass der Blutzuckerwert annähernd im Normalbereich gehalten werden kann. terzuckerung, und es müssen rechtzeitig Extra-BE gegessen bzw. getrunken werden, um dieser Gefahr entgegenzuwirken. Wie viele zusätzliche Kohlehydrate erforderlich sind, hängt von zahlreichen Bedingungen ab. Wesentlich sind: Dauer der Muskelarbeit: Je länger, desto mehr Insulinspiegel im Blut: Je höher, desto mehr Blutzuckerausgangswert: Je niedriger, desto mehr Intensität der Aktivität: Je anstrengender, desto mehr Trainingszustand: Je untrainierter, desto mehr Vorerfahrungen: Je unüblicher, desto mehr Gefährlichkeit der Aktivität: Je risikoreicher, desto mehr Gerade die Bedeutung der Höhe des Insulinspiegels wird nach unseren Erfahrungen immer wieder unterschätzt. Wichtige Zusammenhänge für das praktische Vorgehen sind in Abb. 54 dargestellt. Der jeweils notwendige Insulinbedarf im Blut ist nicht bekannt und kann nur erahnt werden. Die angegebenen BE-Mengen in Spalte 3 beziehen sich auf den durchschnittlichen zusätzlichen Bedarf an Kohlehydraten pro Stunde ungeplanter körperlicher Aktivität. Die Insulinwirkung an der Zelle ist dem jeweiligen Bedarf anzupassen: ein»zu viel«an Insulin bedingt einen Blutzuckerabfall, ein»zu wenig«kann zu einem Blutzuckeranstieg führen. Daher gilt für Menschen mit einer Insulinbehandlung:»Bevor der Körper bewegt wird, sollte sich der Geist bewegen«oder anders ausgedrückt: Erst denken, dann bewegen! Durch eine Insulinpumpenbehandlung wird dieses Denken insofern erleichtert, weil nur eine Insulinsorte mit relativ kurzer Wirkungsdauer zum Einsatz kommt und weil eine Trennung zwischen Basalbedarf und Nahrungsbedarf besteht bzw. anzustreben ist. Kommt es spontan ohne vorherige Planung und folglich ohne Verringerung der üblichen Insulinmenge (Bolus oder/und Basalrate) zu einer körperlichen Aktivität von mindestens 15 Minuten oder länger, so ist mit einem nennenswerten Blutzuckerabfall zu rechnen. Mit zunehmender Dauer der Muskelarbeit erhöht sich das Risiko einer Un

78 8. Insulinpumpe und körperliche Aktivität 8. Insulinpumpe und körperliche Aktivität Höhe des Insulinspiegels Auswirkung der Notwendigkeit von im Blut Aktivität auf den Zusatz-Maßnahmen Blutzuckerverlauf viel höher als der Bedarf starker BZ-Abfall reichlich Zusatz-BE (z.b. 2-3 BE/Std.) etwas höher als der Bedarf geringer BZ-Abfall eher wenig Zusatz-BE (z.b. 1 BE/Std.) dem Bedarf angemessen stabiler BZ-Verlauf keine Zusatz-BE deutlich niedriger als der Bedarf BZ-Anstieg! geringer Extra-Bolus (z.b 0,5-1 I.E./Std) Abb. 54: Bedeutung des Insulinspiegels bei spontaner Muskelarbeit Will man die Aussagen in Abb. 54 konkretisieren in Bezug auf Bolusgabe und Basalrate, so heißt dies: Findet die spontane körperliche Aktivität während der Maximalwirkung eines Bolus statt, d.h. bei Verwendung von kurzwirksamem Insulinanalogon in der Insulinpumpe 1-2 Stunden nach der Bolusgabe und unter Normalinsulin 1,5-3 Stunden danach, so ist mit einem deutlichen Blutzuckerabfall zu rechnen. Erfolgt die ungeplante Muskelarbeit während eines Zeitraumes, in dem kein Bolusinsulin, sondern nur die Basalrate wirksam ist, so ist nur eine relativ geringe Blutzuckersenkung zu erwarten. Eine weitere Empfehlung ist uns wichtig: Bei körperlicher Tätigkeit sollten wie in anderen Sondersituationen eher leicht erhöhte Blutzuckerwerte in Kauf genommen werden, statt sich durch zu niedrige Blutzuckerspiegel einer größeren Unterzuckerungsgefahr auszusetzen. Es gilt hierbei die»was wäre wenn«-überlegung: Was wäre, wenn der Blutzucker in Sondersituationen deutlich ansteigt? Antwort: Der Blutzucker wäre vermutlich nur kurzfristig erhöht; er ließe sich anschließend rasch korrigieren; ausgeprägte unangenehme Konsequenzen, insbesondere bezüglich Folgeerkrankungen wären vermutlich nicht zu befürchten; d.h. die kurzfristige Blutzuckererhöhung wäre ziemlich harmlos. 154 Was wäre, wenn der Blutzucker in Sondersituationen übermäßig abfällt? Antwort: Es könnte zu einer Unterzuckerung kommen, die unter Umständen nur schlecht, vielleicht auch zu spät wahrgenommen wird; es könnte zu einer Beeinträchtigung des Denk- und Handlungsvermögens führen; es könnte sogar zu einer Hilflosigkeit und in seltenen Fällen zu einer Bewusstlosigkeit kommen. Kurz: Es könnte sich eventuell eine sehr gefährliche Situation entwickeln. Diese Zusammenhänge legen die Empfehlung nahe, bei spontaner, unüblicher körperlicher Aktivität leicht erhöhte Blutzuckerwerte vorübergehend und kurzfristig zuzulassen. Also: Bei ungeplanter Muskelarbeit großzügige sowie rechtzeitige Zufuhr von Extra-BE in Form von kohlenhydrathaltigem Essen oder/und Trinken. Beispiel A: Spontaner Spaziergang am Vormittag Frau A. wird von einer Freundin morgens nach dem Frühstück überraschend zu einem Spaziergang mit Stadtbummel (viel Gehen!) eingeladen. Um 8.30 Uhr hatte sie 4 BE gegessen und dafür wie üblich 6 I.E. als Bolus gegeben. Ihr Pumpeninsulin ist Humalog. Um 9.30 Uhr wollen die beiden die Einkaufstour mit offenem Ende beginnen. Wie soll sich Frau A. nach dem Anruf um 9.10 Uhr verhalten? Ein möglicher Verlauf wäre: Noch zu Hause isst sie einen Apfel von 1 BE extra als Zusatz-BE. Gegen Uhr, also nach einer Stunde, machen die beiden eine Kaffeepause; dabei isst Frau A. ein Gebäckstück mit ca. 2 BE. Üblicherweise (ohne Bewegung) würde sie dafür einen Bolus von 2,5 I.E. setzen. Diesen verringert sie bewusst und gibt nur einen Bolus von 1 I.E. Gegen Uhr entscheiden sie sich spontan, für eine weitere Stunde im Park spazieren zu gehen, da mittlerweile die Sonne scheint. Ungefähr um Uhr misst Frau A. ihren Blutzucker und entscheidet je nach Ergebnis über das weitere Vorgehen. Bemerkung: Eine andere Möglichkeit wäre gewesen, um 9.15 Uhr direkt nach dem Anruf die Basalrate auf ca. 50 % abzusenken (bei den Insulinpumpen H-TRONplus bzw. D-TRONplus möglich) oder eine entsprechende konstante Alternativ-Basalrate einzuprogrammieren (Pumpenmodelle von Medtronic Minimed); die Zusatz-BE gegen Uhr hätte dann entfallen können. Die Extra-BE um 9.15 Uhr ist jedoch notwendig, da der Insulinwirkspiegel um diese Zeit wegen des üblichen Frühstückbolus bei gleichzeitiger körperlicher Aktivität als zu hoch angenommen werden muss. Beispiel B: Ungeplanter Spaziergang am Nachmittag Frau B. entscheidet kurzfristig nach Dienstschluss um Uhr, noch für ca. 1,5 Stunden mit einem Bekannten im Stadtwald spazieren zu gehen; erfahrungsgemäß legen sie dabei eine größere Wegstrecke zurück. Die letzte Bolusgabe von 3 I.E. Humalog 155

79 8. Insulinpumpe und körperliche Aktivität 8. Insulinpumpe und körperliche Aktivität war gegen Uhr zum Mittagessen, d.h. der Insulinwirkspiegel bei Beginn der körperlichen Aktivität wird ausschließlich durch die korrekt ermittelte Basalrate bestimmt. Eine stärkere Unterzuckerungsgefahr durch Muskeltätigkeit ist in dieser Phase nicht zu befürchten. Deshalb isst Frau B. vorab nur eine Mandarine (ca. 0,5 BE) zusätzlich. Diese Beispiele wollen verdeutlichen: Für vergleichbare körperliche Aktivität ist auch die Tageszeit, genauer der Insulinwirkspiegel im Blut von wesentlicher Bedeutung. Die Begleitumstände sind wichtig. Der Bedarf an Zusatz-BE bei ungeplanter Muskelarbeit ist davon abhängig. Bei einer spontanen körperlichen Aktivität von weniger als 15 Minuten ist im allgemeinen kein wesentlicher Blutzucker-Abfall zu erwarten. Besondere Vorsorgemaßnahmen wie Zufuhr von Extra-BE sind in diesem Fall nicht erforderlich. Zusammenfassend lässt sich sagen: Eine ungeplante längerfristige körperliche Aktivität birgt immer das Risiko einer Unterzuckerung. Dieser Gefahr ist rechtzeitig und großzügig durch Extra-BE entgegenzuwirken. Eher sollte ein kurzfristiger Blutzuckeranstieg toleriert werden. Demnach erfordert ungeplante Muskeltätigkeit zusätzliche Nahrungszufuhr. Falls in diesem Zusammenhang häufiger größere Kalorienmengen aufgenommen werden, besteht ein erhöhtes Risiko für eine Gewichtszunahme. Betrachtet man die bisherigen Ausführungen dieses Kapitels und überdenkt man die Empfehlungen der beiden Beispiele, so kann man bemängeln: Der Aspekt»häufigeres Messen«wird zu wenig betont. Deshalb einige Klarstellungen: Regelmäßige Blutzuckerselbstkontrolle ist eine fundamental wichtige Maßnahme für eine erfolgreiche, situationsangepasste Blutzuckersteuerung dies gilt insbesondere für die Insulinpumpen-Therapie. Ohne Kenntnis des aktuellen Blutzuckerwertes ist eine gezielte Bolusgabe nicht möglich. Untersuchungen haben gezeigt, dass die zu seltene und zu unsystematische Blutzuckermessung einer der wichtigsten Gründe für eine unzureichende Stoffwechseleinstellung bei Menschen mit Typ-1-Diabetes ist. Andererseits zeigt die Erfahrung gerade auch beim Insulinpumpenträger dass mitunter ohne zwingende Notwendigkeit unangebracht häufig der Blutzucker bestimmt wird. Gleichzeitig wird versäumt, das Ergebnis kritisch zu hinterfragen. Nicht der Blutzuckerwert allein ist wichtig, sondern auch die Antwort auf die Frage: 156 Warum ist der Blutzucker so, wie er ist? Es wird davor gewarnt, nur aufgrund des Blutzuckerwertes Automatismen des Handelns abzuleiten; stets sind gleichzeitig weitere Rahmenbedingungen wie Boluswirkdauer, Insulinspiegel im Blut, Blutzuckertrend, letzte Nahrungsaufnahme, psychische Gegebenheiten, Unterzuckerungsrisiko usw. mit zu beachten. Die Blutzuckerselbstkontrolle darf nicht zum Alibi werden, das Hinterfragen der Ergebnisse zu unterlassen. Sie ist kein Ersatz für das Nachdenken, sondern die Voraussetzung dafür. Nimmt man als weiteren Gesichtspunkt die Erfahrung als Grundlage jeglichen Handelns dazu, so erhält man drei wichtige»säulen«für eine erfolgreiche Blutzuckersteuerung bei körperlicher Aktivität Messen Denken Ausprobieren Dazu benötigt man noch ein bisschen Glück und das Bewusstsein, dass nicht alles beherrschbar und machbar ist. Beispiel C: Fehlverhalten durch Überbewertung eines Messwertes ohne gleichzeitiges Nachdenken Herr S. hat kurzfristig entschieden, 1 Stunde nach dem Frühstück für ca. 2 Stunden im Garten zu arbeiten. Gewissenhaft ermittelt er vorher seinen Blutzuckerwert und misst 220 mg/dl. Was soll er tun? Möglichkeit A: Nichts essen?! Diese Entscheidung ist naheliegend, wenn nur die Blutzuckerhöhe bedacht wird und andere Rahmenbedingungen wie letzter Bolus, Blutzuckerwert vor letztem Essen, Art und BE-Menge der letzten Mahlzeit unberücksichtigt bleiben. Möglichkeit B: Trotzdem essen?! Dies wäre in folgendem Fall empfehlenswert: Der Nüchternwert war 80 mg/dl, deshalb hat Herr S. den üblichen Bolus (Humalog als Pumpeninsulin) erst nach dem Frühstück gesetzt. Das Frühstück bestand aus relativ rasch resorbierbaren Kohlehydraten: ein normales Brötchen mit Marmelade und ein Glas Saft. Der Wert von 220 mg/dl ist Ausdruck des schnellen Blutzuckeranstiegs nach dem Frühstück (hoher glykämischer Index!) und des relativ späten Anflutens des Insulinbolus. Auch ohne körperliche Aktivität wäre innerhalb der nächsten beiden Stunden ein deutlicher Blutzuckerabfall zu erwarten. Also: Eine Extra-BE vor Beginn der Gartenarbeit ist dringend angezeigt. Die Blutzuckerselbstkontrolle verleitet hier sogar zu einem falschen Verhalten. Günstiger wäre es in diesem Beispiel, vor Beginn der Arbeit oder auch erst nach ca min ca. 1-2 BE zu essen und dann nach einer weiteren Stunde den Blutzucker erstmals zu messen. Dieser Wert wäre aussagekräftiger, weil er die Blutzuckersituation gegen Ende der Wirkdauer des Frühstücksbolus beschreibt. 157

80 8. Insulinpumpe und körperliche Aktivität 8. Insulinpumpe und körperliche Aktivität Ausgehend von diesem Beispiel lässt sich verallgemeinern: Vor einer spontanen, längerfristigen körperlichen Aktivität, die etwa 1 Stunde nach dem Essen beginnt, hilft eine Blutzuckermessung nicht viel weiter, um zu entscheiden, ob und wie viel Extra-BE angebracht sind. Sie ist ja auch lästig, schmerzhaft und verursacht Kosten. Wesentlich sind in diesem Fall die zusätzlichen Rahmenbedingungen (siehe oben). Wenn es jedoch darum geht, die eigenen Gesetzmäßigkeiten der Blutzuckersteuerung kennenzulernen, hat die Blutzuckerbestimmung 1 Stunde nach einer Mahlzeit durchaus ihre Berechtigung. Also: «Es kommt darauf an«. 158 Zwei weitere Bemerkungen: Bei jeglicher körperlicher Aktivität, speziell auch bei ungeplanter Muskelarbeit, ist es unabdingbar, geeignete»not-be«für eine Unterzuckerung griffbereit dabei zu haben (z.b. in Form von Traubenzuckertäfelchen). Sollte dies nicht möglich sein, beispielsweise bei Schwimmen oder Kampf- Sport, müssen Vorsorgemaßnahmen getroffen werden, die eine Hypoglykämie sicher verhindern; dann also: sehr großzügige Zufuhr von Extra-BE und vorheriges Messen. Eine Dokumentation der eigenen Erfahrungen hilft bei allen Sondersituationen, also auch bei spontanen Aktivitäten, persönliche Gesetzmäßigkeiten zu erkennen. Das Niederschreiben und Überdenken von Blutzuckerverläufen und weitereren wichtigen Gesichtspunkten braucht keinesfalls sofort zu erfolgen. Der Bolusspeicher der Insulinpumpe und die Memory-Funktion des Blutzuckermessgerätes erleichtern dies zu einem späteren Zeitpunkt. 8.3 Geplante körperliche Aktivität Die Notwendigkeit von Zusatz-BE ist nur dann gegeben, wenn der Insulinspiegel im Blut während der körperlichen Aktivität zu hoch ist. Somit ist bei vorhersehbarer körperlicher Tätigkeit eine andere Vorgehensweise schon aufgezeigt, nämlich rechtzeitig dafür zu sorgen, dass im Zeitraum der Muskelarbeit weniger Insulin wirksam ist. Also käme auch infrage: Verringerung des vorhergehenden Bolus Absenkung der Basalrate Die»Faustregeln«2 und 3 in Abb. 55 zeigen als sogenannte»50%-regel«einen Weg dafür auf. Im Einzelfall ist eine Feinabstimmung empfehlenswert. Die Variante»Insulin verringern«statt»extra-be zu sich nehmen«hat folgende Vorteile: Kein ungewolltes, oft als lästig empfundenes Essen bzw. Trinken, keine sportliche Aktivität mit vollem Magen, keine zusätzliche Gefahr der Gewichtszunahme. Welche der beiden Möglichkeiten gewählt wird, entscheidet der Insulinpumpenträger entsprechend seinen Vorlieben. Die Wahlfreiheit verbessert das Wohlbefinden und erhöht die Lebensqualität. Im Idealfall ist die Verringerung der Insulinabgabe gezielt so vorzunehmen, dass bereits zu Beginn der körperlichen Aktivität der Insulinspiegel im Blut entsprechend niedriger ist und dass erst nach Beendigung der Muskeltätigkeit der Ausgangszustand wieder erreicht wird. Ein deutliches»zuwenig«an Insulin im Blut gilt es zu vermeiden, sonst kommt es zu einem unerwünschten Blutzuckeranstieg. Dies ist in der Tat keine leichte Aufgabe, wenn man sich die dabei auftretenden Unsicherheiten bewusst macht: Der erforderliche Insulinbedarf und damit der Prozentsatz für die Insulinverringerung müssen geschätzt werden, die Insulinwirkdauer ist mit 3-5 Stunden je nach Insulinsorte relativ lang und unterliegt zahlreichen Schwankungen. Das im Kapitel 3.3 beschriebene PPL-System kann bei sinngemäßer Anwendung hilfreich sein, eigene Anpassungsregeln zu finden. Zwei Beispiele mögen das praktische Vorgehen verdeutlichen: Beispiel D: Geplante Fahrradtour am Vormittag Herr M. will mit Freunden am Samstag eine größere Fahrradtour machen. Geplante Dauer ca. 3 Stunden; Beginn 9.30 Uhr; für das Frühstück von 5 BE benötigt Herr M. normalerweise 8 I.E. Humalog. Stattdessen gibt er nur einen Bolus von 5 I.E., also etwa ein Drittel weniger, und reduziert bereits beim Frühstück die Basalrate auf 50 % (ausreichende Vorlaufzeit!). Um 9.30 Uhr vor Beginn der Fahrradtour ermittelt Herr M. einen Wert von 180 mg/dl. Damit ist er zufrieden. Bei einem Zwischenstopp gegen

81 8. Insulinpumpe und körperliche Aktivität 8. Insulinpumpe und körperliche Aktivität Uhr ist der Blutzucker sogar auf 220 mg/dl angestiegen. Daraus folgert Herr M., dass die Insulinverringerung etwas zu deutlich war. Bei der Pause trinkt er nur Mineralwasser, will aber nichts essen. Er gibt sich allerdings einen Bolus von 0,5 I.E., lässt die Basalratenabsenkung jedoch unverändert. Um Uhr am Ende der Tour ist der Blutzucker bei 170 mg/dl. Beispiel E: Geplante Fahrradtour am Nachmittag Herr N. will nach Dienstschluss von Uhr zwei Stunden Fahrradfahren. Aus Erfahrung weiß er, dass sein Pumpeninsulin Humalog eine maximale Wirkdauer von 3,5 Stunden hat. Somit ist eine Verringerung des Bolus zum Mittagessen nicht sinnvoll. Gegen Uhr nimmt er eine Basalratenabsenkung auf 60% vor. Der Blutzuckerwert um Uhr ist 110 mg/dl. Er isst noch einen Apfel (1 BE), lässt aber die Basalratenabsenkung unverändert. Nach Ankunft zu Hause gegen Uhr hat er einen Blutzuckerwert von 140 mg/dl. Nach Beendigung der körperlichen Aktivität würde man in beiden Fällen die Basalrate wieder auf das übliche Niveau anheben. Eine Bolusverringerung wäre bei der anschließenden Hauptmahlzeit vermutlich nicht angezeigt, und zwar aus folgenden Gründen: 1. Ein stärkerer Muskelauffülleffekt ist nicht zu befürchten, da durch ausreichende Insulinverringerung das Blutzuckerniveau während der Aktivitätsphase stets über 100 mg/dl gelegen hatte. Insofern ist es unwahrscheinlich, dass Glykogendepots (»Speicherzucker«) in Leber bzw. Muskulatur entleert wurden. 2. Eine anhaltende deutliche Verbesserung der üblichen Insulinempfindlichkeit dürfte eher nicht eintreten, da die vermehrte Muskeltätigkeit in beiden Fällen von nicht allzu langer Dauer war. 3. Wenn die Basalrate wieder auf 100% erhöht wird, dauert es noch eine gewisse Zeit, bis der übliche Basalinsulinspiegel wieder aufgebaut ist. Die Aussage»Sport wirkt nach«ist insbesondere dann zu beachten, wenn zum einen durch niedrig normale bzw. grenzwertig hypoglykämische Blutzuckerwerte die Glykogenspeicher teilweise geleert wurden oder wenn zum anderen die körperliche Aktivität von so langer Dauer war, dass es zu einer anhaltenden Verbesserung der Insulinwirkung an den Zellen, also zu einer besseren Insulinempfindlichkeit gekommen ist. Diese Überlegungen wollen zeigen, wie schwierig es sein kann, zuverlässige Prognosen über den Blutzuckerverlauf während und nach körperlicher Aktivität zu machen. Muskelarbeit trägt also bei Menschen mit Typ-1-Diabetes nicht unbedingt zu einer Stabilisierung des Blutzuckerverlaufs bei. 160 Trotzdem ist regelmäßige muskuläre Tätigkeit empfehlenswert: Zahlreiche Körperfunktionen werden optimiert, die psychische Situation stabilisiert, das Risiko für Herzkreislauf-Erkrankungen (häufigste Todesursache bei Diabetikern!) sowie für diabetische Folgeerkrankungen verringert. Darüber hinaus sollte eine Hauptmotivation für regelmäßige körperliche Aktivität sein: Es macht Spaß, es erhöht das subjektive Wohlbefinden, es verbessert die Lebensqualität. Im wesentlichen sind die Gründe für regelmäßige körperliche Aktivität bei Menschen mit Diabeteserkrankung und bei Stoffwechselgesunden die gleichen. 8.4 Insulinpumpe als»störfaktor«bei Sport Bei manchen Sportarten ist das Tragen einer Insulinpumpe ungünstig, hinderlich und teilweise auch gefährlich. Dies trifft beispielsweise zu auf Kampfsport mit Körperkontakt wie Boxen, Ringen oder Judo. Auch beim Schwimmen und beim Wassersport empfiehlt es sich, die Insulinpumpe abzulegen. Meist besteht ein individueller Ermessensspielraum. So dürfte z.b. bei einem Fussball-Punktespiel, wo es erfahrungsgemäß härter zur Sache geht, das Ablegen der Insulinpumpe zweckmäßig sein, während für einen»freizeit-kicker«das Tragen der Insulinpumpe kein Problem darstellen sollte. Falls die liegende Nadel während der Sportausübung nicht hinderlich ist, dann ist der abkoppelbare Katheter empfehlenswert. Damit entfällt ein zu häufiger Katheterwechsel trotz Ablegen der Insulinpumpe (Kostenaspekt!). Im übrigen wird diesbezüglich auf den Abschnitt 7.3 zum Thema»Insulinpumpenpausen«verwiesen. Folgende Besonderheit der Insulinpumpenpause bei sportlicher Aktivität ist zu beachten: Gerade bei Muskeltätigkeit ist ein angemessener Insulinspiegel im Blut wichtig. Während einer Insulinpumpenpause kommt es zu einer relativ raschen Änderung der Insulinversorgung. Wird die Insulinpumpe erst unmittelbar vor Beginn der sportlichen Aktivität abgelegt, ist wegen der relativen Überinsulinierung mit einem anfänglich deutlicheren Blutzuckerabfall zu rechnen. Dauert das Ablegen der Insulinpumpe bei Verwendung vom Humalog länger als 2 Stunden, muss von einem zunehmenden Insulinmangel in der Blutbahn ausgegangen werden, d.h. es kann zu einem Blutzuckeranstieg trotz körperlicher Aktivität kommen. Längere Insulinpumpenpausen wegen Sport erfordern viel Fingerspitzengefühl. Es gilt, vor Beginn einen leicht erhöhten Blutzuckerwert anzustreben, während der Aktivität einen stärkeren Schwankungsbereich der Blutzuckerverläufe zu akzeptieren und anschließend mit vorsichtigen Korrekturen wieder stabilere Verhältnisse zu erzielen. Eine zu lange Insulinpumpenpause bei sportlicher Aktivität kann gefährlich werden. Dauert das Ablegen der Insulinpumpe länger als die Insulinwirkdauer also bei einem kurzwirksamen Insulinanalogon mehr als drei Stunden und bei Normalinsulin über 161

82 8. Insulinpumpe und körperliche Aktivität 8. Insulinpumpe und körperliche Aktivität vier Stunden, muss mit Spritze oder Pen bzw. durch kurzfristiges Anschließen der Insulinpumpe an einen abkoppelbaren Katheter eine geringe Insulinmenge verabreicht werden, um eine drohende ketoazidotische Entgleisung zu verhindern. Beachte: Keine körperliche Tätigkeit bei deutlichem Insulinmangel Wird die Insulinpumpe während der sportlichen Betätigung nicht abgelegt, droht eine andere Möglichkeit für einen übermäßigen Blutzuckeranstieg mit der Gefahr einer Ketoazidose. Infolge von verstärkten Körperbewegungen kann die Nadel aus der Haut herausrutschen. Es gelangt, ohne dass Alarm gemeldet wird, kein Insulin mehr ins Unterhautfettgewebe. Wird dies vom Insulinpumpenträger nicht bemerkt, entwickelt sich binnen Stunden ein absoluter Insulinmangel mit nachfolgender ketoazidotischer Entgleisung. Diese unangenehme Situation ist vermeidbar, indem die Nadel mit einem Pflaster zusätzlich fixiert wird, bzw. die korrekte Lage des Katheters in der Haut von Zeit zu Zeit überprüft wird. Zum Thema»Insulinbehandlung und Sport«finden sich in dem Buch»Diabetes- und Sportfibel«von Thurm/Gehr viele wertvolle Informationen und praxisorientierte Tipps. In zahlreichen Erfahrungsberichten aus dem Bereich Freizeit- und Leistungssport schreiben Betroffene, wie sie die Insulintherapie während der Sportausübung handhaben, welche Erfolge, Fallgruben und Enttäuschungen sie dabei erlebt haben. Dieses Buch ist eine wahre Fundgrube von Möglichkeiten und Ideen. Es enthält auch eine Kontaktbörse mit hilfreichen Adressen; u.a. sind zahlreiche diabeteserfahrene Ansprechpartner für die einzelnen Sportarten genannt sowie Anschriften von Diabetessportgruppen aufgeführt. Jeder insulinbehandelte Diabetiker, der sportlich aktiv ist oder es werden will, sollte dieses Buch gelesen haben Probleme und Warnhinweise Bei körperlicher Aktivität wird das erhöhte Unterzuckerungsrisiko immer wieder unterschätzt. Eine besondere Vorsicht ist in folgenden Situationen angezeigt: Ungeplante Tätigkeit, spontane Bewegung von längerer Dauer: Die blutzuckersenkende Wirkung der Muskelarbeit wird nicht selten einfach vergessen; die körperliche Aktivität wird mitunter als solche gar nicht wahrgenommen (z.b. Einkaufsbummel, Hausputz, Gartenarbeit). Muskuläre Tätigkeit während der maximalen Wirkung eines größeren Nahrungsbolus: Mit einem deutlicheren Blutzuckerabfall muss gerechnet werden, wenn die Muskeltätigkeit bei kurzwirksamen Insulinanalogon ca. 1-2 Stunden nach einer Bolusgabe bzw. bei Normalinsulin nach ca. 2-3 Stunden erfolgt. Intensive körperliche Aktivität direkt nach einer größeren Mahlzeit: Eine verzögerte Magenentleerung, eine Verlangsamung der Verdauungsvorgänge, eine beschleunigte Insulinaufnahme aus dem Unterhautfettgewebe können die zu erwartende blutzuckererhöhende Wirkung der gegessenen Kohlehydrate abschwächen. Die körperliche Tätigkeit dauert länger als geplant: Hierfür kommen vielfältige Ursachen in Frage, beispielsweise ein Verlaufen während eines Spaziergangs in fremder Umgebung, eine Fehleinschätzung einer Besichtigungstour in einer unbekannten Stadt, Gartenarbeit von deutlich längerer Dauer, gründlicheres Erledigen eines Hausputzes, längere Ausdehnung eines Einkaufsbummels. Ungewohnte körperliche Aktivität: Es werden mehr Muskelgruppen als üblich beansprucht, deshalb kann ein überdurchschnittlicher Blutzuckerabfall auftreten. Muskuläre Bewegung im Zusammenhang mit Alkoholgenuss: Die Zuckerbildung und freisetzung der Leber kann beeinträchtigt werden, durch ein Zuwenig an»leberzucker«kann sich der Blutzuckerwert stärker verringern. In diesen Situationen, aber auch bei jeglicher körperlicher Aktivität sind geeignete Vermeidungsstrategien für eine Unterzuckerung wichtig; geeignete Maßnahmen können sein:»erst denken, dann bewegen«. Höhere Blutzuckerzielbereiche anstreben: Kurzfristig leicht erhöhte Blutzuckerwerte sind harmloser als eine eventuelle Unterzuckerung. Großzügiges Essen und Trinken: Rechtzeitige Aufnahme von sog.»sicherheits-be«oder anders formuliert: Die Extra-BE bei körperlicher Tätigkeit werden zweckmäßigerweise im eigenen Magen transportiert. Verringerung der Insulinmenge: Rechtzeitige Absenkung der Basalrate und/oder geringere Bolusgabe. Verkürzung des Drück-Ess-Abstandes bzw. Benutzen eines»ess-drück-abstandes«, d.h. die Bolusgabe erfolgt während des Essens oder erst danach. Wenn möglich zwischenzeitliches Ermitteln der Blutzuckerhöhe. Dies ist insbesondere bei unüblicher körperlicher Aktivität anzuraten. 163

83 8. Insulinpumpe und körperliche Aktivität 8. Insulinpumpe und körperliche Aktivität Überzucker bei Muskelarbeit Bei Blutzuckerwerten über 200 mg/dl bzw. 11,1 mmol/l ohne gleichzeitigen Azetonnachweis im Urin ist eine ausreichende Insulinzufuhr erforderlich, danach ist Sport problemlos möglich. Unter wirksamen Insulinspiegeln werden die hohen Blutzuckerwerte bei körperlicher Aktivität rasch abgebaut. Ganz anders verhält es sich dagegen bei Azetonnachweis ++/+++. Hier wird Sport gefährlich! Da Insulinmangel besteht, werden in diesem Fall die Blutzuckerwerte unter der Belastung rasch ansteigen. Die Übersäuerung des Blutes wird zunehmen. Es entwickelt sich eine Ketoazidose, die lebensgefährlich sein kann (siehe Kapitel 10). Azetonteststreifen (z.b. Ketur) dürfen daher in keinem Sportgepäck fehlen! Bei Blutzuckerwerten von mehr als 200 mg/dl (11,1 mmol/l) vor Beginn der körperlichen Aktivität sollte der Urin auf Azeton getestet werden. Damit wird eine beginnende ketoazidotische Entgleisung rechtzeitig erkannt bzw. sicher ausgeschlossen. Blutzuckeranstiege unter Belastung sind auch bei psychisch und körperlich sehr anstrengenden Aktivitäten (z.b. Wettkämpfen) zu beobachten. Sie sind durch Ausschüttung von Stresshormonen (Adrenalin, Kortison, STH) bedingt und lassen sich in der Regel durch vorsichtige Korrektur nach dem Sport rasch beheben. Vor Wettkämpfen ist zudem ein gutes Aufwärmtraining empfehlenswert, um den Organismus auf die bevorstehende Belastung vorzubereiten. Unterzucker bei Muskelarbeit Wie in Abschnitt 8.1 besprochen, kommt es beim insulinspritzenden Diabetiker in der Regel zu einem verstärkten Blutzuckerabfall bei körperlicher Aktivität. Somit besteht ein erhöhtes Unterzuckerungsrisiko, dem durch geeignete Vorsorgemaßnahmen Rechnung getragen werden muss. Hier sind alle körperlich aktiven und sportbegeisterten Diabetiker zu größter Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit aufgerufen, um Eigenund Fremdgefährdung weitgehend auszuschließen! Wir empfehlen bei körperlicher Aktivität, insbesondere wenn sie neu oder ungewohnt ist, eine konsequente»hypoglykämie-vermeidungsstrategie«. Dies bedeutet eine großzügige Zufuhr von Extra-BE und/oder eine deutliche Verringerung der Insulinmenge durch Reduktion von Bolus bzw. Basalrate. Es sollte eher ein geringer Blutzuckeranstieg bei körperlicher Aktivität in Kauf genommen werden. Ein anschließend etwas erhöhter Blutzuckerwert ist durch vorsichtige Bolusgabe rasch korrigierbar. Eine schwere Unterzuckerung dagegen kann zu Fehlverhalten, Sturz und Bewusstlosigkeit führen. Ende zu führen. Generell sind häufige Blutzuckerkontrollen bei mehrstündigem Sport unerlässlich. Bei körperlicher Anstrengung mit Schwitzen und erhöhtem Puls werden die üblichen Hypoglykämiewarnzeichen oft nicht mehr wahrgenommen. Abb. 55 fasst die wichtigsten»faustregeln«beim Sport zusammen. Faustregel 1: 30-Minutenregel (pro 30 Minuten mittlerer körperlicher Aktivität ist eine»sport-be«einzunehmen) Faustregel 2: 50%-Regel Bolus (50% Insulindosisreduktion für das Mahlzeiteninsulin vor mehrstündigem Sport sowie für das Korrekturinsulin vor, während und nach mehrstündigem Sport) Faustregel 3: 50%-Regel Basalrate (ca. 50%ige Basalratenabsenkung bei Sport, der länger als 2 Stunden dauert) Faustregel 4: kein Sport bei hohen Blutzuckerwerten (>250 mg/dl bzw. 13,9 mmol/l) und Azeton ++/+++! Faustregel 5: bei Unterzucker (kleiner/gleich 50 mg/dl bzw. 2,8 mmol/l) sind sofort 2 schnelle BE und zusätzlich evtl. 1-2 langsame BE einzunehmen Faustregel 6: Blutzuckerkontrollen vor dem Sport sowie während des Sports in 1-2stündlichen Abständen und danach Abb. 55:»Faustregeln«beim Sport Sind Unterzuckerungen (<50 mg/dl bzw. <2,8 mmol/l) beim Sport eingetreten, erfordern sie rasches und effektives Handeln. In der Regel sind 2 schnelle BE (z.b. 5 Täfelchen Dextro-Energen-Traubenzucker) sowie zusätzlich eventuell 1 bis 2 langsame BE erforderlich, um die Hypoglykämie effektiv zu beheben und problemlos den Sport zu

84 9. Blutzuckermessgeräte 9. Blutzuckermessgeräte Ohne regelmäßige, systematische Blutzuckerselbstmessung ist eine intensivierte Insulinbehandlung mit normnaher Einstellung bei Menschen mit Typ-1-Diabetes nicht möglich dies trifft insbesondere auch auf die Insulinpumpenbehandlung zu. Die Methoden der invasiven Blutzucker-Selbstkontrolle haben in den vergangenen 35 Jahren eine rasante Entwicklung gemacht: Etwa 1965 kam mit dem Dextrostix der erste visuell ablesbare Teststreifen für die Blutzuckerselbstmessung durch den Patienten auf den Markt. Die Handhabung war noch verhältnismäßig umständlich, da das Testfeld nach 60 sec. Einwirkzeit mit Wasser abgespült werden musste. Der erste handliche Reflexionsphotometer mit Akkubetrieb, der für die Patientenanwendung geeignet war, erschien ca Der Durchbruch in der Blutzuckerselbstkontrolle kam mit dem Teststreifen Haemoglucotest (HGT ). Er eignete sich zur visuellen Ablesung, konnte aber auch zur objektiveren Bestimmung des Blutzuckerwertes in dem Reflolux-Gerät verwendet werden. Im Jahre 1989 kamen in Deutschland die ersten Geräte mit elektrochemischem Verfahren auf den Markt: Das zeitgenaue Abwischen des Bluttropfens auf den Teststreifen entfiel, was für die Benutzerfreundlichkeit und für die Störanfälligkeit des Messvorgangs ein weiterer Meilenstein war. In den folgenden Jahren wurden die Messgeräte immer kleiner und handlicher, die erforderliche Blutstropfengröße verringerte sich, die Messzeiten konnten deutlich verkürzt werden, die»none-wipe«-methode setzte sich durch (kein Abwischen der Teststreifen mehr, automatischer Start des Messvorgangs), der Komfort hinsichtlich Datenanalyse wurde zusätzlich erhöht durch umfangreiche Speichermöglichkeiten, PC-Schnittstelle und Software zur statistischen Auswertung. An einem noch revolutionäreren Meilenstein wird allerdings immer noch intensiv geforscht: an der nichtinvasiven, also der unblutigen Blutzuckerbestimmung durch die Haut ohne schmerzhafte Stichverletzung mit einer Lanzette. Zwar gab es in den vergangenen Jahres diesbezüglich immer wieder hoffnungsvoll klingende Berichte. Eine zuverlässige nichtinvasive Messmethode, die im Alltag mit einem handlichen Gerät brauchbar ist und die kostenmäßig akzeptabel erscheint, konnte bis heute nicht entwickelt werden und ist nach Expertenmeinung für die nächsten Jahre auch nicht zu erwarten. Dies wäre allerdings eine Voraussetzung für das sogenannte»closed loop«system; dies bedeutet: kontinuierliche Blutzuckermessung, Ermittlung des aktuellen Insulinbedarfes mit einem Kleincomputer und Abgabe von kurzwirksamem Insulinanalogon durch eine nachgeschaltete Insulinpumpe. Bezüglich der kontinuierlichen interstitiellen (interstitiell: in der Gewebeflüssigkeit) Blutzuckermessung mit den sogenannten Glucosesensoren wurden dagegen in letzter Zeit deutliche Fortschritte erzielt. Mit einem Katheter, der in das Unterhautfettgewebe eingestochen wird, und einem daran angeschlossenen handlichen Aufzeichnungsgerät von Insulinpumpengröße kann über zwei bis vier Tage der Blutzucker engmaschig in Zeitintervallen von Minutenabständen laufend ermittelt werden (retrospektive Messung). Anschließend wird der Datenpool mit geeigneter Software am PC ausgewertet und graphisch analysiert. Als Verfahren hierzu sind auf dem Markt bzw. in einer fortgeschrittenen Entwicklungsphase: Minimed Glukosesensor CGMS (continous glucose monitoring system) Mikrodialyse-Systeme der Firmen Roche und Menarini. Der Einsatz dieser Glucose-Sensoren ist derzeit nicht zuletzt auch aus Kostengründen speziellen Fragestellungen vorbehalten, wie beispielsweise der Analyse von problematischen nächtlichen Blutzuckerverläufen, der Überwachung von Schwangeren oder zur Beurteilung von Sondersituationen (sportliche Aktivitäten usw.) sowie für wissenschaftliche Fragestellungen. Der Materialaufwand für den Einmalkatheter, d.h. für einen Messzeitraum von einigen Tagen, ist nicht unerheblich. Eine erneute deutliche Weiterentwicklung ist die Blutzuckerbestimmung nach einer neuen Methode (Coulometrie), wodurch die Blutstropfengröße erneut deutlich verringert werden konnte beinahe um das Zehnfache auf derzeit ca. 0,3 Mikroliter Blut. Damit ist die Möglichkeit gegeben, auch alternative Körperstellen außer Fingerkuppe zur Gewinnung des Bluttropfens zu verwenden

85 9. Blutzuckermessgeräte 9. Blutzuckermessgeräte 9.1 Messgenauigkeit Bauartbedingt haben die Blutzuckermessgeräte gemäß den allgemein gültigen Qualitätsrichtlinien einen Toleranzbereich von etwa 15 %. Konkret bedeutet eine Abweichung von 15%: Ist die tatsächliche Glucosehöhe in der Blutbahn beispielsweise 150 mg/dl, dann ist es zulässig und möglich, dass der ermittelte Messwert, der auf dem Display angezeigt wird, im Bereich von 127 mg/dl bis 173 mg/dl schwankt. Es ist also in diesem Fall eine Schwankungsbreite von 46 mg/dl bei den Messergebnissen bauartbedingt zulässig. Zur Veranschaulichung: Wird von einer Korrekturzahl von 40 mg/dl ausgegangen, so entspricht diese Messwertschwankung einem möglichen Unterschied an Korrekturinsulin von mehr als 1 I.E. Wird mit dem Blutzuckermessgerät ein Wert von beispielsweise 180 mg/dl ermittelt, so kann der tatsächliche Glucosewert im Blut im Bereich von 153 mg/dl bis 207 mg/dl sein. Man erhält in diesem Fall für den aktuellen tatsächlichen Blutzuckerwert eine zulässige Streubreite von 54 mg/dl. Es ist wichtig und hilfreich, sich diese Toleranzbereiche immer wieder bewusst zu machen. Falls ein gemessener Blutzuckerwert deutlich abweicht von demjenigen, der zu erwarten gewesen wäre, könnte es sich durchaus auch um zufällige, sogenannte»statistische Schwankungen«des Messergebnisses handeln. Andererseits ist aber auch an die Möglichkeit einer Fehlmessung zu denken (vergleiche Abschnitt 9.2). Nachdem derzeit und vermutlich auch in den nächsten Jahren praxistaugliche nichtinvasive Gerätetypen nicht zur Verfügung stehen, wäre eine Weiterentwicklung der momentanen Messsysteme wünschenswert hinsichtlich deutlicher Verbesserung der Messgenauigkeit mit einem Toleranzbereich von unter 5 %, so wie es für die nasschemischen Labormethoden üblicher Standard ist. Es soll nochmals betont werden: Die Zahl auf dem Display eines Messgerätes stellt keinesfalls ein exaktes Abbild der Wirklichkeit dar oder anders ausgedrückt: der angezeigte Wert ist nur ein Schätzwert für den tatsächlichen Glucosewert im Blut mit einer Genauigkeit von ± 15 Prozent. 9.2 Fehlermöglichkeiten Die bisher beschriebenen zufälligen Schwankungen, sogenannte statistische Fehler, treten auf trotz korrekter Vorgehensweise bei der Gewinnung des Blutstropfens, bei der Handhabung des Gerätes und bei der Durchführung des Messvorganges. Kommen in diesen Bereichen zusätzliche vermeidbare Ungenauigkeiten dazu, wird der Fehler bei den Messergebnissen weiter vergrößert. Denn:»Geräte machen Fehler! Menschen machen mehr Fehler! Wenn Menschen mit Geräten umgehen, gibt es noch mehr Fehler!«Es sollte eine Selbstverständlichkeit sein, dass der Benutzer eines Blutzuckermessgerätes vorab die Gebrauchsanweisung gründlich studiert und diese auch von Zeit zu Zeit immer wieder einmal durchliest, damit sich keine systematischen vermeidbaren Fehler einschleichen. Jede Messmethode ist nur so gut, wie der Benutzer sie anwendet. Allerdings wurden hinsichtlich der Bedienerfreundlichkeit in den letzten Jahren erhebliche Fortschritte gemacht, z.b. automatischer Start des Messvorgangs, Unempfindlichkeit des Messfeldes auf dem Streifen hinsichtlich Berührung, automatische Codierung, Fehlermeldung bei ungeeigneter Tropfengröße. Mögliche Fehler beim Messgerät Falsche Codierung des Messgerätes Verunreinigung der Messeinheit Möglicher Einfluss von Medikamenten oder veränderten Blutbestandteilen als Störgröße bei der Messung (z.b. große Mengen an Vitamin C, Aspirin, ASS) Extremer Temperaturbereich (z.b. weniger als 10 Grad, mehr als 35 Grad) Mögliche Fehler beim Teststreifen Falsche Lagerung (Licht, Feuchtigkeit) Verschmutzung des Testfeldes Verfalldatum überschritten Mögliche Fehler beim Messvorgang Zuckerhaltige Verunreinigungen an den Fingern (vorher Hände waschen) Zu kleiner Blutstropfen»Melken«und»Kneten«der Fingerbeere Verdünnung des Blutstropfens (z.b. durch Schweiß, Wasserreste) Berühren des Teststreifenfeldes Abb. 56: Fehlerquellen bei der Blutzuckerselbstkontrolle

86 9. Blutzuckermessgeräte 9. Blutzuckermessgeräte 9.3 Gerätetypen Auf dem Markt ist eine Fülle von Blutzuckermessgeräten, und jährlich kommen neue dazu. Es ist schwer und kaum noch möglich, angesichts dieser Vielfalt den Überblick zu behalten. Welches Gerät ist für mich das richtige? Diese Frage ist naheliegend und beschäftigt jeden insulinspritzenden Diabetiker. In Abb. 57 ist eine kleine Übersicht von verschiedenen Messgeräten zusammengestellt. Es ist allerdings nicht Sinn dieser Aufstellung, einen kompletten Überblick über sämtliche derzeit auf dem Markt befindlichen Blutzuckermessgeräte zu geben. Es sollen nur wesentliche Unterschiede bei häufig benutzten Gerätetypen aufgezeigt werden. Größe des Gewicht Messzeit Blutstropfen in in In Mikroliter (µl) Gramm Sekunden Accu-Chek Compact ca. 1,5 120 ca. 8 Accu-Chek Sensor 4, Ascensia Contour 0,6 52,3 15 Ascensia Dex 2 2, Ascensia Elite 2, FreeStyle 0,3 73 ca. 15 One Touch Ultra 1, Precision Xtra 2, Abb. 57: Verschiedene Blutzuckermessgeräte im Vergleich (Beispiele, Stand 12/03) Allgemein lässt sich sagen: Dasjenige Blutzuckermessgerät ist für einen Diabetiker das Richtige, mit dem er möglichst bequem und zuverlässig relativ korrekte Blutzuckermessergebnisse erzielen kann. Der Gesichtspunkt»Gerätemessgenauigkeit«ist zwar von vorrangiger Bedeutung, sollte aber bei der Patientenentscheidung für ein bestimmtes Gerät eine nachgeordnete Rolle spielen, da diese bei allen gängigen Modellen in etwa gleich ist (± 15 Prozent). Auch der Gerätepreis sollte kein wesentliches Kaufargument sein; er schwankt bis auf einzelne Ausnahmen im Bereich von Euro. 170 Wesentliche Entscheidungshilfen bei der Geräteauswahl können sein Benutzerfreundlichkeit (Handhabung, Codierung, Streifenvorrat) Größe des erforderlichen Blutstropfens (Alternative Messstellen) Dauer des Messvorgangs Größe und Gewicht des Gerätes Preis der Teststreifen Fehlermeldungen Displaygröße und -gestaltung (beeinträchtigtes Sehvermögen) marktübliche Batterien Art und Umfang der Datenspeicherung Datum- und Uhrzeitangabe Möglichkeit der Datenauswertung am PC Störfaktoren der Messung (z. B. durch Medikamentenspiegel im Blut, andere Blutbestandteile) Temperaturabhängigkeit Plausibilitätsprüfung durch visuelle Gegenkontrolle weitere Messgrößen (z.b. Ketonkörper im Blut) Art und Umfang des Aufbewahrungssets (Tasche, Lanzettenfach, Stechhilfe) zusätzliches Sprachmodul Üblicherweise werden im Rahmen einer guten Diabetikerschulung die verschiedenen Messgeräte mit ihren Vor- und Nachteilen vorgestellt. Andere Informationsquellen, um sich einen Überblick zu verschaffen, können sein: Apotheke, Zeitschriften wie Diabetes-Journal oder Diabetes Ratgeber, Selbsthilfegruppen, Diabetiker-Tag, Insulinpumpentreffen oder vielleicht am effektivsten der Erfahrungsaustausch mit anderen Diabetikern. Weitere Hinweise zu verschiedenen Gerätetypen: Bei einigen Blutzuckermessgeräten (z.b. Accu-Check Compact, One Touch Ultra, FreeStyle, SoftSense) sind neben den Fingerkuppen alternative Körperregionen zur Blutgewinnung möglich. Als alternative Messstellen eignen sich insbesondere die Handballen. Diese Körerregionen sind besser durchblutet als die Unterarmregion oder der Bauch. Der Verzögerungseffekt ist daher geringer und im Regelfall zu vernachlässigen. Die zeitliche Verzögerung des Blutzuckerwertes bei Messungen am Unterarm und Bauch ist insbesondere bei rascher Änderung des Blutzuckerspiegels zu bedenken. Beispiele hierfür sind: Schneller Blutzuckeranstieg nach Zufuhr von rasch resorbierbaren Kohlehydraten; schneller Blutzuckerabfall bei körperlicher Aktivität und relativ hohem Insulinspiegel. Weil dann der Messwert vom aktuellen Blutwert noch deutlicher als sonst abweichen kann, sind Fehleinschätzungen möglich. 171

87 9. Blutzuckermessgeräte 9. Blutzuckermessgeräte Manche Messgeräte besitzen ein Vorratssystem mit mehreren integrierten Teststreifen. Beim Accu-Chek Compact sind die Teststreifen in einer Trommel zu je 17 Stück verpackt; diese wird komplett in das Gerät eingelegt; auf Knopfdruck wird ein Teststreifen zur Messung bereit gestellt. Ein ähnliches Handhabungsprinzip besitzt der Ascensia Dex; hier sind je 10 Streifen in einer Scheibe eingeschweißt. Für das Messgerät Ascensia Elite gibt es alternative Blutzuckerteststreifen der Fa. Azupharma (Excel G AZU). Diese sind kostengünstiger; bezüglich Messgenauigkeit werden unterschiedliche Erfahrungen berichtet. Für den Precision Xtra sind alternative Teststreifen zur Bestimmung der Ketonkörper im Blut (genauer von 3-Hydroxybutyrat) erhältlich. Die Messung der Ketone im Blut ist vorteilhaft zur Früherkennung einer ketoazidotischen Entgleisung. Da unter Insulinpumpen-Therapie, wie im Kapitel 10 ausgeführt, ein größeres Ketoazidose-Risiko besteht, ist dieses Modell zumindest als Ersatzgerät für Insulinpumpenträger in Erwägung zu ziehen. Der Preis pro Streifen für die Ketonkörper-Bestimmung ist mit ca. 3,30 Euro allerdings sehr teuer. Zum Vergleich: Teststreifen zur Bestimmung der Ketone im Urin (z.b. Ketur-Test) kosten ca. 0,15 Euro. Für Sonderfälle bietet das Gerät SoftSense der Fa. Medisense Vorteile. Die Stechhilfe ist im Gerät integriert, ein Vakuummechanismus erleichtert die Blutgewinnung und ermöglicht die Blutentnahme auch an alternativen Stellen wie Unterarm. Nachteilig sind die Gerätegröße, das Gewicht von 300 Gramm sowie die Anschaffungskosten von ca. 125 Euro. Bei stärkerer Sehbehinderung oder bei Blindheit empfiehlt sich ein Gerät mit Sprachmodul; dieses ist vorhanden mit dem OneTouchTalk der Fa. Lifescan bzw. dem Gluci der Fa. Bayer. Falls selbst schemenhaftes Sehen nicht mehr möglich ist, wird die Blutzuckerselbstkontrolle zu einem erheblichen Problem. Das richtige Auftragen des Blutstropfens ist dann kaum möglich. In diesem Fall bietet der Gluci mit den Teststreifen Ascensia Elite Sensor Vorteile, da die erforderliche Blutmenge von 2 µl automatisch angesaugt wird und die optimale Menge durch einen Signalton angezeigt wird. Zum Vergleich: Die erforderliche Blutmenge für das Gerät One Touch Talk beträgt 10µl. Wie bereits erwähnt, sind die Handhabung des Messgerätes und die Durchführung des Messvorgangs von wesentlicher Bedeutung für die Qualität der Ergebnisse. Ein Gerät kann nur dann genaue Werte ermitteln, wenn es insgesamt richtig bedient wird und wenn wesentliche Rahmenbedingungen berücksichtigt werden. 9.4 Tipps und Hinweise Es ist empfehlenswert, gelegentliche Vergleichsmessungen mit einer nasschemischen Methode (Labormethode) durchzuführen, um gewohnheitsmäßige Fehler bei der Blutzuckerselbstmessung bzw. systematische Gerätefehler zu erkennen. Gegenkontrollen mit anderen Blutzuckermessgeräten sind nicht sinnvoll und deshalb unnötig. Der Vergleich von zwei Messmethoden, die jeweils einen Toleranzbereich von 15 % haben, ist keinesfalls aussagekräftig. Die sachgerechte Aufbewahrung der Teststreifen sollte selbstverständlich sein, d.h. Schutz vor Nässe und extremen Temperaturen. Keine Lagerung der Teststreifen außerhalb des Verpackungsmaterials. Vorsicht ist beispielsweise angezeigt bei der Aufbewahrung von Teststreifen am Strand bzw. im Innenraum eines Autos, der sich im Sommer bei Sonneneinstrahlung erheblich aufheizen kann. Zwischen dem Durchschnittswert aller Blutzuckermesswerte innerhalb von 6 bis 8 Wochen und dem HbA 1c -Wert besteht ein gewisser Zusammenhang. Dieser ist jedoch von zahlreichen Faktoren abhängig und kann nicht mit einer Formel angegeben werden. Sollten aber größere Unterschiede hinsichtlich Plausibilität auftreten, sind ein gründliches Nachdenken sowie eine Fehlersuche angezeigt. Der Bezug von Teststreifen über den Versandhandel ist kostengünstiger. Preisvergleiche sind empfehlenswert. Im allgemeinen erhält man dabei Testmaterial von guter Qualität. Sollte es sich um Re-Import-Ware handeln, ist eine gewisse Skepsis angezeigt; insbesondere das Haltbarkeitsdatum ist zu beachten. Gerade beim Insulinpumpenpatienten besteht eine große Abhängigkeit von der Blutzuckermessung, denn das Ergebnis der Selbstkontrolle ist für die Therapiesteuerung eine wichtige Voraussetzung. Deshalb empfehlen wir die Anschaffung eines Ersatzgerätes, das bei längerer Abwesenheit von zu Hause auch mitgenommen werden sollte. Erfreulicherweise sind die Anschaffungskosten für ein Gerät heute relativ niedrig. Die Industrie verdient das Geld weniger mit den Geräten als vielmehr durch den Verkauf der Streifen. Bei einem Preis von ca. 20 bis 50 Euro für ein neues Testgerät sollten die Diskussionen, inwieweit die gesetzliche Krankenkasse für die Kosten des Gerätes aufzukommen hat, der Vergangenheit angehören. Bei Reisen in abgelegene Regionen der Erde (z.b. Zentralafrika, Innerasien) empfiehlt es sich, Teststreifen mit der Möglichkeit der visuellen Kontrolle mitzunehmen. Diesbezüglich bewährte Teststreifen sind der Haemo-Glukotest R der Firma Roche

88 9. Blutzuckermessgeräte 9. Blutzuckermessgeräte Tipp: Blutzucker-Selbstkontrolle Das regelmäßige Testen des Blutzuckers ist eine wesentliche Voraussetzung für eine stabile Blutzuckereinstellung. Zur Blutzuckerselbstkontrolle sollte im Regelfall ein Messgerät benutzt werden. Bei Blutzuckerkontrollen im Dämmerlicht oder in der Nacht ist mitunter das Schätzen des Blutzuckers mit einem Teststreifen erschwert. Die Häufigkeit der Blutzuckerselbstkontrollen beträgt mindestens 4 Messungen täglich jeweils vor den Hauptmahlzeiten sowie nachts vor dem Einschlafen. Ansonsten liegt ein»blindflug«vor mit erhöhter Gefahr von Unterzuckerungen und zu spätem Erkennen einer evtl. drohenden ketoazidotischen Entgleisung. Bei einem üblichen Tagesablauf braucht das Blutzuckermessen auch nicht übertrieben zu werden. Stets ist zu fragen:was bringt mir eine zusätzliche Blutzuckerselbstkontrolle? Welche Konsequenzen ergeben sich aus einem gewonnenen Messwert? In Sondersituationen (körperliche Aktivität, Autofahren, fieberhafte Erkrankung, usw.) öfter messen, jedoch nicht häufiger als in 2stündigen Abständen. Nachdenken! Warum ist der Blutzucker so, wie er ist? Was kann ich über die individuellen Besonderheiten lernen und erfahren? Dokumentation Zum Erkennen von Gesetzmäßigkeiten und Fehlern bei der Blutzuckereinstellung ist eine regelmäßige und übersichtliche Dokumentation unverzichtbar. Das gut geführte Blutzuckertagebuch dient als wichtige Diskussionsgrundlage im Gespräch mit dem Insulinpumpenerfahrenen Arzt. Es gibt eine Fülle von verschiedenen Möglichkeiten der Dokumentation, z.b. tabellarisch, graphisch, mit PC-Unterstützung. Jeder Diabetiker sollte sich für die Methode entscheiden, die ihm die meisten Vorteile bringt (Aufwand? Erkennen von Gesetzmäßigkeiten und Trends?). Was dokumentieren? Nicht nur Blutzucker, BE-Zufuhr und Insulinboli sollten routinemäßig erfasst werden. Auch von Bedeutung können sein: Katheterwechsel, Katheterprobleme, körperliche Aktivität, Infekte, psychischer Stress, Basalratenänderung, Insulinpumpenstop, Unterzuckerungsanzeichen, bei Frauen auch der Monatszyklus. 174 Jeder ermittelte Blutzuckermesswert sollte Anlass zum Überdenken und Nachdenken sein: Warum ist der Blutzucker so, wie er ist? Was ist anders als erwartet? Was kann ich hieraus für die Zukunft lernen? Diesbezüglich wird auf die Ausführungen zum PPL-System im Abschnitt 3.3 verwiesen. Eine aussagekräftige und übersichtliche Dokumentation der Messergebnisse und wesentlicher Rahmenbedingungen ist unabdingbar zumindest in Sondersituationen. Sie ermöglicht das Herausfinden von»persönlichen Gesetzmäßigkeiten«; sie ist Voraussetzung für eine effektive Beratung durch einen Diabetes-Fachmann, und sie dient nicht zuletzt zur Rechtfertigung des Teststreifenverbrauchs gegenüber der Krankenkasse. Von den Insulinherstellern und den Insulinpumpenfirmen gibt es kostenlos Tagebücher zum Eintragen der Blutzuckerverläufe. Sie unterscheiden sich in Art und Umfang der Dokumentation. Ein Insulinpumpenträger sollte verschiedene Systeme ausprobieren, um dasjenige herauszufinden, das ihm bei der Analyse von Messergebnissen am nützlichsten ist. Eine zusätzliche graphische Darstellung wird häufig als hilfreich empfunden. Manche Patienten entwickeln auch eigene Tabellen und Graphiken. Nicht die Art der Dokumentation ist entscheidend, sondern wichtig ist, inwieweit das Aufzeichnen der Ergebnisse dabei hilft, die individuellen Gesetzmäßigkeiten der Blutzuckerregulation zu erkennen. Eine Auswertung der Blutzuckerverläufe ist selbstverständlich auch mit geeigneter Software am eigenen PC möglich. Solche Programme werden von den Herstellern der Blutzuckermessgeräte für die gängigen Modelle angeboten. Die im Messgerät mit Datum und Uhrzeit gespeicherten Daten werden auf den PC überspielt und können anschließend rasch und übersichtlich analysiert werden bezüglich statistischer Kennzeichen wie z.b. Mittelwert, Schwankungsbreite, Häufigkeit von Werten im erniedrigten Bereich (z.b. unter 70 mg/dl) bzw. im erhöhten Bereich (z.b. über 200 mg/dl). Die computergesteuerte Auswertung besitzt jedoch einen wesentlichen Nachteil: Im Regelfall werden bei der Datenerfassung zahlreiche Einflussgrößen, die für den Blutzuckerverlauf eine gewisse Bedeutung haben, nicht berücksichtigt. Solche Parameter sind beispielsweise Drück-Ess-Abstand, Zeitdauer und Intensität von körperlicher Aktivität, Stress, Ärger, Katheterproblematik, Zeitpunkt und Ausmaß der Unterzuckerung, Alkoholkonsum, Basalratenveränderung, Menstruationszyklus, Infektsituation. Diese haben jedoch, wie mehrfach erwähnt, einen wechselnden, keinesfalls aber bedeutungslosen Stellenwert. Durch PC-Programme wird das Überdenken der persönlichen Blutzuckerverläufe nicht ersetzt, sondern nur erleichtert. Bei den Stechhilfen und den Lanzetten zur Blutgewinnung gibt es ebenfalls Unterschiede. Hinsichtlich der Stechhilfen sind wesentlich: die Größe, die Handhabung und die Einstellbarkeit der Stechtiefe. Für eine möglichst schmerzarme Blutge- 175

89 9. Blutzuckermessgeräte winnung sind insbesondere Schliff und Beschaffenheit der Nadel von Bedeutung. Diesbezüglich berichten uns die Patienten über gute Erfahrungen mit der»bd Microfine +«. Auch hier heißt es: Den Erfahrungsaustausch mit Betroffenen nutzen, die Angebote von verschiedenen Herstellern ausprobieren, um so den persönlichen»favoriten«herauszufinden. Nicht jede Lanzette passt in jede Stechhilfe. 10. Insulinpumpen-Therapie und Ketoazidose 10.1 Entwicklung einer Ketoazidose Bei Typ-1-Diabetikern liegt in der Regel keine bzw. eine unzureichende Insulinbildung der Bauchspeicheldrüse vor. Der Körper des Typ-1-Diabetikers ist deshalb ständig auf Insulinzufuhr von außen angewiesen. Wird beispielsweise bei einem fieberhaften Infekt mehr Insulin benötigt oder wird die Insulinzufuhr unterbrochen (z.b. Insulinpumpendefekt, Herausrutschen der Nadel), entsteht ein relativer bzw. absoluter Insulinmangel. Statt Traubenzucker wird nun Fett zur Energiegewinnung abgebaut. Dabei entstehen die Ketonkörper Azeton, Azetoazetat sowie Beta-Hydroxybutyrat, die zu einer Übersäuerung des Blutes führen und mit zunehmender Konzentration die typischen Anzeichen wie Unwohlsein, Bauchschmerzen, Übelkeit und Erbrechen verursachen (siehe schematische Übersicht in Abbildung 58). Azeton wird hauptsächlich über die Lunge ausgeatmet; es erzeugt den charakteristischen süßlichen Geruch nach faulen Äpfeln, den weniger der Betroffene, sondern eher die Umgebung wahrnimmt. Azetoazetat und auch ein Teil des Azetons werden im Urin ausgeschieden und können mit geeigneten Teststreifen, z.b. Ketur-Test nachgewiesen werden. Deutliche Verfärbungen des Testfeldes (++ bis +++) sind ein wichtiges Warnsignal für eine beginnende Stoffwechselentgleisung. Dagegen verbleibt das in relativ großer Menge gebildete Beta-Hydroxybutyrat im Blut und wird dort verstoffwechselt. Diese Substanz wird als ein empfindliches Warnsignal für eine Ketoazidose mit der Urintestung nicht erfasst; sie kann mittlerweile jedoch mit geeigneten Teststreifen und Messgerät vom Patienten selbst ermittelt werden. Die Bestimmung der Ketone im Blut ist für die frühzeitige Entdeckung einer kritischen Stoffwechselentgleisung und zur Überwachung der angemessenen Behandlung neben der Blutzuckermessung von Vorteil. Dies ist mit dem zunächst zur Blutzuckerbestimmung entwickelten Gerät Precision Xtra der Fa. Medisense möglich. Wie von der Zuckermessung gewohnt, wird ein Blutstropfen auf den Teststreifen aufgetragen, nach 30 sec erscheint im Display das Ergebnis. Im Normalfall liegt die Konzentration der Ketone im Blut unter 0,6 mmol/l. Ein Wert über 1,0 mmol/l ist Frühkennzeichen einer drohenden kritischen Stoffwechselsituation und erfordert weitere geeignete Maßnahmen. Der Azetonnachweis im Urin ist durch die Messung der Blutketonwerte keinesfalls überflüssig geworden. Die Beurteilung der Ketone im Urin ist für praktische Belange ausreichend genau, die Mitnahme von Urin-Teststreifen ist unproblematisch, es besteht keine Abhängigkeit von einem speziellen Messgerät, das Verfahren der Urinkontrolle ist insgesamt kostengünstiger und vermutlich auch weniger störanfällig. Nicht die Messmethode bzw. ein Zahlenwert auf einem Display ist wesentlich, um eine

90 10. Insulinpumpen-Therapie und Ketoazidose 10. Insulinpumpen-Therapie und Ketoazidose Tipp: Ketoazidose rechtzeitig erkennen Bei einem unerklärlich hohen Blutzuckerwert von 250 mg/dl (13,9 mmol/l) oder höher muss ein Azetontest durchgeführt werden (z.b. Ketur-Test). Bei Unwohlsein, Übelkeit und Erbrechen ist bereits bei Blutzuckerwerten um 200 mg/dl (11,1 mmol/l) ein Azetontest notwendig. Insulinmangel Hoher Blutzucker Zuckermangel Vermehrte Fett- (= Hyperglykämie) in der Zelle verbrennung (= Lipolyse) Blutzucker Abgeschlagenheit Fettverbrennung übersteigt die Gewichtsverlust jedoch unvollständig Nierenschwelle Muskelschwund drohende Ketoazidose bereits im Frühstadium zu erfassen, sondern der»kopf des Insulinpumpenträgers«, der rechtzeitig daran denken muss. Zucker im Urin Azeton und andere Ketonkörper vermehrt in Blut, Urin, Atemluft 10.2 Häufigkeit der Ketoazidose bei der Insulinpumpenbehandlung Das Risiko einer Ketoazidoseentwicklung ist unter der Insulinpumpen-Therapie im Vergleich zur Spritzenbehandlung größer. Unter der laufenden Insulinpumpenbasalrate besteht ein relativ kleines subkutanes Insulindepot von ca. 2-3 Einheiten mit somit nur kurzer Wirkdauer. Durch den auftretenden absoluten Insulinmangel, beispielsweise in Folge eines Katheterlecks, kann es daher relativ rasch zur Lipolyse (vermehrte Fettverbrennung) und ketoazidotischen Entgleisung kommen. Wichtig ist hierbei die frühzeitige Azetonmessung, da infolge des absoluten Insulinmangels bereits bei Blutzuckerwerten um 200 mg/dl bzw. 11,1 mmol/l das Azeton deutlich erhöht sein kann. Somit stellt die Ketoazidose neben der Gefahr der Hautinfektion an der Kathetereinstichstelle ein Insulinpumpentypisches Risiko dar. Hierüber muss jeder Insulinpumpenträger gut informiert und geschult werden. Denn die Erfahrung lehrt: Wird eine Ketoazidose nicht rechtzeitig erkannt, muss meist eine stationäre Krankenhausbehandlung erfolgen. Angegeben wird in der Literatur die Anzahl der Ketoazidosen pro Patient pro Jahr, d.h. diese Zahl bezeichnet die Wahrscheinlichkeit für einen einzelnen Insulinpumpenträger, während eines Jahres eine Ketoazidose zu erleben, die im Krankenhaus behandelt werden muss (Abb. 59). 178 Der Zucker zieht Zusätzlicher Verlust Übersäuerung des zusätzlich Wasser aus an Blutsalzen Blutes / Azetonvergiftung dem Körper (= Mineralstoffen) Austrocknung der Gewebe Wadenkrämpfe Übelkeit Verstärkte (Nierenversagen, Schock) Herzrhythmus- Erbrechen Atmung Müdigkeit, Abgeschlagenheit störungen Bauch- (= Hyper- Verstärkt Durst schmerzen ventilation) Vermehrtes Harnlassen (= Polyurie) Abb. 58: Entwicklung einer Ketoazidose Heutige Daten liegen bei etwa 0,02 Episoden pro Patient pro Jahr, d.h. von 100 Insulinpumpenträgern müssen pro Jahr durchschnittlich 2 Patienten wegen einer Ketoazidose stationär behandelt werden. Die Häufigkeit der stationär behandelten Ketoazidosen unter der Insulinpumpen-Therapie entspricht damit der unter der ICT. Man kann aber davon ausgehen, dass die wirkliche Zahl der beginnenden Ketoazidosen deutlich höher liegt, denn der gut geschulte Insulinpumpenpatient benötigt zur Behandlung der beginnenden Ketoazidose keine ärztliche Hilfe, insbesondere keine stationäre Behandlung mehr. Deutlicher wird bei den aufgeführten Daten auch die positive Entwicklung im Laufe der letzten Jahre. Diese kann durch die Verbesserung der Kathetermaterialien und In- 179

91 10. Insulinpumpen-Therapie und Ketoazidose 10. Insulinpumpen-Therapie und Ketoazidose sulinpumpen, durch die größere Erfahrung der Insulinpumpenzentren sowie durch die bessere Schulung der Patienten begründet sein. Bei einem Diabetiker nach Umstellung auf die Insulinpumpen-Behandlung (CSII) ist die Gefahr der Ketoazidoseentwicklung in den ersten Monaten relativ groß. Nachschulungen und Routine führen zu größerer Sicherheit und Abnahme der Ketoazidosehäufigkeit. Im weiteren Verlauf können besonders»routiniers«einer trügerischen Sicherheit unterliegen. Es werden weniger Blutzuckerwerte pro Tag gemessen, die Ketoazidosehäufigkeit steigt wieder an. Leckagen, Herausrutschen der Nadel Insulinverlust durch Herausrutschen der Nadel oder Leckagen werden von keinem Alarmsystem der Insulinpumpe registriert (Ausnahme: Insulinpumpe D-TRONplus, s. Abb. 60). Innerhalb weniger Stunden kann es daher unbemerkt zu einem absoluten Insulinmangel kommen. Bei Verwendung der Insulinpumpe H-TRONplus ist auf den regelmäßigen Wechsel des Adapters zu achten (alle 6 Monate). Adaptergewinde und Dichtungsring können mit der Zeit abnutzen und somit eine Ursache für Leckagen sein. Peden et al.: 0,24 Episoden pro Patient pro Jahr (1983) Irsigler et al.: 0,12 Episoden pro Patient pro Jahr (1984) Renner et al.: 0,06 Episoden pro Patient pro Jahr (1987) Renner et al.: 0,02 Episoden pro Patient pro Jahr (1998) Abb. 59: Häufigkeit der Ketoazidose unter Insulinpumpen-Therapie 10.3 Ketoazidose-Ursachen bei der Insulinpumpen-Therapie Krankheit mit Fieber Fieberhafte Infekte können natürlich auch bei Insulinpumpenträgern zu Blutzuckeranstieg und Ketoazidoseentwicklung führen. Fieber erhöht den Insulinbedarf. Pro ein Grad über 37 C Körpertemperatur müssen ca. 20 % Mehrbedarf an Insulin veranschlagt werden. Ein Mangel an Bewegung im Krankheitsfall kann zusätzlich zur Blutzuckerentgleisung beitragen. Somit gehören fieberhafte Infekte mit fehlender oder unzureichender Insulindosisanpassung sicher zu den häufigsten Ketoazidose-Ursachen bei Typ-1-Diabetikern unabhängig von der Art der Insulinbehandlung. Auch banale Infekte oder Entzündungen ohne Fieber, wie z.b. Entzündungen im Zahn- oder Kieferbereich und Weichteilinfektionen, können einen Insulinmehrbedarf begründen. Die Gefahr der Ketoazidose steigt, je weniger Insulineigenproduktion vorhanden ist. Im Rahmen eines fieberhaften Infektes entsteht ein relativer Insulinmangel, wenn nur die sonst übliche Insulinmenge gespritzt wurde. Das entstehende Insulindefizit lässt den Blutzucker ansteigen. Beim Insulinpumpenträger kommen nun Insulinpumpenspezifische Ketoazidoseursachen hinzu, die zu einem absoluten Insulinmangel führen können. 180 Abb. 60: Die Insulinpumpe D-TRONplus verfügt über einen Drucksensor, der eine drohende Unterbrechung der Insulinversorgung bei Katheterverstopfung, Leckagen etc. frühzeitig erkennt. Bedienungsfehler und technische Defekte Technische Defekte als Ursache einer Ketoazidose sind durch das hochentwickelte Alarmsystem der auf dem Markt befindlichen Insulinpumpen selten geworden. Die Tatsache, dass sich die Insulinpumpe im Stop-Zustand befindet und deshalb kein Insulin abgeben kann, wird von allen Insulinpumpen angezeigt. Dieser Warnton kann jedoch bewusst beim Ablegen der Insulinpumpen»weggedrückt«werden (z.b. beim Sauna-Besuch). Danach ist unbedingt darauf zu achten, die Insulinpumpe wieder in den Run-Zustand zu bringen, ansonsten ist die Ketoazidose am nächsten Morgen vorprogrammiert! (siehe auch Abb. 41»Checkliste bei Katheterwechsel«). Eine Verstopfung im Katheter mit Behinderung des Insulinflusses durch Auskristallisierung des Insulins ist bei heutigem Kathetermaterial selten geworden. Das Einklemmen des Katheterschlauches von außen (z.b. Gürtel) ist schwer möglich. Kommt es zu einer Behinderung des Insulinflusses, muss der Motor der Insulinpumpe gegen einen erhöhten Druck arbeiten. Wird dabei ein Schwellenwert überschritten, kommt es zum Verstopfungsalarm. Das maximale Staubolusvolumen bis zum Auftreten dieses Alarms 181

92 10. Insulinpumpen-Therapie und Ketoazidose 10. Insulinpumpen-Therapie und Ketoazidose kann bei einer U100-Insulinampulle abhängig vom Insulinpumpenmodell und den verwendeten Ampullen mehr als 4 I.E. betragen. Bei der Insulinpumpe D-TRONplus sorgt ein Sensor dafür, dass ein Verstopfungsalarm bereits nach 2-4 I.E. angezeigt wird. Ein Verstopfungsalarm kann auch bei erhöhter Reibung in der Insulinpumpe (Ampulle oder Gewinde) entstehen. Zeigt daher die Insulinpumpe nach einem Katheterwechsel immer noch einen Verstopfungsalarm an, müssen die Ampulle und ggf. auch die Gewindestange und die Batterien gewechselt werden. In Einzelfällen wurde fälschlicherweise ein Verstopfungsalarm bei zu schwacher Batteriespannung ausgelöst. Nach Verletzung eines Gefäßes im Unterhautfettgewebe beim Einstich des Katheters kann eine Blutsäule im Katheterschlauch sichtbar werden. Der im Insuman Infusat enthaltene Stabilisator Genapol wirkt lokal etwas blutgerinnungshemmend. Eine kleine Blutsäule sollte daher mit dem nächsten Bolus herausspülbar sein. Ist ein größeres Volumen des Katheters mit Blut gefüllt, kann das geronnene Blut einen Insulinstop verursachen. Der Katheter sollte rasch gewechselt werden. Beim Einlegen einer neuen Ampulle bzw. beim Legen eines neuen Katheters müssen alle Luftblasen im System entfernt werden. Eine Luftblase in der Ampulle kann durch das Tragen der Insulinpumpe mit nach oben gerichteter Ampullenöffnung in den Katheter gelangen. Das Ketoazidoserisiko erscheint hierbei gering. Eine Luftblase von ca. 10 cm Länge im Katheterschlauch entspricht dem Insulinverlust von etwa einer Einheit U100-Insulin. Zur Vermeidung von Luftblasen sollten die Insulinampullen einige Stunden vor Gebrauch aus dem Kühlschrank genommen werden. Bei hoher Insulinempfindlichkeit bzw. einem geringen Tagesgesamtinsulinbedarf (25 Einheiten oder weniger) empfiehlt sich der Einsatz einer Insulinpumpe mit U40- lnsulin. U40-lnsulin (1 ml entspricht 40 I.E.) hat gegenüber U100-lnsulin eine 2,5-fach höhere Volumenmenge, die Durchflussrate im Katheter wird dadurch gesteigert. Veränderungen der Haut Bei einer Nickelallergie gegen die Katheternadel kann es auch zu Reaktionen des Unterhautfettgewebes kommen. Typisch sind Verhärtungen im Bereich der Nadeleinstichstelle. Derartige Granulome sieht man auch bei längerer Liegedauer des Katheters. Eine unsaubere Arbeitsweise beim Katheterlegen birgt die Gefahr von Entzündungen an der Kathetereinstichstelle. In all diesen Fällen wird die Insulinaufnahme behindert, die Entwicklung einer Ketoazidose ist möglich. Da diese Risiken mit der Liegedauer des Katheters deutlich zunehmen, empfiehlt sich ein Katheterwechsel mindestens jeden 2. Tag Rechtzeitiges Erkennen der Ketoazidose Es ist wichtig, dass ein Insulinpumpenträger eine sich entwickelnde Stoffwechselentgleisung bereits im Frühstadium bemerkt. Wer zu spät daran denkt und nicht rechtzeitig das Richtige tut, kann in eine bedrohliche Situation kommen. Eine fortgeschrittene Ketoazidose ist eine ernste und gefährliche Krankheit; sie muss im Regelfall stationär in einer Klinik auf der Intensivstation behandelt werden. Der gut informierte Patient kann diese kritische Situation in aller Regel verhindern. Was sind nun die Kennzeichen einer beginnenden Ketoazidose? Große Bedeutung zur Früherkennung haben die sog.»klinischen Symptome«, also körperliche Veränderungen und Erscheinungen, die der Insulinpumpenträger bei sich selbst feststellen kann. Oft sind ein allgemeines Unwohlsein mit Bauchbeschwerden die ersten Anzeichen, später kommen Übelkeit und Erbrechen dazu. Dieser Zustand darf auf keinen Fall mit einem»verdorbenen Magen«oder mit einer harmlosen Magen-Darm-Verstimmung verwechselt werden. Immer wieder kommt es zu Fehldeutungen gelegentlich auch vom hinzugerufenen Arzt. Es ist sehr wichtig, als Betroffener diese»körpersprache«bewusst wahrzunehmen und sie entsprechend zu deuten. Die üblichen Kennzeichen einer Blutzuckerentgleisung nach oben, nämlich starker Durst, häufiges Wasserlassen und unerklärliche Müdigkeit sind nicht Frühwarnzeichen einer Ketoazidose, sondern treten gewöhnlich erst in einem weiter fortgeschrittenem Stadium auf. Ein weiterer deutlicher Hinweis kann ein unerwartet hoher Blutzuckerwert sein. Bei einem Messergebnis über 250 mg/dl, das nicht ohne weiteres erklärbar ist, sollte stets auch an eine eventuelle Ketoazidose gedacht werden. Ausgeprägte Blutzuckeranstiege auf Werte über 400 mg/dl sind für eine Entgleisung im Frühstadium nicht typisch. Falls wie empfohlen der Blutzucker durch Selbstmessung täglich mindestens 3-4 mal überprüft wird, ist es kaum vorstellbar, dass sich eine Ketoazidose bis zu einem äußerst gefährlichen, schwerwiegenden Stadium mit der Notwendigkeit einer intensivmedizinischen Betreuung entwickelt. In solchen Fällen wurden meistens die gleichen Fehler gemacht: Zu seltene Blutzuckerselbstkontrolle, d.h. Intervalle von 12 Stunden oder mehr Fehlinterpretation der Frühzeichen Nicht ausreichende Information über eine Ketoazidose An die Möglichkeit einer Ketoazidose wurde einfach nicht gedacht. Bei geringstem Verdacht auf eine Stoffwechselentgleisung entweder wegen typischer körperlicher Symptome oder wegen unklarer Blutzuckererhöhung auf Werte über 250 mg/dl ist die umgehende Bestimmung der Ketonkörper unerlässlich

93 10. Insulinpumpen-Therapie und Ketoazidose 10. Insulinpumpen-Therapie und Ketoazidose Der Azetonnachweis im Urin stellt dafür die Standardmethode dar und hat auch heute noch seine Berechtigung. Bei deutlicher Verfärbung des Testfeldes mit zweifach bzw. dreifach positivem Ergebnis besteht Handlungsbedarf, und es ist gemäß den Empfehlungen im Abb. 65 vorzugehen. Konsequenterweise gehören Azetonteststreifen zur Urinkontrolle in das»notfall-täschchen«eines jeden Insulinpumpenträgers. Die Bestimmung der Ketone im Blut liefert einen weiteren wichtigen Mosaikstein zur frühzeitigen Erkennung einer Stoffwechselentgleisung. Hierzu eignet sich das Blutzuckermessgerät Precision Xtra mit speziellen Teststreifen. Dieses Verfahren ist zwar nicht zwingend notwendig, aber es kann vorteilhaft sein. Im Regelfall wird eine beginnende ketoazidotische Entgleisung damit früher festgestellt werden, als dies mit der Urintestung möglich wäre. Die Messung ist auch durchführbar, wenn keine Urinprobe gewonnen werden kann. Schließlich erlaubt das Messgerät eine quantitative Ermittlung der Ketonwerte im Blut. Auch zur Verlaufskontrolle einer Ketoazidose unter geeigneter Behandlung bietet die Kenntnis der Ketone im Blut Vorteile. Allerdings sind uns Einzelfälle bekannt, in denen bei deutlich positivem Azetonnachweis im Urin das Messgerät keine nennenswert erhöhten Ketonwerte im Blut angezeigt hat. Eine Erklärung dafür haben wir nicht, auch eine Rückfrage bei der Fa. Medisense half nicht weiter. Dieser Sachverhalt ist eine zusätzliche Rechtfertigung dafür, bei Insulinpumpenträgern als Schulungsinhalt eventuell eine beginnende ketoazidotische Entgleisung zu simulieren. Eine begleitende Parallelmessung von Azeton im Urin und von Ketonkörpern im Blut ist dabei zweckmäßig und dringend anzuraten. Wichtige Hinweise auf eine beginnende Entgleisung können also sein: Unwohlsein Bauchbeschwerden Übelkeit Erbrechen Bei entsprechenden körperlichen Beschwerden und/oder deutlich erhöhten Blutzuckerwerten ohne offensichtlichen Grund muss an die Möglichkeit einer Ketoazidose gedacht werden, und es sind unverzüglich die sog.»kontrollmessungen«durchzuführen, nämlich Azetonüberprüfung im Urin und/ oder Bestimmung der Ketonkörper im Blut. Rechtzeitiges Erkennen einer ketoazidotischen Entgleisung! Warnzeichen Worauf achten? Wenn typische körperliche Symptome auftreten (Unwohlsein, Bauchbeschwerden, Übelkeit, Erbrechen) und / oder der Blutzucker unerwartet hoch ist (über 250 mg/dl bzw. über 14 mmol/l) muss an eine Ketoazidose gedacht werden. Dann umgehend Azeton im Urin bestimmen Handlungsbedarf besteht, wenn ++ oder +++ und / oder Ketone im Blut messen Handlungsbedarf besteht, wenn der Wert höher als 1,0 mmol/l ist Merke: Schon der Verdacht einer Ketoazidose erfordert geeignetes Handeln Abb. 61: Tipps zur Früherkennung einer Ketoazidose 10.5 Behandlung der Ketoazidose durch den Insulinpumpenträger Eine fortgeschrittene Ketoazidose mit heftigem Erbrechen, Bewusstseinstrübung oder Bewusstseinsverlust muss selbstverständlich in einer Klinik unter intensivmedizinischer Überwachung behandelt werden. Darauf wollen wir an dieser Stelle nicht weiter eingehen. Die Notwendigkeit einer stationären Behandlung lässt sich aber in der Regel vermeiden, wenn eine beginnende Ketoazidose im Frühstadium erkannt wird. Dann kann sie von einem gut geschulten Insulinpumpenträger in Eigenregie behandelt werden. Es ist oft auch günstig, wenn Angehörige mit den Behandlungsrichtlinien vertraut sind. In Zweifelsfällen sollte Kontakt mit einem Insulinpumpenerfahrenen Arzt aufgenommen werden. Während einer Ketoazidose kommt es durch die Übersäuerung des Körpers zu einer verschlechterten Insulinempfindlichkeit, die blutzuckersenkende Wirkung von Insulin wird geringer. Deshalb ist erfahrungsgemäß ein großer Bedarf an schnell wirkendem Insulin (Normalinsulin oder Insulinanalogon) erforderlich. Es gilt als Leitlinie:»Nicht kleckern, sondern klotzen«

94 10. Insulinpumpen-Therapie und Ketoazidose 10. Insulinpumpen-Therapie und Ketoazidose Zur Korrektur der erhöhten Blutzuckerwerte empfehlen wir, als Startdosis etwa 20 % des Tagesgesamtinsulins in zweistündigem Abstand zu spritzen, bis der Blutzucker deutlich fällt (mehr als 50mg/dl bzw. 2,8 mmol/l). Zweckmäßigerweise sollte die Insulingabe mit einer Insulinspritze erfolgen, denn ein Insulinpumpen- oder Katheterdefekt kann in diesem Moment nicht ausgeschlossen werden. Sollte es nach 2 Stunden nicht zu einem nennenswerten BZ-Abfall kommen, kann die Startdosis solange fortgesetzt, bis der Blutzucker unter 200mg/dl bzw. 11,1 mmol/l liegt. In diesem Fall wird die Insulintherapie mit der halbierten Startdosis so lange fortgesetzt werden, bis der Blutzucker unter 200 mg/dl bzw. 11,1 mmol/l liegt. Der Flüssigkeitsverlust muss durch reichliches Trinken ersetzt werden. Insbesondere auf Urlaubsreisen ist der Einsatz von Mineralpräparaten (Oralpädon/ Elotransbeutel) sinnvoll. Im Falle der Entgleisung ist Ruhe erforderlich, jede körperliche Anstrengung würde die Übersäuerung des Körpers verstärken. Selbstverständlich sollte in dieser Phase auch keine Nahrungsaufnahme erfolgen. Entwarnung kann erst mehrere Stunden nach einer schweren Entgleisung gegeben werden. Bei negativem Azeton und einem BZ unter 200 mg/dl (11,1 mmol/l) empfehlen wir, wieder kleine Mahlzeiten einzunehmen (z.b. 2 BE Banane wegen des hohen Kaliumgehaltes). Eine relative Insulinunempfindlichkeit kann über 12 Stunden nach einer Entgleisung anhalten, daher müssen evtl. die BE-Faktoren und die Korrekturregeln verschärft werden (Abb. 62). Beispiel: bisheriger BE-Faktor: verschärfter BE-Faktor: bisherige Korrekturregel: verschärfte Korrekturregel: 2,0 I.E./BE 2,5 I.E./BE Korrektur mit einer Einheit Normalinsulin in 40er Schritten ab einem Blutzucker von 140 mg/dl Korrektur mit einer Einheit Normalinsulin in 30er Schritten ab einem Blutzucker von 120 mg/dl Abb. 62: BE-Faktor und Korrekturregel nach Entgleisung (Beispiel in mg/dl) Alle drei bis vier Stunden sollte Normalinsulin (bzw. zwei- bis dreistündlich kurzwirksames Insulinanalogon) nach der Korrekturregel gespritzt werden, bis die Entgleisung endgültig überwunden und die ursprüngliche Insulinempfindlichkeit wieder erreicht ist. Dies gilt vor allem auch in den Nachtstunden (Wecker stellen!). Nach jeder Entgleisung muss eine Ursachenforschung erfolgen. Die folgende Checkliste (Abb. 63) und das Merkblatt Entgleisung (Abb. 64) fassen nochmals alle wichtigen Punkte zusammen. Checkliste: Ursachen einer Ketoazidose Ja Nein 1. Fieber? Infekt? Insulinpumpe im Run? Einstichstellen auffällig?... (Rötung, Schmerz, Lipohypertrophie) 4. Katheter richtig fixiert?... (Haut»riecht«nach Insulin, Feuchtigkeit an der Einstichstelle) 5. Katheterliegedauer zu lang? Luftblasen im Katheter? Blut im Katheter? Leckage an Verbindungsstücken... oder am Schlauchsystem? (Leck»riecht«nach Insulin) 9. Katheter nach dem Herausziehen durchgängig? Insulinampulle leer? Ampullenfach feucht? (»riecht«nach Insulin) Riss in der Ampulle?... Abb. 63: Ursachenforschung bei ketoazidotischer Entgleisung 10.6 Entgleisungssimulation Im Rahmen einer Insulinpumpenerstschulung wird von manchen Pumpenzentren bewusst eine beginnende Ketoazidose simuliert. Mit Einverständnis des Insulinpumpenträgers und nach intensiver Schulung wird die Insulinpumpe dazu vorsätzlich ausgeschaltet und somit ein rascher absoluter Insulinmangel provoziert. Nach 3 bis 12 Stunden (individuell unterschiedlich) beobachtet der Patient in der Regel die typischen Kennzeichen einer drohenden Entgleisung (siehe Punkt 10.4) und kann dann die beginnende Ketoazidose durch ausreichende Insulinzufuhr rasch beheben. Als Vorteile dieser Provokation unter ärztlicher Betreuung werden angesehen:

95 10. Insulinpumpen-Therapie und Ketoazidose Das Risiko einer Ketoazidose ist weniger angstbesetzt. Der Insulinpumpenträger erlebt, wie rasch sich eine Entgleisung entwickeln kann. Er lernt seine persönlichen Frühwarnzeichen einer beginnenden Ketoazidose kennen. Er wird darin geübt, im Verdachtsfall (Übelkeit, Erbrechen, Bauchschmerzen) die Azetonausscheidung im Urin zu überprüfen. Er erfährt, wie eine drohende Ketoazidose durch relativ große Insulinmengen (siehe Kapitel 10.4) rasch beseitigt werden kann. Dabei trainiert er, auch unter Stress richtig zu reagieren. Entgleisung Bei deutlich erhöhtem Blutzucker (über 250 mg/dl bzw. 14 mmol/l) und Azetonnachweis (Urintestung ++/+++ bzw. Blutketone erhöht) oft mit Unwohlsein, Bauchbeschwerden, Übelkeit, Erbrechen sofort großzügige Gabe von schnellwirksamen Insulin: als Startdosis ca. 20 % des Tagesgesamtinsulins alle zwei Stunden wiederholen, bis der Blutzucker deutlich abfällt (mehr als 50 mg/dl bzw. 3 mmol/l) dann Insulinbehandlung mit halbierter Startdosis fortsetzen, bis sich der Blutzucker tendenziell normalisiert (unter 200mg/dl bzw. 11mmol/l) nichts essen viel trinken ( ca. 1 Liter Mineralwasser, Tee pro Stunde) keine körperliche Anstrengung (Ruhe bewahren!) 11. Unterzuckerung Die Gefahr einer Unterzuckerung (Hypoglykämie) ist kein Insulinpumpentypisches Problem. Das Auftreten von Hypoglykämien was die Häufigkeit, aber auch was den Schweregrad anbelangt ist in der Regel bei einer Insulinpumpenbehandlung geringer als bei einer konventionellen bzw. intensivierten Insulintherapie mit Spritze oder Pen Insulinpumpenbehandlung bei Hypoglykämieproblemen Während der Anfangszeit der Insulinpumpenbehandlung in den 80er Jahren wurde eher davon abgeraten, Patienten mit ausgeprägteren Hypoglykämieproblemen auf eine Insulinpumpe einzustellen. Diese Meinung gilt heute nicht mehr. Disziplinierte, gut geschulte Diabetiker, bei denen häufige Unterzuckerungen auftreten, profitieren sehr oft von einer Insulinpumpenbehandlung, insbesondere in folgenden Fällen: häufige nächtliche Hypoglykämien bei hoher Insulinempfindlichkeit nachts und Vorliegen eines typischen Dawn-Phänomens (Morgendämmerungs-Phänomen) geringer Tagesinsulinbedarf von 25 I.E. und weniger tageszeitlich stark wechselnde Insulinempfindlichkeit (z.b. hoher Insulinbedarf in den frühen Morgenstunden bei gleichzeitig geringem Insulinbedarf mittags und insbesondere um Mitternacht) Entwarnung Erst mehrere Stunden nach einer schweren Entgleisung ist die Gefahr gebannt. In dieser Zeit ist der Körper noch insulinunempfindlich. wenn Azeton im Urin negativ bzw. Azeton im Blut unter 0,6 mmol/l und gleichzeitig Blutzucker unter 200 mg/dl bzw. 11mmol/l dann: kleine Mahlzeiten mit hohem Kohlenhydratanteil (z.b. Banane) möglich. Dazu Insulingabe nach BE-Faktor und Korrekturregeln. Eventuell müssen diese verschärft werden. weiter alle vier Stunden Insulingabe nach Korrekturregeln (auch nachts!) weiter reichlich trinken überlegen: was war die Ursache? Abb. 64: Merkregeln zur ketoazidotischen Entgleisung

96 11. Unterzuckerung 11. Unterzuckerung Diabetiker mit einem sogenannten Dawn-Phänomen kommen besonders für die Insulinpumpen-Therapie in Frage. Wenn sich bei Verwendung von zinkhaltigem Semilente-lnsulin als Spätspritze keine zufriedenstellende Blutzuckerglättung während der Nacht erzielen lässt, oder wenn aus praktischen Gründen die morgendliche erste Insulininjektion nicht vor 6.00 Uhr zugemutet werden kann, ist hier die Insulinpumpenbehandlung Methode der Wahl. Dabei ist die stündliche Basalrate um Mitternacht sehr niedrig zu wählen und anschließend etwa ab 3.00 Uhr deutlich schrittweise zu erhöhen, teilweise auf das 3-4fache, in Einzelfällen sogar noch mehr. Diabetiker mit einer sehr guten Insulinempfindlichkeit - erkennbar an einer niedrigen Tagesgesamtinsulinmenge haben häufiger vermehrte Unterzuckerungen. Bei Verwendung von Spritze / Pen lässt sich die Insulinmenge üblicherweise nur in Intervallen von jeweils 1 I.E. dosieren. Würde man beispielsweise statt eines Bolus von 3 I.E. hier nur 2 bzw. 4 I.E. spritzen, so entspräche dies einer relativen Insulinmengenänderung von 33 %. Bei Verwendung einer Insulinpumpe ist die Insulindosierung in kleineren Schritten möglich und kann genauer angepasst werden. Es sind allerdings auch Pens mit Dosierungsintervallen von 0,5 I.E. auf dem Markt (BD Pen mini, NovoPen 3 Demi). Erfahrungsgemäß gibt es auch Diabetiker mit häufigen Unterzuckerungen, die von einer Insulinpumpe nicht profitieren. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Ursache der Unterzuckerung im weiteren Sinne in der Persönlichkeitsstruktur des Diabetikers und damit in der unzureichenden Selbstbehandlung liegt. Beispielsweise sind hier zu nennen: Suchtproblematik (vor allem Alkohol)»Null-Bock-Mentalität«psychosoziale Probleme In solchen Fällen sollte der Beginn einer Insulinpumpenbehandlung immer sehr kritisch gesehen werden, denn persönlichkeitsbedingte Probleme mit der Diabeteseinstellung lassen sich durch eine Insulinpumpenbehandlung im Regelfall nicht lösen. Sie werden durch die zusätzlichen Erfordernisse an vermehrter Eigenverantwortung bei der Insulinpumpen-Therapie oft noch verstärkt. Schließlich gibt es auch Diabetiker mit häufigen Hypoglykämien, bei denen die Entscheidung für eine Insulinpumpenbehandlung besonders gut überdacht werden muss; zu nennen sind: erschwerte bzw. aufgehobene Unterzuckerungswahrnehmung (sogenannte»unawareness«) alleinstehende Diabetiker fortgeschrittene Folgeerkrankungen (z.b. Dialysepflichtigkeit, Gastroparese, eingeschränktes Sehvermögen) Bei Typ-1-Diabetikern mit einer Diabetesdauer von 10 Jahren und mehr liegt oft eine erschwerte bis aufgehobene Wahrnehmung der Unterzuckerungsanzeichen vor. Hier ist die Gefahr einer Unterzuckerung mit Hilflosigkeit und der Notwendigkeit von Fremdhilfe besonders groß. Selbstverständlich birgt hier die Insulinpumpen-Therapie ein gewisses Risiko, besonders in Verbindung mit einer sehr normnahen Blutzuckereinstellung. Bei einer Hypoglykämie mit Bewusstlosigkeit wird ja von der Insulinpumpe weiterhin Insulin als Basalrate abgegeben und dadurch die Unterzuckerungssymptomatik noch verstärkt. Die Hypo-Wahrnehmungsstörung ist oft mit einer sehr häufigen Unterzuckerungsfrequenz, meist mehr als 2-3mal wöchentlich, verbunden. Es ist bekannt, dass die Wahrnehmung eines Unterzuckers mit größerer Häufigkeit von Hypoglykämien schlechter wird. Durch geringe Anhebung des Blutzuckerzielbereiches und mit Hilfe einer konsequenten Umsetzung von Hypoglykämie-Vermeidungsstrategien gelingt es unter Insulinpumpenbehandlung in der Regel, die Anzahl auch der leichten Hypoglykämien deutlich zu verringern. Wenn gleichzeitig noch die eigene Körperbeobachtung und die richtige Deutung der oft nur noch gering ausgeprägten Anzeichen einer Hypoglykämie verbessert werden, erreicht man nicht selten eine Besserung der vorbestehenden Wahrnehmungsstörung. Der Diabetiker kann anhand von diskreten, für ihn jedoch relativ typischen Körperveränderungen eine drohende Unterzuckerung erkennen und rechtzeitig noch geeignete Gegenmaßnahmen ergreifen (Hypo-Wahrnehmungstraining). Diabetiker mit einer Hypo-Wahrnehmungsstörung sollten grundsätzlich eine Insulinpumpe mit einer sogenannten Sicherheitsschaltung benutzen. Dadurch wird gewährleistet, dass die Insulinpumpe automatisch nach einem fest eingestellten Zeitintervall (z.b. 12 Stunden) in den Stop-Zustand gesetzt wird, falls zwischenzeitlich kein Bedienungsknopf gedrückt wird. Dieses Zeitintervall kann auch verringert werden, beispielsweise auf 8-10 Stunden. Dabei ist zu beachten: das einprogrammierte Zeitintervall bestimmt die maximal mögliche Schlafdauer des Insulinpumpenträgers. Durch zahlreiche Studien ließ sich zeigen, dass bei geeigneter Patientenauswahl die durchschnittliche Anzahl von Unterzuckerungen unter einer Insulinpumpen-Therapie trotz verbesserter Stoffwechsellage geringer ist als unter einer Spritzen-/Pen-Therapie. Dies ist nicht verwunderlich: Denn bei korrekt eingestellter Basalrate kann der gut informierte und motivierte Insulinpumpenträger die erforderliche Bolusmenge in kleinen Schritten relativ problemlos abrufen vorausgesetzt, er kennt den jeweiligen aktuellen Blutzuckerwert. Ausreichend genaue und häufige Blutzuckerselbstkontrollen sind natürlich eine wesentliche Voraussetzung für einen stabilen Blutzuckerverlauf, speziell für eine geringere Häufigkeit von Unterzuckerungen

97 11. Unterzuckerung 11. Unterzuckerung 11.2 Risikosituationen Für Insulinpumpenpatienten ist es wie für jeden insulinspritzenden Diabetiker von großer Bedeutung, die besonderen Risikosituationen für eine Unterzuckerung zu kennen. Denn die wichtigste, die häufigste und auch die gefährlichste Nebenwirkung einer Insulinbehandlung ist eben die Hypoglykämie. Ganz allgemein besteht die Gefahr einer Unterzuckerung dann, wenn bei einer normnahen Blutzuckereinstellung der Insulinspiegel im Blut höher ist als der tatsächliche Bedarf. Das Unterzuckerungsrisiko ist in folgenden Situationen erhöht: übermäßig hoher Insulinspiegel im Blut, z.b. nach einer großen Bolusgabe geringer Insulinbedarf, z.b. bei körperlicher Aktivität niedriger Blutzuckerausgangswert, z.b. bei sehr knappen Blutzuckerzielbereichen von 100 mg/dl oder weniger (»Tiefflieger«) rasch abfallender Blutzuckertrend eingeschränkte Zuckerneubildung in der Leber, z.b. nach vorangegangenem Alkoholgenuss Muskelauffülleffekt: nach längerer körperlicher Aktivität verbesserte Hautdurchblutung an der Kathetereinstichstelle (warmes Vollbad, Saunabesuch, Sonnenbad) Allgemeine Ursachen einer Hypoglykämie: zu wenig gegessen zu viel Insulin (zu große Basalrate, zu großer Bolus) zu viel körperliche Aktivität vermehrter Alkoholgenuss Fehler bei der Blutzuckerselbstkontrolle (zu selten, zu ungenau) Fehleinschätzung der Nahrung (z.b. Restaurantessen, ungewohnte Kost im Urlaub) verbesserte Insulinwirkung (z.b. bei Gewichtsabnahme, bei Frauen z.t. zyklusabhängig) Doppelkorrektur (gleichzeitig Korrekturinsulingabe und Weglassen von BE) Bolusüberlappung (Missachtung der Insulinwirkdauer) Insulinpumpenspezifische Ursachen einer Hypoglykämie Bedienungsfehler, wie versehentliche doppelte Bolusgabe, fälschliche Basalratenerhöhung Ampullenwechsel mit im Bauch liegender Katheternadel Verschlossene Öffnungen im Adapter der Insulinpumpe H-TRONplus (z.b. Schmutz, rotes Verschlussstück) Abb. 65: Risikosituationen für Unterzuckerung 192 Insulinbehandelte Diabetiker sollten lernen, solche Risikosituationen zu erkennen, um rechtzeitig entsprechende Gegenmaßnahmen ergreifen zu können: entweder vermehrte Zufuhr von Kohlehydraten und/oder rechtzeitige Verringerung der Insulinmenge. Dies trifft insbesondere für den Typ-1-Diabetiker mit absolutem Insulinmangel zu. Wesentliche Ursachen für eine Unterzuckerung sind in Abb. 65 zusammengestellt Vermeidungsstrategien Bei jeder Form der Insulinbehandlung müssen Häufigkeit und Schweregrad von Unterzuckerungen möglichst gering gehalten werden. Hierzu ist hilfreich, bereits im Vorfeld allgemeine Strategien zur Hypoglykämievermeidung zu kennen und konsequent einzuhalten (Abb. 67). Eine wichtige Vermeidungsstrategie besteht darin, das eigene Bewusstsein für eine Unterzuckerungsgefahr zu sensibilisieren. Dabei geht es darum, allgemeine Risikosituationen zu kennen und im Vorfeld mit einer Art»siebtem Sinn«entsprechende Gefahrenmomente zu erahnen. Persönliche Besonderheiten und Erfahrungen sind zu beachten. Etwas provokativ lässt sich behaupten:»die Unterzuckerung beginnt oft im Kopf«! So betrachtet sind die Auslöser für eine Hypoglykämie auch im mentalen Bereich zu suchen, beispielsweise infolge von Sorglosigkeit, Ablenkung, Unwissenheit, und Gedankenlosigkeit. Es soll jedoch klar gestellt werden: Trotz großer Sorgfalt und gewissenhaftem Nachdenken können Unterzuckerungen nicht hundertprozentig vermieden werden; allerdings lässt sich ihre Häufigkeit nicht selten verringern. Eine andere Vermeidungsstrategie ist das Anheben von übertrieben niedrigen Blutzuckerzielbereichen (»Tiefflieger-Mentalität«). Dahinter verbirgt sich häufig eine übersteigerte Angst vor Folgeerkrankungen. Wenn beispielsweise ein Diabetiker nach mehr als 30-jähriger Krankheitsdauer keinerlei Folgeerkrankungen hat und zusätzlich zahlreiche»schutzfaktoren«aufweist, wie z.b. Nichtraucher, normales Körpergewicht, Strategien zur Vermeidung von Unterzuckerungen: Denken! Risikosituationen kennen und erahnen Messen! häufige Blutzuckerselbstkontrolle vor, während und nach Risikosituationen Vorbeugen! eventuell Anheben des Blutzuckerzielbereiches Erfahrung sammeln! persönliche Gesetzmäßigkeiten herausfinden und beachten Abb. 66: Allgemeine Strategien zur Hypoglykämie-Vermeidung 193

98 11. Unterzuckerung 11. Unterzuckerung regelmäßige körperliche Aktivität, kein Bluthochdruck, gute Blutfette, hohes Alter bei Vorfahren, so ist schwer nachzuvollziehen, warum durch eine übertrieben straffe Blutzuckereinstellung ein unangebracht hohes Risiko für Unterzuckerungen eingegangen wird, insbesondere dann nicht, wenn in der Vergangenheit bereits häufiger Hypoglykämien mit Hilflosigkeit aufgetreten sind. Eine weitere Möglichkeit zur Verringerung von Unterzuckerungen besteht darin, persönliche Erfahrungen mit eigenen Hypoglykämien zu überdenken und sich mögliches Fehlverhalten bewusst zu machen. Hierzu ist es hilfreich, wenn im Anschluss an eine Hypoglykämie, eventuell auch erst nach einigen Stunden, gezielt und intensiv darüber nachgedacht wird, warum es dazu gekommen ist. Dadurch lässt sich nach und nach eine persönliche Checkliste für eine mögliche Unterzuckerungsgefährdung erstellen. Für zukünftige Situationen aus dieser Checkliste wird dann empfohlen, den Blutzuckerzielbereich bewusst anzuheben, d.h. eine rechtzeitige Verringerung der Insulinmenge (Bolusreduktion oder Basalratensenkung) bzw. angemessene Zufuhr von Extra- BE. Schließlich geht es auch darum, veränderte Situationen mit größerer Blutzuckerlabilität und der Möglichkeit eines stärkeren Blutzuckerabfalls als solche wahrzunehmen und nicht an starren Anpassungsschemata mit fixen BE-Regeln und Korrekturzahlen zwanghaft festzuhalten. Solche Sondersituationen können sein: vermehrte unübliche körperliche Tätigkeit erheblicher, ungewohnter Alkoholkonsum geänderter Tagesrhythmus (z.b. im Urlaub) unbekannte Speisen und Getränke (z.b. Restaurantessen) ausgeprägte sportliche Aktivität Allgemein empfehlen wir, in Sondersituationen bewusst vorübergehend leicht erhöhte Blutzuckerwerte in Kauf zu nehmen und damit gleichzeitig das Unterzuckerungsrisiko zu verringern. Vergleiche hierzu auch die»was wäre wenn«-überlegungen im Abschnitt 8.2. In Abb. 67 sind für konkrete Risikosituationen denkbare Vermeidungsstrategien aufgelistet. Eine Ergänzung dieser Aufstellung mit eigenen Erfahrungen dürfte hilfreich sein. Risikosituation Vermeidungsstrategie zu wenig Kohlehydrate 1. BE-Schätzung verbessern: gegessen im Verhältnis Informationen über BE-Menge besorgen zum abgegebenen Bolus (z.b. im Buch»Kalorien mundgerecht«) Schätzung durch Abwiegen überprüfen 2. Nahrungsbolus verringern: BE-Faktor hinterfragen mit ähnlichen früheren Situationen vergleichen 3. Bolussplitting: Bolusgabe aufteilen, dann kann der zweite Anteil verringert werden, falls das geplante Essen nicht schmeckt körperliche Aktivität bei geplanter körperlicher Aktivität vorher bewusst weniger Insulin, zum Teil bis 50 % weniger (Bolus und/oder Basalrate) bei ungeplanter körperlicher Aktivität vor Beginn Extra-BE zu sich nehmen körperliche Aktivität (z.b. Hausarbeit, Einkaufen) als solche wahrnehmen Alkoholgenuss großzügig Extra-BE zu sich nehmen geringerer Bolus und/oder Basalratenabsenkung bei Alkohogenuss jeglicher Art BZ-Zielwert erhöhen niemals Insulin für alkoholische Getränke verabreichen unbekanntes Essen bewusst weniger Bolus, nach 2-3 Stunden Blutzucker (z.b. im Restaurant) messen, ggf. zusätzlicher Bolus Blutzuckerselbstkontrolle häufiger messen weniger als 3-4 mal tgl. Saunabesuch großzügig Extra-BE»Bierabend«nach sport- Extra-BE mit deutlicher Anhebung des BZ-Zielbereiches licher Aktivität (z.b. Volleyball, vor dem Schlafengehen und ggf. Basalratensenkung Kegeln, Aerobic, Tennis) während der Nacht (Sport und Alkohol wirken nach, Kombination ist schlecht berechenbar) eigene Risikosituation eigene Vermeidungsstrategie Abb. 67: konkrete Risikosituationen und mögliche Vermeidungsstrategien

99 11. Unterzuckerung 11. Unterzuckerung 11.4 Behandlung einer Unterzuckerung Die Vorgehensweise bei einer Unterzuckerung ist bei Spritzen-Pen-Therapie und bei Insulinpumpenbehandlung prinzipiell gleichartig (Abb. 68). Insbesondere die Punkte»Nachdenken«und»Dokumentation«möchten wir besonders betonen. Erfolgreiche individuelle Vermeidungsstrategien lassen sich nur dann finden, wenn der Diabetiker für sich persönlich seine häufigsten Risikosituationen für eine Unterzuckerung kennt. Diese erfährt er durch aufmerksames Beobachten und kritisches Hinterfragen der aufgetretenen Hypoglykämien. Maßnahmen bei einer Unterzuckerung: im Verdachtsfall 1-2 BE rasch resorbierbare Kohlehydrate einnehmen (z.b. 2-5 Plättchen Dextro-Energen-Traubenzucker) messen: Bestätigung des Verdachtes? evtl. Zufuhr weiterer Kohlehydrate (meist in langsam resorbierbarer Form) nachdenken: Was war die wahrscheinlichste Ursache? Dokumentation: Aus Erfahrung lernen. Abb. 68: Unterzuckerung Was tun? 11.5 Fehlermöglichkeiten Im Umgang mit der Unterzuckerung werden häufig immer wieder die gleichen Fehler gemacht: 1. Zu große Sorglosigkeit bei körperlicher Aktivität: Wenn bei einer körperlichen Aktivität von 30 Minuten oder länger keine Zufuhr von Extra-BE bzw. eine rechtzeitige Insulindosisverringerung erfolgt, kann es bei einer normnahen BZ-Einstellung mit großer Wahrscheinlichkeit zu einer Unterzuckerung kommen. Dies ist auch bei Alltagsbelastungen wie z.b. bei einem Einkaufsbummel zu beachten. 2. Zu geringe Häufigkeit bei der Blutzuckerselbstkontrolle, insbesondere in Sondersituationen: Die Blutzuckerselbstkontrolle, mindestens 4 x täglich, sollte für den Insulinpumpenträger eine Selbstverständlichkeit sein. In besonderen Situationen (körperliche Aktivität, Alkoholgenuss, psychischer Stress, Urlaub, Krankheit usw.) muss der Blutzucker häufiger gemessen werden Unkritisches Festhalten an starren Regeln für die Insulindosisanpassung: Hier sind Flexibilität und Mut zur Veränderung gefragt. Es ist mitunter unverständlich, wie sehr Insulinpumpenträger an einem starren Plan der Dosisanpassung festhalten, ohne dessen Zweckmäßigkeit in Alltagssituationen zu hinterfragen. 4. Überkorrektur bei erhöhten Blutzuckerwerten (zuviel Korrekturinsulin): Insbesondere Diabetiker mit einer übersteigerten Angst vor Folgeerkrankungen neigen dazu, kurzfristig erhöhte Blutzuckerwerte (z.b. über 200 mg/dl bzw. 11,1 mmol/l) zu dramatisieren und zuviel Korrekturinsulin zu geben. Als Folge kann es zu einer starken Unterzuckerung mit gegenregulatorisch bedingtem, erneutem Blutzuckeranstieg kommen, der sogenannten»achterbahn«des Blutzuckerverhaltens. 5. Missachtung der relativ langen Insulinwirkdauer bei Normalinsulin (4-6 Stunden, bei größerer Bolusmenge auch länger): Bei einer Bolusgabe von 6 I.E. und mehr ist wegen der langen Insulinwirkdauer von Normalinsulin oft die Zufuhr einer kleinen Zwischenmahlzeit nach ca. 2-3 Stunden 197

100 11. Unterzuckerung 11. Unterzuckerung vorteilhaft, um einer drohenden Unterzuckerung entgegenzuwirken. Diese Vorsichtsmaßnahme ist bei Verwendung von kurzwirksamem Insulinanalogon als Pumpeninsulin nicht notwendig. 6. Zu frühe übermäßige Nachkorrektur: Da bei der Insulinpumpen-Therapie die Gabe eines Korrekturbolus relativ einfach und im Gegensatz zur Spritzen-/Pen-Behandlung auch mit einem sehr geringen Aufwand ohne Schmerzen verbunden ist, kann dies zu einer unüberlegten Gabe von Korrekturinsulin verleiten. Ist bei Verwendung von Normalinsulin der Abstand zwischen 2 Bolusgaben kürzer als ca. 4 Stunden (bei Verwendung von kurzwirksamem Insulinanalogon kürzer als ca. 2 Stunden), so kommt es zu einer Bolusüberlappung und anschließend zu einer verstärkten Insulinwirkung mit erhöhter Unterzuckerungsgefahr (Ausnahme: Ketoazidose, siehe Abschnitt 10.5). 7. Vermehrter Alkoholgenuss: Wenn zuviel Alkohol getrunken wurde, kann eine Hypoglykämie ungünstige Folgen haben. Durch Alkoholgenuss ist das Unterzuckerungsrisiko größer, die typischen Hypoglykämiekennzeichen sind oft verschleiert und werden vom Diabetiker nicht wahrgenommen oder falsch wahrgenommen. Durch den Alkoholgenuss ist zudem die eigene Handlungsfähigkeit beeinträchtigt; von Personen in der Umgebung wird der Unterzuckerungszustand fälschlicherweise als Alkoholrausch gedeutet. Vorsichtsregeln bei Alkoholgenuss finden sich in Abb. 69. Vergleiche auch die Ausführungen zum Thema Alkohol in Abschnitt Tipps für Helfer bei schwerer Unterzuckerung Eine immer wieder gestellte Frage ist: Wie sollen sich Angehörige bzw. Bekannte verhalten, wenn ein Insulinpumpenträger aufgrund einer Hypoglykämie nicht mehr selbständig handlungsfähig und im Extremfall bewusstlos ist. Wir empfehlen folgendes Vorgehen: Ruhe bewahren! Kein Grund zur Panik! Es besteht normalerweise keine akute Lebensgefahr. bewusstlosen Diabetiker in stabile Seitenlage bringen und Atemwege freihalten Katheter aus dem Unterhautfettgewebe herausziehen oder den Schlauch direkt an der Nadel durchschneiden wenn möglich Glukagon intramuskulär spritzen (zweckmäßigerweise in Bauch, Oberschenkel oder Oberarm) rasch ärztliche Hilfe anfordern (Hinweis:»bewusstloser Diabetiker«) Ein Notfallausweis, den jeder Insulinpumpenträger bei sich tragen sollte, fasst die wichtigsten Maßnahmen für den Ernstfall zusammen (siehe Abschnitt 15.4: Ausweise in verschiedenen Sprachen). zusätzlich ausreichend BE essen engmaschige Blutzuckerkontrollen (Messen vor dem Zubettgehen nicht vergessen!) Person des Vertrauens über Diabetes und Hypoglykämierisiko informieren siehe Abb. 67 auf Seite 195 Abb. 69: Vorsichtsregeln bei Alkoholgenuss 8. Keine Not-BE griffbereit vorhanden: Es sollte eine Selbstverständlichkeit sein, dass ein insulinbehandelter Diabetiker für»alle Fälle«geeignete Not-BE, d.h. schnell resorbierbare Kohlehydrate (am zweckmäßigsten Traubenzucker) ständig griffbereit hat. Empfehlenswert ist die Aufbewahrung von 2-3 Dextro-Energen Plättchen in einem Zusatzfach des Schlüsseletuis. Zur Erinnerung: Ein Täfelchen Dextro-Energen enthält 5 Gramm Traubenzucker, also knapp 0,5 BE. Text auf dem Notfallausweis: Ich bin Diabetiker und werde mit einer Insulinpumpe behandelt, die über einen Schlauch Insulin unter die Haut pumpt. Bei einem Verwirrtheitszustand oder einer Bewusstlosigkeit liegt bei mir wahrscheinlich eine Unterzuckerung vor. Bitte sofort Schlauch und Nadel herausziehen oder den Schlauch direkt an der Nadel durchschneiden. Arzt benachrichtigen mit dem Hinweis:»bewusstloser Diabetiker«

101 11. Unterzuckerung 11. Unterzuckerung Tipp: Nächtliche Unterzuckerung Die Gefahr einer nächtlichen Unterzuckerung ist bei der Insulinpumpenbehandlung im Vergleich zur Spritzentherapie erheblich geringer, allerdings in besonderen Situationen durchaus gegeben. Als typische Risikosituationen seien hier aufgeführt: Spätes, umfangreiches Abendessen mit 5 BE oder mehr (z.b. Restaurantessen nach Uhr). Dadurch ist ein verhältnismäßig großer Nahrungsbolus erforderlich. Bei Verwendung von Normalinsulin wirkt dieser meist 5 Stunden und mitunter auch deutlich länger und reicht bei nicht zu spätem Zubettgehen noch erheblich in die Schlafenszeit hinein. Vermehrter Alkoholgenuss am Abend ohne gleichzeitige Zufuhr von langsam verwertbaren Kohlehydraten. Die anschließend größere Hypoglykämieneigung ist darin begründet, dass alkoholbedingt die übliche Zuckerfreisetzung aus der Leber auch noch nach mehreren Stunden verringert sein kann. Längerfristige körperliche Aktivität, z.b. Ganztageswanderung, Fitnesstraining am Abend, Tanzen. Hier kann es wegen des Muskel- und Leberauffülleffektes einige Stunden später zu einem länger anhaltenden Blutzuckerabfall kommen. Großer Korrekturbolus vor dem Schlafengehen. Im Regelfall ist die Insulinempfindlichkeit spät abends relativ gut, d.h. 1 I.E. Korrektur-Insulin senkt den Blutzucker um 50 mg/dl (2,8 mmol/l) und mehr. Die Korrekturzahl muss deshalb am späten Abend meist deutlich größer gewählt werden als während des Tages (siehe Abschnitt 3.1.2). Besonders kritisch ist die Kombination von hier genannten Risikosituationen, beispielsweise spätes BE-reiches Essen und gleichzeitiger Alkoholgenuss oder auch Sport am Abend und anschließend Alkoholkonsum. Nicht in jedem Fall wird eine nächtliche Unterzuckerung bemerkt und führt zu einem Erwachen. Es kann vielmehr davon ausgegangen werden, dass im Mittel jede zweite nächtliche Unterzuckerung verschlafen wird. Deshalb ist es wichtig, Kriterien zu kennen, die auf eine evtl. nächtliche verschlafene Hypoglykämie hinweisen können. Sie stellen allerdings in keinem Fall einen Beweis dar, sondern können nur Anhaltspunkte sein: Im Zweifelsfall sind nächtliche Blutzuckermessungen erforderlich. Wie kann unter der Insulinpumpen-Therapie die Gefahr einer nächtlichen Unterzuckerung deutlich verringert werden? Als wirksame Vermeidungsstrategien sind hierzu nennen: konsequente Messung des Blutzuckers vor dem Schlafengehen an die Möglichkeit einer nächtlichen Unterzuckerung denken und die typischen Risikosituationen kennen in Sondersituationen Bestimmung des Blutzuckers etwa gegen Uhr bei Risikosituationen den Blutzuckerzielbereich vor dem Schlafengehen bewusst anheben (z.b. 160 mg/dl statt 100 mg/dl) in Sondersituationen»Betthupferl«mit langsam resorbierbaren Kohlehydraten. Im Alltag hat sich 1 BE normale Schokolade (in etwa 1 Riegel) als vorteilhaft erwiesen; anschließendes Zähneputzen nicht vergessen! regelmäßige Kontrolle des BZ gegen 2-3 Uhr (etwa alle 10 Tage) Generell kann die Gefahr einer nächtlichen Unterzuckerung systematisch verringert werden, indem die Basalrate am späten Abend und um Mitternacht eher niedrig programmiert wird. Als Ausgleich wird die Basalrate etwa ab 3 Uhr beginnend bewusst erhöht (siehe Abschnitt 3.2.3). Jede nächtliche Unterzuckerung ohne offensichtlichen Grund sollte Anlass sein, die Basalrateneinstellung zu hinterfragen und ggf. zu verändern. Ansonsten sind Umprogrammierungen an der Basalrate eher zurückhaltend vorzunehmen. Nachtschweiß unruhiger Schlaf, Alpträume morgendlicher Kopfschmerz hoher Nüchternblutzucker überschießender Blutzuckeranstieg nach dem Frühstück

102 12. Ernährung 12. Ernährung Es mag überraschen, wenn in einem Buch zur Insulinpumpen-Therapie ein gesondertes Kapitel über die Ernährung erscheint.»als Insulinpumpenpatient kann ich essen und trinken, was ich will, ich muss mich doch nicht mit lästigen Ernährungsfragen befassen«, so wird der eine oder andere denken. Die erste Hälfte des letzten Satzes ist ohne Zweifel richtig: Ein Insulinpumpenträger soll und kann das essen und trinken, was ihm schmeckt, wie viel er will und wann er will. Dies gilt allerdings mit den gleichen Einschränkungen, die für einen Stoffwechselgesunden zutreffen. Auch für Nicht-Diabetiker ist eine bewusste und gesunde Ernährung vorteilhaft. Günstig ist eine kohlenhydratreiche, ballaststoffreiche Kost mit viel frischem Obst, Gemüse und Salat. Ungünstig sind fettreiche Speisen, viel Fleisch und Wurst, ein hoher Zuckeranteil in der Nahrung, Fertigprodukte und reichlicher Alkoholkonsum. Diese Empfehlungen treffen auch für Insulinpumpenträger zu. Absolute Verbote und einengende Ernährungsvorschriften sind dagegen heutzutage nicht mehr angezeigt, denn die Blutzuckerselbstkontrolle und die Anwendung kurzwirksamer Insuline ermöglichen eine große Liberalisierung beim Essen und Trinken. Der zweite Halbsatz der obigen Aussage ist jedoch falsch. Gerade für einen Insulinpumpenträger ist es wichtig, über Ernährung und Nahrungsmittel gut Bescheid zu wissen. Nur so lässt sich beurteilen, in welchem Ausmaß und mit welchem zeitlichen Verlauf Essen und Trinken den Blutzuckerspiegel beeinflussen. Nur dann können Bolusgröße und Bolusabgabezeit geeignet gewählt werden Allgemeine Bemerkungen Nach der Nahrungsaufnahme kommt es durch Verdauung und die anschließenden Stoffwechselvorgänge zu einem Blutzuckeranstieg. Dieser erfordert eine angemessene Insulinmenge, die in der richtigen Menge und zum richtigen Zeitpunkt in der Blutbahn vorhanden sein sollte. Anders ausgedrückt: Die Kurve des zu erwartenden Blutzuckerspiegels im Blut sollte idealerweise mit der Insulinmenge in der Blutbahn zusammenfallen. Dafür gibt es streng genommen nur eine adäquate Lösung. Diese herauszufinden, ist Aufgabe des Insulinpumpenträgers, wünschenswert ist eine»insulingabe mit Verstand«. Es ist also Aufgabe des Insulinpumpenträgers, dafür zu sorgen, dass das Angebot an Insulin in der Blutbahn genauer gesagt an den Zellen mit dem jeweiligen Bedarf an Insulin möglichst gut übereinstimmt. Er sollte die verschiedenen Einflussgrößen kennen und diese angemessen steuern. Dazu benötigt er u.a. ein fundiertes Wissen über die Bestandteile der Nahrungsmittel, über deren Verstoffwechselung sowie über die Auswirkungen auf den Blutzuckerverlauf. Zweckmäßige Hilfsmittel dabei sind beispielsweise das Nachschlagebuch»Kalorien mundgerecht«vom Verlag Umschau/Braus oder auch die»be-tabelle«, zusammengestellt von Sven David Müller, zu beziehen beim Insuliner Verlag. In dem Nachschlagewerk»Kalorien mundgerecht«fehlen allerdings bei vielen Produkten, z.b. bei fast allen Süßspeisen und Desserts, bei Eis, bei Süßwaren sowie bei zahlreichen Getränken die entsprechenden BE-Angaben; statt dessen steht in der BE- Spalte das Symbol»ø«d.h.»für Diabetiker nicht empfehlenswert«. Diese Aussage ist für einen Insulinpumpenträger so nicht haltbar. Aus der Spalte»Gramm Kohlehydrate«lässt sich die entsprechende BE-Menge bestimmen; es ergibt sich damit ein ungefährer Anhaltspunkt, welche Blutzuckerwirkung durch das jeweilige Nahrungsmittel in etwa zu erwarten ist (10-12 Gramm Kohlehydrate entsprechen 1 BE) Genuss ohne Reue Essen und Trinken nach Wunsch und mit Genuss bedeutet sicherlich eine erhebliche Verbesserung der Lebensqualität. Kurzfristige Blutzuckeranstiege gelegentlich nach dem Essen sind keine Katastrophe und lassen sich leicht korrigieren. Dies ist aber auf der anderen Seite kein Freibrief für eine einseitige, zucker- und kalorienreiche Ernährung, die immer wieder zu überhöhten Blutzuckerwerten nach einer Mahlzeit führt. Auch kurzfristig erhöhten Werten über 180 mg/dl wird mittlerweile eine gewisse schädigende Wirkung auf die Gefäße zugeschrieben. Daher empfehlen wir auch Insulinpumpenpatienten, auf eine gesunde und ausgewogene Ernährung zu achten und zu starke Schwankungen des Blutzuckerverlaufs möglichst zu vermeiden

103 12. Ernährung 12. Ernährung Bei Einladungen, im Restaurant und besonders während des Urlaubs in fremden Ländern lassen sich BE-Menge und glykämischer Index von Speisen und Getränken oft nur schwer abschätzen. Bei unbekannten oder exotischen Gerichten ist dies geradezu unmöglich. Auf kulinarische Spezialitäten braucht ein Insulinpumpenträger allerdings nicht zu verzichten. Hier gilt es, eine Unterzuckerung möglichst zu verhindern, insbesondere wenn gleichzeitig Alkoholika getrunken werden. Es empfiehlt sich, den Nahrungsbolus bewusst etwas niedriger zu wählen. Durch Messung des Blutzuckers 1 bis 2 Stunden nach der Mahlzeit Zielbereich mg/dl lässt sich in etwa beurteilen, inwieweit der abgegebene Bolus angemessen war. Gegebenenfalls kann mit Insulin bzw. mit zusätzlichen Kohlehydraten rasch und geeignet korrigiert werden. Gelegentlich leicht erhöhte Blutzuckerwerte von kurzer Dauer sollten nicht dramatisiert werden und insbesondere keine unangenehmen Schuldgefühle erzeugen Insulinpumpentypische Besonderheiten Hinsichtlich der Insulingabe für Essen und Trinken (Nahrungsbolus) hat die Insulinpumpen-Therapie Vorteile gegenüber der Spritzenbehandlung: Kleinere Intervalle bei der Boluswahl: Üblicherweise sind bei der Bolusgröße Abstände von 0.5 I.E. zweckmäßig. Bei der Insulinpumpe D-TRONplus, bei der Minimed 508 und bei der Minimed Paradigm kann der Insulinpumpenträger diese Intervall-Länge selbst verändern, bei der Insulinpumpe H-TRONplus ist sie werkseitig einstellbar und kann bei Bedarf umprogrammiert werden. Eine noch feinere, vom Insulinpumpenträger selbst festzulegende Möglichkeit bietet der»scroll-bolus«mit Schritten von 0,1 I.E. bei der Insulinpumpe D-TRONplus, bei der Minimed 508 und bei der Minimed Paradigm. Bolussplitting: Es besteht keinerlei Notwendigkeit, den Nahrungsbolus auf einmal zu setzen. Eine Aufteilung ist zweckmäßig bei zeitlich ausgedehntem Festmenue, bei zunächst unbekannter Essmenge (»es schmeckt besonders gut«), bei spontanem Nachtisch usw. Allerdings kommt es dabei immer wieder vor, dass ein geplanter zweiter Bolus einfach vergessen wird. Verzögerter Bolus: Standardmäßig erfolgt die Bolusabgabe rasch innerhalb von einigen Sekunden. Die Insulinpumpen D-TRONplus, die Minimed Paradigm und die Minimed 508 bieten die Möglichkeit einer verlängerten Bolusabgabe. Dies ist günstig bei einer umfangreichen Mahlzeit mit langsamem blutzuckererhöhendem Effekt, beispielsweise bei einer großen Pizza mit hohem Fettanteil, bei paniertem Schnitzel mit Pommes frites oder bei Schweinshaxen mit Klößen Gesunde Ernährung Ein erhöhtes Risiko für Gefäßerkrankungen lässt sich bei Menschen mit Diabetes nicht wegdiskutieren. Die Gefahr dafür ist gegeben, das Ausmaß ist unterschiedlich. Neben einer guten Stoffwechseleinstellung gibt es weitere»schutzfaktoren«wie gesunde Ernährung, regelmäßige körperliche Aktivität und Verzicht auf Nikotin. Die 10 Regeln der Deutschen Gesellschaft für Ernährung in leicht modifizierter Form zeigen auf, was nach heutigem Wissen bei einem gesunden Essen und Trinken zu beachten ist. (siehe Abbildung 70) Eine gesunde Kostform sollte schmecken und viele persönliche Vorlieben berücksichtigen. Dabei muss man nicht unbedingt tief in den Geldbeutel greifen, auch preiswerte Lebensmittel können hochwertig und delikat sein Gefahren einer Ernährungsliberalisierung Ein zu»großzügiges«essen und Trinken ist aus gesundheitlichen Überlegungen für keinen Menschen empfehlenswert und hat manche unerwünschten Begleiterscheinungen für einen Insulinpumpenträger in ähnlicher Weise wie für einen Stoffwechselgesunden: Zu viele Kalorien: Übergewicht mit seinen ungünstigen Folgen Zu fettreich: Kalorienaspekt, ungünstige Blutfette Zu hoher Zuckergehalt:»Leere«Kalorien, kurzzeitig überschießender Blutzuckeranstieg Zu viel Alkohol: Organschädigungen, ungünstige psychische und soziale Auswirkungen Zu geringer Gehalt an Ballaststoffen: ungenügendes Sättigungsgefühl, schlechte Verdauung Zu wenig Vitamine und Mineralsalze: Mangelerscheinungen

104 12. Ernährung 12. Ernährung 10 Regeln für gesundes Essen und Trinken (modifiziert nach den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung) 1. Vielseitig, aber nicht zuviel Essen mit Phantasie! Abwechslungsreich, damit kein Nährstoff fehlt 2. Wenig Fett und fettreiche Lebensmittel»Viel Fett macht fett«, Vorsicht vor»versteckten«fetten in Fleisch, Wurst, Käse, Schokolade, Chips und Fertigprodukten 3. Würzig, aber nicht salzig Statt Salz lieber viele Kräuter und Gewürze. 4. Wenig Süßes Zu süß kann schädlich sein. Essen und Trinken sind kein»zuckerlecken«. 5. Viel Vollkorn-Produkte Ballaststoffe machen satt, aber nicht dick. 6. Reichlich Obst, Gemüse und Salat Empfehlenswert sind täglich mindestens 5 Portionen Frischobst, frisches Gemüse oder Salat (Aktion:»5 am Tag«) 7. Wenig tierisches Eiweiß Nicht zu viel Fleisch und Wurst. 8. Trinken mit Verstand Zurückhaltung bei alkoholischen und zuckerhaltigen Getränken. 9. Öfters kleinere Mahlzeiten Essen mit Freude und Genuss; häufiger, jedoch kleinere Portionen. 10. Schmackhaft und schonend zubereiten Essen mit Vernunft, Nährstoffe schonen. Abb. 70: Empfehlungen für eine gesunde Ernährung 12.6 Glykämischer Index Der nahrungsbedingte Blutzuckeranstieg wird nicht allein durch die Menge an Kohlehydraten bestimmt, von Bedeutung sind auch: die Nahrungszusammensetzung (z.b. Fettanteil? Eiweißanteil?), ihre Beschaffenheit (z.b. Haushaltszucker? Mehrfachzucker in Form von Stärke?) und der Verarbeitungsgrad (z.b. ausgemahlenes Mehl? Vollkornprodukte?). Gute BE-Kenntnisse sind notwendig, damit die zweckmäßige Insulinmenge ermittelt werden kann. Falls mehr»freizügigkeit«bei der Ernährung gewünscht wird, ist es lohnend, sich mit dem sogenannten»glykämischen Index«zu beschäftigen. Dieser vergleicht die blutzuckererhöhende Wirkung bestimmter Nahrungsmittel mit derjenigen von Traubenzucker. Der glykämische Index drückt aus, wie rasch der Blutzuckeranstieg nach der Mahlzeit erfolgt, und mit ihm lässt sich in etwa abschätzen, zu welchem Zeitpunkt der Nahrungsbolus abgegeben werden sollte. Anhand des glykämischen Index werden Nahrungsmittel mit gleichem Kohlenhydratgehalt hinsichtlich der Geschwindigkeit des Blutzuckeranstiegs unterschieden. Zuckerhaltige Produkte haben in der Regel einen hohen glykämischen Index, während ballaststoffreiche, zuckerarme Lebensmittel meist einen geringen glykämischen Index aufweisen. Eine Scheibe Weißbrot mit Honig (2 BE) bedingt einen raschen Blutzuckeranstieg, während ein Vollkornbrot mit Streichfett und Wurstbelag (ebenfalls 2 BE) eine vergleichsweise langsame Blutzuckererhöhung verursacht. Abb. 71 enthält qualitative Aussagen zum glykämischen Index für verschiedene Nahrungsmittel

105 12. Ernährung 12. Ernährung Glykämischer Index niedrig mittel hoch ( flacher BZ-Anstieg ) ( mäßiger BZ-Anstieg ) ( steiler BZ-Anstieg ) Vollkornbrot Vollkornreis Äpfel, Orangen, Pfirsiche Birnen, Kirschen Vollkornteigwaren Frischkornmüsli Milch, Joghurt, Milchprodukte Karotten roh Fruchtzucker Linsen, Bohnen Abb. 71: Beispiele zum glykämischen Index Zur Feinabstimmung von Bolusgröße und Drück-Ess-Abstand ist das Wissen um den glykämischen Index eine wertvolle Hilfe. Dadurch werden aber fundierte BE-Kenntnisse nicht ersetzt, im Gegenteil: Für den Blutzuckerverlauf nach dem Essen und Trinken ist sowohl die Kohlenhydratmenge der aufgenommenen Nahrung (BE, Gramm- Kohlehydrate, KHE) als auch die Geschwindigkeit, mit der die komplexen Kohlehydrate beim Verdauungsprozess in Glucose umgewandelt werden (glykämischer Index), von wesentlicher Bedeutung. Beispielsweise wird ein Frühstück von 5 BE, das aus einem hellen Brötchen, Marmelade, Saft und Cornflakes besteht, zu einem rascheren Blutzuckeranstieg mit deutlich höheren Spitzenwerten führen als ein Frühstück, das bei gleicher Kohlenhydratmenge ein Vollkornbrötchen, Wurstbelag, Naturjoghurt und Obst enthält. Nahrungsmittel mit hohem glykämischen Index verursachen einen kurzfristigen, zugleich aber deutlichen Blutzuckeranstieg; als geeignete Insulinsorte ist kurzwirksames Insulinanalogon vorteilhaft, um die rasche Blutzuckerhöhung abzufangen. Da Normalinsulin eine vergleichsweise flachere Wirkkurve hat (vgl. Abbildung 36) empfehlen wir bei Verwendung dieser Insulinsorte, keine größere Mengen an Nahrungsmitteln mit hohem glykämischen Index zu essen oder zu trinken, insbesondere dann nicht, wenn gleichzeitig kein Drück-Ess-Abstand eingehalten wird. Für eine diabetesgerechte Ernährung»alten Stils«wurden meistens Nahrungsmittel mit geringem glykämischen Index empfohlen. Diese bedingen einen eher trägen, aber 208 Roggenmischbrot Langkornreis Bananen, Trauben,Rosinen Spaghetti, Gnocchi Haferbrei Frischer Fruchtsaft gezuckerte Konfitüre Haushaltszucker Erbsen aus der Dose Weißbrot, Baguette heller Reis Karotten gekocht Kartoffelpüree Cornflakes Cola, Limonade Honig Traubenzucker, Malzzucker Dosenfrüchte länger anhaltenden Blutzuckeranstieg. Bei kurzwirksamem Insulinanalogon in der Insulinpumpe darf der Nahrungsbolus dann nicht zu früh gesetzt werden, gelegentlich ist sogar ein»ess-drück-abstand«zweckmäßig, d.h. die Bolusgabe erfolgt während des Essens oder erst danach. Bei Normalinsulin empfiehlt sich in diesem Fall kein wesentlicher Drück-Ess-Abstand (DEA) vorausgesetzt, der Blutzuckerwert ist vor der Mahlzeit im wünschenswerten Bereich. Der Blutzuckerwert am Ende der Wirkdauer des Bolusinsulins sagt etwas darüber aus, ob die Bolusmenge richtig war (bei kurzwirksamem Insulinanalogon in der Insulinpumpe nach etwa 3 Stunden, bei Normalinsulin nach ca. 5 Stunden). Aufgrund der Blutzuckerhöhe ca. 1 bis 2 Stunden nach dem Essen können DEA und glykämischer Index beurteilt werden. Wird beabsichtigt, Nahrungsmittel mit hohem glykämischen Index in größerer Menge, d.h. 4 BE oder mehr, zu essen bzw. zu trinken, so ist ihre Zufuhr in kleineren Portionen über einen längeren Zeitabschnitt günstig. Der aufgrund der Nahrungszusammensetzung fehlende Verzögerungseffekt wird also durch eine verzögerte Aufnahme ausgeglichen. Als Beispiele seien genannt: Essen von 4 BE Plätzchen während ca. 2 Stunden bei einem Fernsehabend; Trinken von 2 Gläsern Cola (400 ml = 4 BE) während 90 Minuten, falls kein Cola light zur Verfügung steht. Der erforderliche Bolus für diese 4 BE wird zu Beginn gesetzt, es muß allerdings anschließend gewährleistet werden, dass die gesamte Nahrungsmenge wie geplant aufgenommen wird. Zur Klarstellung folgender Hinweis: Die genannten Beispiele stellen keine gesunde Kostform dar; weil aber erfahrungsgemäß solche Nahrungsmittel immer wieder gegessen bzw. getrunken werden, schienen uns geeignete Tipps angebracht. Allerdings soll nicht unerwähnt bleiben, dass sich die Anwendung des glykämischen Index wegen der zahlreichen Einflussgrößen nicht allgemein durchgesetzt hat. Selten wird ein Nahrungsmittel isoliert gegessen. Durch Begleitprodukte und insbesondere bei zusätzlichem Fettanteil ändert sich der glykämische Index. Weitere Störfaktoren können sein: Essverhalten, Füllungszustand und Entleerungsgeschwindigkeit des Magens, Produktion und Abgabe der Gallenflüssigkeit, Funktion der Bauchspeicheldrüse, Passagezeit im Dünndarm, Aufnahme der verdauten Nahrungsbestandteile in die Blutbahn. Somit ist es für jeden Diabetiker ratsam, für seine»lieblingsspeisen und -getränke«die individuelle Blutzuckerwirksamkeit zu ermitteln. Das bedeutet: Ausprobieren und Sammeln eigener Erfahrungen. Zur Beurteilung des kurzfristigen Blutzuckeranstiegs ist der sog. postprandiale Blutzuckerwert (pp-wert) wichtig bei kurzwirksamem Insulinanalogon wird empfohlen, nach 60 bis 90 Minuten zu messen, bei Normalinsulin nach ca. 2 Stunden. Wesentlich ist für den pp-wert neben dem glykämischen Index und der Insulinsorte auch der Zeitpunkt der Bolusabgabe, d.h. der Drück-Ess-Abstand, und die Abgabegeschwindigkeit des Bolusinsulins, z.b. verzögerte Bolusabgabe mit der Insulinpumpe D-TRONplus, der Minimed 508 oder der Minimed Paradigm. 209

106 12. Ernährung 12. Ernährung 12.7 Hoher Eiweißanteil Meist wird bei der Berechnung des Nahrungsbolus auf die Eiweißmenge der Speisen keinerlei Wert gelegt; es ist nicht üblich, neben dem BE-Faktor einen»eiweißfaktor«zu berücksichtigen. Praktische Erfahrungen zeigen jedoch, dass dies in Einzelfällen sinnvoll sein kann. Es macht bei vergleichbarer Kohlenhydratmenge einen gewissen Unterschied hinsichtlich des Blutzuckerverhaltens, ob der Eiweißanteil in der Nahrung gering ist (vegetarische Gerichte, überwiegend Obst und Gemüse), oder ob der Gehalt an tierischem Eiweiß sehr hoch ist (viel Fleisch, wenig Beilagen). Häufig kommt es nach dem Verzehr von Speisen, die reich an tierischem Eiweiß sind, nach 2-6 Stunden zu einem zusätzlichen Blutzuckeranstieg. Der Nahrungsbolus ist entsprechend zu erhöhen, die Insulinwirkkurve ist zu beachten bei Verwendung von kurzwirksamem Insulinanalogon ist mitunter ein Bolussplitting zweckmäßig. Es ist zwar nicht üblich, aber mitunter hilfreich, eine»pe«(= Proteineinheit = Eiweißeinheit) zu definieren: Darunter versteht man die Menge an tierischem Eiweiß, die annähernd den gleichen blutzuckererhöhenden Effekt hat wie eine BE Kohlehydrate. Eine»PE«entspricht etwa g tierischem Eiweiß. Der Eiweißgehalt in pflanzlichen Produkten kann in diesem Zusammenhang unberücksichtigt bleiben. Der eiweißbedingte Blutzuckeranstieg tritt meist erst einige Stunden nach dem Essen auf, dies ist beim Zeitpunkt der Bolusabgabe zu beachten. Auch hier gilt wieder: Dran denken, ausprobieren und persönliche Erfahrungen sammeln. 210 Kennzeichen einer gesunden Ernährung ist auch, dass der Eiweißanteil in den Speisen nicht zu hoch ist. Empfohlen wird für Erwachsene eine tägliche Eiweißmenge von g (0,8-1,0 g pro kg Körpergewicht). Dieser Anteil wird in der deutschen Bevölkerung wegen des hohen Fleisch- und Wurstkonsums oft deutlich überschritten. Dadurch wird die Entwicklung einer diabetischen Nierenschädigung gefördert und der Verlauf einer bereits bestehenden Nierenerkrankung ungünstig beeinflusst. Somit lohnt es sich, die Menge an tierischem Eiweiß in den Speisen zu beachten Alkohol Es gibt keine rationalen Gründe, Menschen mit Diabetes wegen ihrer Erkrankung den Alkoholgenuss zu verbieten. Aus den gleichen Gründen wie ein Stoffwechselgesunder kann ein Diabetiker Alkohol trinken: weil es schmeckt, weil es in Gesellschaft üblich ist, kurz, weil es Wohlbefinden und Lebensqualität steigert. Es bestehen grundsätzlich die gleichen Gefahren wie bei einem Nicht-Diabetiker: Kontrollverlust bei übermäßigem»saufen«, Organschädigungen, Abhängigkeit mit finanziellen und sozialen Problemen. Moderater Alkoholkonsum, d.h. ca. 20 g täglich für den Mann und etwa 10 g täglich für die Frau, scheint ein Schutzfaktor hinsichtlich Gefäß-Erkrankungen zu sein. Die Menge von 20 g reinem Alkohol ist enthalten in ca. 200 ml Wein bzw. in ca. 400 ml normalem Bier. An dieser Stelle appellieren wir bewusst und eindringlich an die Eigenverantwortung sowie an die Selbstkritik des Einzelnen. Diese Ausführungen dürfen und sollen kein Freibrief für einen unüberlegten Alkoholgenuss sein. Für insulinspritzende Diabetiker allerdings kommt es durch alkoholhaltige Getränke zu einer zusätzlichen, unerwünschten Gefahr: teilweise schwer abschätzbare Einflüsse auf den Blutzuckerverlauf mit der Möglichkeit einer verspätet auftretenden Blutzuckersenkung und somit einer erhöhten Unterzuckerungsgefahr (siehe Kap ). Es ist empfehlenswert, dass ein Insulinpumpenträger mit seinen Lieblingsgetränken individuelle Erfahrungen macht. Ein gezielter, wiederholter»bier-, Schoppen- oder Sekttest«mit anschließendem Messen und Beobachten der Blutzuckerentwicklung hat schon manchem Diabetiker neue Erkenntnisse und mehr Sicherheit gebracht. Eine weitere unangenehme Begleiterscheinung eines übermäßigen Alkoholkonsums ist der Kalorienaspekt. Es besteht die Gefahr von Übergewicht mit den bekannten negativen Folgen. Zur Erinnerung: Ein Gramm Alkohol enthält sieben Kilokalorien. Ein Extremfall soll nicht unerwähnt bleiben: Der Alkoholrausch. Diese Situation kann gerade für einen Insulinpumpenpatienten äußerst gefährlich werden; zum einen wegen der erhöhten Unterzuckerungsgefahr mit Hilflosigkeit (die Insulinpumpe gibt dann weiterhin Insulin ab, wegen des eingeschränkten Denkvermögens besteht die Möglichkeit der falschen Boluswahl); zum anderen deshalb, weil eine Unterzuckerung selbst mit einem rauschähnlichen Zustand einhergehen kann, der von der Umgebung leicht fehlinterpretiert wird. Für diese außergewöhnliche Situation unser Tipp: Falls ein»besäufnis«aufgrund von sozialen Gegebenheiten nicht unwahrscheinlich erscheint, oder wenn ein Insulinpumpenträger seine diesbezügliche Schwäche kennt, ist vorher Sorge dafür zu tragen, dass ein guter Vertrauter über die Problematik eines Alkoholrausches bei Insulinbehandlung Bescheid weiß und gegebenenfalls geeigne- 211

107 12. Ernährung 12. Ernährung te Schritte unternehmen kann. Für Diabetiker mit bekannter Alkoholabhängigkeit kommt eine Insulinpumpenbehandlung allerdings nicht in Frage. Vermehrter Alkoholgenuss ist als eine Sondersituation zu bewerten. Für besondere Gegebenheiten hat die allgemeine Empfehlung Gültigkeit: Anheben des Blutzuckerzielbereiches, strikte Vermeidung einer Unterzuckerung. Vorsicht ist angezeigt bei Alkoholkonsum am Abend es besteht eine erhöhte nächtliche Unterzuckerungsgefahr. Dies trifft insbesondere zu für sportliche Aktivität nach Feierabend mit anschließendem Alkoholgenuss Übergewicht Eine zu kalorienreiche Ernährung ist in einer Wohlstandsgesellschaft ein großes Problem. Ein Buchtitel bringt es auf den Punkt: Viele Menschen sind»krank im Schlaraffenland«. Übergewicht ist häufig und weit verbreitet; es hat zahlreiche ungünstige Auswirkungen, insbesondere auf das Gefäßsystem und auf den Bewegungsapparat. Die Insulinpumpenbehandlung mit der Möglichkeit der unproblematischen Insulinabgabe zu jeder Zeit und an jedem Ort verleitet zu einem vermehrten Essen nach Appetit, die Schwelle zu einem ungesunden und kalorienreichen Ernährungsstil ist gering. Andererseits erhöht eine zu straffe Blutzuckereinstellung die Häufigkeit von Unterzuckerungen. Häufige»Zwang-BE s«führen zu einer tendenziellen Gewichtszunahme. Überzählige Pfunde sind bei Diabetikern bekanntermaßen nachteilig: die Insulinempfindlichkeit verschlechtert sich, der Insulinbedarf steigt an, d.h. eine größere Basalrate und eine höhere Bolusgabe werden notwendig. In der Regel kommt es mit Erhöhung des Körpergewichts auch zu einer zunehmenden Blutzuckerinstabilität. Daneben ist Übergewicht ein eigenständiger Risikofaktor für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Es trägt zusätzlich zu einer Verschlechterung von anderen Risikofaktoren bei: Blutdruck und Blutfette steigen ebenfalls an und erhöhen die Gefahr von schwerwiegenden Gefäßkrankheiten. Die Häufigkeit von Herzinfarkt und Schlaganfall wird mit zunehmendem Körpergewicht größer. Eigene Beobachtungen stützen diese Thesen. Wir haben über 100 Typ-1-Diabetiker mit einer mehr als 30-jährigen Diabetesdauer auf den Zusammenhang zwischen Folgekrankheiten und allgemeinen Risikofaktoren untersucht und befragt. Der Anteil derjenigen, bei denen trotz relativ langer Krankheitsdauer noch keine Folgeerkrankungen nachweisbar waren, betrug etwa 20 %. Diese Gruppe ohne jegliche Hinweise auf ein diabetisches Spätsyndrom hatten im wesentlichen folgende Gemeinsamkeiten: Nichtraucher, sehr gute Blutfette, keine erhöhten Blutdruckwerte, regelmäßige körperliche Aktivität. Keiner von ihnen war übergewichtig. Eine gewisse genetische 212 Schutzkomponente ist allerdings zu vermuten. Hier ist wieder die Eigenverantwortung jedes einzelnen Insulinpumpenträgers gefragt. Er ist aufgefordert, seine individuellen Schutzund Risikofaktoren kennenzulernen. Dann sollte er selbst entscheiden, was ihm wichtig ist. Neben der Diabeteserkrankung und dem Übergewicht sind folgende sogenannte Risikofaktoren ungünstig für die Gefäße: Bewegungsmangel, Rauchen, Bluthochdruck, erhöhte Blutfette, hoher LDL/ HDL-Quotient (d.h. ungünstiges Verhältnis zwischen»schlechtem«und»gutem«cholesterin) sowie vermutlich eine skeptische, feindselige Lebensgrundhaltung und eine stärkere Stressbelastung. Als direkt nicht beeinflussbare Risikofaktoren sind zu nennen: männliches Geschlecht, Alter und gehäuftes Auftreten von Herzinfarkt oder Schlaganfall in der Familie. Günstige Schutzfaktoren hinsichtlich des Auftretens von gefäßbedingten Erkrankungen sind neben normnaher Blutzuckereinstellung und Normalgewicht: regelmäßige körperliche Aktivität, gesunde Ernährung, Nichtrauchen und eventuell moderater Alkoholgenuss. Auch scheinen harmonische soziale Beziehungen, eine stabile, glückliche Partnerschaft sowie eine realistische, von Zuversicht geprägte Lebenseinstellung vorteilhaft zu sein. Ein nicht zu unterschätzender, allerdings nicht beeinflussbarer Schutzfaktor ist das günstige Erbgut: Hohes Lebensalter von Eltern und Verwandten 1. Grades, familiär kein oder seltenes Auftreten von Gefäßleiden Essstörung Nach unseren Erfahrungen ist suchthaft gestörtes Essverhalten bei Insulinpumpenträgern nicht selten von einer gewissen Dunkelziffer mit bisher unbekannten Essstörungen ist auszugehen. Eine Übergewichtigkeit muss keinesfalls immer vorliegen. Stark schwankende Blutzuckerwerte, große Nahrungsboli in den Abendstunden, des öfteren deutlich erhöhte Blutzuckerwerte vor dem Schlafengehen ohne offensichtliche Ursache sowie untypisch hohe Basalraten in der ersten Nachthälfte stützen einen 213

108 12. Ernährung eventuellen Verdacht. Klassische Essstörungen wie Anorexia nervosa (Schlankheitswahn) bzw. Bulimie (bewusstes Erbrechen nach Nahrungsaufnahme) sind bei Insulinpumpenträgern eher selten, sie werden meist auch als Kontraindikation einer Insulinpumpenbehandlung aufgelistet. Zu starre Ernährungsvorschriften können einen übermäßigen Drang und eine nicht beherrschbare Gier nach Süßem (»Verbotenes reizt«) auslösen und sich zu einem unkontrollierten, suchthaften Verhalten ausweiten. Dabei sind bekanntlich strikte Verbote bezüglich Essen und Trinken bei Menschen mit Typ-1-Diabetes nicht angezeigt und keinesfalls mehr zeitgemäß. Insulinpumpenträgern mit bisher verheimlichter Essproblematik empfehlen wir dringend, sich einen Arzt oder Psychologen ihres Vertrauens zu suchen, damit sie geeignete Hilfe erhalten können. (Siehe auch»psychotherapieführer für Menschen mit Diabetes«im Abschnitt 15.2). Bei geplantem Beginn einer Insulinpumpenbehandlung wegen stark schwankender Blutzuckerverläufe ist beim Abwägen des Für und Wider einer Insulinpumpen-Therapie auch an die Möglichkeit einer Essproblematik zu denken. Unerkannte Essstörungen mit dadurch»schwer einstellbarem«diabetes verleiten immer wieder dazu, die technisch optimale Therapieform, nämlich eine Insulinpumpe zu wählen; das wesentliche Problem des psychisch bedingten suchthaften Essverhaltens bleibt dabei nicht selten unerkannt. Nach anfänglichen»scheinerfolgen«ist ein Scheitern der Insulinpumpen-Therapie meist vorprogrammiert. Zu Beginn kann mit der Insulinpumpe eine Essstörung leicht verschleiert werden, später kommt es in Einzelfällen immer wieder zu einer Verstärkung der Essproblematik. Menschen mit gestörtem Essverhalten, die bereits mit einer Insulinpumpe behandelt werden, benötigen gleichermaßen eine verständnisvolle sowie kompetente diabetologische Betreuung und parallel dazu eine intensive sowie gute psychotherapeutische Behandlung. 13. Weitere Hinweise 13.1 Irrtümer und Mythen Immer wieder werden Meinungen vertreten, die für eine angemessene Behandlung mit der Insulinpumpe nicht hilfreich sind. Teils führen sie zu einem unüberlegten und schematischen Handeln, teils bedingen sie unnötig einengende Verhaltensvorschriften, teils missachten sie die besonderen Möglichkeiten einer flexiblen Insulinpumpenbehandlung, teils gehen sie von unangebrachten Zielvorgaben aus. Uns ist in diesem Zusammenhang der Hinweis wichtig, mehr den Erfolg als Maßstab für das Handeln zu nehmen und sich weniger nach starren Empfehlungen zu richten, die in der Regel individuelle Besonderheiten zu wenig berücksichtigen. Auch sei uns die provokative Behauptung erlaubt: Nicht alles, was angebliche»insulinpumpenfachleute«behaupten, muss im Einzelfall richtig sein. Eine gewisses Skepsis sowie ein gesunder Menschenverstand sind meist vorteilhaft. Dies bezieht sich auch auf unsere Aussagen in diesem Buch. Mit Hilfe einer sinnvoll eingesetzten Blutzuckerselbstkontrolle kann in vielfacher Hinsicht einfach und schnell beurteilt werden, ob das eigene Vorgehen erfolgreich war oder nicht. Zugegeben, ein solches Konzept ist nicht immer ganz unproblematisch. Beispielsweise ist unklar, welche konkreten Zielbereiche für den Blutzucker im Tagesverlauf anzustreben sind und welche HbA 1c -Werte erreicht werden sollten. Deshalb gleich ein erster Mythos:»Je niedriger der HbA 1c -Wert, desto besser«diese Aussage ist richtig, wenn nur das Risiko für Folgeerkrankungen bedacht wird, wenn also der Blick ausschließlich in die Zukunft gerichtet ist. Wesentlich sind aber auch die Unterzuckerungsproblematik und die persönliche jetzige Lebensqualität, d.h. die Gegenwart ist genauso wichtig. Den Diabetiker interessiert nicht nur:»mit welchen Folgeerkrankungen muss ich rechnen? Wie kann ich sie vermeiden?«für ihn ist auch bedeutsam:»wie stark werde ich heute in meinem Alltag durch die Diabeteserkrankung beeinträchtigt?«werden die Zielbereiche für Blutzucker und HbA 1c zu niedrig angesetzt, erhöht sich das Risiko für eine Hypoglykämie, der Behandlungsaufwand steigt notwendigerweise, das momentane Wohlbefinden wird geringer. Als abstraktes Ziel lässt sich formulieren: Möglichst normnahe Blutzuckereinstellung bei gleichzeitig hoher Lebensqualität und seltenen Unterzuckerungen. Der optimale Zielbereich des Blutzuckers und des HbA 1c - Wertes wird dabei individuell verschieden sein, er wird von dem gut informierten, eigenverantwortlich handelnden Patienten im wesentlichen selbst festgelegt

109 13. Weitere Hinweise 13. Weitere Hinweise»Die Insulinbehandlung mit der Insulinpumpe ist besser als mit der Spritze«Diese Aussage trifft für viele Typ-1-Diabetiker zu, insbesondere für diejenigen ohne körpereigene Restfunktion. Sie gilt keinesfalls für die überwiegende Mehrzahl der insulinbehandelten Typ-2-Diabetiker, bei denen weniger der Insulinmangel als vielmehr die gestörte und abgeschwächte Insulinwirkung (Insulinresistenz) im Vordergrund steht. Diese Patientengruppe ist meistens übergewichtig; eine Verringerung des Körpergewichts führt in der Regel zu einer Verbesserung der Insulinempfindlichkeit und sollte deshalb wesentliches Behandlungsziel sein. Dies gelingt freilich unter einer Insulinpumpen-Therapie nur sehr selten. Der Beginn einer Insulinpumpenbehandlung muss im Einzelfall kritisch überdacht werden. Die Entscheidung wird vom Patienten nach ausführlicher Beratung durch ein kompetentes Diabetes-Team gefällt. Die individuellen Vor- und Nachteile sind abzuwägen, aber auch die gesetzlichen Vorgaben zur Kostenübernahme sind zu beachten. Der langfristige Erfolg einer Insulinpumpenbehandlung wird in erster Linie durch das Engagement des Patienten bestimmt.»eine Insulinpumpenbehandlung ist einfach und bequem«dies ist richtig, wenn die Art der Insulinabgabe beschrieben wird. Wie mehrfach betont, ist es unabdingbar, dass der Insulinpumpenträger»Spezialist in eigener Sache«ist. Dazu sind notwendig: viel Wissen, ständiges Mitdenken, eine gute Beobachtungsgabe, angemessene Kritikfähigkeit und eine große Lernbereitschaft. Vom Insulinpumpenträger ist eine erhebliche Eigenbeteiligung zu fordern nicht finanzieller Art, sondern in Form von aktivem Mitdenken. Dann wird sich eine Insulinpumpenbehandlung langfristig für alle Beteiligten lohnen, auch die deutlichen Mehrkosten sollten vertretbar sein.»die Insulinpumpenbehandlung verbessert immer die Blutzuckereinstellung«Dies ist zutreffend, wenn es gelingt, mit der Insulinpumpe als Hilfsmittel die Insulinabgabe dem Bedarf optimal anzupassen. Für die Steuerung sind jedoch Menschen verantwortlich: der Insulinpumpenträger und das ihn betreuende Diabetes-Team. Dabei werden immer wieder Fehler gemacht. Es gibt Einzelfälle, in denen es trotz Insulinpumpen-Therapie zu einer Verschlechterung der Stoffwechselsituation und zu einem Anstieg des HbA 1c -Wertes kommt. Oft wären solche Entwicklungen bei mehr Erfahrung und mehr Sorgfalt bei der Patientenauswahl zu vermeiden gewesen, z.b. bei sozialen Konfliktsituationen, depressiven Erkrankungen, fehlender Krankheitsakzeptanz, Essstörungen, Suchtverhalten, aber auch bei ungenügender Insulinpumpenschulung. 216»Mein Hausarzt weiß über Insulinpumpenbehandlung nicht Bescheid«Es kann nicht Aufgabe eines Allgemeinarztes oder auch eines Internisten ohne Schwerpunkt Diabetologie sein, sich in die Besonderheiten einer Insulinpumpen-Therapie einzuarbeiten. Geeignete Ansprechpartner für Insulinpumpenträger sind Diabetologen und Diabetes-Teams, die mit dieser Behandlungsform eine umfangreiche Erfahrung haben.»mein Insulinpumpenzentrum muss rund um die Uhr für mich telefonisch erreichbar sein«jeder Insulinpumpenträger kann in eine Situation kommen, in der er kurzfristig mit der Insulinpumpenbehandlung nicht weiter weiß. In solchen Fällen ist es ohne Zweifel hilfreich, wenn er sich sofort an eine kompetente Stelle wenden kann. Dies ist jedoch keinesfalls absolut notwendig. Falls ein Insulinpumpenbezogenes Problem auftaucht, für das der Insulinpumpenträger keine Lösung weiß, gilt die Empfehlung, Katheter und Insulinpumpe zu entfernen und mit Spritze bzw. Pen weiter zu behandeln. Dies setzt voraus, dass ein Insulinpumpenträger die Prinzipien der intensivierten Insulintherapie (ICT) beherrscht und eine ausreichende Vorerfahrung mit dem Basis-Bolus- Konzept besitzt. Deshalb ist vor Beginn einer Insulinpumpen-Therapie ein mindestens 6-monatige Behandlungsphase mit ICT dringend anzuraten.»meine BE-Faktoren und Korrekturzahlen muss der Diabetesfachmann festlegen«es ist von Vorteil, wenn das Betreuungsteam zu Beginn einer Insulinpumpenbehandlung Anhaltspunkte zur Bolusgabe vorgibt. Dabei sind die Erfahrungen des Diabetikers unter der Spritzentherapie zu berücksichtigen. Solche Vorgaben sind jedoch nicht»in Stein gemeißelt«. Sie sind vom Insulinpumpenträger immer wieder kritisch zu hinterfragen und müssen von Zeit zu Zeit, meist in kleinen Schritten, aufgrund der eigenen Erfahrungen unter Insulinpumpenbehandlung geeignet angepasst werden.»für eine mehrtätige Insulinpumpenpause muss das Behandlungsteam einen Plan für die Spritzen- bzw. Pentherapie erstellen«es ist hilfreich, sich im voraus bei geplantem Ablegen der Insulinpumpe über mehrere Tage Gedanken zu machen, welches Insulin-Spritz-Regime und wie viele Einheiten an Kurzzeitinsulin bzw. an Verzögerungsinsulin zweckmäßig sein könnten. Hierbei kann das Diabetesteam wertvolle Tipps geben. Entscheidend aber ist, dass der Insulinpumpenträger selbst durch Nachdenken und Ausprobieren herausfindet, welches Konzept nach dem Umsetzen auf Spritzen-/Pen-Behandlung einigermaßen erfolgreich ist. Das 217

110 13. Weitere Hinweise 13. Weitere Hinweise Wissen über die Wirkprofile von Kurzzeit- und Verzögerungsinsulin ist hierbei eine entscheidende Voraussetzung.»Die Richtigkeit der Basalrate muss regelmäßig durch Fastentests überprüft werden«das Auslassen von Mahlzeiten kann eine Hilfe sein, das angemessene Basalratenprofil zu ermitteln. Da der Bedarf an basalem Insulin, wie mehrfach ausgeführt, gewissen Schwankungen unterliegt Stichwort: wechselnde Insulinempfindlichkeit, kann jede einprogrammierte Basalrate nur näherungsweise richtig sein. Viel wichtiger und für die Praxis bedeutsamer ist: Bei ausgeglichenem Lebensstil (übliches Essen und Trinken, keine vermehrte körperliche Aktivität, keine Sondersituation) beinhaltet die 24-stündige Basalratenmenge ungefähr die Hälfte des Tagesgesamtinsulins. Zwischen Höhe der stündlichen Basalrate, BE-Faktor und Korrekturzahl besteht meistens ein gewisser Zusammenhang (vgl. Abschnitt 3.2.4, insbesondere Abb. 24).»Zwischen zwei aufeinanderfolgenden Bolusgaben müssen mindestens zwei Stunden vergangen sein«mit dieser Anweisung soll eine Bolusüberlappung möglichst vermieden werden. Wenn ein Insulinpumpenträger über die Wirkdauer seines Insulins gut Bescheid weiß und sie entsprechend einkalkuliert, wird er die Bolusgaben so setzen, wie er sie braucht. Im konkreten Fall heißt das: Wenn etwas besonders gut schmeckt und man mehr davon essen möchte, wird dafür ein zusätzlicher Bolus abgegeben unabhängig davon, wann der vorhergehende gesetzt wurde.»bei einem Blutzuckerwert über 250 mg/dl muss immer Azeton überprüft werden«eine deutliche Blutzuckererhöhung mit Werten über 250 mg/dl kann Ausdruck einer beginnenden ketoazidotischen Entgleisung sein. In solchen Fällen hilft die Azetonbestimmung im Urin bzw. im Blut weiter. Falls für den zu hohen Blutzuckerwert eine naheliegende Ursache sehr wahrscheinlich ist (z.b. Fehleinschätzung der Nahrung, vorherige Bolusabgabe vergessen, Bolus zu gering gewählt), genügt es, sofort einen geeigneten Korrekturbolus zu setzen. Der Blutzucker sollte nach ca. 2-4 Stunden erneut überprüft werden. Wenn der Messwert immer noch über 250 mg/dl liegt, könnte es sich doch um eine drohende Ketoazidose handeln, somit ist dann die Azetontestung unbedingt erforderlich.»bei einem Blutzuckerwert über 250 mg/dl ist jegliche körperliche Aktivität verboten«wenn ein Insulinmangel die Ursache für die deutliche Blutzuckererhöhung ist, muss körperliche Aktivität auf jeden Fall unterbleiben, denn bei einer Insulinminderversorgung verschlechtert sich die Stoffwechselsituation unter Muskeltätigkeit. Wenn allerdings durch entsprechende Insulingabe und durch ein negatives Ergebnis beim Azetontest gewährleistet ist, dass eine beginnende ketoazidotische Entgleisung nicht zu befürchten ist, kann körperliche Aktivität erfolgen. Allerdings sollte der Blutzucker nach 2-3 Stunden erneut gemessen werden.»wenn das Blutzuckermessgerät eine Speicherfunktion hat, ist das Aufschreiben der Ergebnisse überflüssig«das Überdenken der Blutzuckerwerte ist wesentlich, um die Bolusabgabe richtig zu steuern und die persönlichen Gesetzmäßigkeiten zu erkennen. Dabei sind die Rahmenbedingungen (Essen und Trinken, Bewegung, Besonderheiten) wichtig. Diese sollten in einer aussagekräftigen Dokumentation enthalten sein. Zumindest zur Beurteilung von Sondersituationen ist sie empfehlenswert. Die Erfahrung zeigt: Gut eingestellte Diabetiker verzichten selten auf eine übersichtliche Dokumentation der Messergebnisse und wichtiger zusätzlicher Informationen

111 13. Weitere Hinweise 13. Weitere Hinweise 13.2 Was ein Insulinpumpenträger unbedingt beachten sollte In der Insulinpumpen-Therapie gibt es nur wenige, zwingend einzuhaltende, verbindliche Vorschriften. Beispiele für absolute Handlungsanweisungen sind: Kein Wechsel der Insulinpatrone bei liegendem Katheter. Nach Katheterwechsel sicherstellen, dass der Schlauch gefüllt ist und die Insulinpumpe im»run-modus«ist. Bei Verdacht auf eine Unterzuckerung sofort handeln, nämlich Zufuhr von»schnellen Kohlehydraten«. Geeignete»Not-BE«müssen stets griffbereit sein. Vor länger andauernder körperlicher Aktivität muss stets überlegt werden, wie eine Hypoglykämie vermieden werden kann. Bei positivem Azetonnachweis keine körperliche Aktivität. Bei Unwohlsein, Bauchbeschwerden, Erbrechen und einem Blutzuckerwert über 250 mg/dl muss Azeton überprüft werden. Regelmäßige BZ-Kontrolle Erhebliche Blutzuckerschwankungen Bei Menschen mit Typ-1-Diabetes kann der tatsächliche Bedarf an Insulin trotz großer Sorgfalt und ausgefeilter Anpassungsschemata nur näherungsweise ermittelt werden. Deshalb lassen sich stärkere Blutzuckerschwankungen nicht immer vermeiden, mehr oder weniger deutliche Abweichungen vom wünschenswerten normnahen Zielbereich müssen in Kauf genommen werden. Es ist wie beim Bogenschießen auf eine Zielscheibe: Trotz aufrichtigen Bemühens trifft man nur selten ins Schwarze, eine gewisse Streubreite bei den Ergebnissen ist üblich und normal, durch systematisches Training kann die Trefferquote verbessert werden. In diesem Zusammenhang ist wichtig: Welche Begleitumstände können Ursache für eine überdurchschnittliche Stoffwechsellabilität mit übermäßigen Schwankungen der Blutzuckerwerte sein? Als Gründe dafür sind zu nennen: Ungenügendes Wissen des Insulinpumpenträgers: Er ist über Insulinbedarf und Insulinwirkung schlecht informiert; er kennt den Einfluss von Essen und Trinken auf den Blutzuckerverlauf zu wenig; er weiß nicht ausreichend Bescheid über körpereigene Regulationsmechanismen, die für die Blutzuckersteuerung von Bedeutung sind, wie z.b. Verdauungsvorgänge, Leberstoffwechsel, hormonelle Einflüsse. Die Insulinabgabe entspricht nicht dem tatsächlichen Bedarf: Das Basalratenprofil ist falsch; die Festlegung der Insulinboli ist nicht zweckmäßig (BE-Faktoren und Korrekturzahlen sind nicht richtig); das Dosisanpassungsschema wird zu starr gehandhabt und nicht kritisch hinterfragt. 220 Es bestehen erhebliche Mängel bei der Stoffwechselselbstkontrolle: Die Blutzukkermessung erfolgt zu selten, sie ist ungenau; die Messergebnisse werden nicht systematisch dokumentiert und analysiert; stärkere Abweichungen vom Zielwert werden zu wenig überdacht. Die Häufigkeit von Unterzuckerungen ist relativ hoch: Der Blutzuckerzielbereich ist zu niedrig gewählt; Vermeidungsstrategien für eine Hypoglykämie werden nicht beachtet; im Falle einer Unterzuckerung erfolgt ein übermäßiges, unkontrolliertes Essen und Trinken; durch hormonelle Gegenregulation kommt es zu einem überschießenden Blutzuckeranstieg. Stark wechselnde körperliche Aktivität ohne entsprechende Dosisanpassung kann die Blutzuckerstabilität stören: oft ist es schwierig, die angemessene Insulinmenge in der Blutbahn zu erahnen; nicht selten besteht eine Überinsulinierung; die Insulinempfindlichkeit kann sich während und nach körperlicher Tätigkeit verändern; eine eventuelle Entleerung von Glykogenspeichern in der Muskulatur und der»muskelauffülleffekt«nach Belastung lassen sich kaum berechnen; bei relativem Insulinmangel kann es sogar zu einem Blutzuckeranstieg während körperlicher Aktivität kommen. Große Freizügigkeit beim Essen und Trinken erschwert stabile Blutzuckerverläufe: Bei unbekannten Speisen und Getränken kann der Kohlenhydratanteil falsch geschätzt werden; auch an eine Essstörung ist zu denken; ein erhebliches Übergewicht verschlechtert die Insulinwirkung. Eine fehlende bzw. mangelhafte Krankheitsakzeptanz verleitet zu einer gewissen Oberflächlichkeit: Die Diabeteserkrankung wird verdrängt; es besteht keine Bereitschaft zum eigenverantwortlichen Handeln; es werden unrealistische Einstellungsziele angestrebt. Eine instabile psychische Situation bedingt nicht selten eine unausgeglichene Stoffwechselsituation: Vermehrter Stress, Ärger, Stimmungsschwankungen wirken sich ungünstig aus. Die hormonelle Situation kann die Blutzuckerstabilität beeinflussen: Monatsblutung, Wechseljahre, Schilddrüsenfunktionsstörungen, Cortisonbehandlung haben mitunter negative Auswirkungen auf den Blutzuckerverlauf. Ein stark wechselnder Schlaf-Wach-Rhythmus kann sich ungünstig auswirken: der Tagesablauf ist sehr unregelmäßig; es wird im Schichtdienst gearbeitet; durch häufige Intercontinentalflüge kommt es immer wieder zu Zeitverschiebungen. Das Ablegen der Insulinpumpe über einen längeren Zeitraum kann von Nachteil sein: Es erfolgt keine geeignete basale Insulinversorgung; es kann eventuell zu einem problematischen Druckabfall beim abkoppelbaren Katheter kommen. Durch eine Magenentleerungsstörung oder begleitende Verdauungskrankheiten ist die Kohlenhydrataufnahme gestört bzw. nicht berechenbar. Es liegt eine chronische Entzündung vor: z.b. eine Erkrankung der Nasennebenhöhlen, der Gallenblase, eine Bronchitis oder eine Polyarthritis. 221

112 13. Weitere Hinweise 13. Weitere Hinweise Weiterhin gibt es zahlreiche äußere Störfaktoren; diese können vom Insulinpumpenträger selbst beeinflusst werden, sie sind ihm jedoch häufiger nicht bewusst. Als Beispiele seien genannt: Überkorrektur mit Insulin oder BE Bolusgabe ohne Blutzuckerkontrolle Kathetereinstichstelle in lipodystrophische Bezirke (Fettgewebsansammlungen) zu lange Katheterliegedauer Kohlehydratreiche Kost mit stark wechselndem glykämischen Index sehr eiweißreiches Essen. Auch interne Störfaktoren können eine erhebliche Rolle spielen; diese sind durch körpereigene Regulationsmechanismen bedingt und sind vom Insulinpumpenträger nicht direkt beeinflussbar. Für den Blutzuckerverlauf können beispielsweise von Bedeutung sein: Leberstoffwechsel (vgl. Abschnitt 3.1.3) Autoregulation Muskelauffülleffekt verschlechterte Insulinempfindlichkeit vor der Periode Alkoholverstoffwechselung hormonelle Gegenregulation nach einer Unterzuckerung circadiane Rhythmik funktionelle Magenentleerungsstörung bei hohen Blutzuckerwerten verschlechterte Insulinwirkung bei erhöhten freien Fettsäuren im Blut. Diese umfangreichen Aufstellungen sie erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit verdeutlichen die Komplexität und Störanfälligkeit der Blutzuckerregulation. Bei übermäßiger Stoffwechsellabilität sind eine Fülle von Ursachen zu bedenken. Meist sind mehrere Gründe in unterschiedlicher Ausprägung dafür verantwortlich. Gleichzeitig ist leicht nachvollziehbar, dass mit einer Insulinpumpenbehandlung nicht zwangsläufig eine langfristig ausgeglichenere Stoffwechseleinstellung auf normnahem Niveau zu erzielen ist. Mit Erkennen der Ursache für eine übermäßige Blutzuckerlabiltät wird meist bereits aufgezeigt, welche geeigneten Schritte als Gegenmaßnahme zu ergreifen sind. Diese können sein: Beseitigung von Informationslücken und Wissensdefiziten Zweckmäßige Dosisanpassungsregeln Systematische Stoffwechselselbstkontrolle Strategien zur Vermeidung von Unterzuckerungen

113 13. Weitere Hinweise Konsequentes Überdenken der Blutzuckerverläufe,»PPL-System«als Hilfsmittel (siehe Abschnitt 3.3) Mehr»Disziplin«beim Essen und Trinken Stressabbau, Einüben eines Entspannungsverfahrens Annehmen der Erkrankung als eine persönliche Herausforderung Eventuell psychotherapeutische Behandlung Mehr Regelmäßigkeit im Tagesablauf Behandlung von Begleiterkrankungen Allerdings: Nicht immer sind die Gründe einer Blutzuckerlabilität offensichtlich. Nicht jede Ursache kann leicht und vollständig beseitigt werden. Bei einer ausgeprägten Magenentleerungsstörung beispielsweise ist ein einigermaßen stabiler Blutzuckerverlauf trotz großer Anstrengungen kaum erreichbar. Hormonelle Begleitumstände sind immer wieder schwer beeinflussbare Störfaktoren. Psychische Gegebenheiten, insbesondere persönlichkeitsbezogene Besonderheiten, erweisen sich meist als wenig veränderbar. Es gilt, Grenzen der Machbarkeit zu akzeptieren und sich immer wieder bewusst zu machen: Bei der Behandlung von Menschen mit Diabetes ist nicht alles beherrschbar, manches beim Blutzuckerverlauf ist nicht»logisch«, aber alles ist»biologisch«. In Abwandlung einer bekannten Lebensweisheit von Oettinger sind für einen Insulinpumpenträger drei Eigenschaften wünschenswert und vorteilhaft: Die Fähigkeit, den Blutzucker angemessen zu steuern, wo er beeinflusst werden kann. Die Gelassenheit, den Blutzuckerverlauf zu akzeptieren wo er nicht beeinflusst werden kann. Die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden. 14. Krankheitsbewältigung Der angemessene Umgang mit dem Diabetes ist für jeden Betroffenen eine ständige Herausforderung, die einiges an Energie, aber auch einen gewissen Zeitaufwand abverlangt. Selbstverständlich sind dazu fundiertes und umfangreiches Wissen über die Krankheit im allgemeinen sowie über die insulinpumpentypischen Besonderheiten unabdingbar. Für eine gute Einstellung ist dies jedoch nicht ausreichend. Es gibt Insulinpumpenträger, die bestens informiert sind; sie kennen die neuesten Entwicklungen, sie haben für alle Probleme im Zusammenhang mit Diabetes eine plausible Erklärung, aber ihre Stoffwechselqualität ist objektiv gesehen unbefriedigend, z.b. HbA 1c über 8 % bzw. mehr als 30 % Übergewicht. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit werden in diesem Kapitel weitere wichtige Gesichtspunkte angesprochen, die für einen angemessenen Umgang mit der Diabeteserkrankung zweckmäßig und vorteilhaft sind. Jeder möge sich das herausnehmen, was für ihn persönlich hilfreich ist. Wir haben nicht wenige Insulinpumpenträger kennen gelernt, die mit ihrer Erkrankung im Alltag in bewundernswerter Weise zurecht kommen. Wer trotz des Diabetes sich nicht wesentlich beeinträchtigt fühlt, wer einen großen Teil seiner Bedürfnisse und Wünsche verwirklichen kann, wer in seinem Wohlbefinden keine großen Zugeständnisse zu machen braucht, wer dabei meist gute Blutzuckerwerte und keine Unterzuckerungsproblematik hat, der braucht sich mit den Ausführungen dieses Kapitels nicht intensiver zu beschäftigen. Ansonsten laden wir dazu ein, sich einige alternative Gedanken über den Stellenwert der Erkrankung zu machen Allgemeine Behandlungsziele Als allgemeine Ziele für eine gute Behandlung der Diabeteserkrankung lassen sich zwei wesentliche Gesichtspunkte nennen: Zum einen geht es um eine optimale Stoffwechselqualität mit individuellen, erreichbaren Zielvorgaben. Die persönliche Lebenssituation des Patienten und eventuelle Begleiterkrankungen sind dabei zu berücksichtigen. Beispielsweise werden in der Pubertät andere Blutzuckerverläufe zu tolerieren sein als während einer Schwangerschaft. Bei einer schmerzhaften Polyneuropathie ist eine bessere Blutzuckereinstellung anzustreben als z.b. bei einem Insulinpumpenträger, bei dem nach einer mehr als 30-jährigen Diabetesdauer keine Folgeerkrankungen nachweisbar sind, der aber gleichzeitig die Unterzuckerungen schlecht bemerkt

114 14. Krankheitsbewältigung 14. Krankheitsbewältigung Zum anderen ist ein möglichst großes subjektives Wohlbefinden für den Betroffenen wünschenswert. Eigene Bedürfnisse, individuelle Lebensziele und die Persönlichkeit des Patienten sind zu beachten. Jeder Insulinpumpenträger sollte die vielfältigen Möglichkeiten, aber auch die Grenzen der Behandlung kennen, um frei und eigenverantwortlich entscheiden zu können, was zu tun ist Persönliche Bewertung Wie immer wieder betont, sollte jeder Mensch mit Diabetes seinen individuellen Weg im Umgang mit der Erkrankung finden. Der Insulinpumpenträger selbst legt fest, was ihm wichtig ist und was er bewusst in Kauf nimmt. Folgende Fragen wollen zum Nachdenken anregen: Wie ist mein Wissensstand? Welche persönlichen Ziele habe ich? Welchen Stellenwert messe ich der Krankheit zu? Was kann ich schon gut? Wo habe ich noch Defizite? Was möchte ich anders machen? Was will ich bewusst beibehalten? Beschäftigen Sie sich von Zeit zu Zeit mit solchen Fragen. Scheuen Sie sich nicht, Ihre Antworten gelegentlich aufzuschreiben. Dann fällt es leichter, Veränderungen bei sich wahrzunehmen. Probieren Sie es einfach aus. Ein sehr empfehlenswertes Buch bringt es mit dem Titel»Diabetes ist meine Sache«auf den Punkt. Es enthält hilfreiche Denkanstöße im Umgang mit der chronischen Krankheit. Der Autor Axel Hirsch ist Psychologe mit verhaltenstherapeutischem Schwerpunkt, er ist Betroffener (Typ-1-Diabetiker) und arbeitet seit vielen Jahren als Therapeut in einem Diabetes-Schulungsteam. Das Buch spiegelt seine vielfältigen Erfahrungen wider. Jeder an Diabetes erkrankte Mensch sollte dieses Buch gelesen haben, um selbst herauszufinden, inwieweit es ihm nützt Realistische Sichtweise Für einen konstruktiven Umgang mit der Diabeteserkrankung ist es wichtig, die tatsächlichen Gegebenheiten zu erfassen und sie zu respektieren.»anerkennen, was ist«stellt eine wichtige Voraussetzung zur Krankheitsbewältigung dar. Wie sieht nun die Realität für einen Insulinpumpenträger aus? Tatsache ist, dass zu wenig bzw. meist kein Insulin mehr in der Bauchspeicheldrüse gebildet wird. Trotz Insulinpumpenbehandlung wird Insulin nicht wie beim Gesun- 226 den in das Pfortadersystem bedarfsgerecht abgegeben, sondern es gelangt über das Unterhautfettgewebe die»falsche Stelle!«in den Blutkreislauf. Tatsache ist, dass der Diabetiker selbst mit seinem»kopf«die mangelnde Funktion der Bauchspeicheldrüse ersetzen muss. Dabei geht es darum, mit viel Cleverness die körpereigenen Regulationsmechanismen möglichst gut nachzuahmen. Tatsache ist, dass die Blutzuckerselbstkontrolle ein wichtiges Hilfsmittel darstellt. Sie erfolgt allerdings nur punktuell und hat eine methodenbedingte Ungenauigkeit. Tatsache ist, dass die natürlichen Steuerungsvorgänge für den Blutzucker sehr komplex sind. Nicht alle Zusammenhänge sind bekannt, geschweige denn mit einfachen Mitteln messbar. Es gilt, Grenzen der Machbarkeit zu erkennen und zu respektieren. Tatsache ist, dass der individuelle Insulinbedarf größeren Schwankungen unterliegt. Zudem sind die Reaktionsmuster von Patient zu Patient verschieden. Tatsache ist, dass ein allzu dogmatisches Vorgehen bei der Behandlung ungeeignet ist. Die Anweisungen von Diabetesfachleuten sind immer wieder hinsichtlich Erfolg bzw. Misserfolg zu hinterfragen. Tatsache ist, dass der täglich notwendige Zeitaufwand auch unter Insulinpumpenbehandlung durchschnittlich mindestens 20 Minuten erfordert. Die komplexe Aufgabe der Blutzuckersteuerung kann nicht einfach nebenbei erledigt werden. Tatsache ist, dass Wissen, Erfahrung, Nachdenken und Ausprobieren wichtige Säulen der Behandlung sind; dies gilt für den Patienten, aber auch für den Therapeuten; für beide ist ein engagiertes Vorgehen wünschenswert. Der an Diabetes erkrankte Mensch, aber auch seine Berater sollten sich mit diesen Realitäten immer wieder auseinandersetzen und sie zur Grundlage ihres Handelns machen Verhältnis Patient Therapeut Nachdem in unserer Gesellschaft das autoritäre, diktatorische System im politischen sowie im familiären Bereich weitgehend abgeschafft wurde, ist es an der Zeit, dies auch bei der Behandlung von chronischen Krankheiten zu tun, d.h. die Beziehung zwischen Betroffenem und Therapeut sollte durch ein partnerschaftliches Vorgehen bestimmt sein. Der Patient besitzt die Entscheidungskompetenz, der Diabetesspezialist die Fachkompetenz. Ein zu sehr bewertendes oder gar verurteilendes Denken hat dabei keinen Platz. Beispielsweise gibt es keine»diätsünden«, bestenfalls ungünstige und weniger geeignete Speisen und Getränke. Der Insulinpumpenträger ist nicht zum blinden Gehorsam gegenüber den ärztlichen Anweisungen verpflichtet, sondern er sollte von seinem Handeln selbst überzeugt sein. Der Betroffene legt fest, was ihm wichtig ist, welche 227

115 14. Krankheitsbewältigung 14. Krankheitsbewältigung Regeln die Grundlagen seines Tuns sind. Er selbst entscheidet, er trägt aber auch die Verantwortung dafür, wenn er von allgemein bewährten Empfehlungen abweicht. Der Patient ist der»bestimmer«. Dies setzt natürlicherweise voraus, dass der an Diabetes erkrankte Mensch sehr gut informiert ist, damit er die Möglichkeiten, aber auch die Risiken seines Handelns kennt und damit er die Konsequenzen seines Tuns beurteilen kann. Der Therapeut sollte sich seine Rolle als engagierter Berater bewusst machen, er sollte seine Bemühungen darauf setzen, durch alltagsbezogene, phantasievolle und erlebnisorientierte Schulungsmaßnahmen den Patienten zu befähigen, das Wesentliche seiner Krankheit zu erkennen, darüber nachzudenken und dann angemessen zu handeln. Die Diabetesfachleute sind Berater und Begleiter, sie haben die Funktion eines»wegweisers«, sie bieten ein hilfreiches und erprobtes Handwerkszeug zur Behandlung an, sie geben Erfahrungen weiter, sie informieren über die Gesetzmäßigkeiten der Natur und sie forschen mit wissenschaftlichen Methoden nach neuen Erkenntnissen. Sie sollten lernen, das Recht der Entscheidung, aber auch die Verantwortung für die Konsequenzen an den Patienten abzugeben. Zudem sollten sie auch die Chance nutzen, von den Betroffenen viele praktische Tipps zu erfahren, die sich im Alltag mit der Insulinpumpe als zweckmäßig erwiesen haben Hilfreiche Einstellungen Manch einer mag sich nach diesen Ausführungen fragen, wie kann ich dies alles schaffen? Deshalb sollen einige alternative Denkanstöße gegeben werden, die mehr die gedankliche Einstellung zur Krankheit betreffen. Jeder möge sich sein eigenes Urteil dazu bilden. Manche Insulinpumpenträger meinen, es sei sehr wichtig, sich bei der Behandlung der Diabeteserkrankung möglichst absolut fehlerlos zu verhalten. Wer so denkt, macht etwas Bedeutsames falsch: Er wagt kaum etwas Neues, er geht kein Risiko ein. Aufgrund eines übertriebenen Sicherheitsbedürfnisses nimmt er sich die Chance, neue Erfahrungen zu machen, er kann die Vielfalt seines Handlungsspielraumes gar nicht kennen lernen. Hier ist Mut gefragt: Mut zum Risiko, Mut zum phantasievollen Handeln, Mut zum Experiment und Mut, andere Wege zu gehen. Wünschenswert ist ein diabetologisches Selbstbewusstsein, d.h. der Betroffene ist sich selbst darüber bewusst, welche Bedeutung die gestörte Insulinbildung für die Gesamtabläufe seines Körpers besitzt. Er ist sich darüber im klaren, dass er selbst mit seinem»kopf«die Fehlfunktion der Bauchspeicheldrüse übernehmen muss. Dazu braucht er Wissen, Erfahrung, Nachdenken und Experimentierfreudigkeit. Er ist dazu aufgefordert, bewährtes Verhalten im Umgang mit seiner Erkrankung auch gegen

116 14. Krankheitsbewältigung 14. Krankheitsbewältigung über Diabetesfachleuten zu vertreten, deren Empfehlungen manchmal zu starr sind. Noch bedeutsamer ist es, sich gegenüber ärztlichem Personal zu behaupten, das über die Besonderheiten der Insulinpumpenbehandlung nicht Bescheid weiß. Erstrebenswert ist eine Haltung der Gelassenheit. Es geht darum, sich von der Erwartung zu lösen, alles im Griff haben zu können; es geht darum, die Dinge primär erst einmal so zu akzeptieren, wie sie sind; es geht darum zu erkennen, dass trotz größter Anstrengungen der Blutzuckerverlauf bei einem Diabetiker meist nicht so ausgeglichen sein kann wie bei einem Gesunden. Das kann auch bedeuten, sich einzugestehen, dass die Vorgaben von Diabetesfachgesellschaften im Einzelfall nicht immer eingehalten werden können. Wünschenswert ist eine befreiende Gelassenheit, die nicht mit Oberflächlichkeit, Gleichgültigkeit oder Gedankenlosigkeit verwechselt werden darf. Wer gelassen ist, gerät nicht in Panik, wenn Unerwartetes auftritt; er macht sich keine unnötigen Sorgen um Dinge, die er nicht beeinflussen kann; er hat keine übersteigerten Ängste vor Ereignissen, die außerhalb seines Gestaltungsspielraumes liegen. Gelassen zu bleiben bei den immer wieder neuen Überraschungen im Alltag eines Menschen mit insulinpflichtigem Diabetes, das ist in der Tat ein weites Übungsfeld und eine ständige Herausforderung. In einer Zeit, die mitunter von einem übertriebenen Sicherheitsbedürfnis und von einer pessimistischen Grundhaltung geprägt wird, sind gerade im Umgang mit einer chronischen Krankheit das Prinzip Hoffnung und eine große Portion Zuversicht notwendig. Ein Leben mit Diabetes muss kein Drama sein und endet heute meist eben nicht mit einer Katastrophe. Es gilt nur, die persönliche Herausforderung zu erkennen, sie anzunehmen, sich den Behandlungsempfehlungen zu stellen und seinen eigenen Weg zu finden. In den vergangenen Jahrzehnten wurden große Fortschritte gemacht. Blutzuckerselbstkontrolle, kompetente Patientenschulung, Insulinpumpenbehandlung, kurzwirksame Insulinanaloga seien als Stichworte genannt. An bahnbrechenden Erleichterungen wird intensiv geforscht, z.b. an der unblutigen Blutzuckerbestimmung oder am sog. Closed-loop-System mit der automatischen Blutzuckersteuerung. Vorteilhaft ist der Erfahrungsaustausch mit anderen Insulinpumpenträgern. Dadurch bekommt man Tipps und Anregungen, welche vielfältigen Lösungsmöglichkeiten es für Alltagssituationen im Leben eines»pumpis«gibt. Man erfährt Neuigkeiten auf dem Hilfsmittelmarkt, man wird immer wieder motiviert, sich der nicht ganz leichten Herausforderung der Diabeteserkrankung zu stellen. Außerdem tut es meist gut, sich ungezwungen mit anderen Betroffenen zu unterhalten und Verständnis zu erleben. Eine immer wieder gestellte Frage ist, wie man eine solche Gruppe zum Erfahrungsaustausch findet. Primärer Ansprechpartner kann die Diabetiker-Selbsthilfegruppe vor Ort sein, weitere Möglichkeiten sind beim»bundesverband Insulinpumpenträger e.v.«oder bei den»insulinern«nachzufragen, eine andere Informationsquelle ist das Internet (Adressen siehe Kapitel 15.3), häufig kommt man diesbezüglich auch über Insulinpumpenambulanzen oder diabetologische Schwerpunktpraxen weiter. Wer Augen 230 und Ohren offen hält, etwas Phantasie entwickelt und das Bedürfnis zum Erfahrungsaustausch mit Betroffenen hat, wird Möglichkeiten dazu finden. Erforderlich ist auch ein gewisser Spürsinn, wenn es darum geht, die körpereigenen Gesetzmäßigkeiten zu entdecken. Beispielweise können Situationen, die mit Ärger, Wut oder Kränkung verbunden sind, zu einer Blutzuckererhöhung führen. Dies kann von Patient zu Patient sehr unterschiedlich sein. Jedem Insulinpumpenträger wird empfohlen, genau zu beobachten, persönliche Zusammenhänge zu erkennen und daraus erfolgreiche Handlungsanweisungen abzuleiten. Ohne Genauigkeit und Gewissenhaftigkeit geht es nicht, wenn die»natürlichen Ordnungen im Chaos«der Blutzuckerverläufe herausgefunden werden wollen. Das Überdenken der Ergebnisse ist dabei unabdingbar; eine aussagekräftige und übersichtliche Dokumentation kann eine wertvolle Hilfe sein. 231

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