Beitrag: Ausgebeutete Putzkräfte Razzia gegen Lohndrücker Sendung vom 2. Oktober 2007

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1 Manuskript Beitrag: Ausgebeutete Putzkräfte Razzia gegen Lohndrücker Sendung vom 2. Oktober 2007 Von Joe Sperling Anmoderation: Wie kann Ihnen ihr Arbeitgeber den Stundenlohn erhöhen und am Ende verdienen Sie - bei gleicher Stundenzahl - dann doch nicht mehr? Das kapitalistische Rätsel ist leicht zu lösen: Der Arbeitgeber zahlt einfach weniger Stunden als Sie in Wirklichkeit gearbeitet haben. Und schon ist die Anforderung vom Mindestlohn formal erfüllt. Sie glauben, das lasse niemand mit sich machen, das gehe doch nicht? Leider falsch. Denn Zollrazzien scheinen genau das zu belegen. Zum Beispiel beim Handwerk mit den meisten Beschäftigten in Deutschland, der Gebäudereinigung. Über Menschen putzen ganz offiziell und mit einem Mindestlohn von 6,36 Euro im Osten und 7,87 Euro im Westen - jedenfalls wenn es mit rechten Dingen zuginge. Geht es aber nicht, wie der Zoll bei seinen Razzien jetzt immer wieder feststellt. Joe Sperling berichtet. Text: 7.00 Uhr morgens, eine Stunde vor Ladenöffnung. Zollbeamte kontrollieren einen Supermarkt bei Oschersleben. Die Finanzkontrolle Schwarzarbeit prüft auch, ob Gebäudereinigungsunternehmen den neuen gesetzlichen Mindestlohn zahlen. Der gilt seit dem 1. Juli in dieser Branche. O-Ton Zoll: Sie arbeiten hier real zwei Stunden? O-Ton Reinigungskraft: Ja. O-Ton Zoll: Abgerechnet kriegen Sie weniger? O-Ton Reinigungskraft: Ja. O-Ton Zoll: Wie viel?

2 O-Ton Reinigungskraft: 1,25 Zwei Stunden Arbeit, aber nur knapp anderthalb werden bezahlt. Die Beamten handeln schnell. O-Ton Heinz Michael Horst, Finanzkontrolle Schwarzarbeit: Wir haben konkrete Anhaltspunkte für möglich vorliegende Mindestlohnverstöße und weitere Verstöße gefunden. Wir haben gerade im Moment ein Strafverfahren eingeleitet. Nur Stunden später. Der Zoll rückt mit Zivilfahrzeugen an. Die Beamten durchsuchen nach richterlichem Beschluss die Firma Dienstleistungs-GmbH, kurz Dielei den Arbeitgeber der Frauen. Die Beamten beschlagnahmen Akten und Geschäftsunterlagen. Dann taucht plötzlich einer aus der Firmenleitung auf. Guten Tag. Guten Tag. Darf ich fragen, was Sie hier machen? Wir filmen hier. Und wo haben Sie die Genehmigung dazu? Darf ich fragen, wer Sie sind? Ich bin der Chef dieses Unternehmens. Sind sie der Herr Rode? Ich bin der Herr Rode. Richtig. Trifft es zu, dass die Angestellten Ihrer Firma für weniger als den gesetzlichen Mindestlohn haben arbeiten müssen?

3 Nein, wir zahlen Mindestlohn, beziehungsweise Tariflohn 6,36 Euro. Das kann ich auch nachweisen, da habe ich kein Problem mit. Rosemarie Bartsch arbeitet seit zwei Jahren für Dielei. Sie behauptet, dass das nicht stimmt. Der Trick mit der Lohnabrechnung sei ganz einfach. Die weist zwar 6,36 Euro Mindestlohn aus, aber die abgerechneten Arbeitszeiten seien falsch. Hier stehen die Stunden, 21,45; 10,79; 5,33 mit 6, 36 Euro. Und was ist in Wirklichkeit? In Wirklichkeit habe ich gearbeitet statt 21,45-26 Stunden, statt 10,79-13 Stunden, und statt 5,33-6,5 Stunden. Und auf welchen Lohn kommen Sie dann in Wirklichkeit? Auf 5,25 Euro Stundenlohn! Auch in ihrem Arbeitsvertrag sind die Einsatzzeiten zu gering bemessen. Nur 8,6 Stunden die Woche. Frau Bartsch beschwert sich bei der zuständigen Dielei-Sachbearbeiterin. Ich habe Frau Kaisler darauf hingewiesen, dass das nicht stimmt, dass das 10,5 Stunden sein müssen, und sie hat zu mir gesagt: Die Stunden, die da stehen, die spielen keine Rolle, Hauptsache, da steht irgendwas. Für den Unterschied zwischen tatsächlicher Arbeitszeit und der bezahlten Zeit im Supermarkt hat der Geschäftsführer eine originelle Erklärung. Die arbeiten keine zwei Stunden, wer sagt das? Die Frauen sagen, dass sie solange arbeiten.

4 Nein, die sind anwesend. Anwesend, und arbeiten, das ist ein Unterschied. Effektive Arbeitszeit ist etwas anderes, nicht die Anwesenheit. Und das ist das Entscheidende. Auch andere Dielei-Beschäftigte bestätigen, dass die Firma nicht den gesetzlichen Mindestlohn von 6,36 Euro zahlt. Sie wollen nicht erkannt werden, fürchten die Kündigung. O-Ton Dielei-Beschäftigte: Ich arbeite bei der Dienstleistungs-GmbH Oschersleben, arbeite als Reinigungskraft und verdiene 5,25 Euro die Stunde. Wie viele Urlaubstage haben Sie da? O-Ton Dielei-Beschäftigte: 20. Doch in Deutschland sind mindestens 24 Urlaubstage gesetzlich vorgeschrieben. Und den Gebäudereinigern stehen noch mehr zu. Mindestens 28. Doch bei Dielei scheint das nicht zu interessieren. O-Ton Dielei-Beschäftigte: Urlaub habe ich 20 Tage. Da habe ich das angesprochen mit 24 Tagen, das wurde uns abgelehnt und Feiertagszuschlag gibt es auch nicht. Wie viel Urlaub kriegen Ihre Angestellten? Die kriegen entsprechend Ihrem Tarif Ihren Urlaub. So wie das im Gesetz drinne steht. Trifft es zu, dass Sie 20 Tage Urlaub geben im Jahr? 24 Tage Urlaub bezahlen wir. Doch Frontal21 liegen sowohl ein Arbeitsvertrag als auch eine Gehaltsabrechnung der Firma Dielei vor, die gesetzwidrig nur einen Jahresurlaub von 20 Arbeitstagen ausweisen.

5 Ich finde das eine Riesenschweinerei von der Firma. Denn die Firma verlangt von uns korrekte Arbeit und will uns aber nicht korrekt für unsere geleistete Arbeit bezahlen. Das finde ich nicht in Ordnung. Lohndrückerei, nicht bezahlte Urlaubstage, fehlende Nacht- und Feiertagszuschläge und unbezahlte Fahrtzeiten die Frauen würden um etwa ein Drittel ihres Lohnes gebracht, glaubt Gewerkschafter Jürgen Pegel. Und kennt viele weitere Beispiele. O-Ton Jürgen Pegel, IG BAU-Beratungssekretär: Ja, es gibt circa 10 bis 12 Firmen, die ähnlich verfahren wie die Firma Dielei jetzt. Die auch den Mindestlohn unterlaufen? O-Ton Jürgen Pegel, IG BAU-Beratungssekretär: Genau, die auch den Mindestlohn unterlaufen, indem sie die Stunden kürzen und trotzdem den Kollegen länger arbeiten lassen. Die Branche soll endlich sauber werden das will auch der Bundesinnungsverband des Gebäudereinigerhandwerks. Der Verband hatte ebenfalls einen Mindestlohn gefordert. O-Ton Johannes Bungert, Bundesinnungsverband Gebäudereinigerhandwerk: Wir haben jetzt einen zusätzlichen Vorteil, dadurch, dass wir jetzt Zollprüfungen haben und ich denke, eine noch bessere Garantie dafür, dass wir unsere Mindeststandards auch einhalten können. Aber wenn Sie als Innungsverband befürwortet haben, einen gesetzlichen Mindestlohn einzuführen, dann muss es doch einen Bedarf dafür gegeben haben in Ihrer Branche. O-Ton Johannes Bungert, Bundesinnungsverband Gebäudereinigerhandwerk: Ja selbstverständlich hat es nicht nur in unserer Branche, in allen personalintensiven Branchen ist es der Fall, wenn der Wettbewerb nur über den Lohn geführt wird, macht es Sinn, diesen Wettbewerb fair zu gestalten. Das kann ich nur, wenn ich allgemeinverbindliche Löhne bzw. tarifliche Mindestlöhne fest verankere.

6 O-Ton Prof. Gerhard Bosch, Arbeitssoziologe, Universität Duisburg-Essen: Ich habe den Eindruck, dass in den Arbeitgeberverbänden weiterhin zwei Fraktionen hinter den Kulissen miteinander ringen ich sage mal die anständige Fraktion, die den Mindestlohn respektieren will und die auch für geordnete Arbeitsverhältnisse in der Branche sorgen will, und eine andere Fraktion, die Angst hat, aus dem Markt geschmissen zu werden, wenn sie ihre eigenen illegalen Praktiken beenden. Öffentlich tritt der Bundesverband der Gebäudereiniger für den Mindestlohn ein, intern aber macht er Druck: Ein Brief an die Beschäftigten, der Frontal21 vorliegt, warnt vor sogenannter Bummelei, droht bei wiederholten Abweichungen von der Arbeitszeit mit Kündigung. O-Ton Peter Riedel, Branchensekretär IG BAU: Ich bewerte diesen Brief als Frechheit gegenüber allen Frauen in der Gebäudereinigung, denen er zugeschickt worden ist. Ich bewerte ihn deswegen als Frechheit, weil man hier überhaupt nicht die Arbeitsleistung der Frauen in der Gebäudereinigung anerkennt, weil man in diesem Brief schreibt, dass die Frauen bummeln würden. Man unterstellt, dass die Frauen selbst Arbeitszeiten verlängern, um dadurch vielleicht mehr Geld zu bekommen. Das geht überhaupt nicht aus meiner Sicht, weil die Unternehmen eher dazu neigen, die Mehrarbeit überhaupt nicht zu bezahlen. So wie Dielei-Geschäftsführer Rode. Das mit dem Strafverfahren kann er überhaupt nicht verstehen. Die Ermittlungen gegen das Unternehmen seien unbegründet, erklärt die Geschäftsleitung später schriftlich. Wenn Sie das nicht begreifen, tun Sie mir leid. Abmoderation: Und Sie, verehrter Abzock-Arbeitgeber, haben unser tiefstes Bedauern. Sie sind einfach im falschen Jahrhundert geboren - die Zeit der Sklavenhaltung ist vorbei. Zur Beachtung: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Der vorliegende Abdruck ist nur zum privaten Gebrauch des Empfängers hergestellt. Jede andere Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtgesetzes ist ohne Zustimmung des Urheberberechtigten unzulässig und strafbar. Insbesondere darf er weder vervielfältigt, verarbeitet oder zu öffentlichen Wiedergaben

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