Objektive Messung der Akkommodation am menschlichen Auge

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1 339 Objektive Messung der Akkommodation am menschlichen Auge A. Ehmer, A. Mannsfeld, G. U. Auffarth Zusammenfassung Fragestellung: Objektive Akkommodationsmessungen nach Implantation von Intraokularlinsen (IOL) stellen eine große Herausforderung dar. Methodik: In phaken und pseudophaken Augen wurde die Dynamic Stimulation Aberrometry (DSA) der Fa. Optana getestet. Die DSA wird als Aufsatz an das WASCA Aberrometer (Carl Zeiss Meditec AG, Germany) oder den Schwind Okular Wavefront Analyzer (Schwind eye-tech solutions GmbH & Co. KG, Germany) angeschlossen. Mithilfe dynamischer Aberrationsmessungen ist es möglich, die Akkommodation über Veränderungen in den Aberrationen der Augenlinse oder IOLs zu analysieren. Dafür wird über ein Periskopspiegelsystem der Blick auf ein statisches Fern- oder schwenkbares Nahtarget, welches über eine Zusatzsoftware gesteuert wird, gelenkt. Ergebnisse: Sowohl bei phaken als auch pseudophaken Augen konnte die Akkommodation über Änderungen in den Aberrationen niederer und höherer Ordnung beim dynamischen Blick in die Ferne und Nähe gemessen werden. Bei verschiedenen IOLs (phak, monofokal, akkommodativ) konnten unterschiedlich starke Veränderungen der Aberrationen gezeigt werden. Phake Augen zeigten bei unterschiedlichen Akkommodationsreizen (3 bis 9 dpt) einen unterschiedlichen Akkommodationserfolg. Schlussfolgerungen: Die DSA bietet die Möglichkeit, objektiv die Akkommodation über Änderungen der okularen Aberrationen mithilfe binokularer Stimuli zu messen. Summary Purpose: Analysis of accommodation based on wavefront measurements in phakic and pseudophakic eyes. Method: A novel accommodation measurement device using the WASCA Wavefront analyzer (Zeiss, Germany) was developed (Optana, Germany). For the measurements dynamic stimulation aberrometry (DSA) was performed. To analyze accommodation we measured total aberrations of phakic and pseudophakic eyes with a presenting stimulus. Aberrations were measured for distance visual acuity (distance of 3 m) and for near visual acuity with different accommodation stimuli (3 to 9 D). Results: Measurements were performed without any complications. The device was capable to detect changes of aberrations using near and distance stimulation. In pseudophakic eyes accommodation shows differences depending on the implanted IOL. Patients having phakic irisfixated IOLs showed normal accommodation related to their age. In pseudophakic eyes accommodation differs depending on the IOL implanted. Monofocal IOLs (e.g. MA60AC, Alcon) showed pseudoaccommodation or a hyperopic shift. In different accommodative IOLs (e.g. 1Cu, HumanOptics; Synchrony, Visiogen) a low amount of accommodation was measured, but the question remains open whether this is pseudoaccommodation or not.

2 340 akkommodation Conclusion: The dynamic stimulation aberrometry is capable to measure accommodation using wavefront data. This new device will help further analyzing accommodating IOLs and changes of wavefront aberrations related to accommodation. Einleitung Mit der erstmaligen Einführung sogenannter akkommodierender Intraokularlinsen (IOL) stellte sich mehr und mehr die Frage nach einer Möglichkeit, wie die zu erwartenden Ergebnisse objektiv beurteilt werden können. Bisher war es möglich, Annahmen über die Akkommodation mithilfe von Veränderungen der Vorderkammertiefe vorzunehmen. Durch das Tropfen von z. B. Pilocarpin sollte eine Vorwärtsbewegung der IOL erreicht werden. Einige Studien konnten belegen, dass sich zwar die Tiefe der Vorderkammer verändert, aber keine Bewegung des Implantats gezeigt werden konnte. Methodik In einer ersten Studie wurden unterschiedliche Augen mit der Dynamic Stimulation Aberrometry (DSA) der Fa. Optana vermessen. Die DSA wird als Aufsatz an das WASCA Aberrometer (Carl Zeiss Meditec AG, Germany) oder den Schwind Okular Wavefront Analyzer (Schwind eye-tech solutions GmbH & Co. KG, Germany) angeschlossen (Abb. 1). Mithilfe dynamischer Aberrationsmessungen ist es möglich, Tilting near target Periscope optics Optomechanical tracks Abb. 1: Hauptbestandteile der Dynamic Stimulation Aberrometry -Einheit

3 Ehmer et al.: Objektive Messung der Akkommodation am menschlichen Auge 341 Abb. 2: Periskopoptik mit zusätzlicher Darstellung des Nahtargets im Spiegel und in Vergrößerung Akkommodation über Veränderungen in den Aberrationen der Augenlinse oder IOLs zu analysieren. Dafür wird über ein Periskopspiegelsystem der Blick auf ein statisches Fern- oder schwenkbares Nahtarget, welches über eine Zusatzsoftware gesteuert wird, gelenkt (Abb. 2). Ein Vorteil dieses Messverfahrens ist die binokulare Projizierung der Teststimuli (Landoltringe auf den Targets) in die optische Achse des Aberrometers und des Probanden. Beide Augen sind somit gleichwertig an den Messungen beteiligt. Das Nahtarget kann zusätzlich auf der opto-mechanischen Schiene in 0,25-dpt-Schritten in Richtung der Augen geschoben werden, um den Akkommodationsreiz zu erhöhen. Es ist somit möglich, den Nahstimuli mit Akkommodationsanreizen zwischen 3 und 9 dpt darzubieten. Um die Veränderung der Aberrationen durch Akkommodation exakt beurteilen zu können, muss die physiologische Pupillenengstellung durch den Naheinstellungsprozess verrechnet werden. Nach Abschluss der Messungen muss daher die kleinste Pupille ermittelt und die Aberrationen neu berechnet werden. Ergebnisse Sowohl bei phaken als auch pseudophaken Augen konnte die Akkommodation über Änderungen in den Aberrationen niederer und höherer Ordnung beim dynamischen Blick in die Ferne und Nähe gemessen werden. Bei verschiedenen IOLs (phak, monofokal, akkommodativ) konnten unterschiedlich starke Veränderungen der Aberrationen und damit der Akkommodation gezeigt werden. Am Beispiel einer 27-jährigen Probandin soll die Datenanalyse und -darstellung dargestellt werden. In Abbildung 3a ist der Analysebogen der DAS-Software abgebildet. Die Abbildung 3a zeigt den Akkommodationserfolg bei physiologisch veränderter Pupille, die Abbildung 3b die Naheinstellung bei einer Pupillengröße von 2 mm. Die Analyse der Akkommodation zeigt für beide Pupillengrößen einen Akkommodationserfolg von 4,25 dpt (Abb. 3b).

4 342 akkommodation far (3 m) near (3 D) near (3 D) far (3 m) Abb. 3a: Wavefront refraction map von 300 Messwerten; gesundes phakes Auge, schwarze Linie: Sphäre, graue Linie: Zylinder, physiologische skotopische Pupillengröße far (3 m) near (N.A.) near (N.A.) far (3 m) Abb. 3b: Wavefront refraction map von 300 Messwerten; gesundes phakes Auge, schwarze Linie: Sphäre, graue Linie: Zylinder, Pupillengröße 2 mm, Akkommodationserfolg von 4,25 dpt

5 Ehmer et al.: Objektive Messung der Akkommodation am menschlichen Auge 343 far (3 m) near (3 D) near (3 D) far (3 m) Abb. 4: Wavefront refraction map von 300 Messwerten; Auge mit implantierter phaker Vorderkammer-IOL, schwarze Linie: Sphäre, graue Linie: Zylinder, Pupillengröße 4 mm, Akkommodationserfolg von 1 dpt far (3 m) near (3 D) near (3 D) far (3 m) Abb. 5: Wavefront refraction map von 300 Messwerten; pseudophakes Auge (monofokal IOL, MA60BM), schwarze Linie: Sphäre, graue Linie: Zylinder, Pupillengröße 2 mm, negative Akkommodation von 0 dpt

6 344 akkommodation Neben phaken Augen wurden auch Augen nach Implantation von phaken Vorderkammer-IOLs untersucht. Ein 44-jähriger Patient mit Z.n. Verisyse (AMO) Implantation zeigt einen Akkommodationserfolg von 1 dpt bei beiden Pupillengrößen mit einem Akkommodationsstimulus von 4 dpt. Der kleinste ermittelte Pupillendurchmesser betrug 4 mm bei diesem Patienten. Die Differenz aus dem gegebenen Stimulus und der erreichten Akkommodation lässt sich durch die beginnende Presbyopie dieses Patienten erklären (Abb. 4). Eine weitere Patientengruppe stellten jene mit Implantation verschiedener Intraokularlinsen dar. Im ersten Beispiel sind die Akkommodationsergebnisse eines Patienten mit einer monofokalen IOL (Alcon MA60BM) dargestellt. In diesem Beispiel zeigt sich eine negative Akkommodation von ca. 0 dpt (Abb. 5). Eine Erklärung dieses Phänomens kann in den in einem bestimmten Winkel angesetzten Haptiken liegen, welche die Linsen beim Kontrahieren des Ziliarmuskels nach hinten schieben. Das zweite Beispiel zeigt den Analysebogen eines Patienten nach Implantation einer Synchrony (Visiogen), eine akkommodative Linse mit Dual-Optik. 54 Monate postoperativ konnte eine Akkommodation von ca. 1 dpt. bei einer Pupillengröße von 3 mm (Abb. 6) festgestellt werden. far (3 m) near (3 D) near (3 D) far (3 m) Abb. 6: Wavefront refraction map von 300 Messwerten; pseudophakes Auge (Synchrony Dual Optik), schwarze Linie: Sphäre, graue Linie: Zylinder, Pupillengröße 2 mm, negative Akkommodation von 0 dpt Schlussfolgerungen Die DSA bietet die Möglichkeit, objektiv die Akkommodation über Änderungen der okularen Aberrationen mithilfe binokularer Stimuli zu messen.

7 Ehmer et al.: Objektive Messung der Akkommodation am menschlichen Auge 345 Literatur 1. Glasser A, Kaufman PL: The mechanism of accommodation in primates. Ophthalmology 1999;106: Schachar RA, Cudmore DP, Torti R et al.: A physical model demonstrating Schachar s hypothesis of accommodation. An Ophthalmol 1994;26: Ossma IL, Galvis A, Vargas LG et al.: Synchrony dual-optic accommodating intraocular lens. Part 2: pilot clinical evaluation. J Cataract Refract Surg 2007;33: Ostrin L, Kasthurirangan S, Win-Hall D et al.: Simultaneous measurements of refraction and A-scan biometry during accommodation in humans. Optom Vis Sci 2006;83: Bolz M, Prinz A, Drexler W, Findl O: Linear relationship of refractive and biometric lenticular changes during accommodation in emmetropic and myopic eyes. Br J Ophthalmol 2007;91: Nèmeth G, Tsorbatzoglou A, Vamosi P et al.: A comparison of accommodation amplitudes in pseudophakic eyes measured with three different methods. Eye 2008;22: Nishi T, Nawa Y, Ueda T et al.: Effect of total higher-order aberrations on accommodation in pseudophacic eyes. J Cataract Refract Surg 2006;32: López-Gil N, Fernández-Sánchez V, Legras R et al.: Accommodation-related changes in monochromatic aberrations of the human eye as a function of age. Invest Ophthalmol Vis Sci 2008;49: