Einführung in die Europäische Wirtschaftspolitik
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- Gotthilf Richter
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1 Einführung in die Europäische Wirtschaftspolitik WS 2012/13 Grundlagen der Volkswirtschaftslehre Wintersemester 2012/13 1
2 Wirtschaft und Knappheit Wirtschaft ist derjenige Bereich des menschlichen Handelns, der in der Verfügung über knappe Güter zur Erfüllung menschlicher Bedürfnisse besteht! Menschliche Bedürfnisse werden als gegeben betrachtet. Güter sind Waren, Dienstleistungen und Rechte. Man unterscheidet Güter in freie und knappe Güter. Freie Güter sind im Verhältnis zu den Bedürfnissen in so großer Menge vorhanden, dass ohne Kosten jeder seinen Bedarf ausreichend decken kann. Knappe Güter sind im Verhältnis zu den Bedürfnissen nur beschränkt verfügbar. Wintersemester 2012/13 2
3 Wirtschaft und Knappheit II Güter sind knapp, wenn sie aus knappen Ressourcen produziert werden. Ressourcenknappheit bedeutet, dass nicht alle Güter und Dienstleistungen hergestellt werden können, die die Menschen gerne hätten, um ihre Bedürfnisse zu befriedigen. Individuen und Gesellschaften als Ganzes stehen vor dem Problem, knappe Ressourcen wirtschaftlich so einzusetzen, dass die Bedürfnisse in ausreichendem Maße befriedigt werden. Startpunkt für die Wirtschaftswissenschaften. Wintersemester 2012/13 3
4 Einordnung der Volkswirtschaftslehre Wissenschaften Realwissenschaften Formalwissenschaften Naturwissenschaft Kulturwissenschaften Mathematik Logik Sozialwissenschaften Geisteswissenschaften Ingenieurswissenschaften Soziologie Rechtswissenschaft Wirtschaftswissenschaften Volkswirtschaftslehre Betriebswirtschaftslehre Wintersemester 2012/13 4
5 Einteilung der Volkswirtschaftslehre nach dem Aggregationsgrad in - Mikroökonomik - Makroökonomik nach dem Ziel der Analyse in - positive Ökonomik - normative Ökonomik Wissenschaftliche Untergliederung I nach der methodischen Herangehensweise (Ansatz) - theoretisch (Modelle) - empirisch (Datenauswertung) (beide letztlich nur verflochten sinnvoll!) Wintersemester 2012/13 5
6 Einteilung der Volkswirtschaftslehre nach dem konkreten Untersuchungsgegenstand in - Arbeitsmarktökonomik - Wachstums- und Konjunkturtheorie - Außenwirtschaftstheorie - Geldtheorie - Umweltökonomik -u.v.m Wissenschaftliche Untergliederung I Wintersemester 2012/13 6
7 Einteilung nach dem Aggregationsgrad Mikroökonomik: untersucht, wie Haushalte und Unternehmen Einzelentscheidungen treffen und wie sie auf den einzelnen Märkten zusammenwirken. Aggregationsgrad: niedrig Wissenschaftliche Untergliederung II Makroökonomik: befasst sich mit gesamtwirtschaftlichen Phänomenen wie Inflation, Arbeitslosigkeit, Wachstum, Konjunktur auf aggregierter Ebene. Aggregationsgrad: hoch Wintersemester 2012/13 7
8 Einteilung nach dem Ziel der Analyse Wissenschaftliche Untergliederung II Positive Ökonomik: versucht beobachtbare Realität zu erklären oder zu beschreiben. versucht eine ökonomische Kausalität werturteilsfrei wiederzugeben. Modelle der Mikro- und Makroökonomik sind prinzipiell positiv. Ziel: Antwort auf die Frage Wie ist die Realität? Normative Ökonomik: Versucht, Urteile auf Basis von theoretischen Zusammenhängen und Werturteilen über gewisse Sachverhalte zu geben. Ziel: Antwort auf die Frage Wie sollte man optimaler Weise (Werturteil!) vorgehen? Wintersemester 2012/13 8
9 Marketing und Produktforschung: Bedeutung für die Betriebswirtschaftslehre Die Methodik der Volkswirtschaftslehre wird in vielen betriebswirtschaftlichen Fächern verwendet, so z.b. Konsumforschung, Absatzmärkte, Gewinnpotential von Produkten,... Produktionstheorie: Optimierung durch Produktionsfunktionen, optimaler Ressourceneinsatz, Darstellung von Kostenverläufen, Investitions- und Risikotheorie: Anlegerverhalten, Risikoanalysen, Spieltheorie, Informationsasymmetrien, Wintersemester 2012/13 9
10 Die Volkswirtschaftslehre als Wissenschaft Die ganze Wissenschaft besteht nur in einer Verfeinerung des alltäglichen Denkens (Albert Einstein ) Die ökonomische Wissenschaft verwendet abstrakte Modelle, um die komplexen Probleme der realen Welt zu erklären. entwickelt Theorien und sammelt und analysiert Daten, um die Theorien zu überprüfen. entwickelt Lösungsvorschläge zu (ökonomischen) Problemen. Ökonomen treffen Annahmen, um die Probleme der Welt einfacher verständlich zu machen. Ökonomen verwenden unterschiedliche Annahmen zur Beantwortung unterschiedlicher Fragen. Wintersemester 2012/13 10
11 Methodik der Theoriebildung I Realität Modelle Revision Empirische Überprüfung Falsifikation Ja: Prüfung der Hypothese Nein: Vorläufige Gültigkeit Wintersemester 2012/13 11
12 Methodik der Theoriebildung II Ausgangspunkt: Beobachtung eines ökonomischen Phänomens in der Realität (meist aus Daten). Formulierung einer Theorie zur Erklärung des Sachverhalts anhand eines geeigneten grafischen, verbalen oder mathematischen Modells Mit Hilfe statistischer bzw. ökonometrischer Methoden kann eine empirische Überprüfung des Modells erfolgen, d.h. die theoretischen Ergebnisse werden getestet. Werden diese falsifiziert (sie sind statistisch nicht haltbar), so muss eine Revision des ökonomischen Modells erfolgen. Andernfalls behält das ökonomische Modell vorläufige Gültigkeit, bis es durch eine andere empirische Überprüfung abgelehnt wird. Beachte: Modelle sind zumeist historisch, d.h. sie gelten in einer bestimmten historischen Periode, werden aber mit der Zeit obsolet, da sich die Gesellschaft und ökonomische Gegebenheiten änden. Stetige Überprüfung und Modifikation Wintersemester 2012/13 12
13 Aufgabe 1 Worin unterscheidet sich die ökonomische von der naturwissenschaftlichen Forschung. Welchen Vorteil haben Naturwissenschaftler gegenüber Ökonomen? Wintersemester 2012/13 13
14 Das ökonomische Modell Das ökonomische Modell ist wie jedes andere Modell ein vereinfachtes Abbild der Realität. Um auf wesentliche ökonomische Zusammenhänge hinzuweisen, ist es notwendig, dass man viele Aspekte aus der Realität vernachlässigt. Welchen Nutzen hätte beispielsweise ein Stadtplan im Maßstab 1:1, der auf jedes Detail der Stadt eingeht? Das Fundament des Modells sind die zu Grunde liegenden Annahmen, aus deren Zusammenspiel sich Aussagen ableiten lassen. Bei der Modellbildung muss auch überprüft werden, ob alle relevanten Aspekte des Sachverhalts Beachtung finden. Die gängigen grundlegenden ökonomischen Modelle lassen sich in mathematischer Form aufschreiben und können grafisch illustriert werden (in dieser Veranstaltung werden wir uns auf die grafische Darstellung konzentrieren). Wintersemester 2012/13 14
15 Beispiel: Kreislaufmodell Güterverkäufe Einnahmen Gütermärkte - Unternehmen verkaufen - Haushalte kaufen Güterkäufe Ausgaben Unternehmen - produzieren und verkaufen Güter - beschäftigen und verwenden Produktionsfaktoren Haushalte - kaufen und konsumieren Güter - besitzen und verkaufen die Faktordienste Löhne, Gewinne, Mieten und Pachten Produktionsfaktoren Faktormärkte - Haushalte verkaufen - Unternehmen kaufen Einkommen Arbeit, Kapital und Boden Innerer Kreislauf: Geldströme Äußerer Kreislauf: Input- und Outputströme Wintersemester 2012/13 15
16 Wesentliche Annahmen Typische Annahmen, die von Ökonomen bei der Konzeption einfacher Modelle getroffen werden, sind: Haushalte und Unternehmen treffen Entscheidungen, indem sie gewisse Zielgrößen (Nutzen, Gewinn) optimieren. Perfekte Märkte: kein Teilnehmer auf dem Markt hat Einfluss auf den Preis, es herrscht vollständige Transparenz, keine Markteintritts oder austrittsbarrieren, vollständige Informationen. Homogenität von Gütern und Marktteilnehmern: Alle Marktteilnehmer haben die gleichen Präferenzen, alle am Markt anbietenden Firmen produzieren das gleiche Gut. Vernachlässigung von räumlicher Distanz und zeitlicher Abfolge: ökonomische Aktivität geschieht gleichzeitig an einem Ort. Wintersemester 2012/13 16
17 Ökonomie und Wirtschaftspolitik Warum fällt es Ökonomen oft schwer, eindeutige wirtschaftspolitische Empfehlungen zu geben? Ökonomen könnten verschiedene Annahmen treffen, die zu unterschiedlichen positiven Aussagen führen. Unterschiedliche Modell, Daten, Methoden können zu widersprüchlichen Ergebnissen führen. Ökonomen könnten aufgrund verschiedener subjektiver Wertevorstellungen zu unterschiedlichen normativen Aussagen kommen. Ökonomen sind sich der Tatsache bewusst, dass ihre Forschungsergebnisse unterschiedlich interpretiert und bewertet werden können und vermeiden oft eindeutige Politikempfehlungen. Häufig von Ökonomen verwendete Ausdrücke sind: Es kommt drauf an oder auf der einen Seite,.. andererseits. Wintersemester 2012/13 17
18 Literaturhinweise Bofinger, Peter: Grundzüge der Volkswirtschaftslehre. - 3., aktualisierte Aufl.: Pearson Studium (München), 2011, Kapitel 1. Mankiw, N. Gregory; Taylor, Mark P.: Grundzüge der Volkswirtschaftslehre. - 5., überarb. und erw. Aufl.: Schäffer-Poeschel (Stuttgart), 2012, Kapitel 2. Felderer, Bernhard; Homburg, Stefan: Makroökonomik und neue Makroökonomik. - 9., verbesserte Aufl.: Springer (Berlin, Heidelberg, New York), 2005, Kapitel 1. Bei allen Bücher können auch ältere Auflagen verwendet werden. Wintersemester 2012/13 18
19 Aufgabe 2 Beurteilen Sie den folgenden Satz des früheren Amerikanischen Präsidenten Harry Truman ( ): I am in search of a one-armed economist! Wintersemester 2012/13 19
20 Aufgabe 3 Nehmen Sie an, in einer Ökonomie existieren nur zwei Haushalte A und B. Haushalt A habe ein Jahresgehalt von Euro während B jährlich Euro verdient. Eine Schule, die von beiden Haushalten gleichermaßen genutzt wird, sei das einzige öffentliche Gut und muss durch Steuern finanziert werden. Die jährlichen Kosten liegen bei Euro. Wie hoch sollte jeweils der Anteil von A und B an der Finanzierung der Schule Ihrer Meinung nach sein? Wintersemester 2012/13 20
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