Beitrag: Legale Prostitution Staat fördert Ausbeutung

Transkript

1 Manuskript Beitrag: Legale Prostitution Staat fördert Ausbeutung Sendung vom 28. Mai 2013 von Manka Heise, Kyo Mali Jung und Leonie Stade Anmoderation: Willkommen in der modernen Arbeitswelt! Auch Prostituierte können sich krankenversichern, ihren Lohn einklagen und müssen Steuern zahlen! So beschloss es vor mehr als einem Jahrzehnt die rot-grüne Bundesregierung. Deren Gesetz sollte das Geschäft aus Sittenwidrigkeit und kriminellem Milieu holen. Bewährt hat sich das allerdings vor allem für Bordellbetreiber. Nicht für die Prostituierten. Denn viele von ihnen werden weiter schlicht ausgebeutet. Manka Heise, Kyo Mali Jung und Leonie Stade über ein gut gemeintes Gesetz, das fast nichts geändert hat. Text: Ich bin seit neun Jahren auf dem Straßenstrich, seit zwölf Jahren heroinabhängig. Ich möchte nicht, dass mich jemand erkennt, weil meine Familie das nicht weiß, und es wäre eine Schande für meine Familie. Von dem Prostitutionsgesetz habe ich noch nie was gehört. Vor über einem Jahrzehnt wollte die Politik diese Frauen besser schützen. Prostitution sollte nach dem Gesetz ein ganz legaler, ganz normaler Beruf sein. Kim steht fast jeden Tag auf der Kurfürstenstraße, dem bekannten Armutsstrich in Berlin. Wer hier steht, ist weit unten und das lassen die Kunden die Frauen auch spüren. Ich hatte mal eine Situation, ich bin mit einem Gast im Auto gewesen und ein Preis war vorher abgemacht. Und dann hat er gesagt, er bezahlt mich nicht und hat mich dann aus dem Auto geschmissen und ist gefahren.

2 O-Ton Frontal21: Bist du dann zur Polizei gegangen? Nein. O-Ton Frontal21: Warum nicht? Ich war froh, dass es vorbei war. Für Prostituierte wie Kim ist eigentlich das Gesetz gedacht: Sie hat das Recht ihren verhandelten Lohn einzufordern. Doch das geht an der Realität vorbei. Aber auch Frauen, die sich freiwillig zur Prostitution entschieden haben, können mit dem Gesetz wenig anfangen. Das Sadomaso- Studio Rex in Hamburg. Ich bin Undine, ich bin selbstständige Sexarbeiterin in Hamburg, seit ungefähr 20 Jahren in der Sexarbeit tätig. Anfangs als Tänzerin, Stripperin, inzwischen seit elf Jahren im SM-Studio und das Prostitutionsgesetz hat leider nicht allzu viel gebracht. Es war ein schöner Anfang, der leider nie zu Ende geführt wurde. Und es hat sich de facto so gut wie nichts verändert, bisher. Laut Gesetz wurde die Sittenwidrigkeit abgeschafft, doch das Signal ist nicht angekommen. Ihre Arbeit bleibt im gesellschaftlichen Abseits und ihren Beruf darf sie noch immer nicht offiziell ausüben. O-Ton, Undine, Sexarbeiterin: Sexarbeit ist leider noch nicht als Berufsbezeichnung anerkannt. Weder gewerblich noch wo sie eigentlich hingehört, in den Katalog von freiberuflichen Tätigkeiten. Und meine Einnahmen aus der Sexarbeit laufen unter sonstige Einnahmen, Modelltätigkeit, da finden Frauen sehr kreative Begriffe, die aber mit dem Fakt an sich leider nichts zu tun haben. Stuttgart. Das Paradise, eines der größten Bordelle Europas. Wie ein Unternehmen organisiert mit Geschäftsführer und Pressesprecher. Mein Name ist Michael Beretin, bin 46 Jahre alt, bin hier Marketing- und Pressesprecher der Paradise-Gruppe, also für alle unseren Läden zuständig. Die Legalisierung hat es möglich gemacht, dass wir solche Betriebe in dieser Art und Weise führen. Das ist auch gut so. Die Betreiber von solchen Bordellen sind die eigentlichen

3 Profiteure des Prostitutionsgesetzes. Denn sie können sich seither als seriöse Geschäftsmänner geben. Käuflicher Sex ist die Ware, mit der sie ganz offiziell gutes Geld verdienen können. Wie gut, darüber will man hier nicht sprechen, doch der Wäscheverbrauch gibt Aufschluss: Täglich werden zwei Tonnen gereinigt. Und Pressesprecher Beretin feilt schon an weiteren Marketingstrategien: Kundenbindung mit Bonus - ganz so wie in gehobenen Clubs. Jeder, der mehr wie zehnmal kommt und ne Fünfer- oder Zehnerkarte hat, der kriegt dann diesen VIP-Bademantel, da müssen wir uns was überlegen, können wir die eigentlich besticken, mit Namen oder so was? O-Ton Frontal21: Und so ein Gast, trägt der dann schon mit nem gewissen Stolz so nen Bademantel? Also ich denke, wissen Sie, wenn Sie im Lions Club sind, dann tragen Sie diesen Button auch mit einem gewissen Stolz und wenn Sie im Golfclub irgendwie das Docklet mit einem Schlag schlagen, dann sind Sie da auch ne ganz besondere Nummer. Und so geben wir natürlich auch unserem Gast das Gefühl, dass er bei uns was Besonderes ist. VIP-Status für Männer, für die Frauen hat sich hier kaum etwas geändert. Das Gesetz wollte die Frauen in sozialversicherungspflichtige Beschäftigungen bringen. Das aber wollen die Bordellbetreiber nicht, weil sie dann wieder per Gesetz wegen Ausbeutung belangt werden können. Dass mit dem Arbeitsvertrag ist eigentlich die lächerlichste Geschichte, die ich in meinem Leben überhaupt gehört habe. Wir haben die Zwangsprostitution, oder auch dirigistische Prostitution genannt, und wenn ich einen Arbeitsvertrag habe, dann kann ich der Frau Anweisungen geben. Das ist ja absolut lächerlich, dann bin ich ja in der dirigistischen Prostitution. Unklare und widersprüchliche Gesetze: Das heißt für die Frauen keinen Arbeitsvertrag, keine soziale Absicherung, keine Arbeitnehmerechte. Sehr praktisch und bequem für die Bordellbetreiber. Die brauchen sich nicht zu kümmern, nicht einmal darum, ob die Frauen

4 freiwillig hier sind. Wir sind nicht der Gesetzgeber, der prüft oder prüfen muss, ob diese Frau am Ende des Tages Geld abgibt, oder nicht. Dass ist nicht unser Job, das ist der Job des Staates. Ihr Job also. Unterwegs mit den Polizisten Bub und Abele im Rotlichtmilieu in Stuttgart. O-Ton Hans-Peter Abele, Hauptkommissar: Also, ich heiße Hans-Peter Abele, bin 55 Jahre hier beim Fachdienst Prostitution, arbeite hier seit 13 Jahren. Die Ziele des Prostitutionsgesetzes, die waren ja die Rechtstellung der Frauen oder der Prostituierten. Das sind hehre Ziele, aber die können wir so nicht feststellen. Zugang zu Krankenversicherung, Zugang zur Sozialversicherung. Und daran ist das schon mal gescheitert. Obendrein hat das Gesetz die Arbeit der Polizisten erschwert. Das erleben die Beamten tagtäglich. Erste Anlaufstelle des Abends: ein Wohnungsbordell in der Innenstadt. Guten Abend, wir sind s. Wie viel Mädels sind denn da? Die Polizisten sollen kontrollieren, ob hier Menschenhandel oder Zuhälterei vorliegt. Hallo die Damen. Polizei. Wir machen ne Kontrolle, würden Sie bitte Ihren Ausweis holen. Und ihren Pass. Doch Kontrolle ist schwierig. Denn viele Prostituierte kommen aus den osteuropäischen Ländern, sprechen kaum Deutsch. Sprechen Sie Deutsch? O-Ton Prostituierte: Bisschen. Bisschen? Ja. - Ist hier alles in Ordnung? O-Ton Prostituierte: Ja!

5 Mit Einführung des Gesetzes ist es für die Polizisten fast unmöglich geworden Menschenhandel nachzuweisen. Denn den Tatbestand der Förderung der Prostitution gibt es nicht mehr. O-Ton Hans-Peter Abele, Hauptkommissar: Wenn wir nicht die Aussage von einer Frau bekommen, die sich entsprechend offenbart, dass sie gehandelt wurde, dass sie ausgebeutet wird von ihrem Zuhälter, dann haben wir keine Chance dort irgendein Verfahren einzuleiten. Auch Kim in Berlin traut sich nicht zur Polizei zu gehen. Doch noch schlimmer für sie - nicht Teil der Gesellschaft zu sein. Ihr Wunsch: Toleranz, also Prostituierten gegenüber. Das ist ja auch ein Mensch, da steckt ja auch irgendwas dahinter. Mehr Toleranz, auf jeden Fall. Mehr will ich gar nicht. Ein Gesetz, das diesen Frauen helfen sollte, wendet sich gegen sie. Ein Gesetz, das gut gemeint, aber schlecht gemacht und nie verbessert wurde. Abmoderation: Drei dürre Paragrafen: Mehr ist das Prostitutionsgesetz nicht. Es zu reformieren - dazu fand sich in all den Jahren keine politische Lobby. Zur Beachtung: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Der vorliegende Abdruck ist nur zum privaten Gebrauch des Empfängers hergestellt. Jede andere Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtgesetzes ist ohne Zustimmung des Urheberberechtigten unzulässig und strafbar. Insbesondere darf er weder vervielfältigt, verarbeitet oder zu öffentlichen Wiedergaben benutzt werden. Die in den Beiträgen dargestellten Sachverhalte entsprechen dem Stand des jeweiligen Sendetermins.