Beitrag: Überhöhte CO2-Werte bei VW Kungeln mit dem Staat

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1 Manuskript Beitrag: Überhöhte CO2-Werte bei VW Kungeln mit dem Staat Sendung vom 13. Dezember 2016 von Hans Koberstein, Joe Sperling und Felix Zimmermann Anmoderation: Das kam VW denkbar ungelegen: Kurz nachdem der Diesel- Skandal im vergangenen Jahr öffentlich bekannt wurde, musste der Konzern noch etwas anderes einräumen: Bei Autos, darunter auch Benziner, waren die CO2-Werte für die Typ- Zulassung womöglich falsch. Geschätzter Schaden bei der KFZ- Steuer: rund zwei Milliarden Euro. Ups!? Aber das Verkehrsministerium wollte VW offenbar nicht abstrafen, zum Wohle der deutschen Autoindustrie: Und so wurde gemeinschaftlich gekungelt und geschönt. Hans Koberstein, Joe Sperling und Felix Zimmermann mit der Chronologie eines verheimlichten Skandals. Text: 21. September Der VW-Skandal wird öffentlich. VW hat bei Millionen Dieselautos betrogen. Das Bundesverkehrsministerium untersucht den Betrug und stößt dabei auf einen weiteren Skandal. Die Überprüfung von Neufahrzeugen ergibt: Die Verbrauchswerte sind viel zu hoch - also, die CO2-Werte auf dem Prüfstand. Ein VW Touran zum Beispiel hat 19,1 Prozent mehr Verbrauch als von VW angegeben. VW räumt ein: Bei bis zu Autos stimmen die offiziellen Verbrauchsangaben nicht. Verkehrsminister Dobrindt verspricht öffentlich Aufklärung. O-Ton Alexander Dobrindt, CSU, Bundesverkehrsminister, am : Das bedeutet, dass falls die Werte nach oben korrigiert werden müssen, wovon auszugehen ist, auch eine andere Kfz-Steuer fällig wäre. Das wird teuer. VW befürchtet: Das kostet zwei Milliarden Euro. Einer der größten Steuerfälle der Geschichte, so das Handelsblatt.

2 Verkehrsminister Dobrindt beauftragt das Kraftfahrtbundesamt mit der Aufklärung. Denn das KBA in Flensburg ist die zuständige Aufsichtsbehörde. Das KBA berichtet an das Verkehrsministerium: Eingriffe bei der Ermittlung von CO2-Emissionen ( ) Hierbei kann es sich um Eingriffe in Prüffahrzeuge und/oder Eingriffe in Prüfstände handeln. Im Klartext: Manipulationen. Das KBA macht einen offiziellen Hausbesuch bei VW in Wolfsburg. Die VW-Manager gestehen ein, es könnten noch viel mehr Fahrzeuge betroffen sein. Das Kraftfahrtbundesamt schreibt in seinem nächsten Bericht: Es besteht der Verdacht, dass weitere Fahrzeuge bis zurück ins MJ [Modelljahr] 2013 betroffen sind. Der Verdacht begründet sich auf Erkenntnisse aus den internen Ermittlungen. Drei Tage später veröffentlicht VW eine erste Übersicht kritischer CO2-Fahrzeuge. Allein im Modelljahr 2016 sind 130 verschiedene Autotypen von falschen Verbrauchsangaben betroffen. Modelle von Audi, Seat, Skoda, und VW - darunter Polo, Golf und Passat. Der CO2-Skandal wird immer größer und immer teurer. Bei VW und im Ministerium wird man nervös. 19. November Fünf Anwälte von VW betreten das Verkehrsministerium, darunter zwei Anwälte der teuren Großkanzlei Freshfields. Jetzt beginnt die Vertuschung des Skandals. Frontal 21 liegt ein Vermerk des Ministeriums über das Gespräch vor. Demnach haben die Anwälte erklärt, dass die bislang kommunizierte bewusste Manipulation der CO2-Werte ( ) nicht aufrechterhalten wird. VW will also von bewusster Manipulation nichts mehr wissen. Und sogar im Vermerk des Ministeriums soll davon nichts mehr stehen. Die Ministerialbeamten machen das möglich. Sie schicken das Behördenprotokoll an den Chefjustitiar von VW. Der streicht den unerwünschten Passus mit der bewussten Manipulation. Mit diesen Änderungen, die übernommen wurden geht der Behördenvermerk ZdA - zu den Akten. O-Ton Prof. Joachim Wieland, Deutsche Universität für

3 Verwaltungswissenschaften, Speyer: Ermittlungen einer Behörde sollten anders verlaufen, als dass der Betroffene ein Einräumen eines Verschuldens, wie es das Einräumen von Manipulationen darstellt, einfach aus dem Protokoll streichen kann. Es muss ermittelt werden, was tatsächlich geschehen ist. Also muss die Behörde eigentlich ermitteln zu den 130 Modellen, deren Verbrauchswerte laut VW schon ab Werk nicht stimmen. Doch VW sagt plötzlich: Es sind gar nicht 130, sondern nur noch neun Modelle mit nur noch ganz geringen Abweichungen ohne plausible Begründung. Und VW überreicht dem Verkehrsministerium vorab den Entwurf einer Pressemitteilung. Titel: CO2-Thematik weitgehend abgeschlossen. Lassen sich die Beamten das etwa bieten? Ja. Sie spielen mit und verfassen diese Presse-Sprachregelung zur CO2- Problematik bei Volkswagen. Darin heißt es, es seien vielmehr nur noch 9 Modellvarianten von möglichen Abweichungen betroffen. Einen Tag später. 10. Dezember VW geht an die Öffentlichkeit und kann Entwarnung geben. O-Ton Hans Dieter Pötsch, Aufsichtsratsvorsitzender Volkswagen, am : Lediglich bei einer sehr überschaubaren Anzahl von Fahrzeugmodellen ist es offenbar zu leichten Abweichungen gekommen, die nun im Zuge üblicher Prozesse korrigiert werden. Das ist eine gute Nachricht für unsere Kunden und für das Unternehmen. Jetzt bleibt nur noch das Problem mit den übrig gebliebenen neun auffälligen Autotypen. Die müssen neu gemessen werden, von Amts wegen. Und zwar: unter Aufsicht des KBA, wie das Kraftfahrtbundesamt in diesem Bescheid an VW bereits festgestellt hat. Doch daraus wird nichts. Denn nicht das KBA, sondern VW beauftragt die Nachmessungen, bei Dekra in Klettwitz. Gemessen wird also unter Aufsicht von VW. Und das KBA darf nicht einmal negative Prüfergebnisse sehen. Schließlich bezahlt VW die Prüfungen. Die Beamten des KBA in Flensburg sind verblüfft. Frontal 21 wird ein Vermerk aus dem Kraftfahrtbundesamt zugespielt. In einer meldet der zuständige Referatsleiter seinem Vorgesetzten: vom , 15:36 Uhr: Dekra wird ( ) dem KBA keinen Einblick in negative Prüfergebnisse ermöglichen. Hier kam ich etwas ins Schleudern, habe aber letztendlich zugestimmt.

4 Doch VW gefallen die Messergebnisse von Dekra nicht, deshalb misst der Konzern noch einmal - woanders. Hier bei dem Prüfdienst FAKT im Allgäu. Wieder ist VW der Auftraggeber und bringt für den Prüfstand dieses Mal gleich einen eigenen Fahrer mit. Der weiß, wie man den CO2-Wert weiter senken kann. Einer der möglichen Tricks steht in diesen geheimen Unterlagen von VW. Der Pedalweg-geber schaltet die Motorsteuerung um. Größer 99,9 Prozent bedeutet: Gaspedal ganz durchtreten. Also, Zündung an - Gaspedal ganz durchtreten - und dann erst den Motor starten. Ist das der Trick für niedrige CO2-Werte? Gegenüber Frontal 21 bestreitet VW das für die betroffenen Autos. Klar ist: Die Messergebnisse sind besser - dank eigenem Fahrer. Die Prüfung ist abgeschlossen. VW meldet für sechs Modelle etwas höhere CO2-Werte an, dafür zahlen in Zukunft die Käufer. Am 28. April 2016 verkündet VW-Chef Müller: Das Thema Manipulation von Verbrauchswerten hat sich erledigt. O-Ton Matthias Müller, Vorstandsvorsitzender Volkswagen, am : Gott sei Dank hat sich das durch eine intensive Überprüfung und Zusammenarbeit mit dem Kraftfahrtbundesamt nicht bewahrheitet. Gemeinsam mit der Aufsichtsbehörde hat VW den Skandal vertuscht. O-Ton Prof. Joachim Wieland, Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften, Speyer: Das Ergebnis einer solchen Form einer Behördenkontrolle, die ja eigentlich keine Behördenkontrolle ist, sondern eine Selbstkontrolle des Betroffenen, ist nicht hinreichend für ein ordnungsgemäßes Verwaltungsverfahren. Das zeugt von einer falsch verstandenen Solidarität der Behörde mit einem großen Konzern mit wirtschaftlichen Interessen, das ist aber aus rechtsstaatlicher Sicht nicht hinnehmbar. Was sagt das Verkehrsministerium zu unseren Recherchen? Das Ministerium beantwortet keine einzige Frage. Und was ist mit den zwei Milliarden Euro Steuernachzahlungen? Das Bundesfinanzministerium sagt dazu: Steuergeheimnis. Und was sagt VW? Zitat: Die Frage der ( ) Steuernachzahlungen stellt sich auf Basis der ermittelten Ergebnisse damit nicht. O-Ton Oliver Krischer, B 90/GRÜNE, MdB, stellvertretender Fraktionsvorsitzender:

5 Mit Zustimmung der Behörden ist die Geschichte dann ganz offensichtlich so gelaufen, dass es hier keine Steuernachforderung gibt, die VW zahlen müsste. Dadurch hat Herr Dobrindt und seine Beamten VW Milliarden an Kosten erspart über Steuernachzahlungen, die sonst fällig gewesen wären. Der oberste Kontrolleur als Handlanger eines betrügerischen Autokonzerns. Zur Beachtung: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Der vorliegende Abdruck ist nur zum privaten Gebrauch des Empfängers hergestellt. Jede andere Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtgesetzes ist ohne Zustimmung des Urheberberechtigten unzulässig und strafbar. Insbesondere darf er weder vervielfältigt, verarbeitet oder zu öffentlichen Wiedergaben benutzt werden. Die in den Beiträgen dargestellten Sachverhalte entsprechen dem Stand des jeweiligen Sendetermins.