Anteil am Rentenzugang nach Rentenarten, Westdeutschland
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- Stefan Michel
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1 8. Alterssicherung Bisher konnten sich die Deutschen auf die staatliche Rentenkasse verlassen, die über 80 Prozent ihres Renteneinkommens deckt. Daneben gibt es auch andere Formen der Altersvorsorge. So bestreiten die Amerikaner rund 40 Prozent aus privater Vorsorge, die Schweizer rund 35 Prozent aus Betriebsrenten. Allerdings hoffen auch die Deutschen kaum noch auf eine auskömmliche staatliche Rente: Nur noch jeder Vierte glaubt daran. Die Ausgaben für die Rentenversicherung wachsen kontinuierlich. Seit 1960 stieg der Beitragssatz der gesetzlichen Rentenversicherung um 5,5 Prozentpunkte auf nahezu 20 Prozent an und die Zuschüsse des Staates nahmen in ähnlicher Höhe zu. Dennoch sank die relative Höhe der Rente im gleichen Zeitraum. Ohne Reformen ist für die nächsten Jahrzehnte mit einer weiteren Erhöhung der Aufwendungen zu rechnen. Ein wichtiger Grund dafür ist die Rentenbezugsdauer, die bei Männern um 5, bei Frauen um 8 Jahre stieg. Die weiter zunehmende Lebenserwartung legt eine Heraufsetzung des Renteneintrittsalters nahe, genau das Gegenteil war jedoch der Fall. Im Jahr 2003 schieden die Deutschen mit durchschnittlich 61,6 Jahren statt mit den gesetzlich vorgesehenen 65 Jahren aus dem Erwerbsleben. Dass sie damit immer noch besser dastehen als die Franzosen, die bei Renteneintritt keine 60 Jahre alt sind, ist kein Trost. Den grundsätzlichen Anreiz zur Frühverrentung stellt der Staat, indem schon bei frühem Renteneintritt relativ hohe Renten ausbezahlt werden. In Deutschland kommt die Möglichkeit der Altersteilzeit hinzu, deren Kosten in fünf Jahren explodiert sind. Die Notwendigkeit von Reformen ist erkannt. Das Renteneintrittsalter soll heraufgesetzt, die Zahl der Anspruchsberechtigten verringert und die Leistungshöhe gesenkt werden. Gleichzeitig werden Anreize zur privaten und betrieblichen Vorsorge geschaffen. Bis sie greifen, wird der staatliche Zuschuss zu der gesetzlichen Rentenversicherung weiter steigen. Am Ende aller Überlegungen könnte die Einsicht stehen, dass in einer Gesellschaft ohne ausreichend viele und gut ausgebildete Kinder keine Form der Altersvorsorge sicher ist. 85
2 8.1 Rentner in Deutschland: Viele Wege in den Ruhestand Der Anteil der Deutschen, welche die Regelaltersrente beziehen, liegt seit 20 Jahren bei rund einem Drittel. Die Bedeutung der Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeit nahm zu. 100% Anteil am Rentenzugang nach Rentenarten, Westdeutschland Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit Altersrente für schwerbehinderte Menschen Altersrenten für langjährig Versicherte Altersrente für Frauen 1) Regelaltersrenten 80% 60% 0% ) Die "Altersrente für Frauen" wird statistisch gesondert erfasst. Das bedeutet jedoch nicht, dass die anderen Altersrentenarten nur für Männer sind; der Anteil der Frauen an den anderen Altersrenten ist sehr gering. Eine gute Übersicht der Rentenarten gibt es unter Quelle: Verband Deutscher Rentenversicherungsträger 86
3 8.2 Viele Europäer gehen früh in den Ruhestand Die Deutschen arbeiteten im Jahr 2003 im Durchschnitt bis ins Alter von 61,6 Jahren. Damit liegen sie nahe dem EU15- Durchschnitt, welcher 61,4 Jahre betrug. Die Belgier gingen schon drei Jahre früher in Rente, die Japaner 7 Jahre später. Durchschnittliches Erwerbsaustrittsalter, Männer Frauen Belgien Frankreich Polen Ungarn Niederlande Deutschl. Schweden Portugal Griechenl. Großbrit. USA 1) Japan 1) 1) Durchschnitt der Jahre Quelle: Eurostat; OECD 87
4 8.3 Frühverrentung: International unterschiedliche Anreize Die Rentenhöhe gemessen am Erwerbseinkommen ist eine entscheidende Determinante der Frühverrentung. Der Anreiz zur Frühverrentung ist in Frankreich Gesetz, in Großbritannien und Norwegen nicht vorhanden und in Deutschland hoch. 100% Ersatzquote 1) (nach Steuern) bei frühestmöglichem 2) und normalem 3) Renteneintrittsalter 80% frühestmögliches Alter normales Alter 60% % Kanada Großbrit. USA Japan Finnland Norwegen Schweden Italien Deutschland Spanien Frankreich Niederlande 1) Verhältnis aus gesetzlicher Rente und vorherigem Erwerbseinkommen. 2) Das frühestmögliche Renteneintrittsalter ist in den Säulen angegeben. 3) Das normale Renteneintrittsalter beträgt für alle aufgeführten Länder 65 Jahre außer für Frankreich (60) und Norwegen (67); in einigen Ländern entspricht das frühestmögliche dem normalen Eintrittsalter. Quelle: OECD
5 8.4 Frühverrentung in Deutschland: Teuer, und häufig ungeplant Rund 60% der Erwerbstätigen gehen früher als geplant in die Rente und werden dafür belohnt. Die gesamtwirtschaftlichen Kosten für die Altersteilzeit sind noch weitaus höher als hier ausgewiesen. Zeitliche Differenz zwischen geplantem und realisiertem Erwerbsaustrittsalter Ausgaben der Bundesagentur für Arbeit für Altersteilzeit (in Mio. Euro) 100% 863,6 80% 2-4 Jahre später 673,6 60% 1 Jahr später wie geplant 513,5 1 Jahr früher 2-5 Jahre früher 273,8 6+ Jahre früher 10,6 49,4 109,6 0% Quelle: Alterssurvey 2002; Bundesagentur für Arbeit
6 8.5 Altersvorsorge im internationalen Vergleich: Staatliche Rentenkasse unterschiedlich belastet Im Ländervergleich zeigen sich deutliche Unterschiede im System der Altersvorsorge. In vielen Ländern ist der Staat weit weniger gefordert als in Deutschland, wenn es um die Alterssicherung der Menschen geht. 100% Säulen der Alterssicherung Anteil am Renteneinkommen (in %) Gesetzliche Rentenversicherung 80% Betriebliche Altersvorsorge Private Altersvorsorge 60% 0% Spanien Deutschland Frankreich Italien Großbritannien Niederlande USA Schweiz Quelle: Mannheim Research Institute for the Economics of Aging (MEA)
7 8.6 Rentenversicherung: Beitragssatz steigt, Rentenniveau sinkt Die Rentenkassen werden vornehmlich durch die längere Bezugsdauer von Renten belastet. Eine Rentenreform kann dem auf zwei Wegen entgegen wirken: durch Einschnitte in der Rentenhöhe oder durch eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit. Entwicklung von GRV-Beitragssatz 1) und Bruttorentenniveau 2), Prognose 2005 bis 2040 mit und ohne Rürup-Rentenreform Durchschnittliche Rentenbezugsdauer 1) 50% 30% GRV-Beitragssatz (Prognose nach Recht 2003) GRV-Beitragssatz (Prognose nach Reform) Bruttorentenniveau (Prognose nach Recht 2003) Bruttorentenniveau (Prognose nach Reform) Die wesentlichen Vorschläge zur Reform der GRV: 1. Einführung eines Nachhaltigkeitsfaktors 3) 2. Heraufsetzung der Regelaltersgrenze 3. Verschiebung der Rentenanpassung vom 1.7. eines Jahres auf den 1.1. des Folgejahres Jahre Männer Frauen 10% ) Arbeiter- und Angestelltenversicherung; bis 2003 nur Westdeutschland. 2) Verhältnis von sog. Bruttostandardrente mit 45 Versicherungsjahren zu durchschnittlichem Bruttoentgelt. 3) Abhängigkeit der jährlichen Rentenanpassung von der Relation von Rentnern und Beitragszahlern. Quelle: Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung (Rürup-Bericht); Verband Deutscher Rentenversicherungsträger
8 8.7 Alterssicherung im Zeichen des Demografischen Wandels In Folge des Demografischen Wandels kommt es zu Veränderungen bei den öffentlichen Ausgaben für Alterssicherung. Doch nicht überall werden die Ausgaben steigen. So können Rentenreformen einem Anstieg entgegenwirken. Land Gesamtausgaben für Altersrenten 1) Demografischer Effekt Entwicklung bedingt durch: 1) Leistungshöhe Politikeffekte Beschäftigungseffekt Anspruchsberechtigte Deutschland 11,8 16,8 6,4-0,7-2,7 2,1 Großbritannien 4,3 3,6 1,7 0,1-2,5 0,1 Italien 14,2 13,9 10,1-3,2-5,5-1,5 Niederlande Norwegen Polen Schweden 5,2 10,0 3,8-0,5 0,2 1,4 4,9 12,9 3,0 0,1 3,9 1,2 10,8 8,3 7,3-1,3-5,9-2,1 9,2 10,8 3,9-0,5-2,1 0,4 USA Interpretationsbeispiel: Die Ausgaben für Altersrenten steigen in Deutschland zwischen 2000 und 2050 von 11,8% auf 16,8% des Bruttoinlandsprodukts. Die Bevölkerungsentwicklung allein würde einen Anstieg auf 18,2% bewirken. Angenommen wird jedoch, dass über eine erhöhte Arbeitsmarktpartizipation und Kürzungen der Rentenzahlungen für eine wachsende Zahl Anspruchsberechtigter Einsparungen in Höhe von 0,7 bzw. 0,6 (= -2,7 + 2,1) Prozentpunkten erlauben. Quelle: OECD 4,4 6,2 2,4-0,1-0,2-0,3 1) Alle Angaben in Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). 92
9 8.8 Alterssicherung: Geringes Vertrauen in die Gesetzliche Rentenversicherung Nur eine Minderheit glaubt noch, dass staatliche Renten sicher und auskömmlich sind. Insbesondere bei den jungen Menschen ist das Vertrauen gering. Glauben Sie, dass die Gesetzliche Rentenversicherung Ihnen eine Rente geben wird, die ausreichend für Ihren Lebensstandard ist? (Antwort in % der Befragten; Umfrage im Jahr 1997) Ja Nein Antwort Weiß nicht Alle 15,0 77,6 7,3 nach Geschlecht nach Altersgruppe nach Bildungsabschluss Männer 16,8 75,2 8,0 Frauen 13,3 80,0 6, ,7 78,0 8, ,7 80,7 7, ,0 74,0 6,0 Volks-/Hauptschule 22,9 66,3 10,8 Mittlere Reife 11,5 83,8 4,7 Abitur 14,2 78,0 7,9 Haben Sie Vertrauen in die Gesetzliche Rentenversicherung? (Antwort in % der Befragten; Umfrage im Jahr 1998) Antwort Alle nach Geschlecht nach Altersgruppe Männer Frauen unter Ja 23,5 20,1 12,2 9,0 5,2 9,0 16,5 35,0 57,2 Nein 64,5 71,9 75,8 58,7 82,7 84,8 74,1 56,0 35,5 Weiß nicht 12,0 8,0 12,2 34,3 12,1 6,2 9,4 9,0 7,2 Quelle: Börsch-Supan und Miegel (2001) 93
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