Beitrag: Billiggranit aus dem Baumarkt Ausbeutung in China

Transkript

1 Manuskript Beitrag: Billiggranit aus dem Baumarkt Ausbeutung in China Sendung vom 14. März 2017 von Michael Lang, H.-C. Schultze und Gregor Witt Anmoderation: Die Deutschen stehen darauf, buchstäblich - auf Gehwegplatten und Pflastersteinen aus chinesischem Granit. Genutzt wird der Stein, der aus der Ferne kommt, aber auch für Küchenplatten. Die Baumärkte sind voll davon. Nun können sich die deutschen Kunden über die positiven Effekte der Globalisierung freuen, denn chinesischer Granit ist im Vergleich zu deutschem billig. Die chinesischen Arbeiter zahlen aber einen hohen Preis dafür. Sie brechen den Granit oft zu Bedingungen, die sich kein Deutscher gefallen lassen würde. Und einige Baumärkte schauen lieber nicht so genau hin. H.-C. Schultze und Gregor Witt über in Stein gemeißelte Ausbeutung. Text: Granitsteine mehr als eine Million Tonnen importiert Deutschland jährlich. Baumärkte bieten sie an als Pflastersteine, Wandverkleidungen, Küchenplatten. Massenware - meist für wenig Geld. Wissen Sie denn, woher dieser Granit hauptsächlich kommt? Nein, weiß ich nicht. Nein. Ja, Italien oder weiß der Himmel wo. China.

2 Ich würde sagen aus Europa. Tatsächlich wird weltweit der meiste Granit in chinesischen Steinbrüchen gebrochen. Bilder von dort gibt es wenige. Ein Knochenjob. Die Arbeiter sind oft schlecht bezahlt und kaum geschützt vor Staub und Lärm. Wird Granit aus solchen Betrieben auch in deutschen Baumärkten verkauft? Wir fragen nach bei einem der umsatzstärksten BAUHAUS. BAUHAUS versichert, dass seine Lieferanten Mindeststandards des Arbeitsschutzes einhalten. Dazu gehörten: - Zumutbare Arbeitszeiten - entsprechender Arbeitsschutz - Verbot prekärer Beschäftigung - Verbot von Kinderarbeit Tausende Kilometer entfernt - die chinesischen Provinz Fujian. Dort residiere ein Lieferant von BAUHAUS, berichtet uns ein Informant. Und von da habe die Firma Quanzhou Mingzhao Stone an BAUHAUS Granit geliefert - mindestens bis Er übergibt uns diese Bilder: Arbeiter ohne Atemmaske, ohne Schutzbrille, ohne Helm und ohne Ohrenschützer. Eine Arbeiterin mit Kind, inmitten von Staub, Ohren betäubendem Lärm und umher fliegenden Steinsplittern. Lebensgefährlich. Sieht so der von BAUHAUS versprochene Arbeitsschutz aus? Unser Informant berichtet: Genau in diesem Betrieb seien solche Beschriftungen auf versandfertigen Granitstein-Kisten zu finden gewesen. Empfänger: die BAHAG AG, ein Dienstleister für BAUHAUS. Gab es Lieferungen über die BAHAG AG an BAUHAUS? Das Unternehmen erklärt dazu, es wurden,... keine Waren von dem Unternehmen Quanzhou Mingzhao Stone Co, LTD direkt an die BAHAG AG versendet. Wir fragen nach, ob möglicherweise indirekt - über Zwischenhändler - geliefert wurde. Dazu keine Erklärung von BAUHAUS. Grundsätzlich teilt man mit, Informationen zu einzelnen Lieferantenbeziehungen stellen Betriebsgeheimnisse da. Ohne ausreichenden Atemschutz wird nach unseren Recherchen in vielen Steinbrüchen Chinas gearbeitet. Die Folgen sind fatal.

3 O-Ton Dr. Juliane Kronsbein, Lungenärztin Universitätsklinikum Bergmannsheil Bochum: Diese Arbeiter sind sicherlich einer extremen Staubbelastung ausgesetzt. Das heißt, sie werden möglicherweise im Zuge einer Erkrankung, einer Steinstaublunge, die sie entwickeln, sehr frühzeitig auch Symptome im Sinne von Luftnot, vielleicht ne einer trockene Hustensymptomatik, entwickeln. Die Ärztin zeigt uns durch Staub weiß verfärbte Vernarbungen im Lungengewebe. Unheilbar! O-Ton Dr. Juliane Kronsbein Lungenärztin Universitätsklinikum Bergmannsheil Bochum: Ich hab auf den Bildern gesehen, es sind durchaus auch jüngere Arbeiter, so schätze ich das hier ein. Da ist sicherlich mit einer deutlich verkürzten Lebenserwartung zu rechnen. Unter Umständen auch nur vielleicht bis zum 40sten oder 50sten Lebensjahr. Staub ist längst nicht die einzige Gefahr, denen chinesische Steinarbeiter ausgeliefert sind. Wir zeigen einem Arbeitsschutzexperten Bilder unserer Informanten: O-Ton Helmut Ehnes, Berufsgenossenschaft Rohstoffe und chemische Industrie: Wenn man sich diese Fotos anschaut, dann fällt auf, extrem hohe Staubbelastungen. Wir wissen, da ist Lärmbelastung vorhanden. Es gibt Mängel in der Ausrüstung der Arbeiter - angefangen vom Schutzhelm über Gehörschutz, über die Brille, über die Atemschutzmaske, über die Sicherheitsschuhe. Sparen diese Firmen am Arbeitsschutz auf Kosten der Gesundheit? O-Ton Helmut Ehnes, Berufsgenossenschaft Rohstoffe und chemische Industrie: Die Arbeitshaltung ist ziemlich bedenklich, ja, da sind Gelenkschäden, Rückenerkrankungen, all das. Es sind ja gewaltige Lasten, mit denen die Leute hier zu tun haben. Wenn da so ein Segment wegfliegt und man ist nicht geschützt und man steht in diesem Gefahrenbereich, dann kann das auch schwerwiegende oder sogar tödliche Folgen haben. Entspricht das denn überhaupt den internationalen Arbeitsrechtsvorschriften, was Sie da sehen? O-Ton Helmut Ehnes, Berufsgenossenschaft Rohstoffe und chemische Industrie: Das ist nicht der Standard, den wir als guten, akzeptablen

4 Standard erwarten würden und empfehlen würden. Besonders dringend wäre ein wirksamer Staubschutz. Denn mit 80 Prozent ist die Staublunge die häufigste Berufskrankheit in China. Wie kontrollieren deutsche Baumärkte den Arbeitsschutz in China? Frontal 21 hat bei den sechs größten nachgefragt. Von Globus keine Antwort. HORNBACH lässt vom TÜV kontrollieren - versichert, dass Verstöße geahndet werden. Für BAUHAUS, OBI, toom und hagebau kontrolliert eine Unternehmensinitiative für soziale Verantwortung, abgekürzt BSCI deren Lieferbetriebe in China. Doch das muss keine Folgen haben - so BSCI gegenüber Frontal 21, Die Entscheidung, wie und ob mit einem Lieferanten gearbeitet bzw. weitergearbeitet wird, obliegt dem BSCI- Teilnehmer. Kein Schutz vor Staub, Lärm oder Steinsplittern. Deutsche Baumärkte könnten handeln, wenn sie davon erfahren. Doch tun sie das auch? Beispiel hagebau. Beliefert wird dieser Baumarkt von der Firma Fujian Jinjiang Fubang Stone. Im März 2016 wurde die chinesische Firma durch BSCI kontrolliert. Zum Beweis schickt uns hagebau diesen Prüfbericht. Beanstandet wurde bei der Kontrolle unter anderem: Arbeiter ohne Ohrstöpsel, keine gesetzlich geforderte Sozialversicherung, Überstunden von 36 bis 74 Stunden pro Monat. Gesamtergebnis D, die zweitschlechteste aller möglichen Bewertungen. hagebau teilt auf Nachfrage mit, dass der chinesische Zulieferer in den kommenden Wochen erneut überprüft werde. Und weiter, Nach aktuellem Stand wird die Zusammenarbeit mit der Firma Fujian Jinjiang Fubang Stone Co. fortgesetzt werden. Erstaunlich - hagebau kennt die Probleme in China, doch das hat bisher kaum Konsequenzen. Die Politik versprach, Druck zu machen wollten die wichtigsten Industriestaaten für mehr Arbeitnehmerrechte, bessere Arbeitsbedingungen und Umweltschutz in globalen Lieferketten sorgen. Die Bundesregierung verabschiedete gar einen Aktionsplan. Das Auswärtige Amt verkündet gegenüber Frontal 21,

5 Damit werden zum ersten Mal überhaupt die Verantwortlichkeiten deutscher Unternehmen zur Achtung und Wahrung der Menschenrechte in einem festen Rahmen verbindlich verankert. Wird das eingelöst von der Bundesregierung? O-Ton Kathrin Krause, Verbraucherzentrale Bundesverband: Nein. Die Bundesregierung postuliert hier hehre Absichten, etwas zu unternehmen, was sich aber nicht in scharfen Gesetzen gegenüber Unternehmen widerspiegelt. Das heißt, verstoßen deutsche Unternehmen im Ausland gegen Menschenrechte, drohen ihnen weiterhin keine Sanktionen oder auch Einbußen. Manch Bürger erwartet da weit mehr von Politik und Unternehmen: Wie die da arbeiten, unter welchen Bedingungen. Da bin ich ja froh, dass wir hier in Europa, in Deutschland sind. Wir haben hier einen Mindestlohn von 8,50 Euro. Da werden die niemals drankommen. Ich wäre bereit mehr zu bezahlen, ja. O-Ton 21: Warum? Ganz einfach, weil wir wollen das ja auch hier. Wir wollen auch, dass Gerechtigkeit ist mit dem Lohn und so weiter. Die Baumarktkette toom ist zu einem Interview bereit, will nur noch Granit von Firmen verkaufen, die Arbeitsschutz und Arbeitsrechte sicherstellen, kündigt der Chefeinkäufer an. O-Ton Dominique Rotondi, Geschäftsführer Einkauf toom: Ich habe wahrgenommen und auch gesehen, wie Mitarbeiter eines Steinbruchs kaserniert werden. Dass die Mitarbeiter nicht freiwillig entscheiden können, nach zwei Monaten oder nach einem Monat die Arbeitsstelle zu verlassen, weil sie dann ihr Geld nicht bekommen. Wenn sie dann in einem verarbeitenden Betrieb Frauen sehen, die ihre Kinder mit zur Arbeit nehmen, bei einem Lärm, und die dort ohne Beaufsichtigung spielen, ich glaub, das ist auch eine Sache, die ich nicht aus dem Kopf bekomme.

6 toom will nur noch Granit mit einem sogenannten Xertifix-Plus- Siegel verkaufen. Kontrolliert werde so die gesamte Lieferkette in China. Wird s teurer für den Kunden oder nicht? O-Ton Dominique Rotondi, Geschäftsführer Einkauf toom: Nein, es wird nicht teurer für den Kunden. Warum? O-Ton Dominique Rotondi, Geschäftsführer Einkauf toom: Weil wir in der Hoffnung darauf bauen, dass wir viel, viel mehr Händler dazu bewegen können, mit uns diesen Weg zu gehen. Der Verein Xertifix kontrolliert chinesische Steinbrüche ohne Ankündigung. Wird gegen Arbeitsschutz verstoßen, wird das Siegel entzogen, die Lieferbeziehung gekündigt. O-Ton Walter Schmidt, Xertifix: Wir haben mittlerweile 30 Lieferketten, die wir kontrollieren. Das ist durchaus ein beachtlicher Schritt. Nur wenn man sich die Gesamtzahl der Betriebe und Steinbrüche in China anschaut, dann ist das ein geringer Prozentsatz. Granit aus China preiswerter Baustoff. Produziert von Arbeitern, die für wenig Geld ihre Gesundheit ruinieren. Deutsche Baumärkte könnten daran etwas ändern. Nur die wenigsten werden ihrer Verantwortung gerecht. Zur Beachtung: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Der vorliegende Abdruck ist nur zum privaten Gebrauch des Empfängers hergestellt. Jede andere Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtgesetzes ist ohne Zustimmung des Urheberberechtigten unzulässig und strafbar. Insbesondere darf er weder vervielfältigt, verarbeitet oder zu öffentlichen Wiedergaben benutzt werden. Die in den Beiträgen dargestellten Sachverhalte entsprechen dem Stand des jeweiligen Sendetermins.