10. Subjektorientierung - Konstruktivismus
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- Guido Brinkerhoff
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1 10. Subjektorientierung - Konstruktivismus 10.1 Begriffe: Subjektorientierung 10.2 Katechismusdidaktik als Gegenteil 10.3 Didaktische Impulse 10.4 Anwendung auf religiöses Lernen in der Praxis 10.5 Konstruktivismus Begriffsbildung 10.6 Vermittlungsdidaktik als Gegenteil 10.7 Didaktische Vertiefung 10.8 Konkretionen und Vergleich mit anamnetischem Lernen 10.9 Folgerungen einer Ermöglichungsdidaktik 1
2 Was ist subjektorientiere Bildung? Religiöses Lernen ist auf die Lebenswelt und Lebensgeschichte von Kindern verwiesen. Werden diese einbezogen und berücksichtigt, kann eine subjektorientierte religiöse Bildung gut vorankommen. Daraus ergeben sich didaktische Konsequenzen: Die Prozesshaftigkeit, Gradualität und Intensivierung sind zu beachten. 2
3 Literatur Hand Mendl (Hg.), Konstruktivistische Religionspädagogik. Ein Arbeitsbuch, Münster Matthias Bahr / Ulrich Kropac / Mirjam Schambeck (Hg.), Subjektwerdung und religiöses Lernen. Für eine Religionspädagogik, die den Menschen ernst nimmt, München Friedrich Schweitzer, Kindestheologie und Elementarisierung. Wie religiöses lernen mit Kindern gelingen kann. Gütersloh Rolf Arnold / Henning Pätzold, Schulpädagogik Kompakt. Prüfungswissen auf den Punkt gebracht, Berlin Joachim Kunstmann, Religionspädagogik. Eine Einführung. Tübingen / Basel
4 10.1 Der Begriff der Subjektorientierung Theologisch betrachtet gilt seit der anthropologischen Wende in der Theologie und seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil die Überzeugung, dass die Menschen nicht bloß Adressaten des objektiven Glaubens sind, sondern selbstverantwortliche Subjekte, die fähig sind, den Glauben zu verstehen und daraus die Konsequenzen für das Handeln zu ziehen. In Bezug auf Bildung bedeutet Subjektorientierung, dass mitten in der Pluralität doch der Einzelne im Zentrum aller Bildungsbemühungen steht und unersetzbar ist. 4
5 10.1 Der Begriff der Subjektorientierung Entwicklungspsychologisch meint Subjektorientierung, dass jeder Lernprozess auf das Individuum ausgerichtet werden muss, denn es hat seine bestimmte Zeit, um gewisse Dinge zu lernen. (Entwicklungspsychologische Pünktlichkeit). Pädagogisch heißt Subjektorientierung, dass das Kind mit seiner Biographie und seinen Bildungsvoraussetzungen im Zentrum steht. 5
6 10.2 Katechismusdidaktik als Gegenteil In vielen Katechismen lautet die erste Frage: 1.Wozu sind wir auf Erden? Und die bekannte Antwort lautet: Wir sind auf Erden, um Gott zu erkennen, Gott zu lieben, ihm zu dienen und dadurch in den Himmel zu kommen. Aus: Kath. Katechismus aus dem Bistum Mainz, Mainz 1993, 3. 6
7 10.2 Katechismusdidaktik als Gegenteil Diese erste Katechismusantwort ist schwierig, weil sie auswendig gelernt und hergesagt werden musste; weil ihr Inhalt einseitig eschatologisch ausgerichtet ist; weil das Leben selbst auf dieser Erde nur als Vorbereitung auf das Jenseits gegolten hat und weil es schwierig ist, Gott zu erkennen und weil dieses religiöse Lernen an Satzwahrheiten objektivistisch und nicht subjektorientiert ist. Glauben war ein Bescheid-Wissen von Dogmen, nicht eine personale Entscheidung und Vision. 7
8 10.3 Didaktische Impulse Im religiösen Lernprozess soll versucht werden, die Schüler in die Mitte zu rücken, ihre Fragen zu beantworten und auf ihrem Vorwissen aufbauend neues Wissen zu vermitteln. Im subjektorientierten Religionsunterricht wird Betroffenheit unter den Schülern ausgelöst. Es werden Motive angesprochen, um zu handeln. Nicht die Fragen und das Wissen der Lehrpersonen stehen im Zentrum, sondern das Leben der Kinder und Jugendlichen in seiner Zukunftsperspektive. In der religiösen Erziehung soll die Freude am Gutestun geweckt werden. 8
9 10.4 Anwendung auf religiöses Lernen in der Praxis Ästhetisches Lernen: Schülerinnen und Schüler lernen sehen, wahrnehmen, entdecken, beschreiben, erkunden. Stets sind sie Akteure im Lernprozess. Kirchenpädagogik: Klasse und Einzelne erleben eine Kirche, spüren einen Raum und verinnerlichen das Gesehene. Interkulturelles Lernen: Schülerinnen und Schüler begegnen Personen anderer Kulturen, versuchen sie zu verstehen und mit ihnen zu sprechen. 9
10 10.4 Anwendung auf religiöses Lernen in der Praxis Interreligiöses Lernen: Schüler begegnen Menschen anderer Religionen, entdecken Ähnlichkeiten und Differenzen zwischen beiden Religionen. Kindestheologie: Kinder zeichnen Gott und erklären, was sie gemalt haben. Ihr Malen und Erklären stehen im Zentrum (dito: Jugendtheologie). Biographisches Lernen: Im RU gibt es Angebote, um über das eigene Leben nachzudenken und das eigene Leben in die Hand zu nehmen und zu gestalten. 10
11 10.5 Konstruktivismus - Begriffsbildung Radikaler Konstruktivismus besagt, dass jede Erkenntnis eine Konstruktion ist. Damit wird ein Konsens über die Wahrnehmung der Wirklichkeit bestritten. Konstruktivismus ist zuerst eine Epistemologie, also eine Erkenntnislehre. Sie besagt, dass Erkennen eine Konstruktion ist und keine 1:1 Abbildung der Wirklichkeit. Der gemäßigte Konstruktivismus besagt, dass unsere Erkenntnis der Wirklichkeit eine Annäherung an die Wirklichkeit ist. 11
12 10.5 Konstruktivismus - Begriffsbildung Denn unsere Wahrnehmung ist sprachlich bedingt. Die Heisenbergsche Unschärferelation besagt, dass die Beobachtung selbst ein Prozess ist, der das zu beobachtende Objekt vorherbestimmt. Der Konstruktivismus in der Pädagogik bedeutet, dass Lernen eine Konstruktion ist, bzw. Ko-konstruktion. 12
13 10.6 Vermittlungsdidaktik als Gegenteil Wenn man Lehramtsstudierende fragt, was das Wichtigste im Religionsunterricht sei, sagen viele: Wissen vermitteln. In Klausuren wird dieses Wissen abgefragt. Daraus ergeben sich die gerechten Noten. Hier wird ein anderer Ansatz vertreten: 1. Religion und Glaube haben nicht nur mit Wissen, sondern mit Einstellungen und Werten zu tun. 2. Wissen ist nicht objektiv, sondern stets ausgewählt, perspektivisch und selbst gesammelt. 13
14 10.6 Vermittlungsdidaktik als Gegenteil 3. Deshalb besteht die Aufgabe des RU darin, Impulse zu geben, die der Schüler/die Schülerin selbst aufnehmen, gestalten und assimilieren kann (z.b. eine biblische Geschichte, einen Wert, ein Ritual). So kann er/sie sich Religion aneignen. So konstruiert er sein Weltbild. Von der Vermittlungsdidaktik zur Aneignungsdidaktik oder Ermöglichungsdidaktik. 14
15 10.7 Didaktische Vertiefung Die Lehrerrolle mutiert vom Vermittler zum Begleiter von Lernprozessen. Er/sie bereitet vor, unterstützt, korrigiert, bestätigt, anerkennt. Die Lernumgebung gewinnt an Bedeutung. Lehrbuch, Bilder, Arbeitsblätter, Aufgaben, Medien mit Filmsequenzen, PC als Informationsquelle. Die eigene Erfahrung und das Vorwissen der Schüler/innen steht im Vordergrund. Die Selbsttätigkeit/Eigenaktivität der Kinder und Jugendlichen gewinnt an Bedeutung. Methodenpluralismus 15
16 10.7 Didaktische Vertiefung 16
17 10.8 Konkretionen und Vergleiche mit anamnetischem Lernen Schreibwerkstatt mit kreativem Schreiben Pantomimen und Improvisationstheater Bibliolog: über eine Bibelstelle diskutieren, eine Bibelstelle aktualisieren. Stilleübungen, Phantasiereisen Brainstorming, Mindmapping Gemeinsam ein Bild malen Eine Filmsequenz entwerfen Eine Talkshow vorbereiten und halten Einen Verhaltenskodex entwickeln und sich darüber einigen. 17
18 10.9 Folgerungen für eine Ermöglichungsdidaktik Lernen ist ein aktiver konstruktiver Prozess des lernenden Subjektes. Lernprozesse sind ergebnisoffen. Lerninhalte sind gleichwohl unverzichtbar; sie werden aber nicht 1:1 aufgenommen. Sie sind gleichsam Perturbationen (Störungen), die unser Weltbild erschüttern und Anlass geben zu Korrekturen und Neubildungen. Statt bloß Wissen zu vermitteln, soll die Lehrperson Lernprozesse eröffnen, anstiften und fördern. Die neuen Unterrichtsformen gewinnen an Bedeutung: Projekte, Stationenlernen, ästhetisches Lernen. 18
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