Beitrag: Abgasaffäre VW Wie die Regierung den Konzern stützt

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1 Manuskript Beitrag: Abgasaffäre VW Wie die Regierung den Konzern stützt Sendung vom 13. Juni 2017 von Hans Koberstein Anmoderation: Abschalteinrichtung, dieses Wort mag VW gar nicht. Zur Erinnerung: Es war eine Abschalteinrichtung von VW, die in den USA den Abgas-Skandal auslöste. Dieselautos, die drinnen im Labor die Grenzwerte für Stickoxide einhielten, schalteten draußen, also im wahren Leben, schnell auf schmutzig. In Deutschland und Europa sollte ein simples Software-Update Dieselautos sauber machen. Doch nun belegen interne Behördenunterlagen: Auch mit der neuen Software haben umgerüstete Volkswagen Abschalteinrichtungen an Bord. Nur gelten die jetzt als legal. Hans Koberstein über das staatliche Reinwaschen von Dreckschleudern - inklusive Unterbodenschutz für die deutsche Autoindustrie. Text: Hauptversammlung von Volkswagen. Es ist das Jahr zwei nach der Diesel-Affäre. Der Konzern hatte zugegeben, weltweit rund elf Millionen Diesel-Fahrzeuge mit illegaler Abschalteinrichtung verkauft zu haben. Doch jetzt stellt VW gute Zahlen vor: 5,4 Milliarden Euro Gewinn nach Steuern. O-Ton Hans Dieter Pötsch, Aufsichtsratsvorsitzender Volkswagen: Meine Damen und Herren, wir sind zuversichtlich, die Dieselkrise bewältigen zu können, und sogar gestärkt aus ihr hervorzugehen. Auf dem Podium hauptsächlich Vorstände, unter deren Führung der Abgasskandal seinen Lauf nahm. Ihre Zuwendungen betrugen 2016 zusammen genommen 59,8 Millionen Euro. Die Dieselkrise hat den VW-Vorständen nicht geschadet. Die VW-Kunden in Deutschland hingegen haben wenig Grund

2 zum Feiern. Christine Kaufmann ist eine von ihnen. Der VW- Konzern hat ihr einen Audi A4 vor sechs Jahren als besonders sauber verkauft. Doch der Diesel hat eine verbotene Abschalteinrichtung. Die Folge: Auf der Straße stößt das Auto viel mehr gesundheitsschädliche Stickoxide aus, als der Grenzwert vorsieht. Heute soll die Abschalteinrichtung entfernt werden. Ein einfaches Software-Update soll es richten. Für mich ist wichtig, dass mit diesem Update jetzt die Grenzwerte eingehalten werden. Doch Zweifel sind angebracht. Interne Unterlagen, die dem ZDF vorliegen, belegen: Beim Update gibt VW selbst für die Stickoxidemissionen NOx Zielwerte vor. Für RDE, das heißt für den Straßenbetrieb, lautet der Zielwert Faktor 3 bis 5. Das bedeutet: Auf der Straße soll das Auto den Grenzwert überschreiten, um das Drei- bis Fünffache und das nach dem Software-Update. Wie kann das sein? Nachfrage bei VW. Der Konzern versteht die Rechtslage so, dass der Grenzwert nur im Labortest eingehalten werden muss. Zitat: Dagegen sind die Grenzwerte nicht auf den regulären Straßenbetrieb anzuwenden. Dieser Rechtsauffassung widerspricht der renommierte Umweltrechtler Martin Führ. Die Grenzwerte gelten überall, sowohl im Labor als auch auf der Straße, weil man nur so Gesundheit und Umwelt in Europa schützen kann, und das ist ja Ziel der europäischen Verordnung. Das ist in den USA nicht anders. Hier hatte Volkswagen vor einem US-Gericht zugegeben, acht Jahre lang Abschalteinrichtungen verbaut zu haben. Jetzt muss VW seine Dieselautos in den USA aufwändig umrüsten. Darauf besteht die kalifornische Umweltbehörde, die als besonders streng gilt. O-Ton Mary Nichols, Vorsitzende kalifornische Umweltbehörde CARB: Die Stickoxid-Emissionen müssen so sein, als hätte es den Rechtsverstoß nicht gegeben - fast 100 Prozent niedriger. Das ist eine drastische Verminderung der Emissionen.

3 Bis die technischen Lösungen gefunden sind, lagert VW die schmutzigen Dieselautos an verschiedenen Standorten, wie hier bei Detroit. VW darf die Autos erst dann wieder verkaufen oder exportieren, wenn sie auf der Straße sauber sind. Gelingt das nicht, muss VW die Autos verschrotten. Mittlerweile haben die meisten US-Kunden ihr Dieselauto an VW zurückgegeben, wie Claudia Kindler. Sie hatte einen VW Golf geleast. O-Ton Claudia Kindler, ehemalige VW-Fahrerin: Ich habe das Auto sofort zurückgegeben. Es war schmutzig. Ich wollte keine Umrüstung. O-Ton Frontal 21: Welche Entschädigung hat VW gezahlt? O-Ton Claudia Kindler, ehemalige VW-Fahrerin: VW hat mir US-Dollar gezahlt. Aufgrund eines Gerichtsbeschlusses zahlt VW jedem betroffenen Kunden eine Entschädigung in den USA. Anders in Deutschland. Hier ist Verkehrsminister Alexander Dobrindt zuständig für den Abgasskandal. O-Ton Frontal 21: Die Opfer von VW-Dieselgate in den USA werden entschädigt, in Deutschland werden sie nicht entschädigt. Empfinden Sie das als gerecht? O-Ton Alexander Dobrindt, CSU, Bundesverkehrsminister: Wir haben eine andere Situation als in den USA. Wir achten darauf, dass in Deutschland die Fahrzeuge in einen rechtskonformen Zustand versetzt werden. Das heißt, durch den verpflichtenden Rückruf, den wir ausgesprochen haben, müssen ja die Fahrzeuge umgerüstet werden. Die sogenannte Umrüstung in Deutschland ist ein simples Software-Update. Dafür hat Alexander Dobrindt gesorgt. Gut für VW: Gerade einmal 60 Euro pro Auto kostet das Update den Konzern. Bislang hat VW 22,6 Milliarden Euro für den Abgasskandal bezahlt doch der größte Teil davon geht in die USA für gerade mal eine halbe Million manipulierter Autos. In Europa dagegen sind viel mehr Dieselfahrzeuge betroffen: 8,5 Millionen. Trotzdem kommt VW hier besonders billig davon. Der Audi A4 von Christine Kaufmann kommt gerade aus der Werkstatt. Das Software-Update wurde ruckzuck aufgespielt.

4 O-Ton Frontal 21: Was hat Ihnen die Werkstatt gesagt. Ist Ihr Auto jetzt sauber? Also ich weiß nur, dass jetzt keine Schummel-Software mehr ist, also Audi hat sich ehrlich gemacht, also hat keine Schummel-Software mehr. Aber es gibt keine Aussage über die Schadstoffemissionen. Die Heimlichtuerei hat einen Grund: Das Update macht das Dieselauto im Straßenbetrieb eben nicht sauber. Das geht aus dieser internen von VW hervor. Der Chefjurist des Konzerns schreibt an das Kraftfahrtbundesamt mit dem Betreff: Antrag auf Genehmigung der Rückrufaktion für den Audi A4. Also, das Modell von Frau Kaufmann. VW bestätigt in dieser Mail, es gebe, so wörtlich: keine ernsthaften Unterschiede bei den Straßenmessungen des Audi A4 ( ) zwischen den zwei Softwareständen. Soweit mir bekannt ist, löst das Software-Update das Problem nicht. Ein Fahrzeug ist dann weiterhin mit einer Abschalteinrichtung auf der Straße und das ist illegal. Doch das Kraftfahrtbundesamt genehmigt das Update mit diesem Schreiben. Daraus geht hervor: Trotz Update hat das Auto immer noch Abschalteinrichtungen gleich mehrere. Die sind eigentlich nur ausnahmsweise erlaubt. Das KBA urteilt aber: Die vorhandenen Abschalteinrichtungen wurden als zulässig eingestuft. Die amtliche Freigabe löst bei VW Jubel aus. In dieser schreibt ein VW-Verantwortlicher für Qualitätssicherung an seine Kollegen: Halleluja. Danke. Ich gebe einen aus... Das Kraftfahrtbundesamt möchte sich zu den Updates nicht äußern und verweist an das Verkehrsministerium. Das erklärt wiederum, das Kraftfahrtbundesamt habe sich von der Wirksamkeit des Software-Updates überzeugt. Martin Führ hält dieses Vorgehen für unzulässig. Eine solche Strategie, konsequent das Recht zu missachten, ist mir in dieser Deutlichkeit noch nie begegnet. Nach den Recherchen ist klar: Der Audi A4 von Christine Kaufmann ist auch nach dem Software-Update auf der Straße

5 nicht sauber. Ich habe ein Fahrzeug, was die Umwelt belastet, was Menschen krank macht, und das ist schon ein großer Schaden, das ist für mich der Hauptschaden. Da möchte ich einfach jetzt auch dokumentieren: Ja, so geht das nicht, das kann man mit mir nicht machen. Deshalb klagt Frau Kaufmann gegen den VW-Konzern. Der Abgasskandal ist noch lange nicht vorbei. Er ist auf dem besten Weg zur Staatsaffäre. Abmoderation: Es scheint, als hätten die Verantwortlichen in Ministerium, Behörden und VW-Konzern eine Art Abschalteinrichtung im Kopf. Eine Abschalteinrichtung, die bei den Fragen unseres Reporters systematisch auf Durchzug schaltet. Wie hoch sind denn nun die Werte der umgerüsteten Dieselautos auf der Straße? Ausweichende Antworten oder gar keine. Das ZDF hat deshalb eine Klage eingereicht - auf Herausgabe aller wesentlichen Informationen zu den Software-Updates. Zur Beachtung: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Der vorliegende Abdruck ist nur zum privaten Gebrauch des Empfängers hergestellt. Jede andere Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtgesetzes ist ohne Zustimmung des Urheberberechtigten unzulässig und strafbar. Insbesondere darf er weder vervielfältigt, verarbeitet oder zu öffentlichen Wiedergaben benutzt werden. Die in den Beiträgen dargestellten Sachverhalte entsprechen dem Stand des jeweiligen Sendetermins.