DIPLOMARBEIT. Titel der Diplomarbeit. Präimplantationsdiagnostik:

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1 DIPLOMARBEIT Titel der Diplomarbeit Präimplantationsdiagnostik: Naturwissenschaftliche und anthropologisch-ethische Überlegungen aus der Perspektive der Katholischen Kirche, des Judentums und des Islams Verfasserin Yvonne Kathrin Zelter angestrebter akademischer Grad Magistra der Theologie (Mag. theol.) Wien, im April 2015 Studienkennzahl lt. Studienblatt: A 011 Studienrichtung lt. Studienblatt: Betreuer: Diplomstudium Katholische Fachtheologie UniStG Ao. Univ.-Prof. Dr.med. Dr.theol. Matthias Beck

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3 Inhalt Vorwort... 6 Einleitung Die Präimplantationsdiagnostik (PID) Definition der Präimplantationsdiagnostik Voraussetzung für die PID: In-Vitro-Fertilisation (IVF) und Intrazytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI) Darstellung der Methode PID Methoden zur Gewinnung des genetischen Materials Diagnostische Methoden Indikationen, mögliche Anwendungsgebiete der PID Der Beginn menschlichen Lebens Die Frage nach dem Beginn menschlichen Lebens als Ausgangspunkt zur Bewertung der PID Zentrale Stadien der Embryonalentwicklung in der philosophischen Diskussion Der weibliche Zyklus Die Befruchtung Die Präimplantationsphase und die Implantation Die Herzentwicklung Ausbildung des Nervensystems Empfindungsfähigkeit? Die Entwicklungsstadien des Gehirns Extrauterine Lebensfähigkeit und gefahrloser Schwangerschaftsabbruch Der philosophische Diskurs Günter Rager: Der Embryo als Individuum im biologischen Sinn Raum und Zeit Einheitliches, sich selbst organisierendes System Kontinuität und diachrone Identität Menschliches Nervensystem Identität von Mensch- und Personsein Einzelne Aspekte des Personenbegriffes in der Philosophiegeschichte Der Gedanke der Menschenwürde Peter Singer: Präferenzutilitaristische Deutung des Personenbegriffes Entwicklungsstadien des Menschen: James Mark Baldwin und Jean Piaget Conclusio: Kritik an Singers Personenbegriff im Hinblick auf den moralischen Status des Embryos Argumente für einen starken moralischen Status des Embryos in der Diskussion (PRO ARGUMENTE) Das Speziesargument

4 Das Kontinuitätsargument Das Identitätsargument Das Potentialitätsargument Conclusio: Relevanz der SKIP-Argumente im religiösen Kontext Darstellung der Theorien einer Sukzessiv- und Simultanbeseelung Bewertung des Lebensbeginns aus der Sicht der drei monotheistischen Religionen Die Katholische Kirche: Leben ab dem Zeitpunkt der Befruchtung Das Judentum: Beseelung menschlichen Lebens am 40. Tag nach der Befruchtung Islamische Positionen zum Beginn menschlichen Lebens Ethisch relevante Problemfelder zur Bewertung der PID Der Beginn menschlichen Lebens als Paradigma für die Bewertung der PID Katholische Kirche: Weitergabe des Lebens als Akt der Liebe innerhalb der Ehe Judentum: Weitergabe des Lebens nicht nur Recht, sondern Pflicht des Juden Islam: Gott als Geber neuen Lebens Selektion als Paradigma für die Bewertung der PID Selektion Was ist Selektion, was Eugenik? Hat die Selektion bei der PID ein eugenisches Ziel? Die Position der Katholischen Kirche zu einer möglichen Selektion bei der PID Selektion menschlichen Lebens widerspricht dem Menschenwürdegedanken Was bedeutet Verantwortete Elternschaft im Zeitalter der PID? Die jüdische Position zur einer möglicher Selektion bei der PID Selektion nach medizinischer Indikation Selektion nach Geschlecht Selektion des Designer-Babys, Selektion nach Wunschkriterien Islamische Positionen zu einer möglichen Selektion bei der PID Selektion nach medizinischer Indikation Selektion nach Geschlecht Selektion des Designer-Babys, Selektion nach Wunschkriterien Conclusio Literaturverzeichnis Anhang Interview mit Rabbiner Mag. Schlomo Hofmeister MSc Interview mit Dr. Willy Weisz Interview mit Ibrahim Olgun Interview mit Mag. a Zeynep Elibol

5 Lebenslauf Abstract Zusammenfassung

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7 Vorwort Als 2011 das Gesetz zur Präimplantationsdiagnostik in Deutschland verabschiedet wurde, kam für mich erstmals die Frage auf, warum ein Staat die Selektion von behinderten Menschen gestattet. Ist es nicht eine Anmaßung des Menschen, all das aus seinem Leben zu verbannen, was nicht der Norm entspricht? Mit welchem Recht spreche ich einem Menschen mit Behinderung das Recht auf Leben ab? Befürworter der PID würden jetzt einwenden, dass die Diagnostik keinesfalls lebende Behinderte in der Gesellschaft diskriminieren möchte. Doch was ist das vorrangige Ziel der Präimplantationsdiagnostik? Die PID erzeugt ein negatives Bild auf Behinderung - Behinderung wird als etwas schlichtweg Schlechtes erfahren. Werfen wir einen Blick auf das Wort Be-hinderung. Ein Mensch ist in seinen Tätigkeiten be-hindert, eingeschränkt. Was sagt die Einschränkung eines Menschen über ihn als Mensch aus? Meine These greift noch weiter: Eine Gesellschaft ohne Behinderung wird arm an Mitmenschlichkeit. Bei meinen Begegnungen mit behinderten Menschen in der Pfarrgemeinde eines Behindertenheimes im Nachbarort meiner Heimat und bei meinem Praktikum in der Ergotherapie konnte ich vielmehr von den Menschen mit Behinderung lernen - Freundlichkeit, Fröhlichkeit, Mitgefühl und Aufrichtigkeit durfte ich erleben. Menschen mit Behinderungen sehen das Leben mit anderen Augen als nicht behinderte Menschen. Das heißt nicht, dass das Leben eines behinderten Menschen immer schön wäre. Aber welches Leben verläuft ohne Leid? Mit der Einführung der Präimplantationsdiagnostik werden behinderte Menschen sicherlich nicht verschwinden, denn nur eine geringe Anzahl von Behinderungen ist genetischer Art, aber sie verstärkt den negativen Blick auf Behinderung. Daher scheint es mir wichtig auf die Probleme dieser Diagnostik aufmerksam zu machen. Warum aber ein Religionsvergleich? In meiner ersten Zeit in Wien wohnte ich in einer Wohngemeinschaft mit einer agnostischen Psychologie- und Medizinstudentin und einem muslimischen BWL-Studenten. In einigen Diskussionen um das Thema PID wurde mir klar, dass die Diskussion in Deutschland/Österreich auf rein naturwissenschaftlich-philosophisch-christlicher Ebene stattfindet. In einer Gesellschaft, in welcher mehrere Religionen beheimatet sind, sollten aber auch die Positionen der anderen Religionsgemeinschaften Teil der Diskussion sein. Daher erschien es mir wichtig, die Präimplantationsdiagnostik nicht nur im Rahmen der katholischen Ethik zu beleuchten, sondern diese in einen Diskurs mit den anderen beiden monotheistischen Religionen, Judentum und Islam, zu stellen. Leider war es mir im Rahmen der Diplomarbeit nicht möglich auch die anderen christlichen Religionsgemeinschaften miteinzubeziehen. Ich möchte mich an dieser Stelle ganz herzlich bei den vier InterviewpartnerInnen Rabbiner Mag. Schlomo Hofmeister MSc., Dr. Willy Weisz, Ibrahim Olgun und Mag. a Zeynep Elibol bedanken, die offen 6

8 für meine Fragen waren und mich bei meiner Arbeit in jeder Hinsicht unterstützt haben. Ein großes Dankeschön sei auch an meinen Diplomarbeitsbetreuer Herrn Prof. Dr. Dr. Matthias Beck gerichtet. Zuletzt möchte ich mich bei all meinen Freunden und meiner Familie bedanken, die mich beim Entstehen der Arbeit begleitet haben, im Besonderen bei Christina Dietl, einer lieben Freundin und Theologiestudentin, die mir zu jeder Zeit mit Rat und Tat zur Seite stand. Einleitung In den Diskussionen um eine gesetzliche Zulassung der Präimplantationsdiagnostik (PID) im deutschsprachigen Raum spielen Meinungen anderer Religionsgemeinschaften als die der christlichen kaum eine Rolle. Da stellt sich die Frage, ob die anderen Religionsgemeinschaften zu dem Thema nichts bei zu tragen haben oder ob ihnen eine gesellschaftliche Präsenz bei diesem Thema nicht allzu wichtig erscheint. Oder leben wir etwa in einer Gesellschaft, in der moralische Werte anderer Religionen egal sind? Ulrich Körtner spricht das Problem an: Während auf der einen Seite die Forderung erhoben wird, die Vielfalt gesellschaftlicher, kulturell und religiös geprägter Sichtweisen in moralischen Fragen angemessen zu berücksichtigen, wird auf der anderen Seite die These vertreten, die Vielfalt der moralischen Überzeugungen müsse zumindest soweit reduziert werden, dass religiöse und weltanschaulich gebundene Positionen aus der Debatte ausgeschlossen werden. 1 Wäre es aber nicht wichtig, in einer Gesellschaft, in der verschiedene Menschen mit unterschiedlichem Religionsbekenntnis zusammenleben, die Meinungen der Religionen zu medizinethischen Themen wie der PID zu kennen? Kann die Katholische Theologie eventuell aus den Ansichten der anderen Religionen lernen oder im Dialog die eigene Meinung verfestigen? 1989 wurde die PID erstmalig durchgeführt, Mitte der 90er Jahre beginnt auch im europäischen Raum die Debatte um eine mögliche Zulassung der Diagnostik, die etliche ethische Fragen mit sich zieht. 2 Aber zuerst einmal soll ausgeführt werden, was genau bei der Diagnostik geschieht. Die Präimplantationsdiagnostik untersucht im Zuge einer In-Vitro-Fertilisation die künstlich befruchteten Eizellen auf ihr genetisches Erbgut. Die Untersuchung kann monogen erblich Krankheitsanlagen, genetische Risiken für multifaktoriell bedingte Krankheiten, Chromosomenstörungen sowie weitere genetischer Merkmale (bspw. Geschlecht) feststellen. 3 Bei der Frage nach der Zulassung der Diagnostik 1 Körnter, Ulrich H.J.: Zur Einführung. Interkulturelle und interreligiöse Fragestellungen heutiger Medizinethik, in: Körtner, Ulrich H.J.; Virt, Günter; von Engelhardt, Dietrich; Haslinger, Franz (Hrsg.): Lebensanfang und Lebensende in den Weltreligionen. Beiträge zu einer interkulturellen Medizinethik. 2. Auflage 2009, Göttingen, 2009, 2. 2 Vgl. Deutscher Ethikrat: Präimplantationsdiagnostik. Stellungnahme, Berlin, 2011, 7. 3 Vgl. ebd., 15. 7

9 im deutschsprachigen Raum geht es zunächst nur um die Selektion von genetisch bedingten Krankheiten. Die Selektion des Designer-Babys ist bisher nicht zum Gegenstand ernsthafter ethischer Diskussionen geworden. Die dahinterstehenden ethischen Fragen liegen auf der Hand: Was oder wer wird hier ausselektiert? Wird bei der PID menschliches Leben weggeworfen? Verfolgt die PID ein eugenisches Ziel? Wie soll künftig Elternschaft aussehen? Die Aufzählung ließe sich fortführen (siehe im näheren 1.1.). Florentine Fritzen fasste ihre Bedenken an der Diagnostik in einem Artikel der Frankfurter Allgemeinen Zeitung am folgendermaßen zusammen: Am Ende bleibt mehr als ein Unbehagen. Selbst wenn die Gefahr von sogenannten Designerbabys angesichts der medizinischen und ethischen Prüfung jedes Einzelfalls gering erscheint; selbst wenn man es jedem Paar wünscht, ein gesundes Kind zu bekommen; selbst wenn es hier, sofern die Ärzte ihrer Verantwortung gerecht werden, wahrscheinlich um nur wenige hundert Fälle im Jahr geht. Die Angst speist sich aus zwei Quellen: zum einen aus dem christlichen Ja zu jedem Leben, zum anderen aus der deutschen Geschichte, die wachsam werden lässt bei jeder Art von Selektion. Alle Beteiligten müssen sehr genau aufpassen. Damit die Ausnahme vom Verbot nicht irgendwann die Regel wird. 4 Teilen die anderen Religionsgemeinschaften, der Islam und das Judentum, diese Sorge? Welche Rolle spielen die naturwissenschaftlichen Erkenntnisse der Embryologie und philosophische Argumentationen bei der Bewertung der Präimplantationsdiagnostik? Im Rahmen der Arbeit sollen die für die PID relevanten naturwissenschaftlichen Grundlagen und philosophischen Argumentationen vorgestellt und mit den anthropologischen Voraussetzungen der drei Religionen in Beziehung gesetzt werden. Zwei Fragen stehen im Fokus der Arbeit: 1. Wann beginnt menschliches Leben? 2. Wen oder was darf der Mensch selektieren? Die Arbeit soll mittels einer Zusammenführung aus den Quellen der Literatur und einer Auswertung von Experteninterviews 5 mit Religionsvertretern aus Judentum und Islam die verschiedenen Positionen herausarbeiten. Insgesamt wurden vier Experteninterviews, je zwei mit Vertretern von Judentum und zweien aus dem Islam, geführt. Die Suche nach geeigneten Interviewpartnern gestaltete sich folgendermaßen: Es wurde Kontakt zur Israelitischen Kultusgemeinde Wien und zur Islamischen Glaubensgemeinschaft Österreich hergestellt. Dabei schlug die Israelitische Kultusgemeinde Wien 4 Fritzen, Florentine: PID-Verordnung. Mehr als ein Unbehagen, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, (abgerufen am ). 5 Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf die gleichzeitige Verwendung männlicher und weiblicher Sprachformen verzichtet. Sämtliche Personenbezeichnungen innerhalb der Arbeit gelten gleichwohl für beiderlei Geschlecht. 8

10 Rabbiner Hofmeister vor, die Islamische Glaubensgemeinschaft Österreich Ibrahim Olgun (Islamtheologe des Schulamtes). Die ersten zwei Interviews fanden zu Beginn der Arbeit im Dezember 2014 statt. Der Kontakt zum zweiten Interviewpartner auf jüdischer Seite, Willy Weisz, erfolgte durch einen Hinweis Hofmeisters, dieser wiederrum verwies auf Frau Elibol von muslimischer Seite. Die zweiten Interviews wurden im Februar 2015 geführt. Alle Experten erhielten im Voraus einen Fragenkatalog, der einen groben Überblick über den Gesprächsablauf lieferte. Das Interview wurde allerdings nicht nach diesem Katalog abgearbeitet, da der Raum auch für eigene Perspektiven der Experten offen sein sollte. Es handelt sich bei den vorliegenden Interviews um Episodische Interviews 6, bei denen das Rederecht auf beiden Seiten zu gleichem Maße gegeben ist. Außerdem existiert ein Leitfaden, welcher dennoch flexibel gehandhabt wird. Als Grundlage für ein qualitatives Interview wurde das Werk von Cornelia Helfferich Die Qualität qualitativer Daten 7 durchgearbeitet. Das Werk bietet Richtlinien für ein gelungenes wissenschaftliches Experteninterview an. Aufgrund der journalistischen Ausbildung der Interviewerin wurde keine weitere Literatur zur Recherche herangezogen. Die Aufzeichnung der Interviews fand nach vorheriger Absprache statt, deren wörtliche Transkription folgte im Anschluss (siehe Anhang). Die Positionen der Experten wurden in den Abschnitten der Arbeit über Islam und Judentum mit der vorliegenden Literatur in Beziehung gesetzt. Dabei stellen die Interviews nur Positionen von Vertretern der Religionsgemeinschaften dar, es besteht kein Anspruch auf Vollständigkeit. Folgende Gliederung der Arbeit erscheint sinnvoll: In einem ersten Kapitel sollen zuerst einmal medizinische Voraussetzungen der PID sowie diagnostische Methoden vorgestellt und auf mögliche Probleme soll hingewiesen werden. Es folgt eine Darstellung von möglichen Indikationen der Präimplantationsdiagnostik. Die zentrale ethische Frage, welche im Hinblick auf die PID zu beantworten ist, lautet: Welcher Schutz kommt dem Embryo in vitro und in diesem frühen Stadium seiner Entwicklung zu? Die wichtigsten Stadien der Embryologie mit ersten philosophischen Erörterungen werden vorgestellt. Es folgt der philosophische Diskurs, in dem ein Blick auf die Begrifflichkeiten Person und Menschenwürde geworfen wird. Ab welchem Zeitpunkt kommt dem Embryo Schutz und Würde zu? Die anschließende SKIP-Argumentation zeigt Gründe für den frühen Schutz des Embryos auf. Die beiden Theorien der Sukzessiv-und Simultanbeseelung werden skizziert, da diese unter anderem den Hintergrund für Überlegungen der verschiedenen Religionen zum Beginn menschlichen Lebens bilden. Diese Frage nach dem Beginn menschlichen Lebens hat wiederrum Relevanz für die Bewertung der PID. Der Frage wird eigens in einem neuen Kapitel nachgegangen. Auch das Sexualitätsverständnis der Religionen sowie die Beurteilung der In-Vitro-Fertilisation werden 6 Helfferich, Cornelia: Die Qualität qualitativer Daten. Manuel für die Durchführung qualitativer Interviews, Wiesbaden, 2004, Vgl. ebd. 9

11 mitbedacht. Im Weiteren soll eine nähere Betrachtung des Begriffs Selektion erfolgen und dem Vorwurf, PID sei eine Form moderner Eugenik, nachgegangen werden. Das anschließende Kapitel beinhaltet eine Vorstellung der drei Religionen in ihren Positionen um den selektiven Vorgang bei der PID. Dabei findet im Judentum und Islam eine differenzierte Bewertung der Selektion nach medizinischer Indikation, nach Geschlecht und nach dem Designer-Baby, statt. Im Rahmen der Arbeit wird angedeutet, dass die Paradigmen Beginn menschlichen Lebens und Selektion nicht die einzigen Kriterien für die Beurteilung der PID bei den vorgestellten monotheistischen Religionen sind. In der Conclusio wird auf weitere mögliche Paradigmen für eine Bewertung der PID aus Sicht der verschiedenen Religionen aufmerksam gemacht. 10

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13 1. Die Präimplantationsdiagnostik (PID) 1.1. Definition der Präimplantationsdiagnostik Die Präimplantationsdiagnostik, kurz PID, gehört zu den Anwendungsgebieten der Pränatalmedizin. 8 Der Unterschied der PID zur Pränataldiagnostik (PND) liegt darin, dass die Diagnostik extrauterin durchgeführt wird. Methoden der PND sind etwa die Fruchtwasseruntersuchung (Amniozentese), der Triple-Test (Bluttest), die Chorionzottenbiopsie, die Gewinnung embryonaler Zellen aus dem mütterlichen Blut, sowie Ultraschaluntersuchungen. 9 Der Deutsche Ethikrat definiert die PID folgendermaßen: Die Präimplantationsdiagnostik (PID) ermöglicht eine Beurteilung der Entwicklungsfähigkeit und genetischen Ausstattung von künstlich befruchteten Embryonen, noch bevor sie in den Körper der Frau übertragen werden. 10 Präimplantationsdiagnostik meint aus seiner ursprünglichen Bedeutung des Wortes eine Diagnostik, welche vor der Implantation in die Gebärmutter erfolgt. Daher wird auch die Polkörperdiagnostik, die eine Diagnose der genetischen Ausstattung des mütterlichen Genoms darstellt, als eine Form der PID erfasst. Wesentlicher Unterschied der PID zur PND ist der Selektionsprozess. Bei der PID werden unter mehreren Embryonen diejenigen ausgewählt, die nicht von der getesteten Krankheit betroffen sind. Bei der PND hingegen kann immer nur ein Embryo bzw. Fetus untersucht werden, nämlich derjenige, der sich bereits in den Uterus eingenistet hat. 11 Die Kritik an einem solchen Selektionsprozess fasst Graumann folgendermaßen zusammen: Das Ergebnis der Diagnostik eröffnet allerdings keine Handlungsoptionen dahingehend, die Krankheit des zukünftigen Kindes zu heilen oder das Leiden an der Krankheit zu lindern. Die Präimplantationsdiagnostik zielt hingegen ausschließlich darauf ab, die Existenz eines kranken oder behinderten Kindes zu verhindern. 12 Inwiefern diese Kritik zutrifft und wie die Religionen den Selektionsprozess am Beginn menschlichen Lebens bewerten, wird noch erläutert. 8 Vgl. Götz, Christoph: Medizinische Ethik und katholische Kirche. Die Aussagen des päpstlichen Lehramtes zu Fragen der medizinischen Ethik seit dem Zweiten Vatikanum, in: Auterio, Antonio; Römelt, Josef (Hrsg.): Studien der Moraltheologie. Band 15, Münster, 2000, Neubauer, Martina: Medizinisch-natur-wissenschaftliche, juristische und ethische Aspekte der Präimplantationsdiagnostik, Hamburg, 2009, Deutscher Ethikrat: Präimplantationsdiagnostik. Stellungnahme, Berlin, 2011, Neubauer, Martina: Medizinisch-natur-wissenschaftliche, juristische und ethische Aspekte der Präimplantationsdiagnostik, Hamburg, 2009, Graumann, Sigrid: Präimplantationsdiagnostik - ein in jeder Hinsicht fragwürdiges Verfahren, in: Brähler, Elmar; Stöbel-Richter Yve; Hauffe, Ulrike: Vom Stammbaum zur Stammzelle. Reproduktionsmedizin, Pränataldiagnostik und menschlicher Rohstoff, Gießen, 2002,

14 1.2. Voraussetzung für die PID: In-Vitro-Fertilisation (IVF) und Intrazytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI) Voraussetzung für die Präimplantationsdiagnostik (PID) ist eine In-Vitro-Fertilisation (IVF) oder speziell eine Intrazytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI) erblickte das erste IVF-Kind, Louise Brown das Licht der Welt. Bei der Methode der IVF werden im Reagenzglas Eizelle und Spermium zusammengefügt, es kommt zur Befruchtung Stunden später findet eine Befruchtungskontrolle statt, die befruchteten Eizellen werden in den Uterus der Mutter implantiert. Die Anzahl der implantierten Eizellen pro Zyklus ist abhängig von der Gesetzeslage des jeweiligen Staates. Mit der Methode ICSI, welche seit Ende der 90er Jahre durchgeführt wird, greift man zusätzlich in den Befruchtungsprozess ein. Das Spermium wird direkt mit einer Spritze in die Eizelle gespritzt. Mit der Methode wird in den natürlichen Befruchtungsprozess eingegriffen, die Auswahl des Spermiums trifft der Mensch. 13 Beck weist darauf hin, dass die ICSI-Methode häufig bei einer Unfruchtbarkeit des Mannes eingesetzt wird. Die Unfruchtbarkeit sei aber oft auf einen genetischen Schaden des Spermiums zurückzuführen, so dass womöglich bei der ICSI ein genetisch geschädigtes Spermium in die Eizelle implantiert wird. Die Zahl der Schädigungen ist daher etwas höher, als bei natürlich gezeugten Kindern (siehe auch ). 14 ICSI ist die vorwiegende Methode bei einer anschließenden Präimplantationsdiagnostik. Grund dafür sei der Vorteil der Methode, dass die Gefahr einer Kontamination der Eizellen mit genetischem Material geringer ist. 15 Vor einer IVF oder ICSI muss sich die Frau einer Hormonstimulation unterziehen. Ziel der Hormonstimulation ist es, eine höhere Anzahl an Eizellen pro Zyklus zu gewinnen. Laut einer Arbeitsgruppe in Brüssel bedarf es für eine PID ein Mindestmaß von sechs intakten Eizellen. 16 Die hormonelle Stimulation ist aber nicht ungefährlich. Zu den Risiken gehört das ovarielle Hyperstimulationssyndrom (OHSS). Leitsymptome sind vergrößerte Ovarien, Flüssigkeitsansammlungen im Bauchraum, Übelkeit und Erbrechen, niedriger Blutdruck (Hypotonie), Veränderungen der Herzfrequenz (Tachykardie), sowie Sekundärkomplikationen wie Thrombosen, Leber-Nieren-Versagen und Atemnot. Auch von Todesfällen wurde berichtet 17, so Neubauer. Man unterscheidet zwischen drei Stadien des Syndroms. An einer schweren Form des Syndroms sind laut einer Studie in Deutschland 2006 etwa 0,4% erkrankt. 18 Der Deutsche Ethikrat macht auf die Risiken von IVF und ICSI aufmerksam. Sowohl Hormonbehandlung als auch 13 Klekamp, Mareike: Lücken im Lebensschutz. Humane Vorkernstadien und Präimplantationsdiagnostik aus Sicht der Christlichen Gesellschaftslehre, Paderborn, 2008, Vgl. Beck, Matthias: Medizinethik und Forschungsethik. Desiderate für die Zukunft, in: Zänker, Kurt S.; Fischer, Michael (Hrsg.): Medizin- und Bioethik, Frankfurt am Main, 2006, Neubauer, Martina: Medizinisch-natur-wissenschaftliche, juristische und ethische Aspekte der Präimplantationsdiagnostik, Hamburg, 2009, Vgl. ebd. 17 Ebd., Vgl. ebd. 13

15 Eizellentnahme sind mit Risiken für die Frau verbunden. 19 Laut Deutschem Ethikrat sei es 2009 in Deutschland bei 0,66% aller Frauen zu Komplikationen gekommen, darunter waren 0,27% lebensbedrohlich (OHS Stufe III). Risiken für die Frauen seien demnach überwiegend Bluthochdruck, Schwangerschaftsvergiftung und postpartale Nachblutung. Durch die Implantierung von bis zu drei befruchteten Eizellen (bspw. in Deutschland) kommt es vermehrt zu Mehrlingsschwangerschaften. Das Risiko einer Zwillingsschwangerschaft beträgt nach IVF bzw. ICSI 21%, einer Drillingsschwangerschaft 0,9%. Die natürliche Mehrlingsrate liegt bei etwa 1,5%. 20 Graumann hält daraufhin fest: Erfolgsrate der IVF und das Mehrlingsrisiko hängen direkt zusammen. 21 Die daraus resultierenden Risiken sind Kaiserschnitt, Depressionen, Fetozid eines oder mehrerer Kinder im Mutterleib, Frühgeburten, niedriges Geburtsgewicht, Zerebralparese (Hirnschädigung) oder andere schwere Behinderungen des Kindes, sowie Atemnot u.a. Die Schwangerschaftsrate liegt bei etwa 28%, die Geburtenrate pro Embryotransfer 22 (Baby-Take-Home- Rate) bei ca. 19%. Eine Vielzahl von IVF-Schwangerschaften führt somit nicht zum Kind. Die niedrige Erfolgschance pro IVF-Zyklus stellt für das Paar eine hohe psychische Belastung dar, die es im Voraus zu bedenken gilt Darstellung der Methode PID Methoden zur Gewinnung des genetischen Materials Derzeit gibt es drei verschiedene Methoden zur Gewinnung genetischen Materials für eine Präimplantationsdiagnostik. Die Embryobiospie (Blastomerbiopsie und Blastozystenbiopsie) und die Polkörperbiopsie der Eizelle. Fast in allen Fällen wird weltweit bei der PID die Blastomerbiopsie angewendet. 23 Bei der Methode werden die Zellen meist im 8-Zellstadium entnommen. Es handelt sich in diesem Stadium um totipotente Zellen, d.h. jede einzelne Zelle kann sich noch zu einem eigenen Organismus entwickeln (siehe ). Der Embryo wird mit einer Pipette angesaugt, die Zona pellucida durchlöchert und zwei Zellen nach außen gezogen. Die Durchlöcherung der Zona pellucida erfolgt häufig mittels einer Säurelösung, man arbeitet aber auch an einer Lösung via Lasertechnik. Die Entnahme von zwei Zellen 19 Deutscher Ethikrat: Präimplantationsdiagnostik. Stellungnahme, Berlin, 2011, Vgl. ebd., Graumann, Sigrid: Präimplantationsdiagnostik- ein in jeder Hinsicht fragwürdiges Verfahren, in: Brähler, Elmar; Stöbel-Richter Yve; Hauffe, Ulrike: Vom Stammbaum zur Stammzelle. Reproduktionsmedizin, Pränataldiagnostik und menschlicher Rohstoff, Gießen, 2002, Deutscher Ethikrat: Präimplantationsdiagnostik. Stellungnahme, Berlin, 2011, Vgl. Deutscher Ethikrat: Präimplantationsdiagnostik. Stellungnahme, Berlin, 2011,

16 macht eine Kontrolle möglich und gilt daher als sicherer. Neubauer macht darauf aufmerksam, dass dem Embryo damit ¼ seiner Zellmasse entzogen wird. 24 Die Langzeitfolgen sind bis heute unklar. Bisher wurden keine Schädigungen bei Kindern beobachtet, die auf die Präimplantationsdiagnostik zurückzuführen sind. Dennoch ist die Frage, ob die Biopsie selbst die Embryonen schädigt und falls diese überlebensfähig sind, spätere Schädigungen des Kindes bedingen, aufgrund fehlender entsprechender Untersuchungen letztlich noch ungeklärt 25, so Graumann. Bei einer Blastozystenbiopsie werden die Zellen erst 5-6 Tage nach der Befruchtung entnommen. In diesem Stadium ist bereits eine Zelldifferenzierung in Embryoblastzellen und Trophoblastzellen erfolgt (siehe ), der Embryo besteht aus Zellen. Entnommen werden Trophoblastzellen, welche später die Plazenta bilden. 26 Der Schutz der totipotenten Zellen bleibt bei dieser Methode gewährleistet und birgt daher ein geringeres Konfliktpotential. 27 Die Zellisolierung gestaltet sich als schwierig, da die Zellen in diesem Stadium eng miteinander verbunden 28 sind. Es besteht die Gefahr, dass andere Zellen verletzt werden. 29 Die Polkörperbiopsie wird seit Anfang der 90er Jahren durchgeführt, 2002 wurde das erste Kind mit vorausgehender Polkörperbiopsie geboren. Die Methode wird am häufigsten nach einer IVF bzw. ICSI von Frauen über 35 durchgeführt. 30 Grund dafür ist, dass die Polkörperbiopsie nur Aussagen über Veränderungen des mütterlichen Erbmaterials treffen kann. Das Risiko bei sogenannten Spätschwangerschaften ist erhöht. Der Polkörper, welcher bei dieser Methode untersucht wird, entsteht während der Eizellreifung. 31 Die erste Reifeteilung findet mit dem Zyklus der Frau einmal im Monat statt, die zweite mit dem Eindringen des Spermiums. Beide Polkörper liegen nach der zweiten Teilung zwischen Eizelle und Zona pellucida, man perforiert (durchlöchert) die Zona pellucida und die zwei Polkörper werden entnommen. Bei der Diagnose können nur Aussagen über das mütterliche Erbgut, nicht aber das väterliche, getroffen werden. 24 Neubauer, Martina: Medizinisch-natur-wissenschaftliche, juristische und ethische Aspekte der Präimplantationsdiagnostik, Hamburg, 2009, Graumann, Sigrid: Präimplantationsdiagnostik - ein in jeder Hinsicht fragwürdiges Verfahren, in: Brähler, Elmar; Stöbel-Richter Yve; Hauffe, Ulrike: Vom Stammbaum zur Stammzelle. Reproduktionsmedizin, Pränataldiagnostik und menschlicher Rohstoff, Gießen, 2002, Vgl. Neubauer, Martina: Medizinisch-natur-wissenschaftliche, juristische und ethische Aspekte der Präimplantationsdiagnostik, Hamburg, 2009, Vgl. Klekamp, Mareike: Lücken im Lebensschutz. Humane Vorkernstadien und Präimplantationsdiagnostik aus Sicht der Christlichen Gesellschaftslehre, Paderborn, 2008, Neubauer, Martina: Medizinisch-natur-wissenschaftliche, juristische und ethische Aspekte der Präimplantationsdiagnostik, Hamburg, 2009, Vgl. Klekamp, Mareike: Lücken im Lebensschutz. Humane Vorkernstadien und Präimplantationsdiagnostik aus Sicht der Christlichen Gesellschaftslehre, Paderborn, 2008, Ebd., Neubauer, Martina: Medizinisch-natur-wissenschaftliche, juristische und ethische Aspekte der Präimplantationsdiagnostik, Hamburg, 2009,

17 Diagnostische Methoden Bei der molekulargenetischen Diagnostik der PID stehen zwei Methoden im Vordergrund - die Polymerase-Kettenreaktion (PCR) und die Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung (FISH). Die Polymerase- Kettenreaktion ist in der Lage monogene Erbkrankheiten, Krankheiten, die nur auf einem einzelnen Gen Veränderungen aufzeigen, festzustellen. Neubauer stellt das Prinzip der PCR folgendermaßen dar: Das Prinzip der PCR besteht in der enzymatischen Vermehrung (Amplifikation) eines bestimmten DNA-Abschnittes in vitro. Mit Hilfe der PCR können geringe Mengen einer Ziel-DNA in großen Mengen amplifiziert werden, damit zu Untersuchungszwecken genügend Genmaterial zur Verfügung steht. 32 Die DNA-Doppelstränge werden mittels Erhitzung zu zwei losgelösten Einzelsträngen, es werden Oligonucleotid-Primer hinzugefügt und es kommt zu einer Primärverlängerungsreaktion. Diese kann solange wiederholt werden, bis die benötigte Menge an DNA für die Diagnostik vorhanden ist. Farbstoffe oder radioaktive Methoden markieren die einzelnen Zellen und machen die Diagnose möglich. Die Methode ist allerdings hochempfindlich. Kleinste Kontaminationen können schon das Ergebnis verfälschen. Einheitlichkeit über die Fehlerquote bei der PCR herrscht nicht, so Kollak. Laut Ao und Kollegen beträgt die Fehlerquote einer PCR 27%. Findley und Kollegen sprechen von einer Fehlerquote bei Geschlechtsbestimmungen von 2-3%-21% und 7-36% bei den Untersuchungen nach Gendefekten. 33 Die große Differenz bezieht sich darauf, ob ein oder zwei Zellen bei einer PID untersucht werden (siehe Blastomerbiopsie). Bei einer Entnahme von zwei Zellen soll laut neuesten Studien die Gefahr einer Fehldiagnose nur mehr 0,3% betragen, so Kollak. Die Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung als zweite mögliche Methode ist in der Lage, sowohl bei Chromosomen als auch bei Chromosomenfragmenten Abweichungen zu erkennen. So z.b. Veränderungen an den Chromosomen 13, 16, 21 und 22. Auch eine Geschlechtsbestimmung ist via FISH möglich. Die erste Geschlechtsbestimmung wurde 1991 erfolgreich durchgeführt. 34 Bei der Diagnostik erfahren die Zellen eine Denaturierung, es werden DNA-Sonden hinzugegeben, welche mit einem Fluoreszenzfarbstoff markiert sind. In Folge dessen bilden sich chromosomale Abschnitte der zu untersuchenden DNA 35. Durch den Fluoreszenzfarbstoff wird erkennbar, ob auf dem chormosomalen Abschnitt Störungen vorhanden sind. Ebenfalls erkennbar ist das Geschlecht des 32 Ebd., Vgl. Kollek, Regine: Präimplantationsdiagnostik. Embryonenselektion, weibliche Autonomie und Recht, Tübingen, 2000, Vgl. Verlinsky, Yury; Kuliev, Anver: Practical Preimplantation Genetic Diagnosis, Chicago, 2005, Neubauer, Martina: Medizinisch-natur-wissenschaftliche, juristische und ethische Aspekte der Präimplantationsdiagnostik, Hamburg, 2009,

18 Embryos. Vorrangig wird bei der Methode gezielt nach einer bestimmten Störung gesucht. Für die betreffenden Abschnitte werden bestimmte Farben eingesetzt. Die M-FISH (multi-fluorochrome Karyotyping) Diagnostik, bei der alle Chromosomen gleichzeitig analysiert werden, ist noch keine Routine. 36 Kollek hält fest: Der Vorteil der FISH gegenüber der PCR ist, dass die Untersuchung nicht so leicht durch Verunreinigungen mit Fremd-DNA beeinträchtigt werden kann. Die FISH hat aber auch einen gewichtigen Nachteil. Er liegt weniger in der Methode selber als in der Tatsache, dass Embryonen häufig sogenannte Mosaike bilden. 37 So formuliert es auch der Deutsche Ethikrat in seiner Bewertung zur FISH. Wird die FISH jedoch, wie bisher häufig üblich, zur Diagnostik an Blastomerzellen eingesetzt, ist problematisch, dass verschiedene Zellen eines Embryos gerade in diesem Stadium unterschiedliche Chromosomenmuster aufweisen können (Mosaikbildung). Bei etwa 40% der Embryonen liegt ein solches Mosaik vor. In solchen Fällen lässt die Diagnose einer einzelnen Zelle einen Schluss auf die Konstitution der übrigen Zellen nicht zu. 38 Eine mögliche zukünftige Untersuchungsmethode seien laut Deutschem Ethikrat DNA-Chips (CGH), welche das gesamte Genom untersuchen können. 36 Vgl. Neubauer, Martina: Medizinisch-natur-wissenschaftliche, juristische und ethische Aspekte der Präimplantationsdiagnostik, Hamburg, 2009, Kollek, Regine: Präimplantationsdiagnostik. Embryonenselektion, weibliche Autonomie und Recht, Tübingen, 2000, Deutscher Ethikrat: Präimplantationsdiagnostik. Stellungnahme, Berlin, 2011,

19 Indikationen, mögliche Anwendungsgebiete der PID Mögliche Indikationen für eine PID sind laut Deutschem Ethikrat: Verdacht auf eine monogene erbliche Krankheitsanlage, Verdacht auf genetische Risiken für multifaktoriell bedingte Krankheiten, Verdacht auf Chromosomenstörungen und die Identifikation erwünschter genetischer Merkmale. 39 Bei monogenen Erbkrankheiten liegt eine Mutation eines einzelnen Genes vor, die zu einer genetischen Erkrankung führen kann. Unterschieden wird zwischen rezessiver, dominanter und x-chromosomaler Vererbung. Bei einem rezessiven Erbgang liegt die Übertragungsrate der Krankheit auf das Kind bei 25%, wenn beide Elternteile jeweils eine Mutation in sich tragen. Rezessiv heißt, dass die Krankheitsanlage verborgen ist. Der Vererbungsvorgang folgt der mendelschen Vererbungslehre. Bei einem dominanten Erbgang (Ausprägung bei einem Elternteil) erhält das Kind mit 50% Wahrscheinlichkeit den Gendefekt. Ebenfalls zu 50% werden Mutationen am x-chromosom der Mutter vererbt (x-chromosomal). X-chromosomal und rezessiv vererbte Krankheiten verlaufen meist schon im Kindesalter tödlich. Dominante hingegen treten eher im Alter auf. 40 Kollek führt eine Liste an monogenen Krankheiten auf. α-1-antitrypsin-defizienz, Charcot-Marie-Tooth-Erkrankung, Chorea Huntington, Epidermolysis bullosa, Familiäre Adenomatöse Polyposis coli, Fragiles x-syndrom, Gaucher-Krankheit, Hämophilie A und B, Lesh-Nyhan-Syndrom, Marfan-Syndrom, Mukoviszidose, Muskeldystrophie (Typ Duchenne), Osteogenesis Imperfecta, Ornithin-Transcarbamylase-Defizienz, Retinitis pigmentosa, Sichelzellenanämie, Tay-Sachs-Erkrankung, β-thalassämie. 41 Paare mit genetischer Disposition für die genannten Krankheiten führt Klekamp als Hochrisikopaare auf. Als sogenannte Hochrisikopaare werden Paare bezeichnet, die eine normale Fertilität haben, aber deren genetische Disposition eine hohe Wahrscheinlichkeit aufweist, dass sie ein Kind mit einer schwerwiegenden Erbkrankheit oder erblichen Behinderung bekommen. 42 Schwieriger verhält es sich mit der Bestimmung von genetischen Risiken für multifaktoriell bedingte Krankheiten. Multifaktoriell bedingte Erbkrankheiten haben, wie der Begriff schon sagt, mehrere Ursachen. Der Gendefekt ist ein Resultat der genetischen Faktoren im Zusammenspiel mit den Umwelt- und Lebenseinflüssen. Beispiele für solche Krankheiten sind etwa Diabetes mellitus oder Asthma. Laut Deutscher Ethikkommissionen würden multifaktoriell bedingte Krankheiten zurzeit via 39 Vgl. ebd., Vgl. ebd., und Kollek, Regine: Präimplantationsdiagnostik. Embryonenselektion, weibliche Autonomie und Recht, Tübingen, 2000, Kollek, Regine: Präimplantationsdiagnostik. Embryonenselektion, weibliche Autonomie und Recht, Tübingen, 2000, Klekamp, Mareike: Lücken im Lebensschutz. Humane Vorkernstadien und Präimplantationsdiagnostik aus Sicht der Christlichen Gesellschaftslehre, Paderborn, 2008,

20 PID nicht diagnostiziert. Gegenwärtig ist nicht bekannt, dass genetische Untersuchungen auf multifaktorielle Erkrankungen im Rahmen einer PID vorgenommen werden. 43 Im dritten Fall, einer Chromosomenstörung, muss zwischen numerischen und strukturellen Chromosomenstörungen unterschieden werden. Eine numerische Chromosomenstörung liegt vor, wenn ein Chromosom im Genom nicht zwei, sondern nur eine oder drei Kopien hat, sogenannte Monosomien und Trisomien. Alle Monosomien und die meisten Trisomien führen noch vor der Geburt des Kindes zum Tod. Einige Trisomien wie etwa Trisomie 21 (Down-Syndrom) sind überlebensfähig, weisen aber in unterschiedlicher Schwere geistige und/oder körperliche Beeinträchtigungen auf. Bei strukturellen Chromosomenstörungen hat eine Translokation der Chromosomen stattgefunden. Bestimmte Abschnitte eines Chromosoms befinden sich an anderen Orten, speziell auf anderen Chromosomen. 44 Der Ausbruch von Fehlbildungen erfolgt nicht bei den Trägern struktureller Chromosomenstörungen, sondern erst bei deren Kindern. Die genannten ersten drei Gruppen als mögliche Anwendungsgebiete der PID werden nicht nur natürlich verursacht, sondern können auch Resultat zweier Anwendungsgebiete der ICSI sein. Das sind zum einen die Gruppe der Männer mit Fruchtbarkeitsstörungen und zum anderen Frauen über 35. ¼ aller Fruchtbarkeitsstörungen des Mannes gehen auf genetische und/oder chromosomale Schädigungen zurück (siehe auch 1.2.). Die vorliegende Störung beim Mann verursacht seine Unfruchtbarkeit, genauer sie verhindert das natürliche Eindringen des Spermiums in die Eizelle. Mithilfe der Intrazytoplasmatischen Spermainjektion können somit die beim Mann vorliegenden genetischen Störungen, die seine Unfruchtbarkeit verursacht haben, auf nachfolgende Generationen übertragen werden. 45 Man kann also sagen, die Intrazytoplasmatische Spermainjektion schafft in diesem Falle die Krankheit. Einige Wissenschaftler plädieren daher für eine Pflicht-PID nach der ICSI- Methode. 46 Bei Frauen über 35 tritt das Risiko einer altersbedingten Aneuploidie auf. In verschiedensten Studien wurde das Chromosomenbild von Frauen über 35 nach erfolgter IVF untersucht und mit dem von jüngeren Frauen verglichen. So ist die Oozytenqualität stark abhängig von dem Alter der Frau. Dem International Journal of Gynecology and Obstetrics (2012) zufolge liegt die natürliche Rate für Aneuploidien bei Frauen unter 35 Jahren bei 10% der Oozyten. Diese steigt im Alter von 40 auf 30% an und mit dem 43. Lebensjahr der Frau auf 40%. Die Oozyten von Frauen über 45 seien nahezu zu 100% geschädigt Deutscher Ethikrat: Präimplantationsdiagnostik. Stellungnahme, Berlin, 2011, Ebd., Kollek, Regine: Präimplantationsdiagnostik. Embryonenselektion, weibliche Autonomie und Recht, Tübingen, 2000, Vgl. ebd. 47 Vgl. Liu, Kimberly ; Case, Allison ; Cheung, Anthony P. ; Sierra, Sony ; AlAsiri, Saleh ; Carranza-Mamane, Belina ; Case, Allison ; Dwyer, Cathie ; Graham, James ; Havelock, Jon ; Hemmings, Robert ; Lee, Francis; Murdock, 19

21 Die vierte als möglich angeführte Indikation ist die Identifikation erwünschter genetischer Merkmale. 48 Bestimmte genetische Merkmale lassen sich via PID feststellen. Dazu gehören das Geschlecht sowie gewisse immunologische Aspekte. Die Geschlechtsbestimmung kann für geschlechtsbedingte Krankheiten relevant sein, sie kann allerdings auch für social sexing oder family balancing genutzt werden. Das ethische Problem dahinter wäre, dass einem Geschlecht mehr Wert zugeschrieben wird als dem anderen, so sehen es auch die Vorreiter für Präimplantationsdiagnostik, das HFEA-PGD-Consortium in England. 49 Als Letztes scheint mit Hilfe der PID auch die Auswahl eines Designer-Babys möglich. Unter dem Begriff Designer-Baby wird häufig das Kreieren eines Kindes verstanden, dem ist aber nicht der Fall. Der Begriff Designer-Baby erweckt den Eindruck, dass ein Kind nach bestimmten Wünschen kreiert wird. Es wird aber kein Kind entworfen, sondern ein Embryo wird unter einer Vielzahl von Embryonen nach bestimmten, passenden Eigenschaften ausgewählt. 50 Praktiziert wurden bisher sogenannte HLA-Typisierungen. Ziel einer HLA-Typisierung ist es ein Kind zu zeugen, welches einem kranken Geschwisterkind helfen kann - ein Rettungskind. Bei der Methode werden immunologisch passende Zellen ohne genetische Veränderung ausgesucht. Prominentes Beispiel ist der am in den USA geborene Adam Nash, das weltweit erste Rettungskind. Zur Rettung seiner an Fanconi-Anämie erkrankten Schwester mussten Embryonen technisch hergestellt werden. Ward ; Senikas, Vyta ; Vause, Tannys D.R. ; Wong, Benjamin Chee-Man: Advanced Reproductive Age and Fertility, in: International Journal of Gynecology and Obstetrics, Vol.117(1), 2012, Deutscher Ethikrat: Präimplantationsdiagnostik. Stellungnahme, Berlin, 2011, Vgl. Klekamp, Mareike: Lücken im Lebensschutz. Humane Vorkernstadien und Präimplantationsdiagnostik aus Sicht der Christlichen Gesellschaftslehre, Paderborn, 2008, Ebd.,

22 2. Der Beginn menschlichen Lebens 2.1. Die Frage nach dem Beginn menschlichen Lebens als Ausgangspunkt zur Bewertung der PID Die Frage nach dem Beginn des Lebens ist ein wesentliches Kriterium für die ethische Bewertung von genetischer Frühdiagnostik. In den Diskussionen über das Embryonenschutzgesetz in Deutschland und das Fortpflanzungsmedizingesetz in Österreich steht die Frage nach dem Beginn menschlichen Lebens und damit jene nach dem Status des Embryos im Fokus. Laut Deutschem Ethikrat muss man zwischen zwei Positionen unterscheiden: Denjenigen, die für die Schutzwürdigkeit des Embryos von der Befruchtung an plädieren, und jenen, die einen uneingeschränkten Schutz zu einem späteren Zeitpunkt ansetzen. Beiden Konzepten ist gemeinsam, dass jedem menschlichen Leben von Anbeginn an ein Wert an sich zukommt. Ein Unterschied liegt jedoch in der Einschätzung, ab wann der Beginn eines menschlichen Lebewesens anzunehmen ist und ab welchem Zeitpunkt der Entwicklung, gegebenenfalls in welchen Schritten und Ausprägungen, ihm Würde und Lebensschutz zustehen. 51 Ab welchem Zeitpunkt muss der Embryo geschützt werden? Ab wann besitzt der Embryo Würde? Wie gilt es, diese Würde zu schützen und in welchem Maße in welchem embryonalen Stadium? Welche Paradigmen (medizinische, philosophische, psychologische) sind für die Bewertung relevant? Kann der Beginn menschlichen Lebens medizinisch bestimmt werden? Ist die Seele von Anfang an im menschlichen Embryo vorhanden oder bedarf es des nachträglichen Einhauchens durch einen Schöpfer? Wann beginnt für die drei monotheistischen Religionen menschliches Leben? Welche Argumente stehen für sie im Vordergrund und inwiefern ist ihre Sicht relevant für die gesellschaftliche Debatte? Die PID ist eine Untersuchung der befruchteten Eizelle nach erfolgter In-Vitro-Fertilisation (siehe 2. Kapitel). Bei der Methode der PID werden mehr befruchtete Eizellen hergestellt, als in den Uterus der Frau implantiert werden. Es müssen und sollen somit Embryonen nach selektiven Kriterien entsorgt werden. Die Kriterien der Selektion sind unterschiedlich (siehe gesetzliche Regelung). Die Präimplantationsdiagnostik ist in der Lage, die befruchtete Eizelle auf Erbkrankheiten hin zu untersuchen. Selektion zum Zwecke der nicht krankheitsrelevanten Geschlechtswahl oder für eine gezielte Auswahl von Embryonen mit bestimmten Immunitätsmustern 52 ist mit der Methode PID ebenfalls möglich. In diesem Kontext ist darauf hinzuweisen, dass Eigenschaften wie Heterosexualität, Intelligenz oder Musikalität nicht genetischer Natur sind und damit auch mit der Methode PID nicht selektierbar. 53 Die Frage, welche sich aber stellt, ist: Was wird hier entsorgt? Welche Würde besitzt der 51 Deutscher Ethikrat: Präimplantationsdiagnostik. Stellungnahme, Berlin, 2011, Ebd., Vgl. Von Stosch, Klaus: Menschenwürde von Beginn an?, in: Junges Kolleg der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und Künste: Designer-Baby. Diagnostik und Forschung am ungeborenen Leben, Paderborn, 2009,

23 extrakorporale Embryo? Inwiefern der Beginn menschlichen Lebens alleiniges Kriterium für die Bewertung der PID ist oder nicht, wird im 3. Teil behandelt. Dieser erste Teil soll erst einmal den Ausgangspunkt der Religionen und deren Bezug auf medizinische, philosophische und psychologische Argumentationen darstellen Zentrale Stadien der Embryonalentwicklung in der philosophischen Diskussion In diesem Kapitel werden zentrale Stadien der Embryonalentwicklung, vorrangig die biologischen Fakten der Embryologie vorgestellt. Sie dienen als naturwissenschaftliche Grundlage für die ethischen Diskurse. Naturwissenschaftliche Kriterien für den Beginn menschlichen Lebens und dessen Schutzfähigkeit sind laut Ulrich Gebhard, Corinna Hößle und Friedrich Johannsen: Befruchtung, Nidation (Einnistung des Embryos), Unteilbarkeit des Embryos, Beginn der Herztätigkeit, Ausbildung des Nervensystems, gefahrenloser Schwangerschaftsabbruch, spürbare Bewegungen des Kindes, extrauterine Lebensfähigkeit, sowie Geburt. 54 Für einen philosophischen Diskurs müssten auch der Zeitpunkt des Einsetzens der Empfindungsfähigkeit und das Kriterium des Hirnlebens bestimmt werden, so Thomas Zoglauer. 55 Warum diese Stadien für eine ethische Beurteilung relevant sein könnten, wird kurz angedeutet bzw. diskutiert Der weibliche Zyklus Bei der natürlichen Zeugung eines Kindes spielt sich der Prozess der menschlichen Entstehung komplett innerhalb des Körper einer Frau 56 ab. Der Zyklus einer Frau dauert +/-28 Tage. Follikel durchlaufen bis zur Ovulation (Eisprung) charakteristische Entwicklungsstadien. 57 Im Primordialfollikel, einem Vorrat an Follikel, reifen die Follikel heran. Dort kommt es durch Wachstum der Eizelle und insbesondere durch Vergrößerung des Follikelepithels zur erheblichen Größenzunahme. [ ] Durch diese Prozesse entstehen Primär-, Sekundär- und Tertiärfollikel. Aus der Gruppe der Tertiärfollikel treten einige dann in die weitere Entwicklung ein, von denen einer dann schließlich zum sprungreifen Graaf-Follikel wird. [ ] Der sprungbereite Follikel liegt direkt unter der 54 Vgl. Gebhard, Ulrich; Hößle, Corinna; Johannsen, Friedrich: Eingriff in das vorgeburtliche menschliche Leben. Biologische Grundlagen und ethische Reflexionen, Neukirchen-Vluyn, 2005, Vgl. Zoglauer, Thomas: Konstituiertes Leben. Ethische Probleme der Humangenetik, Darmstadt, 2002, Von Stosch, Klaus: Menschenwürde von Beginn an?, in: Junges Kolleg der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und Künste: Designer-Baby. Diagnostik und Forschung am ungeborenen Leben, Paderborn, 2009, Ulfig, Norbert: Kurzlehrbuch Embryologie, Stuttgart, 2009²,

24 Ovaroberfläche 58, die an dieser Stelle etwas vorgewölbt ist. Der Eihügel löst sich von der Follikelwand und schwimmt in der Flüssigkeit der Follikelhöhle. 59 Am 14. Zyklustag springt das Ei. Es kommt zur Ovulation, auch Eisprung oder Follikelsprung genannt. Die Eizelle ist befruchtungsfähig. Im Zyklus kommt es währenddessen zu Veränderungen der Uterusschleimhhaut. Die Schleimhautschicht des Uterus (Endometrium) besitzt röhrenförmige Drüsen. Sie gliedert sich in ein Stratum functionale und ein Stratum basale. Das Stratum functionale wird bei der Menstruation abgestoßen und baut sich während der Proliferationsphase aus dem Stratum basale wieder auf. 60 Diese Phase dauert vom 4. bis 14. Zyklustag. Daran schließt die sogenannte Sekretionsphase vom 15. bis 28. Zyklustag an, in welcher es zur Einlagerung von Glykogen 61 in die Drüsenzellen sowie zu Veränderungen im Bindegewebe kommt. Kommt es zu einer Einnistung, wandelt sich das Endometrium komplett in die Dezidua um (Dezidualisierung). [ ] Erfolgt keine Einnistung kommt es am Ende der Sekretionsphase zur Kontraktion der Spiralaterien und damit zur Sauerstoffunterversorgung (Ischämie). In der Desquamationsphase (1. Bis 4. Zyklustag) wird das Stratum functionale dann abgestoßen. Es kommt zur Regelblutung Die Befruchtung Beim Geschlechtsverkehr zwischen Mann und Frau gelangen etwa 300 Millionen Spermien in die Scheide. 63 Die Spermien müssen hier einen Reifungsprozess, die sogenannte Kapazitation durchlaufen. Es dauert beim Menschen etwa 4-5 Stunden, bis sich die Glykoproteinzusammensetzung in der Zellmembran der Spermien verändert hat. Erst dann kann das Spermium in die Eizelle eindringen. Die Mehrzahl der Spermien stirbt schon im Uterus ab. 64 Kurz vor dem Zusammentreffen mit der Eizelle beginnt die Akrosomenreaktion. Dabei verschmelzen an vielen Stellen die Zellmembran und die äußere Membran des Akrosoms 65 miteinander. 66 Nach diesem Vorgang kommt es zu einer Verschmelzung von Spermium und Eizelle, auch Befruchtung, Konzeption oder Fertilisation genannt. Mit der Befruchtung dringt das Spermium in die Eizelle ein. Dieser Vorgang muss innerhalb von 24 Stunden nach dem Eisprung erfolgen. Spermien hingegen überleben 48 Stunden im Körper der Frau. Da das Spermium einen haploiden Chromosomensatz besitzt, demnach entweder einen X- oder einen Y- 58 Anm. YZ: Im Ovar wachsen die Follikel, die späteren Eizellen, heran. 59 Ulfig, Norbert: Kurzlehrbuch Embryologie, Stuttgart, 2009², Ebd. 61 Anm. YZ: Glykogen dient als Ort zur Speicherung von Glucose. 62 Ulfig, Norbert: Kurzlehrbuch Embryologie, Stuttgart, 2009², Vgl. ebd., Vgl. ebd. 65 Anm. YZ: Als Akrosom bezeichnet man den Kopf des Spermiums. 66 Ulfig, Norbert: Kurzlehrbuch Embryologie, Stuttgart, 2009²,

25 Chromosomensatz in sich trägt, ist zum Zeitpunkt der Befruchtung das Geschlecht des Embryos schon bestimmbar. 67 In dem Zusammenhang sei in der ethischen Debatte um den Beginn menschlichen Lebens auf Folgendes aufmerksam zu machen: Wenn mit der Befruchtung schon das Geschlecht bestimmt werden kann, hieße das dann nicht, dass man ab diesem Zeitpunkt von einem Individuum sprechen kann und muss? Die frühe Bestimmung des Geschlechtes mit der Fertilisation scheint im Hinblick auf eine mögliche Selektion mit der Methode PID ethisch problematisch. Die Eizelle reagiert auf die Befruchtung mit einer Depolarisation sowie einer Entleerung von kortikalen Granula. Die zweite Reifeteilung wird beendet. Die Vorkerne verdoppeln ihre DNA, die Kernhüllen der Vorkerne lösen sich auf. 68 Lange Zeit ging man davon aus, dass im Anschluss eine sogenannte Kernverschmelzung stattfindet, auch Ulfig stellt diese 2009 noch dar. Nach neustem Kenntnisstand ist dies aber nicht mehr richtig. Der Deutsche Ethikrat merkt an: Eine Verschmelzung der Vorkerne zu einem klar umgrenzten diploiden Zellkern der Zygote findet nach heutigem Kenntnisstand so nicht statt. Vielmehr arrangieren sich die mütterlichen und väterlichen Chromosomen nach Auflösung der Vorkernmembranen sofort in der Konstellation einer sogenannten Teilungsspindel, die dann unmittelbar im Rahmen der ersten Zellteilung des Embryos auf die zwei sich bildenden Tochterzellen aufgeteilt wird. Eine Zellkernmembran bildet sich erst jeweils wieder um die zwei neu gebildeten Zellkerne, nachdem dieser Teilungsvorgang abgeschlossen ist. 69 Die neue Erkenntnis ist dahingehend wichtig kurz zu erläutern, weil nationale Gesetzgebungen teilweise noch immer von einer Kernverschmelzung sprechen, ab dieser der Embryo zu schützen sei. Der Zeitraum zwischen dem Eindringen des Spermiums in die Eizelle und der Kernverschmelzung bleibt in dem Falle in der Schwebe. So hält auch Beck fest: Die Kernmembran der jeweils 23 Chromosomen enthaltenden Vorkerne löst sich also auf, und in der Zygote kommt es nicht zur Bildung einer neuen Kernmembran, so dass die Zygote keine Zelle mit einem normalen Vorkern ist. 70 Es findet eine Auflösung der Zellmembranen statt, keine Kernverschmelzung. Den Beginn des Lebens und die damit verbundene Schutzwürdigkeit des Embryos mit der Kernverschmelzung festzusetzen basiert auf einer falschen naturwissenschaftlichen Erkenntnis Vgl. Rager, Günter: Die biologische Entwicklung des Menschen, in: Ders.: Beginn, Personalität und Würde des Menschen, München, 2009, Ulfig, Norbert: Kurzlehrbuch Embryologie, Stuttgart, 2009², Deutscher Ethikrat: Präimplantationsdiagnostik. Stellungnahme, Berlin, 2011, Beck, Matthias: Mensch-Tier-Wesen. Zur ethischen Problematik von Hybriden, Chimären, Parthenoten, Paderborn u.a., 2009, 63.; Vgl. auch: Idkowiak, Jan: Medizinisch-naturwissenschaftliches Glossar Kernverschmelzung, in: Damschen, Gregor; Schönecker, Dieter: Der moralische Status menschlicher Embryonen. Pro und contra Spezies-, Kontinuitäts-, Identitäts und Potentialitätsargument, Berlin, 2002, Vgl. ebd. 24

26 Welche Relevanz hat die Befruchtung für eine ethische Bewertung? Roland Graf sieht Folgendes mit der Befruchtung gegeben: Aus medizinischer und philosophischer Sicht ist bereits der Eintritt einer Samenzelle in das Plasma der Eizelle als alles entscheidender Vorgang anzusehen. Hier und nicht später beginnt menschliches Leben. Das Entwicklungspotential kann im menschlichen Leben nie größer sein als ab diesem Moment. 72 Fraglich ist für ihn, warum aber selbst unter natürlichen Bedingungen sich nicht zwangsläufig durch jede Verschmelzung von Samen- und Eizelle eine Frucht entwickelt, die als Baby auf die Welt kommt. Weshalb stirbt die Frucht oft so früh ab, dass es die Mutter nicht einmal merken kann? Kann es sich in diesem Fall schon um menschliches Leben handeln? Ist dies nicht ein unerhörter Verschleiß von menschlichem Leben allein schon durch die natürlichen Verhältnisse? 73 Thomas Zoglauer macht deutlich, dass, wenn man einer befruchteten menschlichen Eizelle ein Recht auf Leben abspricht, Eigenschaften benannt werden müssen, die ein Lebensrecht indizieren und einen Zeitpunkt angeben, ab dem diese Eigenschaften zum ersten Mal auftreten und der Embryo zu schützen ist. 74 So geben manche Philosophen die Empfindungsfähigkeit (ab der 2. Woche) als entscheidendes Kriterium für ein Personenrecht an. Andere wiederrum setzen die Ausbildung menschlichen Gehirns als den Beginn menschlicher Existenz Die Präimplantationsphase und die Implantation Durch die erste Teilung nach der Befruchtung entstehen zwei Blastomeren. 76 Dieses Zweizellstadium wird mit etwa 30 Stunden nach der Befruchtung angesetzt. Es folgen das 4-, 8 Zellstadium, sowie 16 Zellstadium, die sogenannte Morula. 77 Die frühen Blastomeren sind totipotent. Sie sind noch unbestimmt und besitzen somit die Fähigkeit, einen ganzen Organismus aus sich hervorzubringen. Unterschiede zwischen den Zellen lassen sich aber schon im Morulastadium (Mehrzellstadium) erkennen. Die Totipotenz geht zwischen Acht- und Sechzehnzellstadium verloren und in die Pluripotenz über. Die einzelnen Zellen können sich im Stadium der Pluripotenz nur mehr zu verschiedenen Zelltypen entwickeln Grad, Roland: Ethik in der medizinischen Forschung rund um den Beginn des menschlichen Lebens, Darmstadt 1999, Ebd., Zoglauer, Thomas: Konstituiertes Leben. Ethische Probleme der Humangenetik, Darmstadt, 2002, Vgl. ebd. 76 Anm. YZ: Als Blastomeren werden jene Zellen nach der Zellteilung bezeichnet, die weitere Zellteilung vollziehen ( Zellstadium). 77 Vgl. Ulfig, Norbert: Kurzlehrbuch Embryologie, Stuttgart, 2009², Vgl. Rager, Günter: Die biologische Entwicklung des Menschen, in: Ders.: Beginn, Personalität und Würde des Menschen, München, 2009,

27 Die Morula erreicht die Uterushöhle etwa am 4. Tag. Einen Tag später ist die Blastozyste 79 ausgereift und der Keim verliert seine Zona pellucida (Schutzhülle um die Eizelle). Die äußerste Hülle (Trophoblast) der inneren Zellmasse (Embryoblast) kann Kontakt zu den Drüsen der Gebärmutterschleimhaut aufnehmen und dringt so weit in das Bindegewebe der Zona compacta des Endometriums ein, bis sich das Epithel über dem Keim schließt. 80 Damit der Embryo überleben kann, muss der Organismus der Frau die natürliche mütterliche Immunabwehr unterdrücken, denn der Embryo wird zuerst einmal als ein Transplantat wahrgenommen. 81 Der neu entstandene Organismus agiert bereits mit der Befruchtung als eine Einheit. Er sendet wichtige Signale an den mütterlichen Organismus. Eines dieser Signale verhindert somit auch, dass der Embryo bei der Einnistung als Fremdkörper abgestoßen wird, so Günter Rager. 82 Etwa eine Woche nach der Befruchtung ist der Embryo vollständig in die Uterusschleimhaut eingenistet und die Nidation somit abgeschlossen. 83 Bei der ethischen Debatte um den Beginn menschlichen Lebens nimmt die Nidation eine besonders brisante Rolle ein. Das zeigt sich schon daran, dass eine Spirale, die die Nidation verhindert, als Verhütungsmittel und nicht als Schwangerschaftsabbruch gilt. Klaus von Stosch weist darauf hin, dass gerade der Status einer befruchteten, noch nicht implantierten Eizelle 84 besonders umstritten ist. Argumentiert wird häufig mit dem Argument, dass bis zur Nidation noch eine Zwillingsbildung möglich ist. Es wirft die Frage auf, ob hier von einem Individuum gesprochen werden darf. Das Identitätsargument (siehe SKIP-Argumente) greift hier nicht. Bei einer solchen Argumentation ist von einem präpersonalen Zustand menschlicher Existenz 85 die Rede. Ob nun ein oder zwei Personen aus der befruchteten Eizelle entstehen, relativiert aber nicht, dass es sich um ein menschliches Wesen handelt. (siehe SKIP-Argumentation). Die Würde des Menschen ist an ein Ich gekoppelt, nicht an gewisse Fähigkeiten. 86 Wenn Rager aufzeigt, dass der Embryo auch vor der Nidation schon mit der Mutter in Kommunikation tritt, wie oben beschrieben, dann möchte er auf den embryo-maternalen Dialog aufmerksam machen. Hier findet auf einer ganz physiologischen Ebene ein erster Dialog und eine Kommunikation im Sinne einer Wechselwirkung zwischen Embryo und Mutter statt. Ohne diese Wechselwirkung wäre eine Implantation unmöglich Anm. YZ: Als Blastozyste bezeichnet man das Zellstadium nach der Morula (16-Zellstadium). 80 Ebd., Vgl. ebd. 82 Vgl. Rager, Günter: Die biologische Entwicklung des Menschen, in: Ders.: Beginn, Personalität und Würde des Menschen, München, 2009, Vgl. ebd., Von Stosch, Klaus: Menschenwürde von Beginn an?, in: Junges Kolleg der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und Künste: Designer-Baby. Diagnostik und Forschung am ungeborenen Leben, Paderborn, 2009, Ebd., Vgl. ebd Beck, Matthias: Mensch-Tier-Wesen. Zur ethischen Problematik von Hybriden, Chimären, Parthenoten, Paderborn u.a., 2009,

28 Die Herzentwicklung Die Herzanlage entsteht am kranialen Ende des Embryos (nahe des Kopfes). Aus Blutzellen und Endothelzellen bildet sich der Herzschlauch. Zum Ende des 1. Monats hat sich der Herzschlauch zur S- förmigen Herzschleife gekrümmt. In der dritten Woche entwickelt sich im Mesoderm ein Gefäßplexus. Dabei verdichten sich Mesodermzellen zu angiogenetischem 88 Material (Angioblasten). [ ] Schon am 22. Tag beginnt das Myokard des Herzschlauches mit rhythmischen Kontraktionen (einer wellenförmig fortschreitenden Wandbewegung). 89 Die Herztätigkeit setzt beim Embryonen bei etwa 2mm Länge und 23 Tagen ein. Die Herzfrequenz beträgt in diesem Stadium 70 Schläge pro Minute. 90 Im weiteren Verlauf wird die Herzschleife durch Septierungsvorgänge in Vorhöfe und Kammern unterteilt. Durch diese Septierungsvorgänge aus dem Herzschlauch entsteht in der Woche das vierkammrige Herz. Man gliedert die Prozesse in: Unterteilung in Vorhof und Kammer, Septierung der Vorhöfe, Septierung von Ventrikel und Septierung der Ausströmungsbahn. 91 Mit 7 Wochen ist somit die maximale Frequenz von Schlägen pro Minute erreicht. 92 Welche Relevanz hat die Ausbildung des Herzens bei der Frage nach dem Beginn menschlichen Lebens? Sitz des Lebens ist laut Judentum das Herz. Das Hirntodkriterium wird von jüdischer Seite nicht akzeptiert. Der Tod wird bestimmt durch den Herztod. Man könnte daher annehmen, dass die Herzentwicklung beim Embryo eine wesentliche Rolle bei der Bestimmung des Beginns menschlichen Lebens spielt. Dem ist aber nicht der Fall. Das Judentum bezieht sich in der Frage nach dem Beginn menschlichen Lebens auf die sogenannte Beseelung Ausbildung des Nervensystems Empfindungsfähigkeit? Empfindungsfähigkeit ist dann gegeben, wenn das Nervensystem ausgebildet ist. Erwähnenswert in diesem Kontext ist, dass die vollständige Entwicklung des Nervensystems selbst mit der Geburt noch nicht abgeschlossen ist. Gehirn und Rückenmark bilden das zentrale Nervensystem (siehe Entwicklung des Gehirns in ). Man bezeichnet die frühen Entwicklungsvorgänge des Nervensystems als Neurulation. 93 Mit der dritten Woche beginnt die Entwicklung des Nervensystems. Die Neuronalplatte 88 Anm. YZ: Bei der Angiogenese kommt es zum Wachstum der Blutgefäße. 89 Ulfig, Norbert: Kurzlehrbuch Embryologie, Stuttgart, 2009², Vgl. O'Rahilly, Roan; Müller, Fabiola: Embryologie und Teratologie des Menschen, Bern, Göttingen, Toronto, Seattle, 1999, Vgl. Ulfig, Norbert: Kurzlehrbuch Embryologie, Stuttgart, 2009², Vgl. O'Rahilly, Roan; Müller, Fabiola: Embryologie und Teratologie des Menschen, Bern, Göttingen, Toronto, Seattle, 1999, Vgl. Zetkin, Schaldach: Neurulation, in: Lexikon der Medizin, Köln, ,

29 bildet sich im kranialen Teil des Embryos, es entsteht in der Mitte eine Neuralrinne, welche von der Neuralfalte begrenzt wird. Das Neuronalrohr bildet sich und die Neuroblasten und Glioblasten können sich entwickeln. Diese sind die Vorläufer späterer Nervenzellen und der Gliazellen. 94 Vor dem 23. Tag ist eine Empfindungsfähigkeit, wie etwa Schmerzempfinden, nicht möglich. Schmerzempfinden könne keinesfalls vor dem Entstehen neuronaler Strukturen auftreten, was man wohl auf den 23. Tag nach der Befruchtung ansetzen kann., so der Jurist Hinner Schütze. 95 Da die Empfindungsfähigkeit an das zentrale Nervensystem, bestehend aus Gehirn und Rückenmark, gekoppelt ist (siehe oben), lässt sich der Zeitpunkt nicht mit Sicherheit bestimmen. (Er könnte auch erst mit der vollständigen Ausbildung des Gehirns gegeben sein). Warum aber sollte dem Embryo ab diesem Zeitpunkt mehr Würde zukommen? Ulrich Gebhard, Corinna Hößle und Friedrich Johannsen führen die Ausbildung des Nervensystems als mögliches ethisches Kriterium bei der Frage nach dem Beginn menschlichen Lebens auf. 96 Ist Schmerzempfinden ein besonderes Kriterium, eine besondere Eigenschaft menschlichen Lebens? Mit derartigen Argumentationen würde Peter Singers Kritik greifen, der zufolge ein Tier nicht schlechter zu behandeln sei als ein Embryo. Das Schwein empfindet genauso Schmerz wie der Embryo, so Singer. (siehe ) Die Entwicklungsstadien des Gehirns Mit der dritten Entwicklungswoche setzt starkes Wachstum des Gehirns beim Embryo ein. Es lässt sich eine Gliederung in Kopf und Rumpf erkennen. In der vierten Woche ist der Embryo 4 mm lang. Gehirnbläschen, die das Gehirn konstituieren, bilden sich. Das Gehirn des Embryos hat sich in der fünften Woche in drei Hauptabschnitte geteilt: Zum einen in das Prosencephalon, auch Vorderhirn genannt, welches sich wiederum in Telencephalon, das Großhirn und Diencephalon, Zwischenhirn gliedert. Dieser Teil des Gehirns ist für die Bildung eines Bewusstseins, sowie kommende Denkprozesse zuständig. Als zweiter Abschnitt kommt das Mesencephalon, auch Mittelhirn genannt. Es gliedert sich in Crura cerebri, die Großhirnschenkel und Pedunculi, die Schicht im Hirnstamm, welche auch als Gehirnstiele bezeichnet wird. Dritter Hauptabschnitt ist das Rhombencephalon, auch Rautenhirn genannt, welches direkt an das Rückenmark grenzt. Das Rhombencephalon besteht aus dem Metencephalon, welches wiederum aus Cerebellum (Kleinhirn) und Pons (Brücke) besteht, sowie aus dem Myelencephalon, welches auch Medulla oblongata oder verlängertes Mark genannt wird. Dieser 94 Vgl. Reuter, Peter: Neuralrohr, in: Springer Lexikon Medizin, Berlin, Heidelberg, New York, 2004, Schütze, Hinner: Embryonale Humanstammzellen. Eine rechtsvergleichende Untersuchung der deutschen, französischen, britischen und US-amerikanischen Rechtslage, Berlin, Heidelberg, 2007, Vgl. Gebhard, Ulrich; Hößle, Corinna; Johannsen, Friedrich (Hrsg.): Eingriff in das vorgeburtliche menschliche Leben. Biologische Grundlagen und ethische Reflexionen, Neukirchen-Vluyn, 2005,

30 dritte Teil ist vor allem für die Bewegungsabläufe zuständig. 97 Eine fast vollständige Ausbildung des Gehirns und Rückenmarks liegt etwa in der 9. Woche nach der Befruchtung (Tag 67) mit der Bildung von Endhirnbläschen, Großhirnhemisphäre, Vierhügelplatte, Kleinhirn, Brücke und verlängertem Mark vor. 98 Gibt es Gründe für die Relevanz der Ausbildung des Gehirns bei der Beantwortung der Frage nach dem Beginn menschlichen Lebens? Einige Philosophen setzen die Ausbildung des menschlichen Gehirns als den Beginn menschlicher Existenz an, so Thomas Zoglauer. Ein Embryo vor dem 57. Tag wäre demnach wie ein Hirntoter zu behandeln. 99 Eine solche Prämisse würde in ethischen Diskussionen um Stammzellenforschung, PID u.ä. andere Fragen stellen, als dies derjenige macht, der die Befruchtung als den Beginn menschlichen Lebens ansieht. Die dahinterstehende Argumentation sei zu überdenken, so Wolfgang Lenzen: Obwohl das momentane Leben des Embryos ebenso wie das eines Hirntoten dem intrinsisch wertlosen Dahinvegitieren einer Pflanze gleicht, so ist doch der Erwartungswert des zukünftigen Lebens des Embryos in der Regel sehr groß, während der Wert des zukünftigen Lebens eines Hirntoten in alle Zukunft hinein gleich Null bleibt. 100 Auf das Für und Wieder des Potentialitätsargumentes wird später noch eingegangen. (siehe ) Fraglich bleibt auch, inwiefern die Eigenschaft zur kognitiven Wahrnehmung wirklich schon mit Tag 67 bestimmt werden kann. In den folgenden Wochen und Monaten bildet sich im Gehirn eine Vielzahl von Nervenzellen durch Zellteilungen. Diese neuronalen Strukturen sind äußerst anfällig für äußere Gegebenheiten, wie beispielsweise Alkoholkonsum, Rauchen, Bestrahlung oder Jodmangel der Mutter, welche sich negativ auf die Leibesfrucht auswirken können. 101 In der Woche nach der Befruchtung ist im Regelfall die Großhirnrinde vollends angelegt. Darin speichert der Fötus 102 Erfahrungen. Erst im 7. Monat ist der Fötus in der Lage, die Stimme seiner Mutter zu erkennen. Das Gehirn wächst bis über das 6. Lebensjahr eines Kindes hinaus. Bei der Geburt des Säuglings beträgt das Gewicht des Gehirns nur ein Viertel gegenüber dem eines Erwachsenen. Das Wachstum geschieht durch die Zunahme an Verbindungen zwischen den Nervenzellen und das Wachstum dieser Zellen selbst. Im Alter von etwa zwei Jahren sind die meisten Nervenfasern von Rückenmark, Nachhirn und 97 Vgl. ebd., Vgl. Lippert, H.; Herbold, D.; Lippert-Burmester, W.: Anatomie. Text und Atlas, München 2010, Zoglauer, Thomas: Konstituiertes Leben. Ethische Probleme der Humangenetik, Darmstadt, 2002, Lenzen, Wolfgang: Liebe, Leben, Tod. Eine moralphilosophische Studie, Stuttgart, Vgl. Meyer-Lindenberg, Andreas; Hasler, Gregor: Entwicklung von Gehirn und Nervensystem, in: Neurologen und Psychiater im Netz. (abgerufen am ). 102 Anm. YZ: Als Fötus bezeichnet man einen Embryo nach Ausbildung der inneren Organe. 29

31 Kleinhirn voll ausgebildet. Sie haben ihre erforderliche Dicke erreicht und ihre Ummantelung ist abgeschlossen Extrauterine Lebensfähigkeit und gefahrloser Schwangerschaftsabbruch Der Begriff Extrauterine Lebensfähigkeit wird allgemein für die vernünftige Möglichkeit des Überlebens eines Kindes außerhalb der Frau verwendet. 104 Auf Grund dessen, dass damit sowohl das Überleben mit künstlicher, als auch ohne künstliche Unterstützung gemeint ist, rückt der Zeitpunkt mit dem Fortschritt der Technik immer weiter nach vorne. Laut O Rahilly lag dieser Zeitpunkt im Jahre 1999 bei 20 Wochen und einem Gewicht von etwa 400g. Da die Lungen in diesem Stadium der Entwicklung des Kindes noch undifferenziert sind, ist ein Überleben in diesem Stadium aber eher selten. 105 Die extrauterine Lebensfähigkeit wird vor allem in den USA als relevanter Zeitpunkt für den Beginn menschlichen Lebens festgesetzt. 106 Die Schwangerschaft ist in drei Trimester unterteilt. Im letzten beginne die Lebensfähigkeit des Embryos, in einer von der Mutter unabhängigen Weise. 107 Für Rainer Beckmann, Jurist und Medizinrechtsexperte, ist die extrauterine Lebensfähigkeit aber kein Wesensmerkmal des Embryos. Vielmehr hängt sie von der technischen Ausstattung des Krankenhauses sowie der Kompetenz des Arztes ab. Der Zeitpunkt der extrauterinen Lebensfähigkeit sagt nichts über die rechtliche Schutzwürdigkeit eines Lebewesens aus. 108 Achim Wüsthof schreibt in einem Artikel am 11. März 2009 in der Zeit : Die Bundesärztekammer plädiert für eine Veränderung jenes Paragrafen 218, der die Abtreibungen regelt, indem die sogenannte extrauterine Lebensfähigkeit des Kindes im Gesetzestext erwähnt wird. Denn dies stünde im Einklang mit einer Auffassung des Bundesgerichtshofs, nach der die Rechtfertigungsgründe für einen Schwangerschaftsabbruch ihrer Gewichtigkeit nach mit dem Gestationsalter wachsen müssen. Das heißt, je reifer das Kind ist, desto strengere Kriterien sollten für die Indikation zum Abbruch gelten. 109 Wenn Ulrich Gebhard, Corinna Hößle und Friedrich Johannsen darauf hinweisen, wie schon oben dargestellt, dass manche Philosophen den Beginn menschlichen Lebens mit dem gefahrlosen 103 Vgl. O'Rahilly, Roan; Müller, Fabiola: Embryologie und Teratolgie des Menschen, Bern, Göttingen, Toronto, Seattle, 1999, Ebd., Ebd., Vgl. Schütze, Hinner: Embryonale Humanstammzellen. Eine rechtsvergleichende Untersuchung der deutschen, französischen, britischen und US-amerikanischen Rechtslage, Berlin, Heidelberg, 2007, Ebd. 108 Vgl. Beckmann, Rainer: Zunehmendes Lebensrecht: Kaum absehbare Auswirkungen, in: Deutsches Ärzteblatt 2001; 98(14): A-902 / B-754 / C Kaum-absehbare-Auswirkungen, (abgerufen am ). 109 Wüsthof, Achim: Besser tot als lebend?, in: Die Zeit. (abgerufen am ). 30

32 Schwangerschaftsabbruch festsetzen 110, müsste zuerst einmal geklärt werden, was dies genau heißt: Eine Gefahr für die Mutter, das Kind, für die Ärzte oder die Gesellschaft? Ein Unterschied im Schwangerschaftsabbruch besteht allerdings bei sogenannten späten Schwangerschaften ab der 22. bis 24. Woche, bei der das ungeborene Kind schon extrauterin überleben könnte. Der Abbruch erfolgt praktisch durch die Einleitung der Geburt. Damit das Kind nicht während der Wehen verstirbt, wird vor Einleitung der Geburt häufig ein Fetozid durchgeführt. Während eine solche Tötung eines extrauterinen lebensfähigen Ungeborenen unter bestimmten Voraussetzungen zulässig ist, ist die Tötung eines Neugeborenen verboten. Dieser Unterschied in der rechtlichen Bewertung ergibt sich aus der Tatsache, dass ungeborenes und geborenes menschliches Leben durch unterschiedliche Gesetze geschützt sind. 111, so Alfred Simon, Leiter der Akademie für Ethik in der Medizin in Göttingen (Deutschland) Der philosophische Diskurs Günter Rager: Der Embryo als Individuum im biologischen Sinn Günter Rager ist promovierter Philosoph und Mediziner. Ziel der Medizinethik ist es, Brückenbegriffe zu schaffen, die einen Diskurs zwischen den Wissenschaften ermöglichen. Personalität des menschlichen Embryos 112 ist ein Begriff der Philosophie. Dieser ist nicht biologisch definierbar, so Rager. Anders verhält es sich mit dem Begriff Individuum, welcher in der Lage ist, die genannte Brücke zu legen. Für Rager ist der Embryo Individuum im biologischen Sinn 113, der Begriff Individuum ein wichtiges Element des Personenbegriffes 114. Anhand von vier Kriterien möchte er dies aufzeigen: Ein Lebewesen ist dann ein Individuum im biologischen Sinn, wenn es wenigstens die folgenden Eigenschaften aufweist: Es bildet erstens eine Einheit in Raum und Zeit. Zweitens organisiert es sich selbst als ein einheitliches System. Drittens bleibt es trotz aller Veränderungen in seinem Erscheinungsbild über die Zeit hinweg mit sich selbst identisch. Dieser Sachverhalt wird als diachrone Identität bezeichnet. Ein menschliches Individuum besitzt ein menschliches Genom entsprechend humanspezifisch. Deshalb ist es viertens dadurch charakterisiert ein menschliches Nervensystem zu 110 Vgl. Gebhard, Ulrich; Hößle, Corinna; Johannsen, Friedrich (Hrsg.): Eingriff in das vorgeburtliche menschliche Leben. Biologische Grundlagen und ethische Reflexionen, Neukirchen-Vluyn, 2005, Simon, Alfred: Später Schwangerschaftsabbruch und passive Sterbehilfe beim Neugeborenen: Moralische Dilemmata zur Lebensfähigkeit, in: Wewetzer, Christa; Thela, Wernstedt (Hrsg.): Spätabbruch der Schwangerschaft. Praktisch, ethische und rechtliche Aspekte eines moralischen Konfliktes, Frankfurt am Main, 2008, Rager, Günter: Teil I. Naturwissenschaftliche und philosophische Perspektive, in: Rager, Günter; Von Brück, Michael (Hrsg.): Grundzüge einer modernen Anthropologie, Göttingen, 2012, Ebd. 114 Ebd. 31

33 entwickeln. Mit diesen Eigenschaften lässt sich der Begriff eines menschlichen Individuums im biologischen Sinne konstituieren Raum und Zeit Ein Organismus ist dann gegeben, wenn er von einer Hülle umgeben wird, die diesen von der Umgebung abgrenzt. Bei der Zygote ist das klar der Fall. Die doppelte Umhüllung durch die Plasmamembran und die Zona pellucida macht das Eindringen weiterer Spermien unmöglich. Weil zusätzlich zur Plasmamembran die Zona pellucida die Zygote 116 umhüllt, können bei der ersten Zellteilung auch keine zwei neuen Individuen entstehen. 117 Durch Zellteilung bilden sich einmal äußere Zellen (Trophoblasten) und innere Zellen (Embryoblasten). Die Zona pellucida löst sich auf und wird durch die Trophoblasten ersetzt. Es entsteht eine neue Schutzhülle. Der Embryo nimmt mit der Befruchtung eine bestimmte Stelle in Raum und Zeit ein. Er grenzt sich ab, steht dennoch im Austausch mit seinem Umfeld Einheitliches, sich selbst organisierendes System Es besteht ein Unterschied zwischen einem ganzheitlichen System und einem Teilsystem. Teilsysteme funktionieren nur dann, wenn der ganze Organismus funktionsfähig ist. Ein autonomes biologisches System besteht dann, wenn es zwar auf den Stoffaustausch mit der Umwelt angewiesen ist, die Umwelt aber keinen direkten Einfluss auf die möglichen Langzeitzustände des Systems hat. Autonomie ist in diesem Sinne eng mit Autopoiesen verbunden. 119 Der Embryo erweist sich mit dem Zeitpunkt der Befruchtung als ein einheitliches, sich selbst organisierendes System. Der embryomaternale Dialog, der Dialog mit dem mütterlichen Organismus beginnt in der Präimplantationszeit Ebd. 116 Anm. YZ: Als Zygote bezeichnet man eine befruchtete Eizelle, sprich einen frühen Embryo. 117 Vgl. Rager, Günter: Teil I. Naturwissenschaftliche und philosophische Perspektive, in: Rager, Günter; Von Brück, Michael (Hrsg.): Grundzüge einer modernen Anthropologie, Göttingen, 2012, Vgl. ebd., Ebd., Vgl. ebd.,

34 Kontinuität und diachrone Identität Der Embryo entwickelt sich ab der Befruchtung kontinuierlich. Darin stimmen Embryologen und Molekularbiologen überein, so Rager. 121 Es lassen sich keine Sprünge oder dergleichen in der Entwicklung des Embryos beobachten. Der Embryo wächst von sich heraus zu einem Säugling heran. Er benötigt lediglich geeignete Umgebungsbedingungen und Nahrung. Da der Embryo aktive Potentialität besitzt, entwickelt er sich als Mensch und nicht zum Menschen Menschliches Nervensystem Der menschliche Embryo mit einem genuin menschlichen Nervensystem ist dazu befähigt ein menschliches Nervensystem hervorzubringen. 122 Dieses Nervensystem ist Voraussetzung für die Interaktion untereinander. Eine alleinige Beschränkung auf dieses würde aber zu kurz führen. Für einen funktionierenden Organismus braucht es das Interagieren von Nervensystem und Körper mit seinen vielfältigen Funktionen Identität von Mensch- und Personsein Einzelne Aspekte des Personenbegriffes in der Philosophiegeschichte Die Frage, wie die Einheit zwischen menschlichen Lebewesen und Personen zu verstehen ist, ist im Wesentlichen die Frage nach der Einheit von Leib und Seele. Sie ist nicht nur eine theoretische, vielmehr ist sie eine praktische, so der deutsche Philosoph Ludger Honnefelder. Es ist die eminent praktische Frage nach dem Status von menschlichen Zygoten, Embryonen und Föten, von geistig Schwerstbehinderten und irreversibel Komatösen. 124 Die Frage nach der Schutzwürdigkeit des Lebens lautet in diesem Kontext immer: Wer ist Person? Ein Blick in die Geschichte soll Grundlagen dafür schaffen, was der Begriff Person meint. Das Wort Person stammt aus dem Lateinischen, gemeint war damit eine Maske, Rolle bei einem Schauspiel. Von der Herkunft des Begriffs ausgehend kann man aus soziologischer Perspektive sagen: Der Mensch als Person tritt in seinem Leben immer in bestimmten Rollen anderen Menschen 121 Vgl. ebd., Ebd. 123 Ebd., Honnefelder, Ludger: Der Begriff der Person in der aktuellen ethischen Debatte, in: Rager, Günter; Holderegger, Adrian (Hrsg.): Bewusstsein und Person. Neurobiologie, Philosophie und Theologie im Gespräch, Freiburg Schweiz, 2000,

35 gegenüber und interagiert mit ihnen. Person wird demnach als eine Beziehung verstanden, die mit einer durchhaltenden Identität verbunden ist. 125 Die klassische Definition des Begriffes Person durch Boethius lautet: Wenn somit Person nur in Substanzen, und zwar im vernunftbegabten ist, wenn jede Substanz Natur ist und nicht in den Universalen, sondern in den Individuen ihren Bestand hat, dann ist die Definition von Person gefunden: einer vernunftbegabten Natur individuelle Substanz (naturae rationabilis individua substantia). 126 Boethius bezieht sich im Wesentlichen auf den Verweischarakter von Person und Natur. Sein Personbegriff inkludiert alle Menschen. Ein Wandel des Begriffes hat in der Neuzeit mit Locke und Kant stattgefunden. Locke stellt die Frage nach der Verantwortung von Taten in den Vordergrund. Hat das Subjekt zum Zeitpunkt der Tat Bewusstsein? Ist es mit diesem identisch? Es hat somit ein Wandel dahingehend stattgefunden, was der Begriff Person eigentlich ausdrücken will. Die Einheit des Bewusstseins ist nicht mehr Merkmal der Person, sondern deren Wesen. 127 So führt Lockes Reduktion der personalen Identität auf die Kontinuität 128 ihn selbst vor Probleme. Person ist ein denkendes, verständiges Wesen, das Vernunft und Überlegung besitzt und sich als sich selbst betrachten kann. Das heißt, es erfasst sich als dasselbe Ding, das zu verschiedenen Zeiten und an verschiedenen Orten denkt. Das geschieht lediglich durch das Bewusstsein, das vom Denken unabtrennbar ist und, wie mir scheint, zu dessen Wesen gehört. [...] Denn da das Bewusstsein das Denken stets begleitet und jeden zu dem macht, was er sein Selbst nennt und wodurch er sich von allen anderen denkenden Wesen unterscheidet, so besteht hierin allein die Identität der Person, d.h. das Sich-Selbst-Gleich-Bleiben eines vernünftigen Wesens. Soweit nun dieses Bewusstsein rückwärts auf vergangene Taten oder Gedanken ausgedehnt werden kann, soweit reicht die Identität dieser Person. Sie ist jetzt dasselbe Selbst wie damals; jene Handlung wurde von demselben Selbst ausgeführt, das jetzt über sie nachdenkt." 129 Dort, wo es um die Rechte in Bezug auf Unmündigkeit und Nichtzurechnungsfähigkeit geht, greift sein Personenbegriff nicht. Er versucht, das Problem dahingehend zu lösen, dass er den Personenbegriff ausklammert und Menschen ohne Bewusstsein als Geschöpfe Gottes legitimiert. Siep kritisiert den 125 Ebd., Boethius, Anicius Manlius Severinus: Contra Eutychen et Nestorium c. III, 1-5. Übersetzung von Langthaler, Rudolf: Textblatt zur Vorlesung Anthropologie an der Universität Wien, (abgerufen am ). 127 Honnefelder, Ludger: Der Begriff der Person in der aktuellen ethischen Debatte, in: Rager, Günter; Holderegger, Adrian (Hrsg.): Bewusstsein und Person. Neurobiologie, Philosophie und Theologie im Gespräch, Freiburg Schweiz, 2000, Ebd. 129 Locke, John: An essay concerning human understanding, Oxford, , XXVII, Übersetzung von Langthaler, Rudolf: Textblatt zur Vorlesung Anthropologie an der Universität Wien, (abgerufen am ). 34

36 Lösungsansatz Lockes, der nichts anderes als eine Notoperation sei. 130 Vielmehr macht Locke immer wieder von den Rechten des Menschen als einer von Gott geschaffenen biologischen Art mit Anlagen zu Verstand und Bewusstsein Gebrauch. Das zeigt sich vor allem bei seiner Behandlung eines Problems, dass noch die gegenwärtige angewandte Ethik beschäftigt: das der Rechte Unmündiger. 131 Für Kant ist das Personsein die Voraussetzung (Vermögen) für menschliches Handeln und nicht Produkt dessen. Person ist dasjenige Subjekt, dessen Handlungen einer Zurechnung fähig sind. Die moralische Persönlichkeit ist also nichts anderes, als die Freiheit eines vernünftigen Wesens unter moralischen Gesetzen [ ], woraus dann folgt, dass eine Person keinen anderen Gesetzen als denen, die sie [ ] sich selbst gibt, unterworfen ist. 132, so Kant. Kant koppelt Persönlichkeit an ein moralisches Vermögen des Menschen. Die Achtung einer Person besteht für ihn aber vom Lebensbeginn an und gründet in der Anlage des Menschen zum Guten. 133 In diesem Zusammenhang weist auch Honnefelder daraufhin, dass Kant selbst von Kindern als Personen spricht, auch wenn diese noch nicht in der Lage sind, vernünftig zu handeln. 134 Die Frage nach dem Personenbegriff im Hinblick auf die vorgestellten Locke und Kant im Kontext der Arbeit müsste also lauten: Gibt es potentielle Personen? Spaemann macht auf das Problem einer solchen Sichtweise aufmerksam. Es gibt keine potentiellen Personen. Personen besitzen Fähigkeiten, Potenzen. Personen können sich entwickeln. Aber es kann sich nicht etwas zur Person entwickeln. Aus etwas wird nicht jemand. Wenn Personalität ein Zustand wäre, könnte sie allmählich entstehen. Wenn aber Person jemand ist, der sich in Zuständen befindet, dann geht sie diesen Zuständen immer schon voraus. 135 Personalität kann nicht das Ergebnis einer Entwicklung 136 sein Der Gedanke der Menschenwürde Der Begriff der Menschenwürde wird häufig lapidar verwendet nicht alle Menschen verstehen darunter das Gleiche. Wenn der Begriff synonym als Ausgangspunkt für resultierende Menschenrechte zu verstehen ist, so kann man sagen, dass die Unantastbarkeit der Menschenwürde weltweite 130 Vgl. Siep, Ludwig: Personbegriff und praktische Philosophie bei Locke, Kant und Hegel, in Ders.: Praktische Philosophie im Deutschen Idealismus, Frankfurt am Main, 1992, Ebd., Kant, Immanuel: Metaphysik der Sitten, Werkausgabe VIII (Hrsg. Weischedel, Wilhelm), Frankfurt, 1968, Einleitung III, Vgl. ebd., Vgl. Honnefelder, Ludger: Der Begriff der Person in der aktuellen ethischen Debatte, in: Rager, Günter; Holderegger, Adrian (Hrsg.): Bewusstsein und Person. Neurobiologie, Philosophie und Theologie im Gespräch, Freiburg Schweiz, 2000, Spaemann, Robert: Personen. Versuche über den Unterschied zwischen etwas und jemand, Stuttgart, 1996, Ebd. 35

37 Zustimmung gefunden hat. 137 Weiterhin führt Honnefelder fort: Bezeichnenderweise ist diese Grunderfahrung mit der Selbstbeschreibung als Mensch verbunden, nicht mit der als Person oder Bürger. Denn es kennzeichnet den Menschen, als Lebewesen von physischen Bedingungen abhängig zu sein und sich zugleich zu ihnen verhalten zu können, das heißt Lebewesen und Subjekt zugleich zu sein. Und es ist das Menschsein auf das sich die Erfahrung einer fundamentalen Gleichheit bezieht. 138 Um die Problematik zu vermeiden, was eine Person ist, wird explizit von Menschenwürde und nicht von Personwürde gesprochen. Der Gedanke der Menschenwürde lässt sich folgendermaßen skizzieren: Der Mensch hat aufgrund seiner Menschheit selbst Würde. Eine Instrumentalisierung des Menschen verbietet sich somit. Ein jeder Mensch hat rechtmäßigen Anspruch auf Achtung von seinen Nebenmenschen, und wechselseitig ist er dazu auch gegen jeden anderen verbunden. Die Menschheit selbst ist eine Würde; denn der Mensch kann von keinem Menschen (weder von anderen noch so gar von sich selbst) bloß als Mittel, sondern muss jederzeit zugleich als Zweck gebraucht werden und darin besteht eben seine Würde (Persönlichkeit), dadurch er sich über alle anderen Weltwesen, die nicht Menschen sind, und doch gebraucht werden können, mithin über alle Sachen erhebt. 139 Der Gedanke der Menschenwürde, basierend auf der Idee der Gottebenbildlichkeit, findet sich in allen drei monotheistischen Religionen wider. 140 Der Mensch hat eine Verantwortung vor Gott, der er gerecht werden muss Auch wenn es einen kognitiven Kern des Gedankens gibt, führen die Religionen unterschiedliche tiefer motivierende Begründungen für die Menschenwürde an, so Honnefelder. 142 Zwei Momente, die bei Kant entscheidend sind, werden Grundlage für den neuzeitlich-modernen Gedanken der Menschenrechte, auch Menschenwürde genannt, das heißt die Unantastbarkeit der Würde für alle Individuen der Gattung. 143 Die Zugehörigkeit erfolgt nicht nur durch die biologische 137 Honnefelder, Ludger: Menschenwürde und Transzendenzbezug, in: Deutsche Zeitschrift für Philosophie, 2009, Vol.57(2), Ebd., Kant, Immanuel: Metaphysik der Sitten, Werkausgabe VIII (Hrsg. Weischedel, Wilhelm), Frankfurt, 1968, 37-41, Anm. YZ: In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass der Begriff der Gottebenbildlichkeit im Judentum und Christentum explizit genannt wird, im Islam jedoch nur implizit von ihm die Rede ist. Ausführungen zur Gottebenbildlichkeit und Menschenwürde im Islam finden sich bei: Heper, Altan: Menschenwürde, Islam und bioethische Fragen, in: Joerden, Jan C.; Hilgendorf, Eric; Thiele, Felix (Hrsg.): Menschenwürde und Medizin. Ein interdisziplinäres Handbuch, Berlin, 2013, Vgl. Von Stosch, Klaus: Menschenwürde von Beginn an?, in: Junges Kolleg der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und Künste: Designer-Baby. Diagnostik und Forschung am ungeborenen Leben, Paderborn, 2009, Vgl. Honnefelder, Ludger: Der Begriff der Person in der aktuellen ethischen Debatte, in: Rager, Günter; Holderegger (Hrsg.): Bewusstsein und Person. Neurobiologie, Philosophie und Theologie im Gespräch, Freiburg Schweiz, 2000, Ebd.,

38 Gattung homo sapiens. Zum Menschsein gehört auch, dass dieser sittliches Subjekt ist. 144 Der Gedanke der Menschenwürde hat durch die Philosophie weltweite Anerkennung gefunden und sich somit jenseits religiöser Vorstellungen etabliert. Dabei ist auf den historischen Hintergrund zu verweisen. Erst im Zuge der Geschehnisse des 2. Weltkrieges fand der Gedanke Eingang in die Gesetzgebungen. 145 Bei den Verhandlungen der Nürnberger Prozesse wurde erstmals vom Strafbestand Verbrechen gegen die Menschlichkeit gesprochen. 146 Der philosophische Würdebegriff sei in seiner Argumentation unabhängig von politischen, kulturellen oder religiösen Ansichten und somit jedem Menschen einsichtig. Seit 1950 sind die Menschenrechte durch die Europäische Menschenrechtskonvention in Europa auch gesetzlich verankert. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte sorgt für die Einhaltung der Konvention. Im Kontext der hier vorliegenden Arbeit stellen sich folgende Fragen: Besitzt der Embryo schon diese uneingeschränkte Menschenwürde? Wenn Biologen feststellen, dass menschliches Leben mit der Befruchtung beginnt und hier von einer Menschenwürde die Rede ist und nicht von einer Personwürde, dann müsste der Embryo doch geschützt werden oder etwa nicht? Wie wird die Menschenwürde religiös begründet und gilt diese uneingeschränkt? Macht es Sinn, zwischen Menschen- und Personwürde zu differenzieren? Peter Singer versucht anhand seiner präferenzutilitaristischen Deutung des Personenbegriffes deutlich zu machen, dass nicht der Mensch an sich, sondern eine Person, die er durch gewisse Eigenschaften charakterisiert, erst Würde habe, die es zu schützen gilt. Die Konsequenzen einer falschen Interpretation des Begriffes Person und des Auseinanderdriftens der Begriffe Mensch und Person für die ethische Diskussion zu Beginn menschlichen Lebens zeigen sich Peter Singer: Präferenzutilitaristische Deutung des Personenbegriffes Ein Gegenentwurf zum Gedanken der universellen Menschenwürde wird etwa von Peter Singer u.a. durch die präferenzutilitaristische Deutung des Personenbegriffes vertreten. Der Gedanke Singers lässt sich folgendermaßen skizzieren: Es gibt auf diesem Planeten noch andere Personen als Menschen. Dies trifft beispielsweise auf Menschenaffen zu. Aber auch bei Walen, 144 Vgl. Kant, Immanuel: Metaphysik der Sitten. Werkausgabe VIII (Hrsg. Weischedel, Wilhelm), Frankfurt, Vgl. Lohmann, Georg: Menschenwürde als >>soziale Imagination<<. Über den geschichtlichen Sinn der Deklaration der Menschenrechte und Menschenwürde nach 1945, in: Knoepffler, Nikolaus; Kunzmann, Peter; O Malley, Martin (Hrsg.): Facetten der Menschenwürde, Freiburg im Breisgau, 2011, Vgl. Lohmann, Georg: Die rechtsverbürgende Kraft der Menschenrechte. Zum menschenrechtlichen Würdeverständnis nach 1945, in: Debus, Tessa (Hrsg.): Zeitschrift für Menschenrechte: Philosophie der Menschenwürde, Nürnberg, 1/2010,

39 Delphinen, Elefanten und Affen denkt Peter Singer darüber nach, ob sie Personen sind. 147 Personen sind für ihn Lebewesen, die Emotionen zeigen können, eine Zukunft vorausplanen und eine gewisse Vorstellung von sich selbst haben. Dies treffe auf Menschen und die angeführten Tiere zu. Demnach müssen Tiere mit diesen Fähigkeiten gleiche Rechte wie Menschen zukommen. Aber warum nimmt der Mensch sich eine gesonderte Position heraus? Der Ausdruck Person hat nicht bloß beschreibenden Charakter, sondern führt einen bestimmten moralischen Status mit sich. 148 Entscheidend ist dabei, dass Singer Unterschiede zwischen den genannten Tieren und Menschen herausarbeitet, die auf Eigenschaften/Fähigkeiten basieren. Die Wissenschaft hat uns geholfen, unsere Entwicklungsgeschichte, unsere eigene Beschaffenheit und auch die anderen Lebewesen zu verstehen. Befreit von den Beschränkungen davon, wer wir sind, mit wem wir verwandt sind, wie gering die Unterschiede zwischen uns und anderen Arten sind und von der mehr der weniger zufälligen Entstehungsweise der Grenze zwischen uns und ihnen. Die Annahme dieser neuen Einsicht wird die Art, wie wir ethische Entscheidungen über Wesen treffen, die zwar leben und zu unserer Spezies gehören, denen aber die Fähigkeiten fehlen, die manche Mitglieder anderer Spezies besitzen, für immer verändern. 149 Ein anenzephales Kind kann somit nicht mehr Rechte besitzen als ein gesunder Pavian. Die Fähigkeiten des anenzephalen Kindes übersteigen nicht die des Pavians, so Singer. Nach Singer wird es in Zukunft schwierig werden, Lebensrechte für einen Menschen zu vertreten, der in seinen Fähigkeiten einem Tier unterlegen ist. 150 Entscheidend ist für ihn das Kriterium Selbstbewusstsein, welches auch auf einige Säugetiere zutreffen könnte, wodurch diese damit Personencharakter besitzen würden. 151 Ein Fötus, ob gesund oder krank, hat noch kein Selbstbewusstsein. In der Konsequenz ist das Leben eines Ungeborenen und jenes von Kindern weniger wert als das eines Erwachsenen. 152 Wenn Peter Singers Behauptung zuträfe, müsste ein Blick in die Entwicklungspsychologie des Menschen geworfen werden. Denn ab welchem Zeitpunkt besitzt der Mensch Selbstbewusstsein? Lässt sich dies überhaupt zeitlich bestimmen? Der Zeitpunkt ist dann gegeben, wenn die Vorstellungen und Intentionen eines Menschen über die unmittelbare Gegenwart hinausreichen, so Zoglauer. 153 Rationalität gilt laut Singer als zweiter Indikator für die Feststellung der Personalität eines Menschen. Ein Mensch ohne diese könne zwar zur Spezies Mensch gehören, verfüge aber nicht über typisch 147 Vgl. Singer, Peter: Leben und Tod. Der Zusammenbruch der traditionellen Ethik. Übersetzt von Hermann Vetter und Claudia Schorcht, Erlangen, 1998, Singer, Peter: Leben und Tod. Der Zusammenbruch der traditionellen Ethik. Übersetzt von Hermann Vetter und Claudia Schorcht, Erlangen, 1998, Ebd., Vgl. ebd. 151 Vgl. Zoglauer, Thomas: Konstruiertes Leben. Ethische Probleme der Humangenetik, Darmstadt, 2002, Vgl. ebd., Ebd.,

40 menschliche Eigenschaften. 154 Selbstbewusstsein und Rationalität erlernt der Mensch im Laufe seiner Entwicklung. Selbstbewusstsein ist dabei die Voraussetzung für Rationalität. Eine Trennung der beiden Begriffe ist im Hinblick auf die Entwicklungspsychologie somit nicht sinnvoll Entwicklungsstadien des Menschen: James Mark Baldwin und Jean Piaget James Mark Baldwin und Jean Piaget gelten als die Begründer der menschlichen Entwicklungspsychologie. Beispielhaft soll ein Eindruck gewonnen werden, inwieweit der Zeitpunkt, ab dem der Mensch Selbstbewusstsein besitzt, in seiner Entwicklung bestimmt werden kann. Anhand von Case 155 und Charlton 156 werden die beiden Ansätze von Baldwin 157 und Piaget 158 kurz vorgestellt. James Mark Baldwin, US-amerikanischer Philosoph und Psychologe, gilt als Neo-Darwinist. Seiner Annahme nach ähnelt die geistige Funktion von Kindern bei der Geburt der von wirbellosen Tieren. Zunächst übernimmt die kindliche Funktionsweise die Eigenschaften niederer Wirbeltiere, und dies in der Zeit von etwa 4-8 Monaten, dann die höherer Tiere im Zeitraum von etwa 8-12 Monaten und schließlich die menschlicher Lebewesen im Alter von zwei Jahren und älter. 159 Baldwin unterscheidet beim Menschen zwischen Gewohnheitsbildung und Akkomodation, so Case. Akkomodation geschieht dort, wo alte Gewohnheiten im laufenden Prozess aufgebrochen werden. Dies führt zu einem höheren Niveau der Anpassung. Nach Baldwin sind die Menschen die weltoffenste und anpassungsfähigste Spezies, weil ihr Gehirn den höchsten Grad an kortikaler Koordination erreicht hat und weil sie in der Lage sind - über Aufmerksamkeit - die komplexesten Akkomodationen zu bewirken. Das menschliche Kind ist zu solchen komplexen Akkomodationen nicht fähig, weil sein Gehirn diesen Grad kortikaler Koordination noch nicht erreicht hat. 160 Baldwin beschreibt die drei Stufen geistiger Entwicklung wie folgt. Die erste Stufe sei die sensomotorische Suggestion, welche bis zum vierten Monat andauert. Baldwin glaubte, dass sich Kinder nicht vor dem Alter von 4 Monaten mit echter Imitation beschäftigen. 161 In der zweiten Stufe, der ideomotorischen Suggestion (4.-8. Monat), erscheint die 154 Lohner, Alexander: Kein Lebensrecht für ungeborene Kinder, in: Boloz, Wojciech; Höver, Gerhard (Hrsg.): Symposium. Anstöße zur interdisziplinären Verständigung. Band 2. Utilitarismus in der Bioethik. Seine Voraussetzungen und Folgen am Beispiel der Anschauungen von Peter Singer, Münster, 2002, Vgl. Case, Robbie: Die geistige Entwicklung des Menschen, Heidelberg, Vgl. Charlton, Michael; Käppler, Christoph; Wetzel, Helmut (Hrsg.): Einführung in die Entwicklungspsychologie, Weinheim, Basel, Berlin, Vgl. Baldwin, James Mark: Mental development in the child and the race: Methods and processes, New York, 1895, in: Die Entwicklung des Geistes beim Kinde und bei der Rasse. Methoden und Verfahren, Berlin, Vgl. Piaget, Jean; Inhelder, Bärbel: Die Psychologie des Kindes. Aus dem Französischen von Lorenz Häfliger, München, Vgl. Case, Robbie: Die geistige Entwicklung des Menschen, Heidelberg, 1985., Ebd., Case, Robbie: Die geistige Entwicklung des Menschen, Heidelberg, 1985,

41 Funktion des Gedächtnisses. Das Kind sei in der Lage, eine Kopie interessanter Muster oder Reaktionen im unmittelbaren Gedächtnis zu behalten. Baldwin glaubte, [ ] obwohl Kinder in der Lage sind, eine Kopie von einigen früheren Stimulationen zu behalten, können sie von derartigen Kopien nur eine behalten. Infolgedessen bleiben ihre Fähigkeiten ziemlich beschränkt., so Case. 162 In der dritten Stufe, der polyidealistischen Suggestion, ab dem 8. Monat, wird das Kind zur echten Willensbildung fähig. Für Baldwin heißt dies, dass das Kind sich ein Ziel vorstellen kann, in der Lage ist zu bemerken, wie weit es auf dieses Ziel zu geschritten ist und weiterhin den gegenwärtigen Standpunkt mit dem ursprünglichen Ziel zu vergleichen vermag. Ist dieser Entwicklungsschritt ein Kriterium für Personsein? Jean Piaget, ein Genfer Kinderpsychologe, vertrat die These, dass sich das Denken des Kindes ursprünglich aus dem Handeln entwickelt hat. Cases Beobachtungen zufolge sah Piaget das Kind als einen jungen Wissenschaftler, der immer anspruchsvollere Theorien durch Anwendungen logischmathematischer Werkzeuge steigender Effektivität konstruierte. 163 Piaget unterscheidet in vier Phasen der kognitiven Entwicklung. 164 In der ersten Stufe, der sensomotorischen Phase (von der Geburt bis 1 ½ Jahre) erkennt das Kind Dinge, die auch vorhanden sein können, wenn sie nicht sichtbar sind. Die zweite Stufe stellt die des präoperativen Denkens dar (1 ½ -7 Jahre) dar. Die Fertigkeit im Gebrauch von Symbolen, die sich in zeitverzögerter Nachahmung äußert, sowie die Sprachentwicklung und die Entwicklung zum Zeichnen markieren für Piaget wesentliche Entwicklungsschritte, so Charlton. 165 Im Alter von 7 bis 11 Jahren durchlaufen die Kinder die Phase der konkreten Operation. Das Kind ist in der Lage, verinnerlichte Handlungen durchzuspielen, um daraus Schlüsse für nachfolgende Handlungen zu ziehen. Piaget bezeichnet das Denken der Kinder in dieser Phase als zweidimensionales. Die vierte Phase, ab dem 11./ 12. Lebensjahr, ist die der formalen Operation. Das Kind lernt logische Prinzipien auch auf abstrakte Problemformulierungen anzuwenden. Mit dem Erreichen der formaloperatorischen Stufe ist die kognitive Entwicklung nach Piagets Vorstellungen so weit abgeschlossen, dass keine Veränderungen der kognitiven Struktur mehr zu erwarten sind (d.h. der Wege, die das Denken nimmt), sondern nur noch eine Zunahme des Wissens (d.h. der Menge des Gewussten). 166 Wäre demnach der Mensch also ab dem 11./12. Lebensjahr Person? Es wird deutlich, dass die Entwicklungspsychologie, beispielhaft dargestellt mit den vorgestellten Theorien Baldwins und Piaget, keine definitiven Aussagen darüber tätigen kann, ab wann der Mensch Selbstbewusstsein hat. Sie stellt lediglich Tendenzen in der Entwicklung eines Menschen dar, die einer 162 Ebd. 163 Vgl. ebd., Vgl. Piaget, Jean; Inhelder, Bärbel: Die Psychologie des Kindes. Aus dem Französischen von Lorenz Häfliger, München, , Vgl. Charlton, Michael; Käppler, Christoph; Wetzel, Helmut (Hrsg.): Einführung in die Entwicklungspsychologie, Weinheim, Basel, Berlin, 2003, Ebd.,

42 empirischen Mehrheit entsprechen. Weiterhin lässt sich feststellen, dass sich in der Psychologie kein einheitliches Personenkriterium vorfinden lässt. Die unterschiedlichen Ansichten über die Entwicklung zeigen sich schon im Vergleich auf die oben vorgestellten Baldwin und Piaget Conclusio: Kritik an Singers Personenbegriff im Hinblick auf den moralischen Status des Embryos Ausgehend vom Personenbegriff der Philosophiegeschichte, dem Menschenwürde- und Menschenrechtsgedanken und einem Blick in die Entwicklungspsychologie lässt sich Folgendes feststellen: Singers Darstellung des Personbegriffes unterscheidet sich fundamental von dem, was in der Philosophiegeschichte über die Person gedacht worden ist (siehe ). Spaemann hat deutlich aufgezeigt, dass die Idee einer potentiellen Person nicht sinnvoll ist. Von potentiellen Personen zu sprechen, ist auch deshalb sinnlos, weil der Begriff der Potentialität überhaupt nur unter der Voraussetzung von Personalität entstehen kann. 167 Zweitens wendet sich Singer, zumindest teilweise, gegen den Gedanken der Menschenwürde, der über religiöse Anschauungen hinaus weltweite Anerkennung gefunden hat. Ein Säugling besitzt Würde, auch wenn er noch kein Selbstbewusstsein gebildet hat. Die Frage, die sich in diesem Zusammenhang zentral stellt, ist, ob dem Embryo auch schon diese uneingeschränkte Schutzwürdigkeit auf Grund der Menschenwürde zukommt. Ist es sinnvoll Menschenwürde an Eigenschaften zu koppeln? Wird die Idee der Menschenwürde zukünftig zu einer Idee der Personwürde, wobei hier vom Personbegriff Singers die Rede ist und nicht vom ursprünglichen? Drittens birgt Singers Personenbegriff praktische Probleme. Ab welchem Stadium ist der Mensch Person und wann verliert er diese Position wieder? Wie lässt sich dies feststellen? Die Entwicklungspsychologie ist nicht in der Lage, einen solchen Zeitpunkt klar zu bestimmen. Singers Definition zufolge hat sowohl der Embryo als auch das neugeborene Kind kein prinzipielles und unanfechtbares Recht auf Leben [ ] Das einzige Argument, das nach Singer gegen die Tötung vorpersonaler Menschen spricht, ist, dass sie als Kreaturen Schmerz empfinden, so Alexander Lohner. 168 Die Tötung eines Embryos, der noch kein Schmerzempfinden hat (siehe ), ist somit ethisch unproblematisch. 169 Zwischen Schwangerschaftsabbruch im Frühstadium, in dem der Fötus höchstwahrscheinlich noch nicht empfindungsfähig ist, und der Empfängnisverhütung [gibt es] keinen in der Sache selbst liegenden moralischen Unterschied. [ ] Freilich verlangt ein späterer 167 Spaemann, Robert: Personen. Versuche über den Unterschied zwischen etwas und jemand, Stuttgart, 1996, Lohner, Alexander: Kein Lebensrecht für ungeborene Kinder, in: Boloz, Wojciech; Höver, Gerhard (Hrsg.): Symposium. Anstöße zur interdisziplinären Verständigung. Band 2. Utilitarismus in der Bioethik. Seine Voraussetzungen und Folgen am Beispiel der Anschauungen von Peter Singer, Münster, 2002, Vgl. ebd.,

43 Schwangerschaftsabbruch, der dem Fötus Leid zufügen könnte, eine stärkere Begründung als die Empfängnisverhütung. 170 Diese These Singers wird häufig als Argument pro Abtreibung des Embryos vor dem Stadium der Empfindungsfähigkeit, insbesondere von behinderten Föten und für die Einführung der Präimplantationsdiagnostik, verwendet. Bei der Frage nach der Bewertung der PID spielt das zitierte Argument Singers eine zentrale Rolle. Singer wendet sich aus den genannten Gründen (siehe ) klar gegen das Speziesargument 171 (siehe ). Die SKIP-Argumentation (Spezies-, Kontinuums-, Identitäts- und Potentialitätsargument) versucht den moralischen Status menschlicher Embryonen zu stärken Argumente für einen starken moralischen Status des Embryos in der Diskussion (PRO ARGUMENTE) Wenn es darum geht, den moralischen Status von Embryonen zu stärken, dann würden vornehmlich die SKIP-Argumente im Vordergrund stehen, so Gregor Damschen und Dieter Schönecker. Die Argumente, die im Vordergrund stehen, sind die folgenden: Das Speziesargument, das Kontinuitätsargument, das Identitätsargument und das Potentialitätsargument. Es sind all dies Argumente, die jeweils für sich oder auch in Verknüpfung begründen sollen, dass Embryonen jedenfalls mehr sind als bloße Zellhaufen. 172 Im Weiteren sollen die einzelnen SKIP-Argumente und eine mögliche Kritik an ihnen vorgestellt werden Das Speziesargument Das Speziesargument setzt sich wie folgt zusammen: (1) Jedes Mitglied der Spezies Mensch hat Würde. (2) Jeder menschliche Embryo ist Mitglied der Spezies Mensch. Also: (3) Jeder menschliche Embryo hat Würde. 173 Für die Vertreter des S-Argumentes ist Menschsein nicht an aktuale Eigenschaften gekoppelt. Doch warum folge/folgt aus einer biologischen Eigenschaft irgendetwas Normatives? So fragen Damschen und Schönecker Singer, Peter: Praktische Ethik, Stuttgart, 1994², Vgl. Schlegel, Alexander: Die Identität der Person. Eine Auseinandersetzung mit Peter Singer. Studien zur theologischen Ethik, in: Holderegger, Adrian: Departement für Moraltheologie und Ethik, Freiburg Schweiz, 2007, Damschen, Gregor; Schönecker, Dieter: Der moralische Status menschlicher Embryonen. Pro und contra Spezies-, Kontinuitäts-, Identitäts- und Potentialitätsargument, Berlin, 2002, Ebd., Vgl. ebd. 42

44 Eberhard Schockenhoff führt folgende Überlegungen an: Kommen die Rechte des Menschen jedem menschlichem Individuum zu? Sind alle Menschen Personen? Darf die Anerkennung der Menschenwürde von Voraussetzungen abhängig gemacht werden, die über die gemeinsame Zugehörigkeit zur Menschheit hinausgehen? 175 Vor wenigen Jahrzehnten hätte niemand diese Frage gestellt, es wäre selbstverständlich gewesen, dass diese zusammengehören, so Schockenhoff. Die Kontinuität des Bewusstseins und die Einheit des Gedächtnisses treten erstmals bei John Locke auf. Damit würde Personsein auf die aktuelle erlebte und bewusst vollzogene Einheit des Selbstbewusstseins reduziert. 176 Die Eingangsfrage wurde demnach von der moralphilosophischen Tradition in dem Sinne beantwortet, dass alle Menschen Personen sind. [ ] Dieser praktische Grundkonsens der europäischen Ethik schloss die Konsequenz ein, dass alle Menschen also auch Kinder, geistig Behinderte und altersschwache Menschen als Personen über jene unbedingte Schutzwürdigkeit verfügen, die im Gedanken der Menschenwürde ausgesprochen ist. 177 Selbst Locke ist zu diesem Ergebnis gekommen. Neu ist, dass nun in bioethischen Argumentationen die Begriffe Personsein und Menschsein auf ihre Deckungsgleichheit diskutiert werden. Hauptvertreter dieser Theorie sind der im letzten Kapitel schon vorgestellte Peter Singer sowie Norbert Hoerster und Reinhard Merkel. Da hier vornehmlich aus Interessensgründen argumentiert wird, nennt Schockenhoff es das empirische Personkriterium des Präferenzutilitarismus. 178 (vgl ) Vertreter des Präferenzutilitarismus werfen dem Speziesargument vor, diskriminierend gegenüber nichtmenschlichen Lebewesen zu sein. Eine solche Theorie gleicht dem Rassismus, so Singer u.a. Diese Position steht in bloßer biologischer Tradition von Sexismus und Rassismus, wo ebenfalls, von bloßen biologischen Fakten ausgehend, i.e. Geschlechts- oder Rassenzugehörigkeit, Vorzüge und Rechte für eine bestimmte Rasse oder Geschlecht abgeleitet werden. 179 Der Vergleich mit dem Speziesargument hinkt, so Schockenhoff. Rasse und Geschlecht sind innerartliche Differenzierungen und keine spezifischen Unterschiede 180 Wenn die Katholische Theologie mit dem Speziesargument auf die Würde des Embryos verweist, dann ist dies hauptsächlich darin begründet, dass auch der Embryo schon eine Seele besitzt. Wenn ein Leben beseelt ist, dann ist es Bild Gottes. Menschliches Leben ist ein Abbild Gottes und durch diesen 175 Schockenhoff, Eberhard: Pro Speziesargument. Zum moralischen und ontologischen Status des Embryos, in: Damschen, Gregor; Schönecker, Dieter (Hrsg.): Der moralische Status menschlicher Embryonen. Pro und contra Spezies-, Kontinuitäts-, Identitäts- und Potentialitätsargument, Berlin, 2002, Ebd., Ebd., Ebd. 179 Schlegel, Alexander: Die Identität der Person. Eine Auseinandersetzung mit Peter Singer. Studien zur theologischen Ethik., in: Holderegger, Adrian (Hrsg.): Departement für Moraltheologie und Ethik, Freiburg Schweiz, 2007, Schockenhoff, Eberhard: Pro Speziesargument. Zum moralischen und ontologischen Status des Embryos, in: Damschen, Gregor; Schönecker, Dieter (Hrsg.): Der moralische Status menschlicher Embryonen. Pro und contra Spezies-, Kontinuitäts-, Identitäts- und Potentialitätsargument, Berlin, 2002,

45 Verweischarakter erlangt es Würde und Grundrechte. 181 Da diese Argumentation religiösen Charakters ist und somit nicht allgemein gültig sein kann, stellt sich die Frage, welche anderen Argumente für das Speziesargument sprechen? Robert Spaemann stellt, so Knoepffer, folgende These auf: Es kann keinen Übergang von etwas zu jemand geben. In sechs Punkten versucht er dies zu begründen Menschen sind nicht austauschbar, wie es Sachen sind. 2. Es gibt keine potentiellen Personen. [ ] Aus etwas wird nicht jemand Die Person beginnt nicht später als der Mensch zu existieren, und hört nicht früher auf Der Mensch sagt, dass er zu diesem und jenem Zeitpunkt gezeugt wurde. Dabei ist der Bezug auf das Ichbewusstsein bei der Zygote 185 irrelevant. 5. Demnach müssen menschliche Zygoten bereits Personen 186 sein. 6. Personenrechte sind Menschenrechte 187 Nach Spaemann s Argumentation ist eine Differenzierung zwischen Person und Mensch illegitim. Eine Person kann zu keinem Zeitpunkt niemand oder etwas sein, sondern ist immer ein jemand. 188 Daher kommt der Zygote, die ebenfalls zur Gattung des homo sapiens gehört, das Menschenrecht zu Das Kontinuitätsargument Das Kontinuitätsargument verweist darauf, dass es willkürlich wäre, Einschnitte bei der Entwicklung eines Menschen zu setzen, die unterschiedliche Rechte zur Folge hätten. Die Argumentation lautet wie folgt: Jedes menschliche Wesen, das aktual ist, hat Würde. Jeder menschliche Embryo wird sich, unter normalen Bedingungen, kontinuierlich (ohne moralrelevante Einschnitte) zu einem menschlichen Wesen entwickeln, das aktual ist. Jeder menschliche Embryo hat Würde. 189 Der menschliche 181 Vgl. Knoepffler, Nikolaus: Der Beginn der menschlichen Person du bioethische Konfliktfälle. Anfragen an das Lehramt, Freiburg im Breisgau, 2012, Vgl. ebd., Vgl. auch im Original: Spaemann, Robert: Personen. Versuche über den Unterschied zwischen etwas und jemand, Stuttgart, 1996, Ebd. 184 Vgl. ebd., Ebd. 186 Ebd. 187 Ebd. 188 Vgl. Spaemann, Robert: Personen. Versuche über den Unterschied zwischen etwas und jemand, Stuttgart, 1996, Damschen, Gregor; Schönecker, Dieter (Hrsg.): Der moralische Status menschlicher Embryonen. Pro und contra Spezies-, Kontinuitäts-, Identitäts- und Potentialitätsargument, Berlin, 2002, 3. 44

46 Entwicklungsprozess ist somit ein kontinuierlicher Vorgang, bei dem es zu keinerlei entscheidenden Zäsuren kommt, so Müller-Terpitz. 190 Der Prozess verläuft kontinuierlich. Nach katholischer Tradition, argumentiert man für einen solchen biologisch-kontinuierlichen Prozesses des Embryos, da dieser beseelt ist. In Dignitas Personae Nr. 5 heißt es: Während seines ganzen Lebens, vor und nach seiner Geburt, kann nämlich in der Beschaffenheit des Menschen weder eine Änderung des Wesens noch eine Gradualität des moralischen Wertes behauptet werden. 191 Der kontinuierliche Prozess beginnt nach dem Sexualakt, vorausgesetzt, dass nicht verhütet wird. 192 Eine solche Sichtweise, so stellt Knoepffler fest, bürge Probleme, denn in diesem Falle müsste man dem Samen oder einer Eizelle an sich auch schon Leben zusprechen. (Diese Argumentation findet sich in der jüdischen Argumentation wieder, siehe ) Wie weit also zurückgehen? Ab welchem Zeitpunkt findet Kontinuität statt? Schockenhoff betone, dass es einen Zeitraum zwischen unserer jetzigen Existenz, zurück zum Embryo geben muss, so Knoepffler. 193 Seine Argumente baut er auf fünf aufeinanderfolgende Annahmen auf: 1. Mir kommt die Würde einer Person zu. 2. Zwischen mir heute und mir als einer menschlichen Zygote und einem geborenen Menschen gibt es einen kontinuierlichen zeitlichen Zusammenhang. 1. Ich kann nur deshalb ein eigenverantwortliches sebstbestimmtes Leben führen, weil ich bereits zu einem Zeitpunkt, an dem meine Weiterexistenz biologisch ungesichert war, in meinem selbstzwecklichen Dasein geachtet wurde. 2. Also kam mir bereits als menschlicher Zygote die Würde einer Person zu. 3. Also kommt allen menschlichen Zygoten bereits die Würde einer Person zu. 194 Problematisch ist hier der Übergang von der zweiten zur dritten Annahme. Denn warum kann ich ab der Zeitraum der Befruchtung ein eigenverantwortliches Leben führen? Meine Existenz verdanke ich nicht dem Fakt, dass ich nicht vernichtet wurde, sondern, dass ich überhaupt gezeugt wurde. Dieses Argument kann somit nicht die beste Grundlage zur Stärkung der Würde des Embryos in diesem frühen Stadium sein. 190 Vgl. Müller-Terpitz, Ralf: Der Schutz des pränatalen Lebens. Eine verfassungs- völker- und gemeinschaftsrechtliche Statusbetrachtung an der Schwelle zum biomedizinischen Zeitalter, Tübingen, 2007, Kongregation für die Glaubenslehre: Konstitution Dignitas Personae. Über einige Fragen der Bioethik, Nr. 5. Rom, (abgerufen am ). 192 Vgl. Knoepffler, Nikolaus: Der Beginn der menschlichen Person du bioethische Konfliktfälle. Anfragen an das Lehramt, Freiburg im Breisgau, 2012, Vgl. ebd., Ebd.,

47 Honnefelder stellt sich zu Beginn seiner Ausführungen zunächst einmal die Frage, warum der moralische Status eines geborenen Menschen auf den eines ungeborenen auf Grund einer Kontinuität übertragen werden soll. Welches Gut hat der menschliche Embryo? Gut ist dahingehend zu verstehen, dass mit der Bezeichnung schon ein Werturteil erfolgt. Der Mensch stellt im Sinne der Menschenrechte ein Gut für uns dar. Den Menschen als ein Gut zu betrachten, das wir allen anderen Gütern vorziehen, ist in diesem Sinn ein Werturteil. 195 Der Mensch wird demnach klar von anderen Lebewesen unterschieden. Menschliches Leben hat einen Wert an sich 196, unabhängig davon, ob das Leben eines Individuums für jemanden persönlichen Wert hat. Bei den genannten Argumenten werfen Gegner der SKIP-Argumente immer wieder ein, dass ein Spezifizismus am Werke sei. (Kritik siehe ) Wenn aber menschliches Leben einen Wert an sich 197 hat und damit der Wert unabhängig von dem persönlichen Wert jedem Menschen zukommt, muss dieser Wert auch dem ungeborenen Leben zukommen. Das ungeborene menschliche Leben besitzt eine Identität in Kontinuität. Es entwickelt sich ein und dasselbe Lebewesen 198 oder anders gesagt, der Mensch als Mensch zum Mensch. 199 Der Status der Schutzfähigkeit des Menschen als Person, im Sinne der Definition Person als Mensch mit Selbstbewusstsein (siehe ), beginnt erst mit in der Entwicklung des Kindes (siehe ). Von einem Lebewesen im Sinne des Individuums, sprechen wir ab dem Zeitpunkt der Befruchtung (siehe Günter Rager: Der Embryo als Individuum im biologischen Sinn). Dieses Argument spricht auch deutlich gegen die angeführte Behauptung, dass potentielles Leben schon bei der Eizelle oder dem Samen beginne. Ab dem Zeitpunkt der Befruchtung findet beim Embryo eine selbststeuernde Entwicklung statt. Die Behauptung wird ebenfalls als Argument gegen das Potentialitätsargument (siehe ) gebraucht. Eine Zygote besitzt aber, im Unterschied zum Samen oder der Eizelle, passive Potentialität und keine aktive, so Beck. 200 Gemeint ist dabei nicht um eine seit Aristoteles klassisch gewordene Distinktion aufzugreifen die potentia subjectiva, d.h. die bloße, widerspruchsfrei denkbare Möglichkeit (passive oder 195 Honnefelder, Ludger: Pro Kontinuitätsargument. Die Begründung des moralischen Status des menschlichen Embryos aus der Kontinuität der Entwicklung des ungeborenen zum geborenen Menschen, in: Damschen, Gregor; Schönecker, Dieter (Hrsg.): Der moralische Status menschlicher Embryonen. Pro und contra Spezies-, Kontinuitäts-, Identitäts- und Potentialitätsargument, Berlin, 2002, Dworkin, Ronald: Die Grenzen des Lebens. Abtreibung, Euthanasie und persönliche Freiheit, Reinbeck bei Hamburg, 1994, Ebd. 198 Honnefelder, Ludger: Pro Kontinuitätsargument. Die Begründung des moralischen Status des menschlichen Embryos aus der Kontinuität der Entwicklung des ungeborenen zum geborenen Menschen, in: Damschen, Gregor; Schönecker, Dieter (Hrsg.): Der moralische Status menschlicher Embryonen. Pro und contra Spezies-, Kontinuitäts-, Identitäts- und Potentialitätsargument, Berlin, 2002, Ebd. 200 Vgl. Beck, Matthias: Mensch-Tier-Wesen. Zur ethischen Problematik von Hybriden, Chimären, Parthenoten, Paderborn u.a., 2009,

48 formelle Potentialität; ability, potentiality to become), sondern die potentia subjectiva, wie sie nur einem Ding eignet, das, wie ein Lebewesen, bereits existiert und als solches das reale Vermögen besitzt, gewissermaßen von selbst bestimmte Eigenschaften oder Tätigkeiten zu entwickeln (aktive oder reale Potentialität; capability, potentiality of ). In diesem Sinne bilden Ei- und Samenzelle nach der Vereinigung ein neues Lebewesen, das aufgrund der ihm eigenen, im Genom kodierten Anlangen eine bestimmte Entwicklung nimmt, dem also ein Sein im Modus realen Werdens zukommt. 201 Das Problem der nummerischen Individualität, weist zwar darauf hin, dass bis zum Zeitpunkt der Nidation (siehe ) eine Mehrlingsbildung noch möglich ist, kann aber das Kontinuitätsargument nicht entkräften. Gegen einen Gradualismus der Schutzwürdigkeit spricht die Kontinuität der Entwicklung, die die Setzung von Zäsuren nicht ohne eine verbleibende Beliebigkeit zulässt. 202 Das heißt, Kriterien wie die Gehirnbildung als Zäsur zu setzen, wäre laut dem Kontinuitätsargument beliebig. Ebenfalls verhält es sich mit der Bezeichnung eines Präembryo vor der Einnistung in die Gebärmutter. Folgende Frage müsste in diesem Zusammenhang gestellt werden: Ist die Würde des Embryos von der Intention seiner Erzeugung bzw. der Annahme durch seine Mutter 203 abhängig? Eine Bejahung dieser Frage wäre mit dem Gedanken der Menschenwürde unvereinbar. Der Mensch ist Zweck an sich (siehe ) Das Identitätsargument Das Identitätsargument ist vom Kontinuitätsargument nur schwer zu trennen. Damschen und Schönecker stellen es folgenderweise dar: (1) Jedes Wesen, das aktual ist, hat Würde. (2.1) Viele Erwachsene, die aktual sind, sind mit Embryonen in moralrelevanter Hinsicht identisch. Also: (2.2) Die Embryonen, mit denen sie identisch sind, haben Würde. (2.3) Wenn irgendein Embryo Würde hat, dann alle. Also: (3) Jeder Embryo hat Würde. 204 Besonders problematisch bei diesem Argument ist, dass wir vor dem 14. Tag nach der Befruchtung von keinem einzelnen Individuum sprechen können (siehe ). Erst nach diesem Tag entscheidet sich, ob sich aus der befruchteten Eizelle ein Individuum oder mehrere Individuen entwickelt haben, es also zu einer Mehrlingsschwangerschaft 201 Wildenfeuer, Armin: Lebensbeginn ( Ethisch ), in: Korff, Wilhelm (Hrsg.): Lexikon der Bioethik. Band.2, Gütersloh, 1998, Honnefelder, Ludger: Pro Kontinuitätsargument. Die Begründung des moralischen Status des menschlichen Embryos aus der Kontinuität der Entwicklung des ungeborenen zum geborenen Menschen, in: Damschen, Gregor; Schönecker, Dieter (Hrsg.): Der moralische Status menschlicher Embryonen. Pro und contra Spezies-, Kontinuitäts-, Identitäts- und Potentialitätsargument, Berlin, 2002, Ebd., Damschen, Gregor; Schönecker, Dieter (Hrsg.): Der moralische Status menschlicher Embryonen. Pro und contra Spezies-, Kontinuitäts-, Identitäts und Potentialitätsargument, Berlin, 2002, 4. 47

49 kommt. Die Annahme, Embryonen seien in moralrelevanter Hinsicht identisch 205 ist damit nur schwer zu treffen. Später wird darauf eigens noch eingegangen werden. Ein weiterer Punkt in der Diskussion um das Identitätsargument ist die Frage nach der Beseelung des Menschen. Wenn Beck darauf verweist, dass die Seele den Leib von Anfang an formt, dann macht er darauf aufmerksam, dass der Geist des Menschen sein Lebensprinzip ist 206. Das kirchliche Dekret Dignitas Personae schreibt in Nr.5: Während seines ganzen Lebens, vor und nach seiner Geburt, kann nämlich in der Beschaffenheit des Menschen weder eine Änderung des Wesens noch eine Gradualität des moralischen Wertes behauptet werden: Er ist ganz Mensch und ganz als solcher zu achten. 207 Die Frage, welche sich in diesem Zusammenhang aber wesentlich stellt, auch im Bezug darauf, ob die genannte Kritik am Begriff Individuum greift, ist, ob der Embryo in diesem Stadium schon beseelt ist, so Knoepffler. 208 Im Falle einer Simultanbeseelung (siehe ) muss geklärt werden, inwiefern die zwei Seelen bereits prospektiv bei einer späten Zwillingsbildung in der totipotenten Zygote vorhanden 209 sind. Bei der Beurteilung des Identitätsargumentes scheint für ihn die Frage im Vordergrund zu stehen, wie es also zu einer zweiten Seele kommt, ob diese schon angelegt ist oder ob sie wieder verschwindet. Wie kann man eine Simultanbeseelung annehmen, wenn aus der Zygote in diesem Stadium noch mehrere Individuen entstehen können? Was Knoepffler hier übersieht, ist, dass Seele, laut katholischem Verständnis, ein Prinzip des Lebendigen ist. Ein Leib-Seele-Dualismus führt zwangsläufig zur Frage, wann der Leib beseelt wird. Ob diese Fragestellung aber sinnvoll ist, hinterfragt der Theologe nicht (siehe ). Wichtig scheint doch vielmehr, die Annahme zwei, nach der Würde des Embryos. Laut Kant ist mit dem Akt der Zeugung Folgendes entscheidend gegeben: So ist es eine in praktischer Hinsicht ganz richtige und auch notwendige Idee, den Akt der Zeugung als einen solchen anzusehen, wodurch wir eine Person ohne ihre Einwilligung auf die Welt gesetzt, und eigenmächtig in sie herübergebracht haben. Sie können ihr Kind nicht gleichsam als ihr Gemächsel [ ] und als ihr Eigentum zerstören Ebd. 206 Vgl. Beck, Matthias: Hippokrates am Scheideweg. Medizin zwischen naturwissenschaftlichem Materialismus und ethischer Verantwortung, Paderborn, 2001, Kongregation für die Glaubenslehre: Konstitution Dignitas Personae. Über einige Fragen der Bioethik, Nr.5, Rom, (abgerufen am ). 208 Vgl. Knoepffler, Nikolaus: Der Beginn der menschlichen Person du bioethische Konfliktfälle. Anfragen an das Lehramt, Freiburg im Breisgau, 2012, Ebd., Kant, Immanuel: Metaphysik der Sitten, Werkausgabe VIII (Hrsg. Weischedel, Wilhelm), Frankfurt, 1968, 28,

50 Rainer Enskat verweist hier darauf, dass der menschliche Embryo derselbe Adressat einer unbedingten Verpflichtung und derselbe Träger des korrespondierten unbedingten Rechts ist wie der erwachsene Mensch. 211 Weiterhin heißt es bei ihm: Die Identität, die ein Mensch in seiner embryonalen Gestalt mit einem Adressaten einer unbedingten Verpflichtung und Träger des korrespondierenden unbedingten Rechts innehat, ist daher unabhängig davon, ob dieser Mensch in seiner erwachsenen Gestalt diese Identität wahrnimmt oder nicht, und ebenso unabhängig davon, ob er durch seine Entwicklung überhaupt die Chance erhält oder nicht, ein Reifeniveau seiner Fähigkeiten, Fertigkeiten und Kräfte zu erlangen, was ihm erlaubt, diese Identität wahrzunehmen sei es durch Formen seines Bewusstseins oder durch Formen seiner Praxis. 212 Wenn die Würde aber daraus resultieren soll, dass das Individuum Moral ausüben kann und ein Embryo identisch ist mit dem späteren Erwachsenen, muss der Begriff Identität stärker beleuchtet werden. Auch wenn Enskat Argumente zur Stärkung des Individualitätsargumentes anführt, zeigt sich, dass sich diese leicht entkräften lassen. Denn erstens ist die Frage nach der Beseelung eine religiöse (siehe 2.4.), die von den Religionen unterschiedlich bewertet wird, und zweitens bezieht sich der Begriff Identität in unserer Gesellschaft auf das einzelne Individuum. Da eine Zwillingsbildung bis zur Nidation noch möglich ist, ist das Identitätsargument leicht angreifbar. Ralf Stocker schreibt: Bis zur Bildung des Primitivstreifens am Ende der zweiten Woche post conceptionem (p.c.) ist es möglich, dass sich der Embryo teilt und eineiige Zwillinge heranwachsen. Wenn man aber behauptet, jedes dieser Kinder sei mit dem frühen Embryo identisch, aus dem es entstanden ist, dann muss man aufgrund der Transitivität der Identität folgern, dass auch die Geschwister identisch seien, was natürlich absurd ist. 213 Es scheint, dass das Identitätsargument, auch im Vergleich zu den angeführten Spezies-, Kontinuitäts- und Potentialitätsargumenten, nur bedingt einen Beitrag zur Stärkung des moralischen Status des Embryos leisten kann Das Potentialitätsargument Das Potentialitätsargument macht deutlich, dass einem Embryo Würde auf Grund dessen zukommt, dass dieser die explizit menschlichen Eigenschaften potentiell erlangen kann. Bei Damschen und Schönecker wird das Potentialitätsargument folgendermaßen dargestellt: (1) Jedes Wesen, das 211 Enskat, Rainer: Pro Identitätsargument. Auch menschliche Embryonen sind jederzeit Menschen, in: Damschen, Gregor; Schönecker, Dieter (Hrsg.): Der moralische Status menschlicher Embryonen. Pro und contra Spezies-, Kontinuitäts-, Identitäts und Potentialitätsargument, Berlin, 2002, Ebd., Stoecker, Ralf: Contra Identitätsargument. Mein Embryo und ich, in: Damschen, Gregor; Schönecker, Dieter (Hrsg.): Der moralische Status menschlicher Embryonen. Pro und contra Spezies-, Kontinuitäts-, Identitäts und Potentialitätsargument, Berlin, 2002,

51 potentiell ist, hat Würde. (2) Jeder menschliche Embryo ist ein Wesen, das potentiell ist. Also: (3) Jeder menschliche Embryo hat Würde. 214 Vertreter der Potentialitätsthese, wie etwa Karim Akerma und Wolfang Lenzen, schreiben dem Embryo potentielle Eigenschaften zu, die diesem in der Zukunft zukommen. Dies zeige sich in aller Deutlichkeit bei dem Vergleich eines Hirntoten mit dem Embryo, so Wolfang Lenzen: Obwohl das momentane Leben des Embryos ebenso wie das eines Hirntoten dem intrinsisch wertlosen Dahinvegetieren einer Pflanze gleicht, so ist doch der Erwartungswert des zukünftigen Lebens des Embryos in der Regel sehr groß, während der Wert des zukünftigen Lebens eines Hirntoten in alle Zukunft hinein gleich Null bleibt. 215 Karim Akerma beschreibt das Argument folgendermaßen: Wer sich auf ein embryonales Potential beruft, könnte etwa argumentieren: Der Embryo ist jetzt kein lebendes Wesen, aber er ist ein potentielles lebendes Wesen. Der Embryo ist jetzt kein lebendes Wesen, aber er enthält das Potential zu einem Lebewesen. Der Embryo ist jetzt keine Person, aber potentiell ist er eine Person. 216 Kritisch zu hinterfragen ist an dieser Stelle Akermas Aussage, dass der Embryo kein lebendes Wesen 217 sei. Denn selbst Gegner des Potentialitätsargumentes, würden nicht bestreiten, dass der Embryo etwas Lebendiges ist. 218 Es geht hier doch vielmehr darum, ob dem Embryo schon Würde zukommt. Gegner des Potentialitätsargumentes führen an, dass viele Zygoten sich überhaupt nicht lange weiterentwickeln. 219 Die Zygoten gehen häufig ab, bevor es zu einer Einnistung dieser in die Gebärmutter kommt (siehe ). Auch gäbe es Krankheiten wie Trisomie 15, bei der der Embryo im Stadium der Herzentwicklung abstirbt. Genannte Fälle würden die Problematik des Potentialitätsargumentes aufzeigen. 220 Doch wie kommt es überhaupt zu dieser Debatte? In der Menschenrechtsdiskussion treten immer wieder Personen auf, die dem Menschen nur dann Rechte zukommen lassen wollen, wenn dieser gewisse Eigenschaften und Merkmale erfüllt, so Wolfang Wieland. 221 Warum ist es also notwendig auf die Potentialität des Embryos zu verweisen? Eigenschaften kommen einer Person nicht nur dann zu, 214 Damschen, Gregor; Schönecker, Dieter: Der moralische Status menschlicher Embryonen. Pro und contra Spezies-, Kontinuitäts-, Identitäts und Potentialitätsargument, Berlin, 2002, Lenzen, Wolfgang: Liebe, Leben, Tod. Eine moralphilosophische Studie, Stuttgart, Akerma, Karim: Lebensende und Lebensbeginn. Philosophische Implikationen und mentalistische Begründung des Hirn-Todeskriterium, Hamburg, 2006, Ebd. 218 Vgl. Schöne-Seifert, Bettina: Contra Potentialitätsargument. Probleme einer traditionellen Begründung für embryonalen Lebensschutz, in: Damschen, Gregor; Schönecker, Dieter (Hrsg): Der moralische Status menschlicher Embryonen. Pro und contra Spezies-, Kontinuitäts-, Identitäts- und Potentialitätsargument, Berlin, 2002, Knoepffler, Nikolaus: Der Beginn der menschlichen Person du bioethische Konfliktfälle. Anfragen an das Lehramt, Freiburg im Breisgau, 2012, Vgl. ebd., Vgl. Wieland, Wolfgang: Pro Potentialitätsargument. Moralfähigkeit als Grundlage von Würde und Lebensschutz, in: Damschen, Gregor; Schönecker, Dieter (Hrsg.): Der moralische Status menschlicher Embryonen. Pro und contra Spezies-, Kontinuitäts-, Identitäts- und Potentialitätsargument, Berlin, 2002,

52 wenn sie diese ausübt. So kann beispielsweise ein Mensch eine Machtposition innehaben, ohne dass er diese Macht ständig unter Beweis stellen müsste. Das heißt, der Eigenwert ist nicht geringer, wenn sie nicht ausgeübt werden. 222 Fragen der philosophischen Anthropologie, was der Mensch sei, kommen alle zu dem Schluss, dass der Mensch sich durch seine Moralfähigkeit auszeichnet 223, so Wieland. Wenn man also den Menschen versucht zu definieren, dann über das, was er sein soll und von ihm gefordert wird. 224 Es geht weniger darum, ob der Mensch diese Forderung persönlich verwirklicht. Vielmehr steht das Sollen, der Anspruch an ihn, im Vordergrund. Moralität ist ein Wesensmerkmal des Menschen, es bestimmt essentiell den Menschen. Dabei darf das genannte Argument nicht mit dem Speziesargument verwechselt werden. Das Speziesargument (siehe ) verfolgt einen anderen Argumentationsstrang. Beim Potentialitätsargument wird mit der Moralfähigkeit des Menschen als einer dispositionellen Potentialität 225 argumentiert Conclusio: Relevanz der SKIP-Argumente im religiösen Kontext Die vier vorgestellten SKIP-Argumente versuchen den moralischen Status des Embryos, in Anbindung an die medizinischen Erkenntnisse, zu schützen. Die Argumentation ist somit eine philosophische, die sich an den medizinischen Ergebnissen orientiert und vor allem in einem christlich-säkular geprägten Umfeld von Relevanz ist. Dem Embryo kommt Würde aufgrund 1. seiner Spezieszugehörigkeit (S), 2. seiner Kontinuität in der Entwicklung (K), 3. seiner Identität, die über die Zeit hinweg gleich bleibt (I) und 4. seiner Potentialität, sich typische menschliche Eigenschaften anzueignen (P), zu. Bei der Darstellung wurde deutlich, dass die SKIP-Argumente lediglich der Unterstützung religiöser Argumentationen dienen (siehe 2.4.), aber die Frage nach der Beseelung durch den Schöpfergott (siehe ) eine zentrale zu sein scheint. Da aber in diesem Punkt keine einheitliche Sicht in den monotheistischen Religionen herrscht, findet die SKIP-Argumentation im Judentum und Islam keinen Anklang. 226 Um einen Diskurs zwischen Judentum, Islam und Christentum zu schaffen, bedarf es eines Blickes auf die die Theorien der Sukzessiv- und Simultanbeseelung. 222 Ebd., Ebd., Ebd., Ebd., Vgl. Kreß, Hartmut: Medizinische Ethik. Kulturelle Grundlagen und ethische Wertkonflikte heutiger Medizin, in: Ders.: Ethik-Grundlagen und Handlungsfelder. Band 2, Stuttgart, 2003,

53 Darstellung der Theorien einer Sukzessiv- und Simultanbeseelung In der Beseelungslehre stehen sich im Wesentlichen zwei Modelle gegenüber, die Sukzessiv- und die Simultanbeseelung. Sie lassen sich folgendermaßen skizzieren: Das Modell der Simultananimation geht davon aus, dass die Geistseele des Menschen zugleich (simultan) mit der Zeugung mit dem Leib des neuen Individuums verbunden wird. Somit fallen Geistbeseelung und Beginn des Eigenlebens zusammen. [ ] Sukzessivanimation bringt zum Ausdruck, dass der Embryo verschiedene Phasen der Entwicklung durchläuft, in denen zunächst eine vegetative, später eine sensitive und schließlich eine rationale Seele ausgebildet wird, wobei in diesem Prozess der höhere Seelenteil jeweils die Funktion des niedrigeren mitübernimmt. Erst mit der Entstehung des rationalen Seelenteiles (anima rationalis, anima humana) begegnen wir einem Menschen, einer Person. 227 Mit dem Thema der Beseelung beschäftigt sich die Philosophie schon seit dem 7. Jh. v. Chr., angefangen von der orphischen hin zur hippokratischen Schule über Platon zum ersten wichtigen Vertreter der Sukzessivbeseelungslehre, Aristoteles. Die Seele, psyche, versteht Aristoteles als ein zweckmäßig arbeitendes System innerhalb des Leibes, das bestimmte Leistungen verrichtet. Darüber hinaus sah er in der Seele das Lebensprinzip des Organismus. 228 Aristoteles vermeidet einen Dualismus. Die Seele bezieht sich bei ihm immer auf den Körper. Ausgehend von diesem Verständnis, unterteilt er die Seele in drei Stufen. 1. Die erste Stufe bezeichnet er als Nährseele (anima vegetativa). Diese finden wir bei Pflanzen vor. Sie ist in der Lage ebenfalls Leben hervorzubringen. 2. Die Sinnseele (anima sensitiva) ist in der Lage, Lust und Schmerz zu empfinden. Sie ermöglicht außenbezogene Wahrnehmung. Dieser Stufe gehören Tiere an. 3. Die dritte Stufe hingegen erreicht nur mehr der Mensch. Aristoteles nennt sie Vernunftseele (anima rationalis). Das heißt nicht, dass dem Menschen drei Seelen oder dem Tier zwei Seelen zukommen würden. Der Mensch durchläuft vielmehr die drei Stufen und integriert dabei die jeweils niedrigere in die je höheren Stufe. In seinem Werk De generatione animalium II 3 stellt Aristoteles das Prinzip wie folgt dar: Denn man kann ja einen Keim nicht unbelebt nennen und in jeder Hinsicht der Lebenskraft bar, da der Same und die Keimlinge der Geschöpfe mindestens leben, wie Pflanzen, und bis zu einem gewissen Grad triebkräftig sind. Es ist also klar, dass sie die Nährkraft besitzen, und dass jedes 227 Richter, Paul: Der Beginn des Menschenlebens bei Thomas von Aquin, in: Autiero, Antonio; Römelt,Josef (Hrsg.): Studien der Moraltheologie. Band 38, Wien, Münster, 2008, Ebd.,

54 Wesen diese zuerst bekommen muss, ergibt sich aus dem, was an anderer Stelle über die Seele ausgeführt wurde (üb. D. Seele II, 3-4). Im Laufe der Entwicklung muss dann die Empfindungskraft hinzukommen, ohne die etwas nicht Geschöpf sein kann. Denn es wird ja nichts zugleich Geschöpf und Mensch, auch nicht Geschöpf und Pferd oder sonst ein Tier, weil das Ziel immer erst später erreicht wird. Ziel der Entwicklung ist jedoch stets das Eigentümliche. Daher bietet auch die Frage, wann, wie und woher die Vernunft den Geschöpfen zu Teil werde, die davon etwas besitzen, die allergrößte Schwierigkeit, muss aber anderseits nach Kräften, soweit möglich, beantwortet werden. 229 Aristoteles ging davon aus, dass diese Geistseele von außen hinzukommt, und am 40. Tage beim Mann und um den 90. Tage bei der Frau vorzufinden sei. So bleibt nur, dass allein die Vernunft von außen eingedrungen und allein göttlich ist, da nur an ihr körperliche Betätigung wirklich unbeteiligt sind. 230 Dabei muss in diesem Kontext darauf verwiesen werden, dass Aristoteles noch von falschen biologischen Erkenntnissen ausgegangen ist. Da die Eizelle erst später entdeckt wurde (1823), sei die Zeugung so zu denken: Das im Embryo wirkende Wesensprinzip (eidos) stammt von Manne, vom Erzeuger, und wird im Beischlaf übertragen, wobei das Sperma als Übermittler des Wesensprinzips dient. Dieses vom Manne übertragene Werde- und Sinnprinzip durchdringt den im Uterus der Frau bereitliegenden Stoff (Hyle ), der zum Menschen entwickelt werden soll. 231 Im Christentum wurde die Lehre des Aristoteles schon früh rezipiert. Im Laufe der Geschichte wurde sie schrittweise von Augustinus, Gregor von Nyssa, Basilius von Cäsarea sowie von Albertus Magnus aber immer mehr in Frage gestellt, teilweise sogar abgelehnt. 232 Augustinus von Hippo, einer der großen Kirchenväter im 4. Jh. n Chr., macht auf einen ganz anderen Aspekt der Beseelung aufmerksam. Angenommen, es gäbe eine Vernunftseele, durch Gott dem Menschen gegeben, wann wurde diese erschaffen? Im Zuge der Frage nach dem Ursprung der Seele erstellt er vier Thesen. Der ersten Möglichkeit nach habe Gott eine Gesamtseele erschaffen, die Seele Adams, aus der die Einzelseelen der später Geborenen jeweils herausgenommen werden. Besagte Theorie bezeichnet die Theologie als Traduzianismus. Eine zweite Möglichkeit wäre, dass jede Einzelseele bei der Entstehung eines Menschen neu geschaffen würde (Kreationismus). In einem dritten Ansatz schiene es für ihn auch plausibel, dass die Einzelseelen an einem himmlischen Ort vor der irdischen Existenz bereits existierten. Von diesem Ort aus würden sie zu einem entstehenden Körper gesendet werden. Anders 229 Aristoteles: De generatione animalium II 3, in: Aristoteles: Gohlke, Paul (Hrsg.): Über die Zeugung der Geschöpfe. Die Lehrschriften, Paderborn, 1959, Ebd., Holderegger, Adrian: Die Beseelung als Menschwerdung. Stadien der theologischen Lehrentwicklung bleibende Unsicherheit?, in: Mieth, Dietmar; Pahud de Mortanges, Rene (Hrsg.): Recht - Ethik Religion. Der Spannungsbogen für aktuelle Fragen, historische Vorgaben und bleibende Probleme, Luzern, 2002, Vgl. ebd.,

55 als im dritten Ansatz sucht sich in Ansatz vier die Seele auf eigenen Entschluss hin einen Körper aus. 233 Die Prämisse bei Augustinus lautet hier in allen vier Erklärungsmodellen: Die Geistseele wurde von Gott geschaffen. In diesem Zusammenhang sei darauf verwiesen, dass diese Prämisse nicht selbstverständlich ist. Die Sichtweise des Augustinus wird allgemein als Kreatianismus bezeichnet. Ihr gegenüber stehen der Generalismus, dem zufolge die Seele vollständig von den Eltern gezeugt wird, sowie der Tradizianismus, bei der die Seelen der Eltern auf das neue Leben gemeinsam übertragen werden. In östlichen Religionen wird häufig von einem Präexistentialismus ausgegangen. Die Seele ist laut Tradizianismus präexistent. Sie verbindet sich zu einem späteren Zeitpunkt mit dem Leib. 234 Thomas von Aquin gilt als zweite zentrale Gestalt der Sukzessivbeseelungstheorie. In seinen Ausführungen bezieht er sich in den Grundzügen auf die Theorie des Aristoteles in De generatione animalium. Auch Thomas von Aquin ging, ähnlich wie Aristoteles, von biologischen Annahmen aus, die sich heute als falsch erwiesen haben. Der Mensch sei ein compositum aus Leib und Seele 235, die Seele sein formendes Prinzip (anima forma corporis). Leib und Seele sind aufeinander bezogen und existieren niemals getrennt für sich 236 Die anima vegetativa und die anima sensitiva werden übertragen, die anima intellectiva wird von Gott geschaffen. Für die Erschaffung der Geistseele bedarf es eines Eingreifen Gottes. Ein Geschöpf kann keine Seele schaffen, die über seinen Tod hinausgeht. Jedes vollkommene Selbstandwesen, das nicht aus Stoff und Form zusammengewachsen ist, stammt, wenn es zu sein anfängt, nicht aus Zeugung, sondern aus Erschaffung; denn nichts wird gezeugt, es sei denn aus dem Stoff. Die Sinnenseele aber ist ein vollkommenes Selbststandwesen, sonst könnte sie den Leib nicht bewegen, und da sie Wesensform des Leibes ist, ist sie nicht aus Stoff und Form zusammengesetzt. Also fängt sie nicht durch Zeugung an, zu sein, sondern durch Erschaffung. [ ] Das Zeugende zeugt ein ihm Ähnliches, und so muss die Form des Gezeugten in der Zeugungsursache schon wirklich sein. Die Sinnenseele aber ist nicht wirklich sein. Die Sinnenseele aber ist nicht wirklich Samen, weder sie selbst noch irgendein Teil von ihr; denn es gibt keinen Teil der Sinnenseele, der nicht in einem Teil des Körpers wäre; im Samen aber ist kein 233 Vgl. Brachtendorf, Johannes: Augustinus Begriff des menschlichen Geistes, in: Maixner, Uwe; Newen, Albert (Hrsg.): Seele, Denken, Bewusstsein, Berlin, New York 2003, Vgl. Richter, Paul: Der Beginn des Menschenlebens bei Thomas von Aquin, in: Autiero, Antonio; Römelt, Josef (Hrsg.): Studien der Moraltheologie. Band 38, Wien, Münster, 2008, Ebd., Ebd.,

56 Teilchen des Körpers, da es kein Teilchen des Körpers gibt, das nicht aus dem Samen und durch die Kraft des Samens entstünde. Also wird die Sinnenseele nicht durch den Samen verursacht. 237 Den Verlauf der drei Seelenstufen habe Thomas zwar in Frage gestellt, aber durch die Autorität des Aristoteles nie wirklich kritisch hinterfragt, so Richter in seinem Fazit. 238 Die Nähe des Thomas von Aquin zu den Schriften Aristoteles, insbesondere dessen Werk De generatione animalium, zeigt sich deutlich in seinen Schriften. 239 Thomas hält wie Aristoteles daran fest, dass der Mensch in seiner Embryonalphase eine stufenweise Beseelung erfährt. Der Embryo entwickelt sich vom vegetativen Stadium hin zum sensitiven und erlangt zuletzt durch Gott die anima rationalis am 40. (beim Mann) bzw. 90. Tag (bei der Frau) nach der Befruchtung. Die Kritik an der angeführten Theorie der Sukzessivbeseelung bei Thomas lautet so und ähnlich: Es ist nicht erkennbar, wodurch der Zielpunkt des Entwicklungsprozesses, die anima intellectiva, festgelegt werden soll, da der Embryo im animalischen Stadium keine entsprechende Zielvorstellung in sich tragen kann. 240 Interessant ist, dass die Aussagen des Aristoteles den Grund dafür schaffen, seine Theorie der Sukzessivbesselung in Frage zu stellen. Aristoteles betrachtet die Seele als ein Prinzip des Lebens nicht nur bei den wahrnehmungsfähigen Lebewesen, sondern bei Lebewesen überhaupt. Wie jedes Prinzip, so ist auch die Seele als Lebensprinzip nach Aristoteles vom Prinzipiierten her zu erschließen. 241 Die Seele ist das Prinzip des Lebens und als solches formt die Seele den Leib. Die neuen biologischen Erkenntnisse des 19. Jh. führen im christlich geprägten Europa zu einem Paradigmenwechsel. Der französische Arzt Cazeaux verkündet am 10. Februar 1852: Wir befinden uns nicht mehr in jenen Zeiten, in denen Theologen, Philosophen und Mediziner de animatione foetus um die Wette eiferten. Die Fortschritte der Wissenschaft haben diesen Diskussionen ein Ende gesetzt. Der Keim empfängt im Augenblick der Empfängnis das Lebensprinzip, den Lebenshauch, und es kann in dieser Hinsicht nicht begründet werden, irgendeinen Unterschied zu machen zwischen dem Kind, das geboren wird, und dem, das noch im Mutterschoß verschlossen ist, zwischen dem neunmonatigen Fötus und der seit einigen Stunden befruchteten Eizelle Thomas von Aquin: Summa theologiae I q. 118, a1, in: Vollständige, ungekürzte deutsch-lateinische Ausgabe der Summa Theologica (Hrsg. Albertus-Magnus-Akademie Wallberg bei Köln), Band 8, 1951, Vgl. Richter, Paul: Der Beginn des Menschenlebens bei Thomas von Aquin, in: Autiero, Antonio; Römelt, Josef (Hrsg.): Studien der Moraltheologie. Band 38, Wien, Münster, 2008, Vgl. Thomas von Aquin: Summa theologiae I q. 118, in: Vollständige, ungekürzte deutsch-lateinische Ausgabe der Summa Theologica (Hrsg. Albertus-Magnus-Akademie Wallberg bei Köln), Band 8, Richter, Paul: Der Beginn des Menschenlebens bei Thomas von Aquin, in: Autiero, Antonio; Römelt, Josef (Hrsg.): Studien der Moraltheologie. Band 38, Wien, Münster, 2008, Voigt, Uwe: Von Seelen, Figuren und Seeleuten. Zur Einheit und Vielfalt des Begriffs des Lebens bei Aristoteles, in: Föllinger, Sabine (Hrsg.): Was ist Leben? Aristoteles Anschauungen zur Entstehung und Funktionsweise von Leben. Akten der 10. Tagung der Karl und Gertrud Abel-Stiftung vom August 2006 in Bamberg, Stuttgart 2010, Anonymus: De animatione foetus (Teil1), in: Nouvelle Revue Théologique 11, 1879,

57 Der Terminus Belebung rückt bei Thomas-Marie-Joseph Gousset an die Stelle des Begriffes der Beseelung. 243 Ein Embryo kann ohne Seele nicht existieren und damit verfällt der Begriff der Beseelung. Wichtige Vertreter der Simultanbeseelung sind etwa Piecre J.C. Debreyne, F. Dunot de Saint-Maclou, Anonymus/Alphons Eschbach, Josef Schwane, sowie Ludwig Schütz, Wilhelm Stockums u.a. 244 Vier wichtige Aspekte sprechen bei den genannten Vertretern des 19. Jahrhunderts für eine Simultanund gegen die Sukzessivbeseelung. Der wohl erste wichtige Punkt schließt an Aristoteles an. Wenn ein Mensch lebt, muss er auch eine Vernunftseele besitzen. Es geht hier also um die Frage nach dem Wesen 245 des Menschen. Wenn ein Embryo mit einer anima vegetativa (Pflanzenseele) beseelt ist, dann entwickelt dieser auch die Form einer Pflanze. 246 Schließlich sprechen wir von anima forma corporis (Die Seele formt den Leib). Wie soll der Embryo eine Idee davon besitzen, wohin er sich entwickeln soll, wenn das Ziel unklar ist? Die Übergänge sind nicht plausibel. Die nächste Stufe und damit neue Form müsste zumindest im Keim angelegt sein. 247 Ludwig Schütz versucht die Stadien des Menschen im Embryonalstadium folgendermaßen zu erklären: Die vernünftige Seele des Menschen entspricht wirklich, insofern und insoweit sie dessen substanzielle Form ist, dem von ihr beseelten Körper als der ihr zugehörigen Materie der Art nach ganz genau. Denn jeder Urkeim oder jede Eizelle eines Lebewesens besitzt, wie die Embryologie beweist, von vornherein schon in ihren ersten Anlagen alle Glieder und Organe, welche das Lebewesen späterhin im Zustande seiner Entwicklung aufzuweisen hat. Und ist dies der Fall, dann entspricht auch das ovuculum maternum mit seinen ersten Anlagen der vegetativen und sensitiven Organe der vernünftigen Seele als der substantiellen Form des Menschen ihrer Art nach. [ ] So dürfte denn die richtige Lehre sein, dass die vernünftige Seele des Menschen gleich schon im ersten Augenblicke seiner Empfängnis von Gott geschaffen und mit dem ovuculum maternum vereinigt wird, dass sie aber anfangs sich bloß mit ihren vegetativen, sodann auch mit ihren sensitiven und endlich auch mit ihren intellektiven Vermögen betätigt. 248 Zweitens stelle sich bei der Frage nach der Beseelung, zwangsläufig auch die Frage, wann beim Embryo eine Zäsur zu setzen sei? Nach Ijob 10,11 wird dem Menschen dann eine Seele zuteil, wenn die Umkleidung mit Haut und Fleisch, sowie die Ausstattung mit Knochen und Sehnen gesichert ist. Dieser 243 Vgl. Hack, Tobias: Der Streit um die Beseelung des Menschen. Eine historisch-systematische Studie, Freiburg Schweiz, Wien, 2011, Vgl. Inhaltsangabe nach Hack, Tobias: Der Streit um die Beseelung des Menschen. Eine historischsystematische Studie, Freiburg Schweiz, Wien, Ebd., Vgl. ebd., Vgl. ebd., Schütz, Ludwig: In welchem Zeitpunkt tritt die vernünftige Seele des Menschen in ihren Körper ein?, in: Compte Rendu du Quatrie`me Congre`s Scientifique International des Catholiques Tenu a`fribourg (Suisse) du 16 au 20 Aou t 1897, Freiburg u.a., 1898,

58 Zeitpunkt ist keinesfalls nach 40 Tagen, sondern erst viel später gegeben. 249 Auch gebraucht ein Embryo noch nicht seine Vernunft. Der Gebrauch der Vernunft erfolgt doch erst viel später, keinesfalls im Embryonalstadium. 250 Für Pierre J.C. Debreyne ist Mitte des 19. Jahrhunderts mit Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit festzustellen, dass der Fötus weit früher beseelt ist als gemeinhin angenommen. Vor allem die Lebendigkeit, die sich im Wachstum des Embryos zeigt, ist ihm Indiz für die Präsenz der Vernunftseele: Mit der Befruchtung, die durch den Zeugungsakt erfolgt, beginnt der Keim zu wachsen; er wächst nur deshalb, weil er lebt, er lebt aber nur deshalb, weil er beseelt ist. 251 Der dritte und vierte Aspekt wurde besonders von katholischen Theologen in der Vordergrund gestellt. Denn drittens seien Argumentationen für die Sukzessivbeseelung, auf Grund von Schriftverweisen auf die Septuaginta oder aber das Decretum Gratieni in Canon Moyses, eher zu vernachlässigen. Der Text der Vulgata ist näher am hebräischen Urtext orientiert, als der der Septuaginta, so F. Dunot de Saint-Maclou. 252 In der Vulgata heißt es nicht, wie etwa in der Septuaginta geformt und ungeformt, sondern Tod und Überleben der Schwangeren. Die Übersetzung der Vulgata ist nicht in der Lage, Argumente für eine Sukzessivbeseelungstheorie zu liefern. Der Verweis auf den Canon Moyses bedarf ebenfalls einer Relativierung. Zum einen bezieht sich dieser Text auf die persönliche Ansicht der Autoren Augustinus und Tertullian und kann somit nicht repräsentativ sein, zum anderen sei die Verfasserschaft des Canons gar nicht sicher. 253 Der vierte Aspekt: Einige Autoren beziehen sich bei ihrer Argumentation für eine Simultananimation immer wieder auf Maria, die Gottesmutter. Die Zeitspanne von der Empfängnis bis Geburt Marias beträgt neun Monate. Dies spricht eindeutig für eine Beseelung mit der Befruchtung, anderenfalls würde man am Tag Maria Empfängnis einer bloßen fötalen Masse 254 gedenken. Josef Schwane schreibt im Jahre 1885: So wird namentlich von der Conception des Gottmenschen angenommen, dass er die vollständige menschliche Natur, nicht nur Leib, sondern auch die belebende Seele in demselben Moment der Conception mit sich vereinigt habe; und die Bulle über die unbefleckte 249 Vgl. Hack, Tobias: Der Streit um die Beseelung des Menschen. Eine historisch-systematische Studie, Freiburg Schweiz, Wien, 2011, Vgl. Ebd., Debreyne, Pierre: Essai sur la Theólogie Morale Considereé dans ses Rapports avec la Physiologie et la Médecine. Ouvrage Spécialement Destiné au Clergé, Paris, , 199. Übersetzung nach: Hack, Tobias, in: Ders.: Der Streit um die Beseelung des Menschen. Eine historisch-systematische Studie, Freiburg Schweiz, Wien, 2011, Vgl. Donot de Saint-Maclou, F.: Études sur l Animation du Foetus, in: Revue des Sciences Ecclésiastiques, 1870, 18. Übersetzung nach Hack, Tobias, in: Ders.: Hack, Tobias: Der Streit um die Beseelung des Menschen. Eine historisch-systematische Studie, Freiburg Schweiz, Wien, 2011, Hack, Tobias: Der Streit um die Beseelung des Menschen. Eine historisch-systematische Studie, Freiburg Schweiz, Wien, 2011, Ebd.,

59 Empfängnis Mariens vom 8. Dezember 1853 sagt, dass die Seele Mariens in dem Moment der Conception von der Sünde präserviert worden sei. 255 Aber auch die Theorie der Simultanbeseelung sei nicht zufriedenstellend. Wenn Adrian Holderegger darauf verweist, dass der Begriff Beseelung unglücklich gewählt ist, dann daher, da dieser den Schein erwecke, als wenn die Seele als unsichtbarer Geist zum materiellen Substrat hinzu 256 käme. Er führt aus: Was die Tradition mit Geistbeseelung meint, nämlich ein je einmaliges kreatives (direktes oder indirektes) Eingreifen Gottes in den Werdeprozess des Menschen, muss heute in einem anderen hermeneutischem Zusammenhang gelöst werden. Die Entdeckung der evolutiv-geschichtlichen Dimension, die genauere Verhältnisbestimmung von kategorialer und transzendenter Ursächlichkeit, die exakte Einsicht in die genetische Entwicklung, dürfen eine andere Ausgangsbasis zur Beantwortung dieser Frage geschaffen haben. 257 Von diesem Hintergrund aus müsste die alte Annahme, eine Seele könne nicht durch einen Menschen übertragen werden, revidiert werden. Die Annahme einer nachträglichen Beseelung sei so aus dem begrenzten naturwissenschaftlichen Wissen entstanden, so Beck. Die Entstehung des Menschen in Leib und Seele sei vielmehr so zu verstehen: Samen und Eizelle zusammen lassen den neuen Menschen entstehen. Dieser erhält aus der Polarität von Mann und Frau (also nicht aus dem Samen) bzw. aus der Kombination einer weiblichen Eizelle und einer männlichen Samenzelle eine neue geistige Seelenform als anima forma corporis (philosophisch). Biologisch ist die gesamte genetische In-formation in dieser neuen Leib-Seele-Einheit aus genetischem Material und der Umgebung in der Zelle vorhanden. Und theologisch muss Gott nicht mehr als jemand gesehen werden, der zusätzlich zum menschlichen Handeln etwas tut (die Seele schaffen und einsetzen). Er kann und das entspricht moderner Theologie - als Träger und Grund als Bedingung der Möglichkeit des ganzen Prozesses gesehen werden. Das würde einer Gottesvorstellung, die transzendenter Grund von allem ist und nicht Ursache neben anderen Ursachen, besser entsprechen, als jene, die Gott neben das menschliche Handeln stellt Schwane, Joseph: Specielle Moraltheologie. Dritter Theil, Freiburg im Breisgau, 1885³, Holderegger, Adrian: Die Beseelung als Menschwerdung. Stadien der theologischen Lehrentwicklung bleibende Unsicherheit?, in: Mieth, Dietmar; Pahud de Mortanges, Rene (Hrsg.): Recht - Ethik Religion. Der Spannungsbogen für aktuelle Fragen, historische Vorgaben und bleibende Probleme, Luzern, 2002, Ebd., Beck, Matthias: Hippokrates am Scheideweg. Medizin zwischen naturwissenschaftlichem Materialismus und ethischer Verantwortung, Paderborn, 2001,

60 Wenn der Mensch von Gott beseelt wird, dann heißt dies, dass von außen etwas dazukommt. Ein solches Hinzukommen führt zwangsläufig zu einem Dualismus dann gibt es das göttliche Handeln auf der einen Seite und das Menschliche der Eltern auf der anderen. Bezugnehmend auf G.L. Müller hält Beck zusammenfassend fest: Aus dieser Perspektive wird klar, dass Gott hier nicht etwas Zusätzliches zum menschlichen Handeln tut, sondern dass der Mensch den ganzen Menschen in seiner Leibseelischen Einheit zeugt und dass Gott der Ermöglichungsgrund von allem ist Bewertung des Lebensbeginns aus der Sicht der drei monotheistischen Religionen Die Katholische Kirche: Leben ab dem Zeitpunkt der Befruchtung Wie schon in den vergangenen Kapiteln vorgestellt, hat die Frage nach dem Beginn menschlichen Lebens und einer Beurteilung durch die Religionen sich mit zwei zentralen Momenten zu befassen. Wann besitzt ein Mensch Würde und wie wird diese Würde in der Religion begründet? Die relevante Frage, welche sich in diesem Kontext stellt, ist jene nach der Beseelung. Die Naturwissenschaft gibt Auskunft darüber, ab welchem Zeitpunkt es sich um ein menschliches Wesen handelt. Die Frage, wann dem Menschen Würde zukommt, ist im Wesentlich die philosophische Frage nach der Beseelung. Wird das menschliche Wesen, von dem die Naturwissenschaften sprechen, nachträglich beseelt oder besteht von Beginn an eine leib-seelische Einheit? Warum kommt dem Menschen Würde zu? Welche religiösen Argumente sprechen für den Würdegedanken? Ist in der Katholischen Kirche ein Menschenwürdebegriff denkbar, bei dem Würde Menschen in unterschiedlichem Maße zukommt? Gaudium et Spes spricht in seinem ersten Kapitel von der Würde der menschlichen Person. Die Eingangsfrage muss in diesem Kontext, so GS, lauten: Was ist der Mensch? Eberhard Schockenhoff stellt vier zentrale Kategorien des Menschen laut Altem Testament und zwei laut Neuem Testament dar. Der Mensch ist zuerst einmal relationales Sein. 260 Gott schafft den Menschen, indem er ihn aus Erde formt und ihm Lebensatem einhaucht (Gen 2,7). Diese Stelle macht deutlich, dass dem Menschen zwei Pole zukommen. Aus Erde geformt, behaucht mit dem Atem Gottes, ist er ein Teil der Welt, welcher den Blick auf Gott zielt. Gott setzt den Menschen an die Spitze seiner Schöpfung. Als sein Abbild ist und bleibt der Mensch immer auf Gott verwiesen. Aber erst durch diese Bipolarität ist es dem Menschen möglich, mit der Welt und gleichzeitig mit seinem Schöpfer in Kommunikation zu treten. Sie ermöglicht das Geschehen zwischen Gott und dem Menschen. 261 Im 259 Ebd., Schockenhoff, Eberhard: Ethik des Lebens. Grundlagen und neue Herausforderungen, Freiburg im Breisgau, 2009, Ebd.,

61 Katechismus der Katholischen Kirche aus dem Jahre 1993 heißt es unter Absatz 6, Nummer 356: Von allen sichtbaren Geschöpfen ist einzig der Mensch fähig seinen Schöpfer zu erkennen und zu lieben (Gen 12,3); er ist auf Erden das einzige Geschöpf das Gott um seiner selbst willen gewollt hat. (GS 24,3); er allein ist berufen, in Erkenntnis und Liebe am Leben Gottes teilzuhaben. Auf dieses Ziel hin ist er geschaffen worden, und das ist der Hauptgrund seiner Würde. 262 Die zweite Kategorie des Menschen ist sein verantwortliches Sein. 263 Der Mensch ist Gottes Beauftrager 264. Ihm wird die Aufgabe zuteil, sich um die Schöpfung zu sorgen. In Gen 1,28 heißt es: Unterwerft euch die Erde. Das Unterwerfen darf in diesem Kontext nicht missverstanden werden. Unterwerfen ist hier im Sinne der Königstheologie zu verstehen. Genauso wie ein König sich um sein Volk sorgen soll, soll sich der Mensch um Gottes Schöpfung sorgen. So könnte man Unterwerfen am trefflichsten wohl mit ein verantwortliches Leiten und In-Dienst-Nehmen der Schöpfung 265 übersetzen. Aufgrund der beschriebenen Sonderstellung des Menschen in der Schöpfung kommt ihm Verantwortung und Würde zu. Die dritte Kategorie des Menschen im Alten Testament ist sein personales Sein 266. In Gen 1,26 heißt es, dass der Mensch im Zueinander von Frau und Mann 267 existiert. Dieses Zueinander bezieht sich nicht nur auf die sexuelle Dimension, sondern vielmehr auf das gegenseitige Verstehen in Wort und Antwort. 268 Der Mensch existiert nur in Beziehungen, er braucht ein personales Gegenüber. Für dieses personale Gegenüber gilt es, Verantwortung zu übernehmen. Viertens sei zu betonen, dass dem Menschen ein ganzheitliches Sein 269 zukommt. Der Mensch besteht aus einer leib-seelischen Einheit. Psalm 84,3 und Sprüche 2,10 verweisen auf diese Einheit. Im gesamten Alten Testament ist kein Leib-Seele-Dualismus zu finden. Um den Menschen zu begreifen, muss er als ganzer in den Blick genommen werden. Der Mensch kann nur in seiner ganzheitlichen Leiblichkeit erfasst werden. 270 Die Würde des Menschen besteht in der leib-seelischen Einheit des Menschen. Der Mensch ist dazu aufgerufen, sowohl Leib als auch Seele zu achten, so Gaudium et Spes. 271 Auf zwei weitere Dimensionen des Menschen macht das Neue Testament aufmerksam. Er ist einmalig in seinem gegenwärtigen Leben und endgültig in Bezug auf das ewige Leben. Das irdische Leben des Menschen ist einmalig und die Entscheidung über Tod und Leben obliegt Gott (Mt 10,28). 262 Katechismus der Katholischen Kirche (Hrsg. Oldenburg Benno, Paulusverlag Veritas), 1993, Schockenhoff, Eberhard: Ethik des Lebens. Grundlagen und neue Herausforderungen, Freiburg im Breisgau, 2009, Ebd. 265 Ebd., Ebd., Ebd. 268 Ebd. 269 Ebd., Ebd. 271 Vgl. Gaudium et Spes Nr. 14, in: Rahner, Karl; Vorgrimler, Herbert: Kleines Konzilskompendium, Freiburg im Breisgau, ,

62 Aber dem Gläubigen wird durch die Erkenntnis Gottes Teilhabe an der Gemeinschaft mit dem Vater zuteil. 272 Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass der Mensch eine Sonderrolle in der Schöpfung durch sein relationales, verantwortliches, personales und ganzheitliches Sein, sowohl in der Gegenwart als auch im Hinblick auf die Ewigkeit, einnimmt. Diese Sonderstellung zeigt sich in deutlicher Weise an dem Begriff der Gottebenbildlichkeit und dem ausgesprochenen Tötungsverbot an der Spezies homo sapiens. Wenn auf die Würde des Menschen aufmerksam gemacht wird, dann wird vornehmlich mit der Gottebenbildlichkeit argumentiert. Gott hat den Menschen nach seinem Bilde erschaffen, ihn ausgestattet mit den genannten vier Eigenschaften. In Gaudium et Spes 12 heißt es: Die Heilige Schrift lehrt nämlich, dass der Mensch nach dem Bild Gottes geschaffen ist, fähig, seinen Schöpfer zu erkennen und zu lieben, von ihm zum Herrn über alle irdischen Geschöpfe gesetzt (1), um sie in Verherrlichung Gottes zu beherrschen und zu nutzen (2). 273 Personalität an die Zugehörigkeit zur Spezies Mensch zu knüpfen, verbiete sich und sei ein Speziesismus, so die Gegner. Damit zeigt sich deutlich, dass das Speziesargument der SKIP-Argumentation sich theologisch mit der Gottebenbildlichkeit begründen lässt. (siehe ) Die Gottebenbildlichkeit fasst Schockenhoff mit folgenden Worten zusammen: Der theologische Begriff der Gottebenbildlichkeit und des Aufgerufenseins vonseiten Gottes, in dem die doppelte Bezugnahme Gottes zum Menschen in Schöpfung und Erlösung zusammengefasst ist, findet deshalb auf der anthropologischen Ebene eine Entsprechung im Begriff der Person. 274 Hier zeigt sich auch noch einmal deutlich, was der Begriff Person meint. Person im eigentlichen Sinne ist nicht an Eigenschaften oder Fähigkeiten gekoppelt, die es zu erfüllen gilt. Vielmehr gründet Personsein im Menschsein (siehe ) Dignitas Personae macht darauf aufmerksam, dass in dem Moment der Gottebenbildlichkeit Gott seine Schöpfung sehr gut heißt: Die Kirche ist davon überzeugt, dass das, was menschlich ist, vom Glauben nicht nur aufgenommen und geachtet, sondern auch gereinigt, erhoben und vervollkommnet wird. Nachdem Gott den Menschen als sein Bild und Gleichnis geschaffen hatte (vgl. Gen 1,26), bezeichnete er sein Geschöpf als «sehr gut» (Gen 1,31), um es dann im Sohn anzunehmen (vgl. Joh 1,14). 275 Die Gutheißung der Schöpfung ist unmittelbar an die Gottebenbildlichkeit gekoppelt und stärkt die Würde der menschlichen Person. 272 Vgl. Schockenhoff, Eberhard: Ethik des Lebens. Grundlagen und neue Herausforderungen, Freiburg im Breisgau, 2009, Gaudium et Spes Nr.12, in: Rahner, Karl; Vorgrimler, Herbert: Kleines Konzilskompendium, Freiburg im Breisgau, , Ebd., Kongregation für die Glaubenslehre: Konstitution Dignitas Personae. Über einige Fragen der Bioethik, Nr.7, Rom, (abgerufen am ). 61

63 Das Tötungsverbot des Menschen in der Bibel stellt eine weitere Grundlage für die besondere Stellung des Menschen dar. Das Tötungsverbot (rasah) im Alten Testament bezieht sich nicht auf das Töten von Tieren oder das Töten im Krieg. Töten ist hier am ehesten mit morden gleichzusetzen. 276 Mit Blick auf die Gottebenbildlichkeit hat sich im Laufe der Zeit eine Universalisierung des Tötungsverbotes der Spezies homo sapiens durchgesetzt. Die Universalisierung des Tötungsverbotes war eine mit dem Jahweglauben notwendig gegebene Tendenz. 277 Gründe für die Universalisierung sind die Konsequenz der Gottebenbildlichkeit und die Gleichsetzung der Gottes-und Nächstenliebe. Dabei von Bedeutung sind Gen 9,6 sowie Dtn 6,4-5 und Lev 19,18. Im Neuen Testament wird das Tötungsverbot an verschiedenen Stellen aufgegriffen und mit dem Gericht in Beziehung gesetzt. So heißt es in 1Joh 3,15: Jeder, der seinen Bruder hasst, ist ein Mörder, und ihr wisst: Kein Mörder hat ewiges Leben, das in ihm bleibt. Die Würde der menschlichen Person, wie sie Gaudium et Spes nennt, hat zutiefst biblische Wurzeln. Trotzdem muss darauf aufmerksam gemacht werden, dass nicht alleine die christliche Glaubenslehre, sondern vielmehr eine Trias bestehend aus der klassischen Philosophie, dem europäischen Humanismus und der christlichen Ethik dazu geführt haben, dass der Gedanke der Menschenwürde (siehe ) solch großen Anklang in der Gesellschaft gefunden hat. 278 Nicht zuletzt konnte der Gedanke der Menschenwürde sich auch in anderen Konzilsdokumenten, wie etwa Dignitas humanae - Über die Religionsfreiheit, Nr. 9, durchsetzen. Doch ab wann gilt dieser besondere Schutz des Menschen? Ausgehend von den zwei Theorien Sukzessiv- und Simultanbeseelung wurde die Entwicklung der Katholischen Beseelungslehre schon angeschnitten. Bis Mitte des 19. Jahrhunderts galt in der Katholischen Kirche die Sukzessivbeseelungstheorie, geprägt durch Aristoteles und später Thomas von Aquin. Nach Vorstellung der Kirche durchlief ein Embryo während seiner Entwicklung zuerst ein vegetatives, dann ein sensitives Stadium und erlangte schließlich mit dem 40. oder 90. Tag von Gott die anima intellectiva, den Geist. Mit dem Datum der Beseelung galt der Mensch als vollwertiges Mitglied der Spezies homo sapiens, erlangte die Würde der menschlichen Person. Ausgehend von den neuen Erkenntnissen der Humanmedizin geriet die Theorie Mitte des 19. Jahrhunderts ins Schwanken. Die bis dahin erfolgte Unterscheidung zwischen einem homicidium und einem quasi-homicidium 279 griff 276 Vgl. Schockenhoff, Eberhard: Ethik des Lebens. Grundlagen und neue Herausforderungen, Freiburg im Breisgau, 2009, Schüngel-Straumann, Helen: Der Dekalog Gottes Gebote?, Stuttgart, 1973, Vgl. Schockenhoff, Eberhard: Ethik des Lebens. Grundlagen und neue Herausforderungen, Freiburg im Breisgau, 2009, Hack, Tobias: Der Streit um die Beseelung des Menschen. Eine historisch-systematische Studie, Freiburg Schweiz, Wien, 2011,

64 nicht mehr. Albertus Magnus, Lehrer der Simultanbeseelung, überzeugte die kirchliche Autorität, so Götz. Im Zuge der naturwissenschaftlichen Erforschung des Befruchtungsvorgangs erkannte man schließlich, dass schon der aus der Vereinigung von Ei- und Samenzelle hervorgehende Fötus belebt und von einem formenden Prinzip durchwaltet war. Da dieses formende Prinzip in der scholastischen Philosophie identisch ist mit der Seele, galt nun auch der Fötus von der Befruchtung an als beseelt. Man glaubte auch der Einheit und Kontinuität des sich entwickelnden Lebens mit der Aufnahme der einzigen und unteilbaren Seele, also durch eine Simultanbeseelung, weit besser gerecht zu werden als durch eine Sukzessivbeseelung. 280 In der Konsequenz setzte Pius IX mit der Konstitution Apostolicae sedis am 12. Oktober 1869 einen Schlusspunkt der Unterscheidung zwischen foetus animatus und foetus inanimatus. 281 Mit dem Zeitpunkt der Befruchtung findet eine Simultanbeseelung statt, der Embryo wird nicht nachträglich beseelt. Wenn die anima den corpus formt, kann es keinen unbeseelten Embryo geben. Der Mensch als leib-seelische Ganzheit existiert ab dem Zeitpunkt der Befruchtung. Die vier zentralen Argumente für eine Simultanbeseelung wurden im letzten Kapitel (siehe ) eigens beschrieben. Es zeigt sich, dass die katholische Theologie, ausgehend von den neuen Erkenntnissen aus der Embryologie, einen Wandel in der Beseelungslehre vollzogen hat. Nikolaus Knoepffler weist darauf hin, dass Naturwissenschaften nicht in der Lage sind, die Frage nach der unsterblichen Seele zu beantworten. Die Existenz einer unsterblichen Seele 282 gehört nicht in den Aufgabenbereich der Medizin, so Knoepffler. Laut Donum Vitae können die Ergebnisse der Embryologie dennoch von großer Relevanz sein: Sicherlich kann kein experimentelles Ergebnis für sich genommen ausreichen, um eine Geistseele erkennen zu lassen; dennoch liefern die Ergebnisse der Embryologie einen wertvollen Hinweis, um mit der Vernunft eine personale Gegenwart schon von diesem ersten Erscheinen eines menschlichen Wesens an wahrzunehmen: Wie sollte ein menschliches Individuum nicht eine menschliche Person sein? Götz, Christoph: Medizinische Ethik und katholische Kirche. Die Aussagen des päpstlichen Lehramtes zu Fragen der medizinischen Ethik seit dem Zweiten Vatikanum, in: Auterio, Antonio; Römelt, Josef (Hrsg.): Studien der Moraltheologie. Band 15, Münster, 2000, Hack, Tobias: Der Streit um die Beseelung des Menschen. Eine historisch-systematische Studie, Freiburg Schweiz, Wien, 2011, Knoepffler, Nikolaus: Der Beginn der menschlichen Person du bioethische Konfliktfälle. Anfragen an das Lehramt, Freiburg im Breisgau, 2012, Hl. Kongregation für die Glaubenslehre: Donum Vitae, Rom, 1987, Nr.1., in: Die Unantastbarkeit des menschlichen Lebens. Zur ethischen Fragen der Biomedizin. Mit einem Kommentar von Robert Spaemann, Freiburg im Breisgau, 1987,

65 Im Weiteren heißt es in der Erklärung über den Schwangerschaftsabbruch : Zu dieser Evidenz, die schon immer bestand (ganz unabhängig von den Diskussionen über den Zeitpunkt der Beseelung), liefert die moderne genetische Wissenschaft wertvolle Bestätigungen. Sie hat gezeigt, dass vom ersten Augenblick an das Programm feststeht, was dieses Lebewesen sein wird: ein Mensch, dieser individuelle Mensch mit seinen charakteristischen und schon bestimmten Eigenschaften. Seit der Befruchtung hat das Abenteuer eines menschlichen Lebens begonnen, für das jede der großen Anlagen Zeit braucht, eine hinreichend lange Zeit, um ihren Platz einzunehmen und um aktionsfähig zu werden. 284 Ähnlich hält Donum Vitae fest: Deshalb erfordert die Frucht der menschlichen Zeugung vom ersten Augenblick ihrer Existenz an, also von der Bildung der Zygote an, jene unbedingte Achtung, die man dem menschlichen Wesen in seiner leiblichen und geistigen Ganzheit sittlich schuldet. Ein menschliches Wesen muss vom Augenblick seiner Empfängnis an als Person geachtet und behandelt werden, und infolgedessen muss man ihm von diesem selben Augenblick an die Rechte der Person zuerkennen und darunter vor allem das unverletzliche Recht jedes unschuldigen menschlichen Wesens auf Leben. 285 Unter Berücksichtigung der Dokumente Donum Vitae, Dignitas personae und der Erklärung zur vorsätzlichen Abtreibung zeigt sich die bereits vorgestellte SKIP-Argumentation. Schon die Zygote hat das Potential, sich als Mensch zu entwickeln (Potentialitätsargument). Selbst im unwahrscheinlichen Falle einer späteren Beseelung, greife das Vorsichtsargument De abortu procuratio im Sinne der Potentialität, so Knöpffler. 286 Die Zygote ist außerdem identisch mit dem späteren Menschen (Identitätsargument) und ist, so Günther Rager, ein Individuum im biologischen Sinn 287 (siehe ). Personale Würde kommt dem Menschen durch seine Zugehörigkeit zur Spezies Mensch zu (Speziesargument) und nicht durch Eigenschaften, die dieser später erlangt. Da sich im Sinne der Simultanbeseelungstheorie kein Lebewesen ohne ein inneres geistiges Prinzip zu etwas hin entwickeln kann und ein Leib-Seele-Dualismus sich schon aufgrund der biblischen Grundlagen verbietet, muss die leib-seelische Einheit mit dem Datum der Befruchtung gegeben sein (Kontinuitätsargument). Den Beginn menschlichen Lebens mit dem Zeitraum der Befruchtung anzusetzen, muss Folgen haben, denn 284 Hl. Kongregation für die Glaubenslehre: Erklärung über den Schwangerschaftsabbruch Nr. III, 13, Rom, (abgerufen am ). 285 Hl. Kongregation für die Glaubenslehre: Donum Vitae, Rom, 1987, Nr.1 in: Die Unantastbarkeit des menschlichen Lebens. Zur ethischen Fragen der Biomedizin. Mit einem Kommentar von Robert Spaemann, Freiburg im Breisgau, 1987, Vgl. Knoepffler, Nikolaus: Der Beginn der menschlichen Person du bioethische Konfliktfälle. Anfragen an das Lehramt, Freiburg im Breisgau, 2012, Rager, Günter: Teil I. Naturwissenschaftliche und philosophische Perspektive, in: Rager, Günter; Von Brück, Michael (Hrsg.): Grundzüge einer modernen Anthropologie, Göttingen, 2012,

66 dann muss jedes menschliche Wesen als Person - vom ersten Augenblick seines Daseins an - geachtet werden Das Judentum: Beseelung menschlichen Lebens am 40. Tag nach der Befruchtung Die bisher beschriebene Sonderstellung des Menschen, findet sich ebenfalls im jüdischen Glauben wieder. Basierend auf Gen 2,7, unterscheide sich der Mensch vom Rest der Schöpfung, daher kommt dem Menschen Würde zu. In groben Zügen stellt Rakover heraus, welches Menschenbild im Judentum hinter dem Gedanken der Menschenwürde steht und ob dieser von uneingeschränkter Gültigkeit ist. 289 Der Mensch besteht aus einer Synthese aus Körper und Geist 290 In Genesis Rabba 12,7 heißt es: (Gott) machte ihn aus den unteren Welten und den oberen Welten den Körper aus der unteren Welt und die Seele aus der oberen. 291 Die Stelle macht auf die Bipolarität von Körper und Geist und deren Verwiesenheit aufmerksam. Bei einem genaueren Blick in die Schrift, wird diese Synthese genauer beschrieben. Psalm 150,6 ruft auf: Alles was Odem hat, lobe den Herrn. Odem steht hier für den Atem des Menschen, sein physisches Dasein. Das Loben bezieht sich auf die Seele, die von Gott dem Menschen als einzigem gegeben wurde, darin gründet seine Sonderstellung. Das heißt mit dem physischen Dasein des Menschen durch seine Fähigkeit den Herrn zu loben, ragt er aus der Schöpfung heraus. Eine andere Begründung bezieht sich auf den Sohar, ein Hauptbuch der jüdischen Mystik. Demnach habe Gott einen Teil seiner selbst in den Menschen eingehaucht [ ], womit die Seele des Menschen als göttliches Prinzip zu betrachten sei. 292 Es wirkt in jedem menschlichen Leben ein Funke Gottes, der heilig ist. Die daraus resultierende Gottebenbildlichkeit wird, wie auch im Christentum, mit dem Tötungsverbot in Verbindung gesetzt. Die Erkenntnis, dass der Mensch zum Bilde Gottes geschaffen wurde, bestimmt die einzigartige Stellung des Menschen in der Schöpfung. Der Gedanke, dass der Mensch zum Bilde Gottes geschaffen wurde, ist die Grundlage der jüdischen Besorgnis um die Menschheit, die durch verschiedene Gebote bezüglich des Schutzes des menschlichen Lebens zum Ausdruck kommt. Die 288 Hl. Kongregation für die Glaubenslehre: Donum Vitae, Rom, 1987, Nr.1, in: Die Unantastbarkeit des menschlichen Lebens. Zur ethischen Fragen der Biomedizin. Mit einem Kommentar von Robert Spaemann, Freiburg im Breisgau, 1987, Vgl. Rakover, Nahum: Der Mensch als eine Synthese aus Körper und Geist aus jüdischer Perspektive, in: Kraus, Wolfgang; Altner, Günter; Schwarz, Meier: Bioethik und Menschenbild bei Juden und Christen, Neunkirchen, 1999, Ebd., Ebd Nordmann, Yves: Der Beginn menschlichen Lebens. Aspekte der jüdischen Medizinethik, in: Körtner, Ulrich H.J.; Virt, Günter; von Engelhardt, Dietrich; Haslinger, Franz (Hrsg.): Lebensanfang und Lebensende in den Weltreligionen. Beiträge zu einer interkulturellen Medizinethik, Göttingen, 2009², 8. 65

67 Bibel stellt eine Verbindung her zwischen der Gottebenbildlichkeit und der Strafe, die einer Person, die menschliches Blut vergießt, widerfährt, wie in Gen 9,6 steht., so Rakover. 293 Die Würde des Menschen soll sich in allen Gesetzen widerspiegeln. Eine Trennung zwischen Gesetz und Ethik existiert im Judentum nicht. 294 Daher wird in der jüdischen Rechtsprechung das Thema der Menschenwürde auch immer wieder thematisiert und konkret, beispielsweise im Recht auf Privatsphäre, verwirklicht. Im Zuge dessen muss auch auf den Vergeltungsgedanken in der jüdischen Theologie aufmerksam gemacht werden. Ein Mensch kann auf Grund seiner Taten bestraft werden, verliert aber nicht seine Gottebenbildlichkeit. Die biblische Grundlage dazu findet sich in Deuteronomium 21,22-23: Wenn jemand ein Verbrechen begangen hat, auf das die Todesstrafe steht, wenn er hingerichtet wird und du den Toten an einen Pfahl hängst, dann soll die Leiche nicht über Nacht am Pfahl hängen bleiben, sondern du sollst ihn noch am gleichen Tag begraben; denn ein Gehenkter ist ein von Gott Verfluchter. Du sollst das Land nicht unrein werden lassen, das der Herr, dein Gott, dir als Erbbesitz gibt. Alle Menschen sind nach dem Bilde Gottes geschaffen und verdienen Respekt, unabhängig von ihrer Religion oder den Fähigkeiten der Person. Leben an Fähigkeiten zu koppeln, verbiete sich, so Rabbiner Hofmeister. Jedes geborene Leben ist gleichwertig. 295 Aus der Gottebenbildlichkeit heraus, erwächst laut Judentum die Pflicht die Würde des Menschen zu achten. Demzufolge ist es unsere Aufgabe, die Würde jeder einzelnen von Gott geschaffenen Person zu schützen. 296 Die Aussage des Rabbiners Hofmeister macht schon darauf aufmerksam, dass ungeborenes Leben nicht den gleichen Stellenwert im Judentum besitzt wie das geborene. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass auch im Judentum der Gedanke der Menschenwürde tiefe biblische Wurzeln enthält und auf Grund der Gottebenbildlichkeit und des Tötungsverbotes geschützt wird. Yves Nordmann zitiert in diesem Zusammenhang Jeshajahu Leibovitz, für den es in der Konsequenz kein unwertes Leben geben kann. 297 Deutlich wird hier, dass die Würde des Menschen nicht an Fähigkeiten gekoppelt ist, sodass die beschriebene utilitaristische Argumentation (siehe 293 Rakover, Nahum: Der Mensch als eine Synthese aus Körper und Geist aus jüdischer Perspektive, in: Kraus, Wolfgang; Altner, Günter; Schwarz, Meier: Bioethik und Menschenbild bei Juden und Christen, Neunkirchen, 1999, Vgl. Nordmann, Yves: Der Beginn menschlichen Lebens. Aspekte der jüdischen Medizinethik, in: Körtner, Ulrich H.J.; Virt, Günter; von Engelhardt, Dietrich; Haslinger, Franz (Hrsg.): Lebensanfang und Lebensende in den Weltreligionen. Beiträge zu einer interkulturellen Medizinethik, Göttingen, 2009², Interview mit Rabbiner Hofmeister, in: Anhang, Rakover, Nahum: Der Mensch als eine Synthese aus Körper und Geist aus jüdischer Perspektive, in: Kraus, Wolfgang; Altner, Günter; Schwarz, Meier: Bioethik und Menschenbild bei Juden und Christen, Neunkirchen, 1999, Vgl. Nordmann, Yves: Der Beginn menschlichen Lebens. Aspekte der jüdischen Medizinethik, in: Körtner, Ulrich H.J.; Virt, Günter; von Engelhardt, Dietrich; Haslinger, Franz (Hrsg.): Lebensanfang und Lebensende in den Weltreligionen. Beiträge zu einer interkulturellen Medizinethik, Göttingen, 2009², 9. 66

68 ) auch im Judentum keinen Anklang findet. Auf die Würde des ungeborenen Menschen muss aber eigens eingegangen werden. Lange bezog sich die Frage nach dem Umgang mit ungeborenen Leben auf die Frage der Zulässigkeit von Abtreibungen. Das heißt, wenn danach gefragt wird, wann menschliches Leben beginnt, bezieht sich dies meist auf Abtreibungen im ersten Drittel der Schwangerschaft. 298 Zweierlei sei zu beachten, so Nordmann. Zum einen die Frage danach, wann menschliches Leben biologisch beginnt 299, und zum anderen, ab wann menschliches Leben beginnt, ein schutzwürdiges Gut darzustellen. 300 Schon die Keimzellen sind menschlich und bürgen potentielles Leben in sich und erhalten dadurch einen besonderen Status, so Weisz. 301 Hier handelt es sich aber noch nicht um Leben, dem uneingeschränkt Würde zukommt. Obwohl natürlich auch Embryonen, also auch wie Keimzellen, als besonders gehandhabt werden. Es ist nicht so wie Hautzellen. 302 Die Frage nach der Schutzwürdigkeit kann aber nur mit der Frage nach der Beseelung geklärt werden. Laut jüdischer Lehre wird der menschliche Embryo mit dem 40. Tag nach der Befruchtung beseelt. Die gängige Vorstellung und wir finden sie im Talmud auch, ist, dass der Embryo nach dem 40. Tag beseelt ist. 303 Das Judentum bezieht sich auf die schon vorgestellte Sukzessivbeseelungslehre des Aristoteles. Demnach durchläuft der Embryo drei Stadien, das vegetative, das sensitive und erhält zuletzt durch Gott die anima intellectiva am 40. Tag nach der Befruchtung. Es gäbe zwar eine Stellungnahme gegen diese Auffassung, aber letztendlich sei sie für das Judentum nicht überzeugend genug, so Weisz. Ein römischer Kaiser hätte demnach die Frage gestellt: Wie kann es sein, dass ein Klumpen Zellen nicht verfault, wenn er nicht eingesalzen wird? 304 Er schloss darauf, dass die Seele doch alles zusammenhalten müsse. Argumente, wie die hohe Anzahl an befruchteten Eizellen, die vor der Einnistung abgehen, würden aber deutlich gegen eine solche Sichtweise sprechen. Mit dem 40. Tag habe der Mensch schon zu Zeiten der Väter und Aristoteles die Beobachtung gemacht, dass beim Embryo Gliedmaßen zu sehen sind (siehe vergleichend 2.2.) Laut Nordmann und Rabbiner Hofmeister lässt sich der Status des Ungeborenen und Säuglings in drei bzw. vier Stadien unterteilen. Der Wert menschlichen Lebens erfährt stufenweise eine höhere Wertigkeit. 298 Vgl. Nordmann, Yves: Zwischen Leben und Tod. Aspekte der jüdischen Medizinethik, Bern, Berlin, Bruxelles, Frankfurt am Main, New York, Oxford, Wien, 2000², Ebd., Ebd. 301 Vgl. Interview mit Willy Weisz, in: Anhang, Ebd. 303 Ebd., Ebd. 67

69 Leben an sich beginnt, wenn sich die zwei Keimzellen verbinden, bei der Befruchtung. [ ] Aber es gibt verschiedene Stufen des Lebens. [ ] Einerseits natürlich bereits das potentielle Leben der einzelnen Keimzelle. Das ist bereits potentielles Leben. Das hat bereits eine gewisse Wertigkeit. Dann hat natürlich eine Zygote eine höhere Wertigkeit. Wir sprechen dann aber dann vom Leben, im Sinn, dass Leben eine Seele bekommt, dass es sich um einen Menschen handelt, dann sprechen wir von 40 Tagen, nach der Beseelung. 305 Erst mit dem Moment der Geburt, wenn das Kind selbst atmet, haben beide Leben den gleichen Stellenwert. 306 Erstes sei, laut Nordmann, das Stadium des Embryos bis zum 40. Tag. Der Embryo vor dem 40. Tag ist laut jüdischer Auffassung eine potentielle Person, mehr aber nicht. Im Talmud wird er als bloßes Wasser bezeichnet. 307 Und ist sie schwanger, so ist (der Same) bis zum vierzigsten [Tage] nichts weiter als Wasser. 308 Bei Rosner heißt es: The fetus is regarded as a part of the mother s body and not a separate being until it begins to egress from the womb during parturition. In fact, until forty days after conception, the fertilized egg is considered as mere fluid 309 Zwei zentrale Stellen sprechen für die Unterteilung in vor und nach 40 Tagen. Zum einen müssen nach einem Abgang die Gesetze zur rituellen Reinheit 310 ernst genommen werden, zum anderen wird eine Unterscheidung zwischen einer Abtreibung vor und nach dem 40. Tag getroffen. Bei einem Abbruch nach dem 40. Tag muss eine Frau Opfer in gleichen Maße darbringen, wie wenn sie das Kind ausgetragen hätte. Im Talmudtraktat Nidda zeigt sich, dass einem Verlust des Embryos vor dem 40. Tage kein Opfer zu darzubringen ist. Wenn (eine Frau) am vierzigsten Tage etwas ausstößt, so braucht sie keine Geburt zu berücksichtigen, wenn am einundvierzigsten, so verweile sie wie bei einem Knaben und einem Mädchen und als Menstruierende. [ ] Die Weisen sagen, sowohl die Bildung des Männlichen, als auch die Bildung des Weiblichen, beide mit einundvierzig. 311 Der Embryo besitzt noch keine Personenrechte, er ist kein nefesch (Person) nach talmudischer Regel, so Nordmann. 312 Den Vergleich des Embryos zwischen vor 40 Tagen mit dem eines Tieres scheut Hofmeister. Festzuhalten 305 Interview mit Rabbiner Hofmeister, in: Anhang, Ebd., Vgl. Mackler, Aaron L.: Introduction to Jewish and Catholic Bioethics. A Comparative Analysis, Washington D.C., 2003, 131. und Nordmann, Yves: Zwischen Leben und Tod. Aspekte der jüdischen Medizinethik. 2. überarbeitete Auflage, 1999, 2000, Bern, Berlin, Bruxelles, Frankfurt am Main, New York, Oxford, Wien, 2000, Talmud, Traktat Jebamoth 69b, in: Der Babylonische Talmud. Neu übertragen durch Lazarus Goldschmidt, Berlin, 1931, Band 4, Rosner, Fred: Biomedical Ethics and Jewish Law, Hoboken, New Jersey, 2001, Nordmann, Yves: Zwischen Leben und Tod. Aspekte der jüdischen Medizinethik, Bern, Berlin, Bruxelles, Frankfurt am Main, New York, Oxford, Wien, 2000², Talmud, Traktat Nidda III, 30a, in: Der Babylonische Talmud. Neu übertragen durch Lazarus Goldschmidt, Berlin, 1931, Band 12, Vgl. Nordmann, Yves: Zwischen Leben und Tod. Aspekte der jüdischen Medizinethik, Bern, Berlin, Bruxelles, Frankfurt am Main, New York, Oxford, Wien, 2000²,

70 sei aber, dass der Embryo vor 40 Tagen nicht den gleichen Stellenwert hat wie nach 40. Tagen. 313 Auch weist er daraufhin, dass die Unterscheidung zwischen der Eizelle und der befruchteten Eizelle lediglich eine geringe sei. Das potentielle Leben der Eizelle ist fast genauso wichtig, wie dann die befruchtete. 314 Diesbezüglich ist auf das Potentialitätsargument der SKIP-Argumente verwiesen, wo die Frage gestellt wird, ab wann das Potential anzusetzen ist. Im zweiten Stadium des Embryos, jenem vom 40. Tag bis zur Geburt, wird insbesondere mit der Zugehörigkeit des Embryos zum Körper der Frau argumentiert. Im Fokus steht der Schriftverweis auf Ex 21, Besagte Stelle beschreibt einen Angriff auf eine schwangere Frau. Die Hauptsorge gilt hier der Frau. Wenn Männer miteinander raufen und dabei eine schwangere Frau treffen so dass sie eine Fehlgeburt hat, ohne dass ein weiterer Schaden entsteht, dann soll der Täter eine Buße zahlen, die ihm der Ehemann der Frau auferlegt, er kann die Zahlung nach dem Urteil von Schiedsrichtern leisten. Ist weiterer Schaden entstanden, dann musst du geben: Leben für Leben [ ]. Wie schon oben angedeutet, gilt auch im Judentum das Tötungsverbot im Hinblick auf die Würde des Menschen. Exodus 21,12 spricht hier aber vom Menschen im Sinne von isch, nicht von einem Fötus, so die Auslegung des Talmudtraktates Sauhedrin. Im Falle eines Verlustes des Kindes ist zwar für die Eltern ein Schaden entstanden, der wieder gut zu machen sei, allerdings ist dies kein Mord im Sinne des Tötungsverbotes. In diesem Zusammenhang kann darauf hingewiesen werden, dass das Tötungsverbot im Judentum nicht diese Wende hin zu einem universalen Tötungsverbot, wie Schockenhoff sie in der katholischen Tradition beschreibt, erfahren hat. 315 Eine andere Stelle, die Mischna 316 aus Arachin, befasst sich mit der Frage, ob eine schwangere Frau exekutiert werden darf. Die Entscheidung lautet: Ja, man darf sie töten, wenn die Frau nicht während der Exekution bereits Wehen hat. In diesem Falle muss gewartet werden, bis das Kind auf der Welt ist. Der Embryo ist Teil des Körpers der Frau und noch keine eigenständige Person. 317 All Jewish authorities agree that the fetus has a lesser status than that of the woman. 318 In contrast, all Jewish writers agree that the fetus does not fully acquire the status of personhood until birth. 319 Im Falle einer Entscheidung zwischen Frau und Kind, wird diese immer zugunsten der Mutter gefällt. Wenn, insbesondre, wenn das Leben, die Gesundheit, auch die psychische Gesundheit der werdenden Mutter auf dem Spiel steht, hat die Vorrang gegenüber dem 313 Vgl. Interview mit Rabbiner Hofmeister, in: Anhang, Ebd., Vgl. Schockenhoff, Eberhard: Ethik des Lebens. Grundlagen und neue Herausforderungen, Freiburg im Breisgau, 2009, Anm. YZ: Die Mischna ist die erste größere Niederschrift der mündlichen Tora. 317 Vgl. u.a. Nordmann, Yves: Der Beginn menschlichen Lebens. Aspekte der jüdischen Medizinethik, in: Körtner, Ulrich H.J.; Virt, Günter; von Engelhardt, Dietrich; Haslinger, Franz (Hrsg.): Lebensanfang und Lebensende in den Weltreligionen. Beiträge zu einer interkulturellen Medizinethik, Göttingen, 2009², Mackler, Aaron L.: Introduction to Jewish and Catholic Bioethics. A Comparative Analysis, Washington D.C., 2003, Ebd.,

71 Embryo. 320 Grundlage dafür stellt eine Textstelle des Talmud Traktates Ahilut dar. Befindet sich ein Weib in schweren Geburtswehen, so zerschneide man das Kind in ihrem Leibe und hole es Stückweise heraus. Denn ihr Leben geht seinem Leben vor. Ist die größere Hälfte herausgekommen, so rühre man es nicht an, denn man verstoße nicht ein Leben wegen eines Lebens. 321 Mit dem dritten Stadium, der Geburt, erlangt der Säugling nach jüdischem Recht den Personenstatus. Der Fötus wird dann zur Person, wenn der größere Teil geboren wird, so heißt es in der Mischna in Oholot. Maimonides und Schulchan Aruch sprechen von dem Herauskommen des Kopfes bei der Geburt und im Talmud Jerusalem erlangt der Fötus erst dann Personenrechte (nefesch), wenn er das erste Mal atmet. So auch Rabbiner Hofmeister: Erst mit dem Moment der Geburt, wenn das Kind selbst atmet, haben beide Leben den gleichen Stellenwert. 322 Als viertes Stadium führen Nordmann und Rosner den Status des Neugeborenen bis zum 30. Tag nach der Geburt an. Dieses Stadium wird weder von Hofmeister noch von Weisz angeführt und scheint daher nicht unumstritten. Hier wird unterschieden in eine Normal- und Frühgeburt. Im Falle einer Frühgeburt kommen dem Kind die Personenrechte erst mit dem 30. Tag zu. Grundlage dafür bietet die Talmudstelle in Schabbat, sowie die Kodifizierung von Maimonides. And those that are to be redeemed of them from a month old shalt thou redeem (Num, 18:16), since prior to thirty days it is not certain that he will survive, so Rosner. 323 Die verschiedenen Stufen wollen aber keineswegs dem Embryo Wertigkeit an sich absprechen. Auch wenn der Personenstatus aus Sicht des jüdischen Gesetzes erst mit der Geburt beginnt, ist ungeborenes Leben im Mutterleib dennoch zu jedem Zeitpunkt seiner Entwicklung als menschliches Leben zu betrachten und mit entsprechendem Respekt zu behandeln. 324, so Nordmann Islamische Positionen zum Beginn menschlichen Lebens Der Islam beruft sich in allen theologischen Aussagen auf zwei wesentliche Quellen, den Koran und die Tradition Mohammeds, Sunna genannt. Nach islamischer Anthropologie nimmt der Mensch eine besondere Rolle in der Schöpfung ein, der Begriff Gottebenbildlichkeit spielt dabei aber nur eine untergeordnete Rolle. Der Fokus wird im Islam stärker auf den Schöpfergott und seine Allmächtigkeit 320 Interview mit Willy Weisz, in: Anhang, Talmud, Traktat Ahilut, 7,6, in: Der Babylonische Talmud. Neu übertragen durch Lazarus Goldschmidt, Berlin, 1931, Band 12, Interview mit Rabbiner Hofmeister, in: Anhang, Rosner, Fred: Biomedical Ethics and Jewish Law, Hoboken, New Jersey, 2001, Nordmann, Yves: Der Beginn menschlichen Lebens. Aspekte der jüdischen Medizinethik, in: Körtner, Ulrich H.J.; Virt, Günter; von Engelhardt, Dietrich; Haslinger, Franz (Hrsg.): Lebensanfang und Lebensende in den Weltreligionen. Beiträge zu einer interkulturellen Medizinethik, Göttingen, 2009²,

72 gelegt. Ibrahim Olgun führt aus, dass von den einzelnen Atomen bis zu den Gestirnen, also bis zu den größten Lebewesen, [ ] alle Lebewesen im Auftrag von Gott 325 stehen. Gott verfügt über den Menschen, es geschieht nichts ohne Gottes Erlaubnis, so auch in der Schöpfung. Das Leben bestimmt nur Gott. 326, daher kann auch nur Gott das Leben dem Menschen auch wieder nehmen. Der Mensch wird durch die Bestimmung Gottes auf die Erde gesandt. 327 Der Sinn menschlichen Lebens liegt darin, dass dieser der Überprüfung Gottes auf Erden standhält. Von der Pubertät bis zum Ende des Lebens wird der Mensch überprüft von Gott, sei es mit Krankheiten, mit Reichtum oder mit Armut. 328 Um dieser Überprüfung stand zu halten, hat der Mensch besondere Gottesgaben erhalten. Unter allen Geschöpfen ragt er durch diese Eigenschaften heraus. Nach islamischen Menschenbild hat der Mensch die höchste Stellung bei Gott unter seinen Mitgeschöpfen und er ist auf der Erde Statthalter Gottes (khalifa). Dem Koran zufolge wurde der Mensch in idealer Gestalt geschaffen und mit vielen Gottesgaben versehen. 329 Die Gottesgaben ermächtigen den Menschen zu einer besonderen Rolle unter allen Geschöpfen. Der Mensch ist seinem Wesen nach auf Gott ausgerichtet. Zudem hat Gott dem Menschen einen besonderen Platz in der Schöpfung und unter den Geschöpfen zugewiesen, dem Verständnis des Koran folgend ist er Stellvertreter (khalifa) Gottes auf Erden. 330 Heper verweist auf die unterschiedlichen Übersetzungen des Wortes khalifa. So wird der Begriff an der einen Stelle als Statthalter übersetzt, an anderen Stellen von Theologen als Stellvertreter ausgelegt. Einige Theologen legen den Begriff Statthalter als Stellvertreter aus und leiten hieraus in Anlehnung an die jüdischchristliche Gottesebenbildlichkeit die Würde des Menschen ab. Der Grund für diese besondere Stellung des Menschen wird in dessen Vernunftbegabung gesehen. 331 Fischer betont, dass der Mensch nach islamischem Verständnis heilig sei und eine leib-seelische Einheit bilde. Diese Einheit steht im besonderen Verhältnis zum Tötungsverbot geborenen menschlichen Lebens. Allein Gott darf das Leben beenden. Er hat es dem Menschen gegeben, daher obliegt es allein ihm, es zu beenden. Der Mensch gehört sich nicht selbst, da er sich nicht selbst erschaffen hat. 332 Wie auch bei den anderen beiden monotheistischen Religionen wird das Tötungsverbot mit dem Menschenbild in Beziehung gesetzt. Das Tötungsverbot im Islam ist nicht universell zu verstehen, es gelten bestimmten Ausnahmeregelungen. So ist das Tötungsverbot außer Kraft gesetzt, wenn eine 325 Interview mit Ibrahim Olgun, in: Anhang, Ebd., Vgl. ebd., Ebd. 329 Ilkilic, Ilhan: Wann beginnt das menschliche Leben? Philosophisch-theologische Reflexionen aus der muslimischen Perspektive, in: Körtner, Ulrich H.J.; Virt, Günter; von Engelhardt, Dietrich; Haslinger, Franz (Hrsg.): Lebensanfang und Lebensende in den Weltreligionen. Beiträge zu einer interkulturellen Medizinethik, Göttingen, 2009², Fischer, Nils: Islamische Positionen zum pränatalen Leben, Freiburg im Breisgau, 2012, Heper, Altan: Menschenwürde, Islam und bioethische Fragen, in: Joerden, Jan C.; Hilgendorf, Eric; Thiele, Felix (Hrsg.): Menschenwürde und Medizin. Ein interdisziplinäres Handbuch, Berlin, 2013, Fischer, Nils: Islamische Positionen zum pränatalen Leben, Freiburg im Breisgau, 2012,

73 gerechtfertigte Rache (qisas) von Nöten ist, Krieg herrscht oder jemand nach islamischem Recht zum Tode verurteilt wird, bspw. bei Mord. In Koran 5,32 heißt es: Aus diesem Grunde haben Wir den Kindern Isrāʾīls vorgeschrieben: Wer ein menschliches Wesen tötet, ohne (daß es) einen Mord (begangen) oder auf der Erde Unheil gestiftet (hat), so ist es, als ob er alle Menschen getötet hätte. Und wer es am Leben erhält, so ist es, als ob er alle Menschen am Leben erhält. Unsere Gesandten sind bereits mit klaren Beweisen zu ihnen gekommen. Danach aber sind viele von ihnen wahrlich maßlos auf der Erde geblieben. 333 An anderer Stelle wird das Tötungsverbot nur an gläubige Muslime ausgesprochen. At-Tabri, ein Korankommentator, versteht die Stelle als eine Bestätigung des ersten Tötungsverbotes. Laut dem Religionsgelehrten az-zamahsari gründe die Würde des Menschen in den Fähigkeiten, die Gott dem Menschen gegeben habe, so Fischer. Ein Tötungsverbot muss daher universell sein. 334 So heißt es in der Universal Islamic declaration of human rights vom 19. September 1981 im 1. Paragraphen: Menschliches Leben ist heilig und unantastbar und jede Anstrengung soll zu seinem Schutz unternommen werden. 335 Die Organisation der islamischen Konferenz (OIC) hält in ihrem Charter fest: We the Member States of the Organisation of the Islamic Conference, determined: [ ] to promote human rights and fundamental freedoms. 336 Die OIC wurde 1972 gegründet. Ihr gehören alle 57 Staaten an, die einen hohen prozentualen Bevölkerungsanteil an Muslimen im Land haben. 337 Ab wann gilt aber diese Würde? Da das universelle Tötungsverbot sich nur auf geborenes Leben bezieht, stellt sich die Frage, ab wann menschliches Leben beginnt und ab wann es laut islamischer Vorstellung einen schutzwürdigen Status darstellt. Ausgehend von der schon vorgestellten Darstellung, dass alles nur deshalb sei, weil Gott es geschaffen hat, muss auch der Embryo von Gott geschaffen sein. In Koran, Sure 96/ 1-4 zeigt sich diese Vermutung bestätigt: Lies im Namen deines Herrn, der erschaffen hat, den Menschen erschaffen hat aus einem Anhängsel. Lies und dein Herr ist der Edelste. Der (das Schreiben) mit dem Schreibrohr gelernt hat. 338 Elmalili Hamdi Yazir differenziert zwischen zwei verschiedenen Dimensionen menschlicher Entwicklung. Zum einen nennt er die 333 Übersetzung nach Scheich Abdullah As-Samit (F. Bubenheim) und Nadeem Elyas, auf der Plattform islam.de. (abgerufen am ). 334 Vgl. Fischer, Nils: Islamische Positionen zum pränatalen Leben, Freiburg im Breisgau, 2012, Islamischer Europarat: Universal-islamische Erklärung der Menschenrechte, 19. September tion_hr.html&prev=search, (abgerufen am ). 336 Organisation of Islamic Cooperation: OIC Charter, Saudi Arabien, (abgerufen am ). 337 Vgl. Bundeszentrale für Politische Bildung: Organisation der Islamischen Konferenz (OIC), in: (abgerufen am ). 338 Übersetzung nach Scheich Abdullah As-Samit (F. Bubenheim) und Nadeem Elyas, auf der Plattform islam.de. (abgerufen am ). 72

74 anatomische und physiologische Entwicklung des Menschen 339. Diese sei ein Wunder des Schöpfergottes. Zum anderen ist die Entwicklung der intellektuellen Fähigkeiten eines Menschen zu beachten. Diese sind Gottesgaben, die aus seiner Barmherzigkeit resultieren. 340 In der zentralen Koranstelle Sure 23/12-16 (vgl. auch Sure 32/7-9) wird die Entwicklung des Menschen beschrieben. Wir schufen den Menschen ja aus einem Auszug aus Lehm. Hierauf machten Wir ihn zu einem Samentropfen in einem festen Aufenthaltsort. Hierauf schufen Wir den Samentropfen zu einem Anhängsel, dann schufen Wir das Anhängsel zu einem kleinen Klumpen, dann schufen Wir den kleinen Klumpen zu Knochen, dann bekleideten Wir die Knochen mit Fleisch. Hierauf ließen Wir ihn als eine weitere Schöpfung entstehen. Segensreich ist Allah, der beste Schöpfer. Hierauf werdet ihr gewiß nach (all) diesem sterben. 341 Es wird deutlich, dass der Islam, ähnlich wie das Judentum, von einer Sukzessivbeseelung ausgeht, bei der der Embryo verschiedene Stufen der Entwicklung durchläuft. Der Mensch wird aus Ton zu einem Tropfen erschaffen und gelangt anschließend zu seinem Aufenthaltsort (Nidation). Er entwickelt im Laufe der Zeit eine menschliche Form, wird mit Knochen und Fleisch bekleidet und zuletzt durch seinen Schöpfer beseelt. Aussagen zum Zeitpunkt der Beseelung lassen sich im Koran nicht finden. In einem Ausspruch des Propheten Mohammed, Hadith, heißt es: Wahrlich, die Schöpfung eines jeden von euch wird im Leibe seiner Mutter in vierzig Tagen (als Samentropfen [nutfa]) zusammengebracht, dennoch ist er ebenso lang ein Blutklumpen [alaqa], danach ist er ebenso lang ein kleiner Fleischklumpen [mudge].[ ] Dann haucht Er ihm die Seele ein. 342 Laut Ilkilic finden sich in der Hadith aber auch andere Aussagen zum Zeitpunkt der Beseelung, sodass im Islam keine einheitliche Meinung über den Zeitpunkt der Beseelung herrscht. Am stärksten sei der Zeitpunkt nach 120 Tagen vertreten, allerdings gäbe es auch Vertreter, die sich für eine Beseelung nach 40, 42, 45 oder 80 Tagen aussprechen, so Ilkilic. Ein weiterer Anhaltspunkt stellt für Muslime die Analogie zu Adam, dem ersten Menschen, dar. Wann beginnt das Leben bei Adam? Mit der Einhauchung des Atems durch Gott. 343 In den Schriften, Koran und Sunna, findet sich keine klare zeitliche Einteilung der verschiedenen Entwicklungsstufen. Ein Hinweis zum Beginn menschlichen Lebens liefert der Koran mit der Angabe, dass die Zeit der Schwangerschaft und Stillzeit in Summe 30 Monate beträgt. An einer anderen Stelle 339 Ilkilic, Ilhan: Wann beginnt das menschliche Leben? Philosophisch-theologische Reflexionen aus der muslimischen Perspektive, in: Körtner, Ulrich H.J.; Virt, Günter; von Engelhardt, Dietrich; Haslinger, Franz (Hrsg.): Lebensanfang und Lebensende in den Weltreligionen. Beiträge zu einer interkulturellen Medizinethik. Göttingen, 2009², Ebd. 341 Übersetzung nach Scheich Abdullah As-Samit (F. Bubenheim) und Nadeem Elyas, auf der Plattform islam.de. (abgerufen am ). 342 Übersetzung nach Ilkilic, Ilhan: Wann beginnt das menschliche Leben? Philosophisch-theologische Reflexionen aus der muslimischen Perspektive, in: Körtner, Ulrich H.J.; Virt, Günter; von Engelhardt, Dietrich; Haslinger, Franz (Hrsg.): Lebensanfang und Lebensende in den Weltreligionen. Beiträge zu einer interkulturellen Medizinethik, Göttingen, 2009², Vgl. Fischer, Nils: Islamische Positionen zum pränatalen Leben, Freiburg im Breisgau, 2012,

75 wird von einer zwei-jährigen Stillzeit gesprochen. Demnach würde die Schwangerschaft eines beseelten Embryos sechs Monate andauern, ein weiteres Argument für eine Beseelung mit dem 120. Tag. Der Zeitpunkt der Beseelung ist im Hinblick auf mögliche Schwangerschaftsabbrüche relevant. Die Debatte um den Zeitpunkt der Beseelung steht in direktem Verhältnis zu der Frage, wie groß das Verbrechen des Schwangerschaftsabbruches in den verschiedenen Stadien des Embryos ist. Die Strafe wird proportional zum Entwicklungsstadium des Embryos angehoben. So steigert sich die Schlechtigkeit des Verbrechens 344, wenn die Seele eingehaucht wird und der Fötus zu einem Geschöpf wird. 345 Bei der Frage nach dem Beginn menschlichen Lebens, dem Beginn eines Lebens, das schützenswert sei, und der damit verbundenen Schwangerschaftsabbruchdebatte, herrscht kein Konsens. Ilkilic führt zwei Gründe für die Problematik einer gemeinsamen Urteilfindung an: Das Fehlen einer Hierarchie unter den Rechtsgelehrten und kompetenten Personen, sowie spezifischer Urteilsbildungen machen es unmöglich, nur eine Beurteilung als einzig gottgewollte Entscheidung zu deklarieren. 346 Weiteres macht die traditionelle kasuistische Methodik eine Güterabwägung unmöglich. Einigkeit herrscht bei der Frage nach dem Beginn menschlichen Lebens dahingehend, dass eine Beseelung nicht mit der Befruchtung, sondern erst später erfolgt. Offen bleibt aber, inwiefern der unbeseelte Embryo zu schützen sei. Aussagen über den Zusammenhang der Beseelung und der Schutzwürdigkeit trifft der Koran nicht. Es stellt sich im islamischen Verständnis nicht die Frage, wann der Embryo beseelt wird, sondern vielmehr jene, ab wann der Embryo zu schützen ist. Um den Embryo vor seiner Beseelung als nicht schutzwürdig zu erklären, würde voraussetzen, dass die Beseelung eine kategorische Veränderung für den moralischen Status des Embryos darstellt. 347 Fünf verschiedene Rechtschulen widmen sich dieser Frage. Laut Hanafitischer Rechtsschule, besonders in der Türkei, dem Balkan, Afghanistan, Pakistan und Bangladesch vorherrschend, sind Abtreibungen in den ersten drei Monaten dann erlaubt, wenn ein triftiger Grund vorliegt. 348 Innerhalb der Malikitische Rechtschule (Nordafrika) spricht die Mehrheit der Gläubigen sich für ein striktes Abtreibungsverbot aus. Von den Autoritäten wird sie bis zum Zeitpunkt der Beseelung, am 40. Tag, toleriert. Die Schafitische Rechtsschule verbietet den Schwangerschaftsabbruch erst ab dem Zeitpunkt 344 Ilkilic, Ilhan: Wann beginnt das menschliche Leben? Philosophisch-theologische Reflexionen aus der muslimischen Perspektive, in: Körtner, Ulrich H.J.; Virt, Günter; von Engelhardt, Dietrich; Haslinger, Franz (Hrsg.): Lebensanfang und Lebensende in den Weltreligionen. Beiträge zu einer interkulturellen Medizinethik, Göttingen, 2009², Ebd. 346 Ebd., Ebd., Vgl. Fischer, Nils: Der Status des Embryos im Islam. Sankt Augustin, Berlin: Konrad-Adenauer-Stiftung, 2014, (abgerufen am 3. November 2014). 74

76 der Beseelung am 120. Tag. Die in Saudi-Arabien vorherrschende Hanabalitische Rechtsschule verbietet einen Schwangerschaftsabbruch zwar erst ab dem 40. Tag, die Mehrheit der Gläubigen innerhalb der Rechtsschule plädiert aber für ein generelles Abtreibungsverbot. Ein absolutes Schwangerschaftsabbruchverbot spricht die schiitische Rechtsschule, vorherrschend im Iran, Libanon und Irak, aus. 349 Verschiedene Islamtheologen beschäftigen sich mit dem Thema. Zentral ist aber weniger, dass die Befruchtung den Beginn des Lebens setzt, auch wenn die Beseelung erst später erfolgt, das wisse man inzwischen durch die Naturwissenschaften, 350 sondern ob Gott Abtreibungen erlaubt. Wenn Gott alleine das Leben gibt und nimmt, ihm das Leben des Menschen gehört, können Abtreibungen schariarechtlich nur verboten sein, so Fischer. 351 Das heißt prinzipiell ist ein Schwangerschaftsabbruch nach islamischer Theologie verboten, aber mit Ausnahmen. Also dieses Abtreiben ist im Prinzip, im Prinzip ist im Islam die Abtreibung verboten, prinzipiell. Das ist jetzt so eine Regel wird, ja auf Grund dessen, dass man sich was aussuchen kann, das kann hier überhaupt nicht in Frage kommen. 352, so Elibol. Diese Ausnahmen sind in den verschiedenen Stadien unterschiedlich. Bei der Frage nach der Schutzwürdigkeit des unbeseelten Embryos wird unter den Gelehrten zwischen drei verschiedenen Möglichkeiten diskutiert. Als erste Möglichkeit des Beginns der Schutzwürdigkeit wird die Verschmelzung von Samen und Eizelle angeführt (Befruchtung). Vertreter dieser These führen als Argument an, dass mit dem Zeitpunkt der Befruchtung schon alle genetischen Anlagen gegeben seien (vgl ). Die zweite Möglichkeit stellt die Nidation (vgl ) dar. Der Embryo gilt dann als schützenswert, wenn er die Umgebung erreicht hat, die er zum Überleben braucht. Eine dritte Gruppe spricht sich für einen Schutz ab der Befruchtung aus, da vorher keine leib-seelische Einheit im Embryo vorherrsche. Einigkeit konnte nur dahingehend erzielt werden, dass dem Embryo ab der Nidation ein zu schützender Status zukomme. Die IOMS 353 hält 1985 fest: Man ist sich einig, dass nach der Festsetzung der Leibesfrucht im Körper der Frau die Leibesfrucht Schutzrechte genießt und die bekannten Urteile der Scharia hier zu gelten haben. 354 Die Entscheidung wurde bei der Debatte um erlaubte Verhütungsmethoden, insbesondere die Spirale, getroffen. 349 Vgl. ebd. 350 Vgl. Eich, Thomas: Islam und Bioethik, Heidelberg, 2005, Vgl. Fischer, Nils: Islamische Positionen zum pränatalen Leben, Freiburg im Breisgau, 2012, Interview mit Zeynep Elibol, in: Anhang, 185. Aufgrund der wörtlichen Transkription ist der Satzbau nicht immer korrekt. 353 Die IOMS Islamic Organizationfor Medicial Science ist in Kuwait stationiert und kommt in unregelmäßigen Abständen zu Konferenzen in medizinethischen Fragen zusammen. Die Dokumente sind teilweise für die Öffentlichkeit nur schwer zugänglich. 354 IOMS, 1985, zitiert nach Übersetzung aus: Eich, Thomas: Islam und Bioethik, Heidelberg, 2005, 39. (Im Rahmen einer Diplomarbeit war es nicht möglich in die unveröffentlichten Originalunterlagen aus dem Ausland einzusehen). 75

77 In den letzten Jahrzehnten haben sich zwei gegenüberstehende Lager gebildet. Jene, die für eine Schutzfähigkeit ab der Befruchtung, und jene, die dem Embryo ab der Nidation einen besonderen Schutz zusprechen. Im Diskurs finden sich verschiedene Ansätze. So ist nach Muhammed al Muhtar as- Salami, tunesischen Rechtsgelehrten, die befruchtete Eizelle noch kein Mensch. Sie nimmt eine Zwischenstufe zwischen Tier und Mensch ein. Laut Fischer wollte dieser aber keine Abwertung des vorgeburtlichen Lebens vornehmen, sondern vielmehr sagen, dass vorgeburtliches Leben auch in der ersten Phase geehrt (mukkaram) werden müsse. Die Zerstörung dieses Lebens sei zwar nicht dem Angriff auf geborenes menschliches Leben vergleichbar, sei aber als Verletzung eines Wesens (ka in), das ein Mensch hätte werden können, zu verstehen. 355 Berater für islamisches Recht am kuwaitischen Religionsministerium Badr al-mutawalli Abd al-basit 356 plädieren für die Schutzwürdigkeit des Embryos ab der Befruchtung. Der Embryo trage in diesem Stadium schon die Wurzel für aktives Leben ins sich. Grund für derartige Argumentationen stellen insbesondere die neuen Erkenntnisse der Naturwissenschaften dar. Noch im 15. Jahrhundert schrieb ein Rechtsgelehrter, dass es nicht erlaubt sei, geformtes Sperma abzutreiben, so Eich. 357 Die Diskussion gilt bis heute nicht als abgeschlossen. Grund sei laut Ilkilic sicherlich auch, dass sowohl die schlechte wirtschaftliche Situation als auch das mangelnde wissenschaftliche Know-how beziehungsweise die nicht vorhandene Infrastruktur verhindern, dass Biomedizin und Bioethik Gegenstand breiter öffentlicher Diskussionen werden Fischer, Nils: Islamische Positionen zum pränatalen Leben, Freiburg im Breisgau, 2012, Ebd., Vgl. Eich, Thomas: Islam und Bioethik, Heidelberg, 2005, Ilkilic, Ilhan: Wann beginnt das menschliche Leben? Philosophisch-theologische Reflexionen aus der muslimischen Perspektive, in: Körtner, Ulrich H.J.; Virt, Günter; von Engelhardt, Dietrich; Haslinger, Franz (Hrsg.): Lebensanfang und Lebensende in den Weltreligionen. Beiträge zu einer interkulturellen Medizinethik, Göttingen, 2009²,

78 3. Ethisch relevante Problemfelder zur Bewertung der PID 3.1. Der Beginn menschlichen Lebens als Paradigma für die Bewertung der PID Katholische Kirche: Weitergabe des Lebens als Akt der Liebe innerhalb der Ehe In welchem Bereich findet die Weitergabe des Lebens statt? Welche Bedingungen werden vorausgesetzt? Zur Klärung dieser Fragen ist es sinnvoll, einen Blick auf die Sexuallehre der Katholischen Kirche zu werfen. Mann und Frau sind folgendermaßen aufeinander verwiesen: Die Geschlechtlichkeit gehört zum leiblich-seelischen Sosein des Mannes und der Frau und wirkt sich auf Denken und Handeln, im Gefühl und im Gottesverhältnis aus. 359 Die Liebe zwischen Mann und Frau hat ihre Grundlage in Gott ( Gott ist die Liebe 1 Joh. 4,16). 360 Der Eros, die begehrende Liebe steht an zentraler Stelle innerhalb der Ehe. Aber erst in Verbindung mit der Agape wird sie zur vollen Liebe. Das Konzilsdokument Gaudium et Spes (GS) spricht von der Heiligkeit der Ehe. Darum gewähren Mann und Frau, die im Ehebund nicht mehr zwei sind, sondern ein Fleisch (Mt 19,6), in inniger Verbundenheit der Personen und ihres Tuns gegenseitige Hilfe und gegenseitigen Dienst und erfahren und vollziehen dadurch immer mehr und voller das eigentliche Wesen ihrer Einheit. 361 Die Ehe ist also der zentrale Ausgangspunkt, von dem aus die katholische Kirche Sexualität versteht. Nur innerhalb der Ehe findet Fortpflanzung und Weitergabe des Lebens statt. Drei wesentliche Merkmale umfasst sie: Die Hinordnung auf neues Leben, die Unauflöslichkeit und die Einpaarigkeit. 362 Als ein Sakrament untersteht sie dem Kirchenrecht und dessen Bestimmungen. Die Ehe soll das Verhältnis der Liebe zwischen Christus und seiner Kirche auf Erden zeigen. So heißt es in GS 48: Ziel der Ehe ist Vervollkommnung und Verherrlichung Gottes. Im Kontext der hier behandelten Fragestellung der IVF ist es notwendig auf zwei von den drei Wesensmerkmalen genauer einzugehen. Zum einen heißt es Einpaarigkeit. Die Ehe bezieht sich hier explizit auf die Verbindung von Mann und Frau. Die Aussage gründet u.a. in der Textstelle Gen 2,23-24: Das endlich ist Bein von meinem Bein und Fleisch von meinem Fleisch [ ] und sie werden ein Fleisch. Zentrales Moment für die Beantwortung der Frage nach dem Beginn des Lebens ist die Bestimmung der Ehe im Blick auf die Hinordnung auf neues Leben. In Gen 1,27-28 ruft Gott den Menschen dazu auf, sich zu vermehren. Seid fruchtbar und vermehret euch, bevölkert die Erde. Gaudium et Spes führt weiter aus: Ehe und eheliche Liebe sind ihrem Wesen nach auf die Zeugung und Erziehung von Nachkommenschaft ausgerichtet. 363 Der Mensch 359 Ebd., Vgl. Gaudium et Spes Nr.48, in: Rahner, Karl; Vorgrimler, Herbert: Kleines Konzilskompendium, Freiburg im Breisgau, , Ebd., Vgl. Klekamp, Mareike: Lücken im Lebensschutz. Humane Vorkernstadien und Präimplantationsdiagnostik aus Sicht der Christlichen Gesellschaftslehre, Paderborn, 2008, Gaudium et Spes Nr.50, in: Rahner, Karl; Vorgrimler, Herbert: Kleines Konzilskompendium, Freiburg im Breisgau, ,

79 nimmt durch die Zeugung von Nachkommen am schöpferischen Wirken Gottes teil. Der Aufruf zur Weitergabe von Leben darf nicht willkürlich geschehen, den Eltern kommt eine Sorgepflicht zu. Hierbei müssen sie auf ihr eigenes Wohl wie auf das ihrer Kinder der schon geborenen oder zu erwartenden achten. 364 Wenn nach katholischer Auffassung menschliches Leben mit der Befruchtung beginnt, wie in dargestellt, dann muss die genannte Sorgepflicht der Eltern mit diesem Zeitraum beginnen. So hält GS 51 fest: Gott, der Herr des Lebens, hat nämlich den Menschen die hohe Aufgabe der Erhaltung des Lebens übertragen, die auf eine menschenwürdige Weise erfüllt werden muss, das Leben ist daher von der Empfängnis an mit höchster Sorgfalt zu schützen. Abtreibung und Tötung des Kindes sind verabscheuenswürdige Verbrechen. 365 Aber was heißt hier menschenwürdige Weise? Die Instruktionen Humanae Vitae (1968), die Erklärung zur vorsätzlichen Abtreibung (1974), Donum Vitae (1987) und Dignitas Personae (2008) beschäftigen sich mit genau dieser Frage. Humanae Vitae, im Volksmund die Pillenenzyklika genannt, macht auf die Untrennbarkeit von liebender Vereinigung und Fortpflanzung 366 aufmerksam. So heißt es: Wenn die beiden wesentlichen Gesichtspunkte der liebenden Vereinigung und der Fortpflanzung beachtet werden, behält der Verkehr in der Ehe voll und ganz seinen Sinngehalt gegenseitiger und wahrer Liebe und seine Hinordnung auf die erhabene Aufgabe der Elternschaft, zu der der Mensch berufen ist. 367 Die Geburtenregelung darf nicht mit Hilfe künstlicher Verhütung gesteuert werden. Die Glaubenskongregation sieht ernsthafte Gefahren darin, wenn die Weitergabe des Lebens zukünftig der menschlichen Willkür überlassen wird. Leben an sich und dessen Weitergabe haben in der katholischen Theologie einen hohen Stellenwert. Die Erklärung zur vorsätzlichen Abtreibung stellt den besonderen Schutz deutlich heraus. Von dem Augenblick an, in dem die Eizelle befruchtet wird, beginnt ein neues Leben, welches weder das des Vaters noch das der Mutter ist, sondern das eines neuen menschlichen Wesens, das sich eigenständig entwickelt. Es würde niemals menschlich werden, wenn es das nicht schon von diesem Augenblick an gewesen wäre. Die neuere Genetik bestätigt diesen Sachverhalt, der immer eindeutig war [ ], in eindrucksvoller Weise. Sie hat gezeigt, dass schon vom ersten Augenblick an eine feste Struktur dieses Lebewesens vorliegt; eines Menschen nämlich, und zwar dieses konkreten menschlichen Individuums, das schon mit all seinen genau umschriebenen charakteristischen Merkmalen ausgestattet ist. Mit der Befruchtung beginnt das Abenteuer des 364 Ebd. 365 Gaudium et Spes Nr. 51, in: Rahner, Karl; Vorgrimler, Herbert: Kleines Konzilskompendium, Freiburg im Breisgau, , Papst Paul VI.: Enzyklika Humanae Vitae. Über die Weitergabe des Lebens, Nr. 12, Rom, (abgerufen am ). 367 Ebd. 78

80 menschlichen Lebens, dessen einzelne bedeutenden Anlagen Zeit brauchen, um richtig entfaltet und zum Handeln bereit zu werden. 368 Donum Vitae führt fort, dass dem Leben in vitro keinesfalls ein anderer Status zukommen kann als dem Leben im Uterus der Frau. Die in vitro gezeugten Embryonen sind menschliche Wesen und Rechtssubjekte: Ihre Würde und ihr Recht auf Leben müssen schon vom ersten Augenblick ihrer Existenz an geachtet werden. [ ] So wie sie die vorsätzliche Abtreibung verurteilt, verbietet die Kirche auch den Anschlag auf das Leben dieser menschlichen Wesen. 369 Das heißt nicht, dass die Kirche eine In-Vitro-Fertilisation befürwortet. Die Weitergabe des Lebens ist laut katholischer Auffassung an den Geschlechtsakt gekoppelt. Eine Entkoppelung bewertet die Kirche als eine große Gefahr. Nicht selten sei bei einer IVF die anschließende Vernichtung von überzähligen Embryonen zu erkennen. 370 Künstliche Befruchtung wird von der katholischen Kirche kategorisch abgelehnt. Dignitas Personae bestätigt die Haltung noch einmal. Im Licht dieses Kriteriums sind alle Techniken der heterologen künstlichen Befruchtung, die den ehelichen Akt ersetzen, auszuschließen. 371 Zusammenfassend lässt sich festhalten: Menschliches Leben beginnt laut Katholischer Theologie mit dem Zeitpunkt der Befruchtung. Die Weitergabe des Lebens geschieht innerhalb der Ehe, dem Ehepaar obliegt es, das werdende Leben zu schützen. Die Würde des Lebens gründet in der Gottebenbildlichkeit. Da die Präimplantationsdiagnostik nach erfolgter Selektion eine gewisse Zahl an befruchteten Eizellen entsorgt, kann dies keinesfalls legitim sein. Die Trennung von Geschlechtsakt und Fortpflanzung verbietet sich, somit auch die künstliche Befruchtung IVF. Da die IVF oder ICSI eine Voraussetzung für die PID darstellen, kann die Diagnostik aus katholischer Perspektive nicht erlaubt sein. Der Beginn menschlichen Lebens stellt somit ein wichtiges, ja nahezu bestimmendes Paradigma für die Bewertung der Präimplantationsdiagnostik dar. Man könnte den Eindruck gewinnen, dass somit der ethische Diskurs über die PID als abgeschlossen zu gelten habe, so auch Götz in seinem Resümee. Ein Anwendungsgebiet der Pränatalmedizin, das zunehmend an Bedeutung gewinnt, ist die Präimplantationsdiagnostik. Sie ist eng verbunden mit den Möglichkeiten, die die Fortpflanzungsmedizin eröffnet hat und muss in diesem Kontext gesehen, problematisiert und schließlich beurteilt werden. Da einerseits das päpstliche Lehramt [ ] die artifizielle Fortpflanzung in jeder Form als moralisch unzulässig verurteilt, andererseits die In-vitro-Fertilisation aber 368 Heilige Kongregation für die Glaubenslehre: Erklärung zur vorsätzlichen Abtreibung, Nr , Rom, Heilige Kongregation für die Glaubenslehre: Donum Vitae. Instruktion über die Achtung vor dem beginnenden menschlichen Leben und die Würde der Fortpflanzung, 1. Teil, Nr. 5, Rom, (abgerufen am ). 370 Vgl. ebd., 2. Teil. 371 Heilige Kongregation für die Glaubenslehre: Instruktion Dignitas Personae. Über einige Fragen der Bioethik, Nr. 12, Rom, (abgerufen am ) 79

81 unabdingbare Voraussetzung der Präimplantationsdiagnostik ist, kann eine Stellungnahme aus Rom eigentlich nicht erwartet werden. 372 Die spezifischen Gefahren der PID, im Hinblick auf Selektion und das damit verbundenen Menschenbild werden dennoch in der katholischen Theologie benannt und diskutiert Judentum: Weitergabe des Lebens nicht nur Recht, sondern Pflicht des Juden Auch im Judentum bedarf es einer Beleuchtung des Sexualverständnisses der Religion. Die sexuelle Liebe bezieht sich allein auf die Ehe. Schon die Propheten sehen in der Ehe beispielhaft die Liebe zwischen Gott und Mensch. 373 Die Ehe wurde nicht vom Menschen erfunden, sondern gründet in Gott. Wer keine Frau hat, ist kein vollkommener Mensch. Gott selbst habe die Ehe durch die Zweigeschlechtlichkeit des Menschen eingeführt. 374 Sexualität in der Ehe wird gutgeheißen, unterliegt aber genau definierten Bestimmungen. Die sexuelle Liebe sollte, wie es heißt, vor dem Heiligen Gott nicht erröten müssen; dazu besteht kein Anlass, wenn sie sich den Gesetzen Gottes unterordnet. Das meint zuallererst: Sex gehört in die Ehe. Dort ist jeweils zwei Wochen lang der Beischlaf erlaubt, dann wieder zwei Wochen lang durch die weibliche Unreinheit der menstruierenden Frau verboten. 375 Das Regelwerk über den ehelichen Beischlaf umfasst weitere Vorschriften, welche aber nicht von allen Juden akzeptiert werden, so Schwikart. 376 Höchstes Ziel der Ehe ist die Weitergabe von Leben, es besteht im Judentum eine Verpflichtung zum Kind. Lebensformen wie das Zölibat sind somit im Judentum undenkbar. Das anzustrebende Ideal ist die Familie. Weisz führt Gründe für die Verpflichtung zum Kind an: Es gibt eine Verpflichtung zum Kind. Die erste Verpflichtung, die Adam und Eva bekommen haben, war, dass sie sich vermehren und die Erde bevölkern sollen. Die zweite, die wir finden, ist, dass ein Mann seine Eltern verlässt und seinem Weibe anhängt und sie eins werden. 377 Die Verweigerung der Zeugung von Kindern wird mit dem Vergießen von Blut gleichgestellt. Idealerweise habe eine jüdische Familie mindestens zwei Kinder, eine Tochter und einen Sohn. 378 Aufgrund der Verpflichtung zum Kind ist Empfängnisverhütung im Judentum prinzipiell verboten. Da 372 Götz, Christoph: Medizinische Ethik und katholische Kirche. Die Aussagen des päpstlichen Lehramtes zu Fragen der medizinischen Ethik seit dem Zweiten Vatikanum, in: Auterio, Antonio; Römelt, Josef (Hrsg.): Studien der Moraltheologie. Band 15, Münster, 2000, Vgl. Schwikart, Georg: Sexualität in den Weltreligionen, Gütersloh, 2001, Ebd., Ebd., Ebd. 377 Interview mit Willy Weisz, in: Anhang, Vgl. Schwikart, Georg: Sexualität in den Weltreligionen, Gütersloh, 2001,

82 die Frau aber nicht voll dem Gesetz untersteht, ist ihr diese nicht gänzlich untersagt. So kann die Empfängnisverhütung via Pille erlaubt sein, das Kondom aber ist verboten. 379 Die IVF oder ICSI hingegen verhindert nicht Leben, sondern schafft in schwierigen Fällen neues, so die Sicht des Judentums. Rather, successfull use of IVF is the evidence that the married couple is capable of having natural children; they only need a little help. 380 Die In-vitro-Fertilisation kann dem Menschen helfen, seiner von Gott gegebenen Verpflichtung zum Kind gerecht zu werden. Moreover, IVF can enable Jews to fulfill the mitzvah of procreation. 381 Die IVF sei somit kein Problem, sie stellt eine Unterstützung für das Elternpaar dar, so Rabbiner Hofmeister. 382 Die Frage, die sich in diesem Kontext stellt, ist die Frage nach der Vaterschaft. Ausgehend von dem Gebot, dass Sexualität nur in der Ehe stattfinden darf, wurde lange diskutiert, ob fremde Samenspende erlaubt sein kann. So macht auch Weisz darauf aufmerksam, dass die Abgrenzung zum Ehebruch im Falle der Samenspende wesentlich schwieriger sei als bei der Eizellspende. 383 Auch wenn die Vorteile einer IVF aus jüdischer Perspektive gegenüber den Nachteilen überwiegen, wurde lange über mögliche Gefahren der IVF diskutiert. Laut Mackler sprechen sich die meisten jüdischen Schriftgelehrten für die IVF aus. Die Grundlage dazu schaffe Gottes Aufforderung an den Menschen über die Natur zu herrschen (Genesis). Jewish writers overwhelmingly accept IVF, at least in appropriate homologous cases. [ ] Controlling nature in a morally responsible way can represent the fulfillment of God s will. 384 Der orthodoxe Rabbi J. David Bleich hingegen thematisierte in seinen bioethischen Ausführungen die Risiken einer IVF, beispielsweise die höhere Krankheitsrate eines IVF-Kindes gegenüber dem natürlich gezeugten Kind. Da die Risiken nur in einigen Fällen auftreten, werden sie im Allgemeinen jüdischen Diskurs relativiert. 385 Wie ist nun die befruchtete Eizelle via IVF zu behandeln? Das Judentum teilt den Beginn menschlichen Lebens in Stufen, mit jeder Stufe wird dem Embryo mehr Würde zuteil. Basierend auf dem Talmud kommt es am 40. Tag nach der Befruchtung zu der Beseelung des Embryos (Sukzessivbeseelung). Following the sience of the time, the Talmud declares that during the first 40 days of pregnancy the embryo is mere water. [ ] They are too tiny to be detected by the naked eye. 386 Rabbiner Hofmeister 379 Ebd. 380 Barlian, Yechiel Michael: Jewish Bioethics. Rabbinic Law and Theology in their Social and Historical Contexts, New York, 2014, Mackler, Aaron L.: Introduction to Jewish and Catholic Bioethics. A Comparative Analysis, Washington D.C., 2003, Vgl. Interview mit Rabbiner Schlomo Hofmeister, in: Anhang, Vgl. Interview mit Willy Weisz, in: Anhang, Mackler, Aaron L.: Introduction to Jewish and Catholic Bioethics. A Comparative Analysis, Washington D.C., 2003, Vgl. ebd., Barilan, Yechiel Michael: Jewish Bioethics. Rabbinic Law and Theology in their Social and Historical Contexts, New York, 2014,

83 führt aus, dass die Frage nach dem Beginn menschlichen Lebens durchaus relevant zur Bewertung der Präimplantationsdiagnostik sei. Eine Zygote ist menschliches Leben und natürlich gibt es einen Unterschied zwischen tierischem und menschlichem Leben. Aber auch die Eizelle sei potentielles Leben, so Rabbiner Hofmeister. Das potentielle Leben der Eizelle ist fast genauso wichtig, wie dann die befruchtete. [ ] Der große qualitative (Unterschied) tritt dann nach 40 Tagen auf. 387 Der Embryo habe einen besonderen Status, denn er ermöglicht Leben. Der Status des Embryos muss demnach größer sein als der jeder anderen menschlichen Zelle, so Weisz. 388 Dennoch muss auch zwischen dem Embryo extrauterin und im Mutterleib unterschieden werden. Bei einer IVF werden zwar die zellenmäßigen Grundlagen gelegt, aber extrauterin ist ein Embryo nicht lebensfähig. 389 Laut Barlian kommt dem Embryo vor der Beseelung am 40. Tag kein besonderer Status zu. The extracorporeal embryo is not a born human being, it is typically younger than forty days, and it does not develop inside a woman s womb. [ ] It deserves no special respect. 390 Rabbi Waldenberg und Feinstein argumentieren dahingehend, dass der Embryo im frühen Stadium nicht als Mensch erkennbar sei. These rulings highlight the association between the morphological human body and human dignity. 391 Wenn also dem Embryo vor dem 40. Tag, sprich vor seiner Beseelung, weniger Schutz zukommt als nach dieser, kann die Präimplantationsdiagnostik somit nur als ethisch besser eingestuft werden als ein Schwangerschaftsabbruch nach der Pränataldiagnostik. Vorausgesetzt wird bei einer solchen Bewertung, dass das Kind via IVF erzeugt wurde. Weisz Schlussfolgerung zufolge muss eine PID erlaubt sein: Im Prinzip ist sie für das Judentum absolut empfohlen Islam: Gott als Geber neuen Lebens Welches Sexualitätsverständnis wohnt dem Islam inne? Wo und wie darf die Weitergabe des Lebens erfolgen? Wie auch in den anderen beiden Religionen, gehört Sexualität im Islam nur in den Rahmen einer Ehe. Der Islam bejaht die Sexualität als grundsätzlich zum Menschen gehörende Ausdrucksform. Er erlaubt die Erotik, lehnt den Zölibat ab und ist in seiner Einstellung unkompliziert, ja eindeutig und klar: Innerhalb der Ehe hat der Beischlaf seinen Platz, außerhalb ist er streng untersagt und wird mit scharfen Strafen bedacht. 393, so Schwikart. Da der Islam um die Schwächen seiner Gläubigen weiß, insbesondere beim Umgang der Geschlechter untereinander, soll eine Trennung der Geschlechter in 387 Interview mit Rabbiner Schlomo Hofmeister, in: Anhang, Vgl. Interview mit Willy Weisz, in: Anhang, Ebd. 390 Barlian, Yechiel Michael: Jewish Bioethics. Rabbinic Law and Theology in their Social and Historical Contexts, New York, 2014, Ebd. 392 Interview mit Willy Weisz, in: Anhang, Schwikart, Georg: Sexualität in den Weltreligionen, Gütersloh, 2001,

84 der Öffentlichkeit herrschen. Sexualität an sich wird im Islam nicht als Sünde bezeichnet, aus einem schlechten Umgang mit ihr kann aber Sünde resultieren. Sexualität kann zwar zur Sünde verführen, ist aber nicht aus sich heraus sündhaft. Auch ist der Sex mehr als nur notwendiges Übel zur Fortpflanzung, sondern eine Gabe Gottes. 394 Der Mensch als ganzheitliches Wesen ist auch ein sexuelles Wesen, so die Auffassung des Islam. Die Ehe ist laut islamischer Theologie kein Sakrament, wie etwa im Katholizismus, ist dennoch aber religiösen Charakters und nicht willkürlich zu lösen. Es besteht keine Verpflichtung dazu, sich in eine Ehe zu begeben, es wird aber angeraten, besonders Frauen. Die Ehe ist ein Schild gegen die sexuelle Freiheit und eine Förderung des Zusammenhaltes der Muslime für den Gottesdienst. 395 Die zentrale Frage, welche sich im Islam in Bezug auf die Ehe immer wieder stellt, ist die Frage nach der Mehrehe. Die Mehrehe im Islam ist eine polygame Ehe, bei der ausschließlich der Mann mehrere Frauen haben darf. Mohammed grenzt die Mehrehe auf vier Frauen ein, lebt aber selbst mit mehr als vieren zusammen. 396 In der islamischen Welt schafft die Mehrehe Diskussionsstoff und wird unterschiedlich bewertet. Die meisten Muslime leben heute monogam. Eine Zweitehe wird häufig erst dann in Betracht gezogen, wenn die erste Frau unfruchtbar ist. An diesem Beispiel wird deutlich, dass die Weitergabe des Lebens zentraler Inhalt der Ehe im Islam ist. Der Zentralrat der Muslime in Deutschland hält in seinem Papier Familienplanung und Abtreibung aus islamischer Sicht aus dem Jahre 1995 fest: Die Erhaltung der menschlichen Gattung durch die Fortpflanzung zählt zu den wichtigsten Zielen der Ehe aus islamischer Sicht. Zu den Hauptzielen zählt auch die Schaffung von Geborgenheit und Schutz sowie die Erfüllung des sexuellen Triebes in gesetzlichen und geregelten Bahnen für beide Ehepartner. 397 Empfängnisverhütung wird daher im Islam immer wieder diskutiert. 398 Die Frage, welche sich in diesem Kontext vornehmlich stellt, ist, ob Verhütung schon Tötung sei. Der Zentralrat der Muslime in Deutschland erlaubt die Mehrzahl der Verhütungsmethoden. Er weist ausdrücklich darauf hin, dass ein Schwangerschaftsabbruch keine Verhütungsmethode ist. Die Frage um die Legitimität von Abtreibungen ist eine andere. An sich sei ein Schwangerschaftsabbruch Sünde, auch wenn die Schwere der Sünde abhängig von dem jeweiligen Entwicklungsstadium des Embryos bzw. Fetus ist. Dieser Angriff gilt aus islamischer Sicht als ein Angriff gegen das ungeborene Leben, wobei theologisch zwischen zwei Phasen unterschieden wird: ungeborenes Leben vor bzw. nach Einhauchung der Seele. 399 So hält auch Elibol fest: Im Prinzip ist im Islam Abtreibung verboten, prinzipiell. Dass es jetzt so eine Regel wird, ja auf Grund dessen, dass 394 Ebd. 395 Ebd., Ebd., Zentralrat der Muslime in Deutschland; Elyas, Nadeem: Familienplanung und Abtreibung aus islamischer Sicht, Köln, (abgerufen am ). 398 Vgl. Schwikart, Georg: Sexualität in den Weltreligionen, Gütersloh, 2001, Zentralrat der Muslime in Deutschland; Elyas, Nadeem: Familienplanung und Abtreibung aus islamischer Sicht, Köln, (abgerufen am ). 83

85 man sich was aussuchen kann, das kann hier überhaupt nicht in Frage kommen. Das heißt, es muss natürlich auch einen plausiblen Grund haben, dass man abtreibt vor dem 40. Tag. 400 Ab dem 120. Tag, mit der Beseelung (so die Mehrzahl der Rechtsschulen), wird eine Abtreibung dem Mord gleichgestellt. Das radikale Abtreibungsverbot mit der Beseelung resultiert aus einer Stelle im Koran, Sure 81,8f., indem ein als Säugling getötetes Mädchen im Paradies die Mörder zur Rede stellt. Das zur Rede stellen sei nur daher möglich, da das Mädchen schon eine Seele von Allah erhalten habe. 401 Obwohl es im Islam unumstritten ist, dass eine Beseelung nicht mit der Befruchtung stattfindet (siehe ), wird in vielen Rechtsschulen dem Embryo auch Schutz vor dem Zeitpunkt der Beseelung zugesprochen. Letztendlich liegt die Kenntnis über die Beseelung des Menschen bei Gott, so die IOMS im Jahr Innerhalb des Islams herrschen unterschiedliche Positionen im Blick auf den Zeitraum, ab wann der Embryo zu schützen sei. So plädieren einige Rechtsschulen für einen strengen Schutz des Embryos, andere nicht. Die strenge Meinung meint, in dem Moment wo [ ] die Befruchtung stattfindet, in dem Moment beginnt ein Design des Lebens. Aber dieser ruach, dieser Lebensgeist wird noch nicht eingehaucht bei der Befruchtung. 403 Die Seelen wurden alle zur gleichen Zeit erschaffen und werden nach und nach den Körpern zugeteilt, so Elibol. Das, was wir nur sehen, ist, dass die Seelen zu bestimmten Zeiten zu bestimmten Familien zugeordnet sind und so eben auf die Welt kommen. 404 Eine verbotene Verhütungsmethode im Islam ist die Sterilisation. Seine eigene Zeugungskraft darf der Mensch nicht zerstören. Diese wird von Gott gegeben und darf auch nur von diesem genommen werden. 405 Fadlallah hält für das Verhältnis des Islam zur Geburtenkontrolle folgendes fest: Von der religiösen Seite her ist die Sache die, dass der Islam nicht gegen Geburtenkontrolle ist, sondern gegen die Denkweise, die dabei aus mangelndem Gottvertrauen hervorgeht und aus der Verzweiflung, dass es keinen Ausweg gebe. Das schädigt den religiösen Geist. Andererseits darf der Mensch durchaus über Geburtenkontrolle nachdenken, solange er zweierlei Sterilisation und Abtreibung vermeidet, unter Berücksichtigung dessen, was wir zur Abtreibung gesagt haben. 406 Elibol führt dazu an, dass es 400 Interview mit Zeynep Elibol, in: Anhang, Vgl. Eich, Thomas: Islam und Bioethik, Heidelberg, 2005, IOMS, Abd al-rahman al-awadi/ Ahmad Raja i al-jundi (Hrsg.): Al-Siyasa al sihhiya. Al-Akhlaqiyat wa l-qiyam al-in saniya im manzur islami (Die Gesundheitspolitik: Ethik und menschliche Werte aus islamischer Sicht), Kuwait, 1997, 339, zitiert nach Übersetzung von Eich, Thomas, in: Eich, Thomas (Hrsg.): Islam und Bioethik, Heidelberg, 2005, 48. (Im Rahmen einer Diplomarbeit war es nicht möglich in die unveröffentlichten Originalunterlagen aus dem Ausland einzusehen). 403 Interview mit Zeynep Elibol, in: Anhang, Ebd., Vgl. Fadlallah, Muhammad Husain: Abtreibung und Empfängnisverhütung, in: Eich, Thomas (Hrsg.): Moderne Medizin und islamische Ethik. Biowissenschaften in der muslimischen Rechtstradition, Freiburg im Breisgau, 2008, Ebd.,

86 letztendlich ohnehin Gottes Entscheidung sei, ob die Verhütung gelinge oder nicht. Verhüten ja, ich treffe eine Maßnahme, aber ich habe keine Garantie. 407 Wie aber steht der Islam zur künstlichen Befruchtung, zur IVF? Der Islam bringt der Weitergabe neuen Lebens große Wertschätzung entgegen. Dies wird auch in Bezug auf das vorgestellte Eheideal deutlich. Eine künstliche Befruchtung wird daher im Islam nicht abgelehnt, unterliegt dennoch Bedingungen. Krawitz macht darauf aufmerksam, dass die IVF nur bei vorübergehender Unfruchtbarkeit verwendet werden darf. Gott mache nicht beliebig unfruchtbar (Sure 42,50), es muss klar zwischen einer Sterilität und einer vorübergehenden Unfruchtbarkeit unterschieden werden. 408 Der Geschlechtsakt muss nicht der einzige Weg sein zur Erzeugung von Kindern. 409 Gott trifft auch hier die letzte Entscheidung: Die Menschen dürfen sich infolgedessen der gottgegebenen Wirkungszusammenhänge, wie z.b. der künstlichen Befruchtung, bedienen, aber die Gelehrten könnten dabei niemals mit Sicherheit sagen, was passiert. 410 Der Begriff künstliche Befruchtung sei aus muslimischer Sicht daher auch nicht richtig. Die Befruchtung sei nicht künstlich, denn der Mensch verwendet bei der Methode gottgegebene Materialien. Bedingung für die Zulassung der IVF im Islam ist, dass die Befruchtung innerhalb der Ehe durchgeführt wird, sprich mit dem Samen des Ehemannes und der Eizelle der Ehefrau. Der Gebrauch fremden Samens oder fremder Eizellen wäre eine Verletzung gegen die hurma. 411 Obwohl eine Befruchtung durch die In-vitro-Fertilisation mit Hilfe einer dritten Person und durch technische Eingriffe außerhalb des Mutterleibes stattfindet, wird sie oft ähnlich wie die natürliche Befruchtung bewertet. 412, so Ilkilic. Die IVF darf aber nicht die Regel werden. Ob es erlaubt ist, künstliche Befruchtung innerhalb einer Ehe zu praktizieren, so ist zu sagen, dass das übergeordnete Ziel einer Ehebindung die Fortpflanzung ist, um die menschliche Art zu erhalten, wobei die penetrierende Verbindung zwischen den körperlichen Instinkten beider entsteht. Diese Verschmelzung ist der einzige und grundlegende Weg für die beiden, dass die befruchtete Eizelle wachsen kann, wie es der Wille Gottes ist und zwar durch die Mittel, die Gott in den beiden dafür geschaffen hat. Davon darf man nur abweichen, z.b. wenn etwas verhindert, 407 Interview mit Zeynep Elibol, in: Anhang, Vgl. Krawietz, Birgit: Die Hurma: Schariarechtlicher Schutz vor Eingriffen in die körperliche Unversehrtheit nach arabischen Fatwas des 20. Jahrhunderts, Berlin, 1991, Vgl. ebd., Ebd., Vgl. ebd., ; Anm. YZ: Als hurma bezeichnet man im Islam das Gesetz zum Schutz der körperlichen Unversehrtheit. 412 Ilkilic, Ilhan: Wann beginnt das menschliche Leben? Philosophisch-theologische Reflexionen aus der muslimischen Perspektive, in: Körtner, Ulrich H.J.; Virt, Günter; von Engelhardt, Dietrich; Haslinger, Franz (Hrsg.): Lebensanfang und Lebensende in den Weltreligionen. Beiträge zu einer interkulturellen Medizinethik, Göttingen, 2009²,

87 dass die Schwangerschaft auf dem gewohnten körperlichen Wege zustande kommt, wie etwa Krankheit oder körperliche Konstitution. 413 Der Mangel nicht schwanger zu werden darf laut Scharia medizinisch behoben werden, er wird in manchen Fällen zur Pflicht erklärt, so Fadlallah. 414 Es ist festzuhalten, dass Sexualität sich nur auf Ehe bezieht. Innerhalb dieser Ehe darf verhütet werden, ausgenommen davon sind die Sterilisation und die Abtreibung, Ausnahmen sind möglich. 415 Wie großzügig die Ausnahmen bemessen sind, hängt von der Rechtsschule (siehe ) ab. Die drei Hauptpositionen sind: 1. Ein Schwangerschaftsabbruch bis zum 120. Tag ist erlaubt 2. Ein Schwangerschaftsabbruch bis zum 120. Tag ist erlaubt, wenn ein triftiger Grund vorliegt 3. Ein Schwangerschaftsabbruch ist immer verboten ab der Befruchtung 416 Die In-vitro-Fertilisation darf nicht zur Regel werden, allein eine medizinische Indikation schafft Legitimation. Sie verbietet sich dann, wenn nicht nur eine vorübergehende Unfruchtbarkeit vorliegt. Da die IVF die Voraussetzung für die PID ist, schließt der Islam die Mehrheit der Muslime von dieser Methode aus. Bei jenen, die eine IVF durchführen lassen, ist entscheidend, welcher Rechtsschule sie angehören und bis zu welchem Zeitpunkt ein Schwangerschaftsabbruch erlaubt ist. Da nur eine Minderheit Hauptposition drei Ein Schwangerschaftsabbruch ist immer verboten vertritt, ist eine Selektion am Beginn des Lebens via PID für die meisten Muslime erlaubt. Auf die Frage hin, ob Selektion mit der Methode PID aus islamischer Perspektive ethisch sei, antwortet Elibol: Ethisch gesehen nicht, aber islamisch ethisch gesehen glaube ich, dass die meisten [ ] religiös eine Antwort finden könnten, indem man sagt, letztendlich sind sie zwar lebensfähig, haben aber keine Seele. Haben ja noch keinen Lebensgeist. Also das ist sicher Fadlallah, Muhammad Husain: Abtreibung und Empfängnisverhütung, in: Eich, Thomas (Hrsg.): Moderne Medizin und islamische Ethik. Biowissenschaften in der muslimischen Rechtstradition, Freiburg im Breisgau, 2008, Vgl. ebd., Vgl. ebd., Vgl. Ilkilic, Ilhan: Wann beginnt das menschliche Leben? Philosophisch-theologische Reflexionen aus der muslimischen Perspektive, in: Körtner, Ulrich H.J.; Virt, Günter; von Engelhardt, Dietrich; Haslinger, Franz (Hrsg.): Lebensanfang und Lebensende in den Weltreligionen. Beiträge zu einer interkulturellen Medizinethik. Göttingen, 2009², Interview mit Zeynep Elibol, in: Anhang,

88 3.2. Selektion als Paradigma für die Bewertung der PID Selektion Was ist Selektion, was Eugenik? Bei der Präimplantationsdiagnostik wird allgemein von einer Selektion nach bestimmten Merkmalen bzw. Eigenschaften gesprochen (man könnte unterscheiden zwischen: Selektion nach medizinischer Indikation, Selektion nach Geschlecht, Selektion des Designer-Babys). Kritiker werfen der PID vor, ein eugenisches Ziel zu verfolgen. Was genau ist aber eine Selektion, was Eugenik? Im Metzler Lexikon der Philosophie wird Selektion folgendermaßen definiert: Selektion Auswahl, mit oder ohne Einwirkung des Willens. In diesem letzteren Sinn wurde die natürliche Selektion bei Darwin definiert, als Grundlage der Evolution. Die natürliche Selektion dient zur Erklärung sowohl der Differenzierung der natürlichen Arten (Makroevolution) wie der genetischen Veränderungen innerhalb einer Art (Mikroevolution). Die natürliche Selektion setzt ein, wenn drei Bedingungen erfüllt sind: (1) unter den betroffenen Individuen besteht eine Variation hinsichtlich ihrer Eigenschaften; (2) dieser Variation entspricht eine unterschiedliche Anpassung an die vorhandene Umwelt; (3) die dadurch ausgesonderten Eigenschaften sind vererbbar. Eine Differenzierung der Arten findet statt, wenn sich unterschiedliche Bevölkerungsgruppen einer gegebenen Art den Umweltbedingungen anpassen müssen. Innerhalb einer Art fördert die Selektion die Reproduktion jener Individuen, deren Eigenschaften besser angepasst sind. 418 Der Begriff Selektion Auslese stammt aus der Evolutionslehre und meint zuerst einmal eine natürliche Selektion. Natürliche Selektion nennt man den Prozess innerhalb der Evolution, bei dem sich Lebewesen durch die gegebenen Umweltbedingungen mit mutationsbedingten Merkmalsveränderungen weniger vermehren als andere. Nur bei erkennbaren und zugleich mutationsbedingten Merkmalsveränderungen besteht die Möglichkeit, dass der Organismus wegen dieser Mutation mehr oder weniger Nachkommen als der Durchschnitt seiner Artgenossen haben kann (Selektion). 419 Der Prozess verläuft aber, wie der Begriff schon besagt, natürlich. Der Duden stellt fest, dass dem Wort heute auch eine zweite Bedeutung zukommt, der bildungssprachliche Begriff der Auswahl. 420 Von welcher Idee des Begriffes Selektion bei der Debatte um PID ist also die Rede? Eine Brücke zu dem ursprünglichen Begriff der natürlichen Selektion herzustellen, müsste begründet werden. Die Präimplantationsdiagnostik ist vielmehr eine künstlich erzeugte Selektion, bei der eine 418 Prechtl, Peter; Burkard, Franz-Peter (Hrsg.): Metzler Lexikon Philosophie, Stuttgart, Weimar, 2008, Krauß, Veiko: Gene, Zufall, Selektion. Populäre Vorstellungen zur Evolution und der Stand des Wissens, Berlin, Heidelberg, 2014, Vgl. Duden: Begriff Selektion. (abgerufen am ). 87

89 Auswahl über menschliches Leben getroffen wird. Im Kontext der PID kann nicht von dem ursprünglichen Begriff der Selektion die Rede sein, sondern nur von dem bildungssprachlichen, alltäglichen Begriff der Auswahl. Der Begriff der Eugenik hingegen setzt sich aus dem Griechischen der beiden Wortstämme eu=gut und genos=geschlecht zusammen. Man findet ihn erstmals bei Francis Galton ( ), der sich mit den Schriften Darwins beschäftigte. Ziel seiner Arbeit war es, unerwünschte Exemplare der Art Mensch allmählich zum Verschwinden 421 zu bringen. Damit Menschen mit genetischen Schäden sich nicht mehr fortpflanzen, sollten diese nur mehr im Kloster leben. Dieses Mittel betrachtete man schnell als ungenügend. In den Jahren erfolgte die gesetzliche Sterilisation von Menschen mit genetischen Schäden in 32 US-Bundesstaaten. 422 Im Zuge des Nationalsozialismus erließ Hitler am 14. Juli 1933 das Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses, welches sich an dem der USA orientierte. In Deutschland aber wurde nicht nur aufgrund genetischer Schäden selektiert, sondern auch aufgrund schlechten Verhaltens (Genetik des Verhaltens). Vorläufer im deutschsprachigen Raum für das Konzept der Eugenik war Friedrich Nietzsche. Seiner Ansicht nach müsse eine strenge Auswahl bei der Frage nach Fortpflanzung getroffen werden. Er plädierte für eine Trennung von Fortpflanzung und Sexualität. Man soll die Befriedigung des Triebes nicht zu einer Praxis machen, bei der die Rasse leidet, d.h. gar keine Auswahl mehr stattfindet, sondern alles sich paart und Kinder zeugt. Das Aussterben vieler Arten von Menschen ist ebenso wünschenswert als irgendeine Fortpflanzung [ ]. Vielmehr: nur heiraten 1) zum Zwecke höherer Entwicklung 2) um Früchte eines solchen Menschentums zu hinterlassen. Für alle übrigen genügt Concubinat, mit Verhinderung der Empfängnis. 423 Die Theorie der Eugenik bedient sich gezielt der Darwinistischen Evolutionstheorie, die in der zeitgenössischen Biologie hohes Ansehen genoss. 424 Auf die Probleme der Verknüpfung machen Weingart, Kroll und Bayertz aufmerksam: Die Bedeutung der Darwin schen Theorie für die Eugeniker wird in ihrem vollen Umfang erst vor dem Hintergrund dieser Situation deutlich. Von der Realität des degenerativen Prozesses fest überzeugt, aus methodischen Gründen aber unfähig, den ersehnten statistischen Beweis für diese Überzeugung beibringen zu können, liefert das Selektionsprinzip Darwins das theoretische Schlüsselargument für die Erhärtung des Degenerationsgedankens. Das Spezifikum der Darwin schen Theorie ist bekanntlich nicht die Annahme einer evolutionären Entwicklung der 421 Knippers, Rolf: Eine kurze Geschichte der Genetik, Berlin, Heidelberg, 2012, Vgl. ebd. 423 Nietzsche, Friedrich: Nachgelassene Fragmente , Kritische Studienausgabe (Hrsg. Coli, Giorgio; Montinari), München, 1999, 5 [38], Vgl. Weingart, Peter; Kroll, Jürgen; Bayertz, Kurt: Rasse, Blut und Gene. Geschichte der Eugenik und Rassenhygiene in Deutschland, Frankfurt am Main, 1988,

90 Organismen, sondern die Behauptung, dass die Triebkraft dieser Evolution in der Konkurrenz um knappe Ressourcen zu suchen sei, die zumindest auf lange Sicht den am besten an die jeweiligen Umweltbedingungen angepassten Lebewesen eine höhere Fortpflanzungsrate gestatte. 425 Kurz gesagt, es findet mit dem Konzept der Eugenik eine heimliche Teleologisierung der Evolutionstheorie 426 statt. Laut der Argumentation von Vertretern des Eugenik-Konzeptes müsse eine Selektion zur Höherentwicklung des Menschen führen. Da die Gesellschaft diese natürliche Selektion einschränke, finde keine Höherentwicklung mehr statt, sondern vielmehr Degeneration. Die Theorie hat ihre Schwächen, denn nur weil keine Höherentwicklung stattfindet, heißt es nicht, dass der natürliche Selektionsprozess ausgeschaltet ist und eine Zivilisation degeneriert. 427 Eine Selektion menschlichen Lebens, die nicht natürlich ist, ist von dem Gedanken der Eugenik nur schwer zu trennen. Können die Beweggründe für eine Selektion menschlichen Lebens darüber entscheiden, ob ein eugenisches Ziel vorliegt? Laut Lenzen müsse bei einer Selektion menschlichen Lebens zwischen zwei Ebenen unterschieden werden. Einer Selektion, die dem Wohl eines Individuums zugutekommt (individualistische Ebene), und einer Selektion, bei der gesellschaftliche Konsequenzen im Vordergrund stehen (sozialethische Ebene). 428 Kann aber nicht auch die Summe von individuellen Entscheidungen gesellschaftliche Konsequenzen mit sich bringen? Sorgner unterscheidet weiterhin zwischen positiver und negativer Eugenik. Positive Eugenik fasse ich als die Förderung von guten Erbanlagen auf. Wohingegen ich die negative Eugenik als Einschränkung der Ausbreitung von nachteiligen Genen verstehe. 429 Er selbst betont aber, dass die Begrifflichkeiten in der Literatur unterschiedlich definiert werden. Es herrscht Uneinigkeit darüber, was als positive Eugenik, was als negative Eugenik bezeichnet werden kann. Ist es überhaupt legitim, Eugenik als positiv zu betrachten? Hat die Selektion bei der PID ein eugenisches Ziel? Unter den genannten Voraussetzungen bleibt die Frage offen, ob die PID ein eugenisches Ziel verfolgt. Kollek führt in ihren Ausführungen zur Beantwortung der Frage folgendes an: Naturwissenschaftlich genetisch gesehen bedeutet Eugenik die Verbesserung des Erbmaterials einer Person oder Gruppe 425 Ebd., Ebd., Vgl. ebd., Vgl. Lenzen, Wolfgang: Grundsätzliche Betrachtungen zur Moralität eugenischer Maßnahmen, in: Sorgner, Stefan Lorenz; Birx, H. James; Knoepffler, Nikolaus (Hrsg.): Eugenik und die Zukunft, Freiburg, München, 2006, Sorgner, Stefan Lorenz: Facetten der Eugenik, in: Sorgner, Stefan Lorenz; Birx, H. James; Knoepffler, Nikolaus (Hrsg.): Eugenik und die Zukunft, Freiburg, München, 2006,

91 durch Ausschaltung oder Eliminierung schlechter oder zu Krankheit führender Erbanlagen. 430 Die Präimplantationsdiagnostik kann zur Eliminierung von bestimmten Mutationen innerhalb der Gesellschaft führen, demnach verfolgt PID naturwissenschaftlich-genetisch betrachtet ein eugenisches Ziel. Das Problem bei einer solchen Behauptung ist, dass der Begriff Eugenik nicht von der Geschichte der NS-Zeit zu trennen ist und damit bestimmte Emotionen mit dem Thema verbunden sind. Die Grenzen bei einer Differenzierung von Selektion menschlichen Lebens und Eugenik verschwimmen. Kann dem selektiven Prozess bei der PID ein eugenisches Motiv vorgeworfen werden? Befürworter der PID sprechen allenfalls von einem selektiven Effekt. Allerdings erscheint mir dann der Übergang von einem direkten selektiven Effekt zu einer direkten selektiven Handlung sehr fließend zu sein. Befürworter der Präimplantationsdiagnostik beharren deshalb auf dem Unterschied, weil eine direkte selektive Handlung als Eugenik zu werten ist, während der selektive Effekt allenfalls als indirekte Eugenik verstanden werden kann. 431 Eine PID kann nicht allein als individuelle Entscheidung eines Paares unabhängig vom gesellschaftlichen Kontext betrachtet werden. Zwar orientiert sich die heutige Humangenetik an der individuellen Gesundheitsvorsorge und nicht an der Erbgesundheit der Bevölkerung. Das ändert jedoch nichts daran, dass beispielsweise zunehmend über genetische Reihenuntersuchungen (Screening) nachgedacht wird, die darauf abzielen, die Häufigkeit der Geburt von Kindern mit einer Erbanlage zu verringern, und somit eindeutig eine auf die Gesundheit der Bevölkerung gerichtete Zielsetzung haben. 432 Die Frage, ob PID ein eugenisches Ziel verfolge, ist vielmehr die Frage, wie lange die Individuen dem gesellschaftlichen Druck gewachsen sind. Vor dem Hintergrund verschwimmt die eindeutige Grenzlinie, die teilweise zwischen einer verwerflichen Eugenik oder einem engen Missbrauch der Gendiagnostik auf der einen Seite, und einer ethisch vertretbaren Genomanalyse als Werkzeug individueller Vorsorgeentscheidungen auf der anderen Seite gezogen wird. 433 Schenkt PID den zukünftigen Eltern mehr Freiheit oder setzt es sie stärker unter Druck als zuvor? Der Deutsche Ethikrat führt aus, dass ein Urteil über konkrete implantierte Embryonen im Umkehrschluss nicht zwangsläufig eine Abwertung der übrigen Embryonen bedeuten muss. Wenn bei der PID von Eugenik zu sprechen sei, dann nur im Sinne einer liberalen Eugenik, denn die Entscheidung über eine Selektion basiert auf privaten Entscheidungen. Die intrinsischen Argumente gehen dahin, dass mit einer PID- Entscheidung das Leben eines einzelnen Embryos und damit eine implizite und moralisch unzulässige Bewertung des Lebens derer, die Träger der jeweils fraglichen Merkmale sind, getroffen werde Kollek, Regine: Präimplantationsdiagnostik. Embryonenselektion, weibliche Autonomie und Recht, Tübingen, 2000, Haker, Hille: Ethik der genetischen Frühdiagnostik. Sozialethische Reflexionen zur Verantwortung am Beginn des menschlichen Lebens, Paderborn, 2002, Ebd., Ebd. 434 Deutscher Ethikrat: Präimplantationsdiagnostik. Stellungnahme, Berlin, 2011,

92 Weiterhin spreche die Entscheidung über die Selektion eines behinderten Kindes Behinderten nicht das Existenzrecht ab. 435 Volz hingegen sieht mit der PID eine deutliche Diskriminierung von Menschen mit Behinderung gegeben. Es reiche nicht, den Fokus auf die Angst der werdenden Eltern zu richten. Vielmehr sollten die gesellschaftlichen Werturteile überdacht werden. Die mit der Anwendung der PID oder PND verbundenen Werturteile über Behinderungen stellen eine Diskriminierung derjenigen Menschen dar, die bereits mit denselben Merkmalen leben. Die genetischen Testverfahren sind Ausdruck der bestehenden Diskriminierung. 436 Habermas verurteilt die Präimplantationsdiagnostik als eugenisches Verfahren aufs Schärfste. Ein politischer Konsens über Richtlinien der PID sei so entweder zu stark oder zu schwach. In seinen Ausführungen macht er deutlich, dass eine scheinbare Freiheit zugunsten der Eltern diese vielmehr vor eine Entscheidung stellt, der das Individuum im Gesamtgefüge einer Gesellschaft nicht gewachsen sein kann. Zu stark, weil eine verbindliche Festlegung von kollektiven Zielen, die über einvernehmlich indizierte Übel hinausreichen, in die private Autonomie der Bürger verfassungswidrig eingreifen würde; zu schwach, weil die bloße Erlaubnis von eugenischen Verfahren Gebrauch zu machen, die Eltern von der moralischen Verantwortung für die höchst persönliche Auswahl eugenischer Ziele nicht entlasten könnte, weil die problematische Folge einer Einschränkung der ethischen Freiheit nicht auszuschließen ist. 437 Die PID ermöglicht es dem Menschen, seine Nachkommen nicht mehr nur zu zeugen, sondern zu machen. Moderne Eugenik sei die biopolitische Zukunft, so Habermas. Doch wenn das Machen von Menschen zum Normalfall wird, was ist dann der Mensch und wie tritt er mit dem veränderten Selbstverständnis künftig seinen Mitmenschen gegenüber? Bisher begegneten sich in sozialen Interaktionen nur geborene, nicht gemachte Personen. In der biopolitischen Zukunft, die liberale Eugeniker an die Wand malen, würde dieser horizontale Zusammenhang überlagert von einem intergenerationellem Handlungs- und Kommunikationszusammenhang, der vertikal durch das absichtlich veränderte Genom der Neugeborenen hindurchreicht? 438 Wie treten die verschiedenen Religionen dem Vorwurf, PID sei ein eugenisches Ziel, entgegen? Teilen die Katholische Kirche, das Judentum und der Islam die Bedenken von Habermas oder stehen vielmehr praktische Argumente bei der Bewertung im Vordergrund? 435 Vgl. ebd., Volz, Sibylle: Diskriminierung von Menschen mit Behinderung im Kontext von Präimplantations- und Pränataldiagnostik, in: Graumann, Sigrid; Grüber, Katrin (Hrsg.): Medizin, Ethik und Behinderung, Frankfurt am Main, 2003, Habermas, Jürgen: Die Zukunft der menschlichen Natur : Auf dem Weg zu einer liberalen Eugenik?, Frankfurt am Main, 2001, Ebd.,

93 Die Position der Katholischen Kirche zu einer möglichen Selektion bei der PID Selektion menschlichen Lebens widerspricht dem Menschenwürdegedanken Die Katholische Kirche schließt sich in vielen Punkten der Argumentation von Habermas an und teilt dessen Bedenken. Ziel der PID sei eine Selektion menschlichen Lebens, die fundamental dem Menschenrechtsgedanken zuwider laufe. Eine bestimmte Gruppe von Menschen, hier konkret Menschen mit Behinderungen, wird mittels der PID von der Gesellschaft diskriminiert und versucht zu eliminieren. Nichts anderes habe im Nationalsozialismus stattgefunden. In Dignitas Personae heißt es: Wenn zu anderen Zeiten trotz der allgemeinen Anerkennung der Erfordernisse der Menschenwürde eine Diskriminierung aufgrund der Rasse, der Religion oder des gesellschaftlichen Standes geübt wurde, so gibt es heute eine nicht weniger schwerwiegende und ungerechte Diskriminierung, die dazu führt, dass man den ethischen und rechtlichen Status von Menschen, die mit schweren Pathologien oder Behinderungen behaftet sind, nicht anerkennt. 439 Die PID führe zwangsläufig zu einer Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen und ist daher immer als unsittlich zu bewerten. Wer überhaupt entscheidet darüber, was wünschbare Eigenschaften sind und welche nicht? Abgesehen von den technischen Eigenschaften bei der Umsetzung und allen realen und möglicherweise damit verbundenen Risiken würde vor allem deutlich, dass solche Manipulationen eine eugenische Mentalität fördern, ein indirektes soziales Stigma gegenüber jenen einführen, die keine besonderen Gaben besitzen, und zugleich Begabungen in den Mittelpunkt stellen, die von bestimmten Kulturen und Gesellschaften geschätzt werden, aber an sich nicht das spezifisch Menschliche ausmachen. 440 Dignitas Personae spricht hier in aller Deutlichkeit von einer eugenischen Mentalität. Denn wer legt die Kriterien fest? Darüber zu entscheiden welches Leben Würde besitze, sei Anmaßung, so Johannes Paul II. in Evangelium Vitae. Eine solche Denkart ist niederträchtig und höchst verwerflich, weil sie sich anmaßt, den Wert eines menschlichen Lebens einzig und allein nach Maßstäben wie Normalität und physisches Wohlbefinden zu beurteilen und auf diese Weise auch der Legitimation der Kindestötung und der Euthanasie den Weg bahnt. 441 Eine Differenzierung zwischen Selektion und medizinischer Indikation, nach Geschlecht oder wünschbaren Eigenschaften, wie sie von jüdischer und muslimischer Seite fällt, wird daher in der Katholischen Kirche kaum getroffen. Die Diskussion bezieht 439 Heilige Kongregation für die Glaubenslehre: Instruktion Dignitas Personae. Über einige Fragen der Bioethik, Rom, 2008, Nr (abgerufen am ). 440 Ebd., Nr Johannes Paul II.: Evangelium Vitae, Rom, 1995, Nr (abgerufen am ). 92

94 sich vornehmlich auf die Ablehnung der PID als eugenischen Ziels, egal ob nun nach Behinderung, Geschlecht oder dem Designer-Baby selektiert werde. Kardinal Lopez Trujillo Alfonso spricht von der PID als wissenschaftlicher Eugenik 442. Ein Vergleich der PID mit der Heilung von Krankheiten wird strikt abgelehnt. Die angebliche Rechtmäßigkeit der eugenischen Abtreibung entsteht in der öffentlichen Meinung aus einer Mentalität sie wird zu Unrecht für kohärent mit den Aussprüchen der Belastbarkeit mit Aussicht auf Heilung gehalten -, die das Leben nur unter bestimmten Bedingungen annimmt und Begrenztheit, Behinderung und Krankheit ablehnt. 443 Das heißt nicht, dass die Katholische Kirche sich gegen die Wissenschaft oder Technik richte. Von einer Technikfeindlichkeit kann keine Rede sein. 444 Bei der PID geht es aber weniger um neue Forschungsprojekte, als vielmehr um ethische Fragen, so Bischof Kamphaus. Es geht nicht nur um neue medizinische Techniken oder um einige interessante wissenschaftliche Forschungsprojekte, es geht um Recht und Grenzen des Projekts der Moderne. 445 Ist das Risiko auf ein behindertes Kind wirklich kontrollierbar? Risiko heißt sich einer Gefahr auszusetzen. Ein Kind in die Welt zu setzen bedeutet immer ein Risiko, denn das Kind könnte auch durch einen späteren Unfall behindert werden. Kamphaus Ansicht nach sei der wesentliche Punkt bei einer Bewertung der PID die Frage, wie viel der Mensch in der Lage ist zukünftig, vermeintlich kontrollieren zu können: Weite Bereiche dessen, was in früheren Zeiten als schicksalshafte Fügung oder als Folge der göttlichen Vorsehung gedeutet wurde, haben sich als berechenbar, kontrollierbar oder sogar beherrschbar erwiesen. Der Mensch erlebt sich mehr und mehr als autonomes Subjekt seines Entscheidens und Handels, die Welt in Korrespondenz dazu immer stärker als Objekt seines Gestaltungswillens: die Natur, die Gesellschaft, nicht zuletzt sich selbst, den eigenen Körper und das eigene Leben. 446 Im Umkehrschluss hieße das dann aber auch, dass der Mensch dort, wo er Kenntnis besitzt, vorbeugend Sorge treffen muss also PID durchführen muss. Zwangsläufig kommt der Begriff Schuld zum Tragen. Haben Eltern Schuld an der Existenz eines behinderten Kindes? Können Sie sich vor diesem schuldig gemacht haben? Wer in Zeiten vorgeburtlicher Diagnostik noch ein erbkrankes Kind zur Welt bringt, ist dann selbst Schuld; er hat infolgedessen auch sämtliche Lasten und Kosten zu übernehmen, 442 Lopez Trujillo Alfonso: Die Familie und das Leben in Europa, Rom, y-europe-trujillo_ge.html, (abgerufen am ). 443 Ebd., Nr Vgl. Gaudium et Spes, Nr. 36, in: Rahner, Karl; Vorgrimler, Herbert: Kleines Konzilskompendium, Freiburg im Breisgau, , Kamphaus, Franz: Von Designer-Babies und Gotteskindern. Gedanken zur Gentechnik und pränataler Diagnostik, in: Nacke, Bernhard; Enrst, Stephan (Hrsg.): Das Ungeteiltsein des Menschen. Stammzellforschung und Präimplantationsdiagnostik, Mainz, 2002, Ebd.,

95 ohne andere zu behelligen. 447 Theologisch betrachtet müsse dann auch die Frage gestellt werden, ob die Eltern sich vor Gott schuldig gemacht haben. In seinem Resümee hält Kamphaus fest: In modernen Gesellschaften wird manches geleistet, das christlichen Geist atmet, selbst dort, wo christlicher Glaube an Bedeutung verloren hat. Die Wissenschaft hat daran ihren Anteil. Die moderne Medizin hat ungeahnte Wege zu Hilfe und Heilung eröffnet und Genforschung, Gentechnik und PD werden dieses Spektrum voraussichtlich noch erweitern. Christen können das nur begrüßen. Der christliche Glaube ist weder fortschrittsfeindlich noch ins Leid verliebt. Er fordert allerdings immer dann Einspruch und Widerspruch, wenn bei der Gestaltung der Welt die Würde des Menschen bedroht wird Was bedeutet Verantwortete Elternschaft im Zeitalter der PID? Hille Haker und Johannes Brantl, Moraltheologen, machen auf das Modell der Verantworteten Elternschaft aufmerksam. Mit der Präimplantationsdiagnostik kippe die verantwortete Elternschaft in eine Über-verantwortete Elternschaft, so Brantl. 449 Zwei zentrale Fragen werden sich im Zusammenhang mit der PID künftig stellen, so Haker Sollte vor jeder Implantierung des Embryos ein Gesundheitscheck stattfinden? 2. Sollen künftig Paare mit genetischen Krankheiten nur mehr IVF-Kinder zeugen? Was ist die zentrale Aufgabe von Eltern, der Sinngehalt ihrer Elternschaft? Die Frage nach einer Zulassung der PID ist mehr als die Frage nach Schwangerschaftskonflikten und nach Eugenik. Es geht auch um die fundamentale Frage, inwieweit Eltern Verantwortung für ein behindertes Kind übernehmen müssen. Der Konflikt, um den es sich nach dieser Beschreibung handelt, ist kein Schwangerschaftskonflikt, sondern ein Konflikt, der sich auf die grundsätzliche Übernahme von Verantwortung für ein Kind mit Behinderung oder mit einer bestimmten Behinderung bezieht. 451 Aber ist es überhaupt zulässig, die Präimplantationsdiagnostik als eine Vorsorgeuntersuchung zu bezeichnen - liegt eine therapeutische Perspektive vor? Klar ist, dass bei der PID der Arzt stärker in die Entscheidung miteinbezogen wird als bei der PND. Bei der PND muss ein Paar in dem Schwangerschaftskonflikt eine Entscheidung nach eigenem Gewissen treffen. Die PID hingegen überlässt es dem Arzt auszuwählen. Die Verantwortungen verschieben sich deutlich. Wie also sieht 447 Ebd., Ebd., Brantl, Johannes: Über-verantwortete Elternschaft und entgrenzte Medizin. Theologisch-ethische Implikationen der PID, in: Trierer Theologische Zeitschrift, 2012, Haker, Hille: Hauptsache gesund?, München, 2011, Ebd.,

96 Verantwortete Elternschaft im Zuge der PID künftig aus? Haker definiert Verantwortete Elternschaft folgendermaßen: Verantwortete Elternschaft ist autonome Elternschaft nicht im Sinne der privaten Willkürfreiheit, nach der Eltern selbst über ihr Kind bzw. ihre Kinder bestimmen können und sollen, sondern im Sinne der moralischen Selbstbindung, die Eltern die Anerkennung ihres Kindes bzw. ihrer Kinder als eigenständige Personen abverlangt, auch wenn das Kind über weite Strecken physisch und existentiell von seinen Eltern abhängig ist und eher die Verletzlichkeit als die Beständigkeit zum Tragen kommt. Beides jedoch ist Ausdruck der menschlichen Personalität und bedarf entsprechend der Aufmerksamkeit einer verantwortlichen Beziehung. 452 Eltern entscheiden sich mit ihrer Entscheidung zum Kind für eine lebenslange Verantwortung. Oft wird dieses Leitbild einer verantworteten Elternschaft in erster Linie auf die Frage der individuellen Verantwortung für die Zahl der Kinder reduziert; aber darin erschöpft sich freilich der moralische Anspruch nicht. Denn verantwortete Elternschaft meint ja zunächst ganz grundlegend, dass Eltern ihre Kinder als eigenständige Subjekte erkennen und anerkennen, denen sie aktive Liebe schulden, das heißt Fürsorge in einem Balanceakt zwischen Schutz (Bindung an die Eltern) und Selbstentfaltung (Ablösung von den Eltern). 453 In der Eltern-Kind-Beziehung sind Begriffe wie Freiheit, Gleichheit, Unterschiedenheit von zentraler Bedeutung. Die Beziehung zwischen Eltern und Kind ist mehr als eine freundschaftliche Beziehung. Eltern verfolgen innerhalb dieser Beziehung im besten Falle nicht nur ihre eigenen Interessen, sondern gleichzeitig auch die Interessen des Kindes. Die Bindung ist nicht wählbar, wie dies etwa Freundschaften sind. Kinder bedürfen der Annahme ihrer Eltern. Diese Annahme erfolgt zuerst einmal nur durch die Mutter. Der Vater mag sich mehr oder weniger in die Schwangerschaft mit einbringen (eventuell ist dies auch abhängig von den Rechten des Vaters), rein biologisch betrachtet findet der erste Prozess der Annahme aber alleine zwischen Mutter und Kind statt (Leihmutterschaften ausgenommen). 454 Mit der PID ändert sich bei diesem Vorgang etwas essentiell. Der Prozess der Annahme startet erst viel später. Hier geht es nicht mehr um die Annahme eines Kindes, sondern es geht um den Vorgang mit Embryonen, die mit medizinischer Unterstützung gezeugt werden. Eltern befinden sich in dieser Phase in einem Zwischenreich. 455 Der Beginn menschlichen Lebens wird neutralisiert, der Beginn der Elternschaft nach hinten verschoben. Eltern können wählen, welches Kind sie künftig annehmen wollen. Die Machtverhältnisse haben sich deutlich zugunsten der Eltern verschoben, denn welches Kind kann seine Eltern wählen? Wenn die Ehe aber der Ort ist, an dem die Liebe Gottes zu den Menschen erkennbar wird und das Kind Teil dieses Geschehens darstellt, steht es 452 Ebd., Brantl, Johannes: Über-verantwortete Elternschaft und entgrenzte Medizin. Theologisch-ethische Implikationen der PID, in: Trierer Theologische Zeitschrift, 2012, Vgl. Haker, Hille: Hauptsache gesund?, München, 2011, Ebd.,

97 dann dem Menschen zu, zu wählen, welches Kind er annimmt und liebt? Gott liebt jeden Menschen bedingungslos. So hält Haker fest: Der christliche Glauben geht von der Kindschaft des Menschen in der Beziehung zu Gott aus. Anders als Menschen dies je möglich ist, ist die Gottesbeziehung zum Menschen durch eine bedingungslose und un-bedingte Annahme gekennzeichnet Die jüdische Position zur einer möglicher Selektion bei der PID Selektion nach medizinischer Indikation Rosner stellt in seinen Ausführungen nach einer möglichen Zulassung der PID die Frage, ob der Mensch eine Selektion treffen darf oder ob diese, sogar laut jüdischer Ethik, verpflichtend sein müsse: Therapeutic genetic engineering and gene therapy that may result from the knowledge derived from the genome project is not a Torah violation of undermining God s creation of the world by manipulating nature (Ramban, Leviticus 19:19). On the contrary, it is a confirmation of the creation of the world. The use of scientific knowledge to benefit mankind is biblically mandated (Ramban, Genesis 1:28). The use of such knowledge to heal illness and cure disease is also bibically allowed based on the talmudic interpretation (Baba Komma 85a) of the phrase and heal he shall heal (Exodus 21:19), or even biblically mandated based on Maimonides interpretation (Mishnah commentary, Nedarim 4:4) of the biblical obligation to restore a lost object (Deuteronomy 22:2) to include the restoration of one s lost health. The healing of illness includes the restoration of one s lost health. The healing of illness includes the use of genetically engineered medications such as insulin and narious antibiotics. The cure of disease by gene therapy, if possible, is also sanctioned in Jewish law. 457 Der Mensch ist im Judentum dazu aufgerufen, die neusten technischen und wissenschaftlichen Erkenntnisse zu nutzen. Dies steht nicht in einem Widerspruch zu seiner Natur. Wenn es die Möglichkeit gibt, Behinderungen zu vermeiden, dann hat der Mensch auch die Verpflichtung Gott gegenüber, dort wo es möglich ist, einzugreifen, so Rabbiner Hofmeister. 458 Das bedeutet nicht zwangsweise, dass ein behindertes Leben weniger wert ist. Jedes geborene Leben ist gleichwertig, völlig egal ob behindert oder nicht. 459 Wenn eine Behinderung vor der Beseelung ausgeschlossen werden kann, dann ist dies zu tun. Das diskriminiere keineswegs lebende Behinderte. Also ich glaub, kein Behinderter [ ] wünscht sich die Behinderung oder, dass mehr Behinderte geboren werden, damit sie ihr Schicksal teilen können. 460 Die Präimplantationsdiagnostik wird von Rosner mit dem 456 Ebd., Rosner, Fred: Biomedical Ethics and Jewish Law, Hoboken, New Jersey, 2001, Vgl. Interview mit Rabbiner Schlomo Hofmeister, in: Anhang, Ebd. 460 Ebd. 96

98 Begriff der Heilung in Zusammenhang gebracht. In seinem Resümee hält er fest: Such genetic manipulation is not considered to be a violation of God s natural law but a legitimate implementation of the biblical mandate to heal. 461 Das, was der Mensch imstande ist zu heilen, soll er auch heilen. Das Judentum steht daher wissenschaftlichem Fortkommen positiv gegenüber. Wenn bei einer In-vitro- Fertilisation mehrere Eizellen befruchtet werden, müsse ohnehin eine Selektion stattfinden. Die Frage lautet also, selektiert man blind oder verantwortlich, so Hofmeister. Es wäre unverantwortlich zu sagen, wir machen diese Auswahl jetzt zufällig. 462 Die Prämisse lautet ja, dass mehr Embryonen befruchtet als implantiert werden. Es ist vernünftiger die gesunden einzupflanzen und die kranken zu entsorgen, als umgekehrt. Kinderlosigkeit stellt für jüdische Paare keine Option dar. Fortpflanzung ist Pflicht eines jeden Juden. Tay-Sachs ist eine typisch jüdische Krankheit, bei der das Kind schon früh, qualvoll stirbt. Die Krankheit entstand durch die wiederholte Heirat innerhalb kleiner Gruppen. 463 Es gibt allein zwei Möglichkeiten, der Krankheit vorzubeugen der Verzicht auf eine Heirat nach einem positiven Gentest und die Präimplantationsdiagnostik. Erstere wird vorrangig in orthodoxen Gemeinden praktiziert, aber auch Rabbiner Hofmeister betont explizit die Möglichkeit der Vorbeugung. Bei der Partnerwahl muss der Jude achtsam sein. So sollen Mann und Frau sich in einem praeemotionalen Stadium 464 bei einer höheren Wahrscheinlichkeit auf Tay-Sachs testen lassen. Moderne jüdische Autoritäten plädieren immer deutlicher für die PID, so Rosner. Not to have children if both parents are carriers of genetic diseases such as Tay-Sachs is not a Jewish option. Preimplantation screening is preferable. 465 Rabbi Moshe Tendler macht auf den wesentlichen Unterschied zwischen Eugenik und medizinischer Genetik aufmerksam. Until the therapeutic potential matches our ability to screen for defective genes, screening provides scientific ammunition to the proponents of eugenics who provided much of the impetus to Hitler s Final Solution that nearly destroyed the Jewish nation and with it tens of millions of people declared unfit to add their genes to the gene pool of the world. 466 Die genetische Technologie bekommt immer mehr Ansehen, so Tendler. Eugenics is not medical genetics. Eugenic principles are concerned with manipulating population genetics to improve humanity by ridding the world of bad genes. Medical genetics analyzes the genetic makeup of an individual to determine the nature of the diseage in order to seek allopathic 461 Rosner, Fred: Biomedical Ethics and Jewish Law, Hoboken, New Jersey, 2001, Interview mit Rabbiner Schlomo Hofmeister, in: Anhang, Vgl. Interview mit Willy Weisz, in: Anhang, Interview mit Rabbiner Schlomo Hofmeister, in: Anhang, Rosner, Fred: Biomedical Ethics and Jewish Law, Hoboken, New Jersey, 2001, Rabbi Moshe Tendler: On the Interface of Religion and Medical science: The Judeo-Biblical Perspective, in: Pellegrino, Edmund D.; Faden, Alan I.: Jewish and Catholic Bioethics: An Ecumenical Dialogue, Washington D.C., 1999,

99 remedies. 467 Der Vorwurf, PID verfolge ein eugenisches Ziel, wird von jüdischer Seite abgelehnt. Eine willkürliche Selektion ist nicht erlaubt. Die PID ist prinzipiell erlaubt, obwohl es natürlich auf die Anwendung ankommt. Zu sagen, prinzipiell wir erlauben es, ist natürlich problematisch, weil die einen sagen dann, sie wollen blaue Augen, die anderen sagen sie wollen blonde Haare. Das ist natürlich eine Selektion, die ethisch fraglich ist. Wenn es aber darum geht Erbkrankheiten auszuschließen, dann sind wir sogar gemäß unserer Ethik verpflichtet, PID zu üben. Mit dem Aspekt, dass wir sagen: Moment, eine Auswahl wird eh getroffen. 468, so Rabbiner Hofmeister. Bei der Entscheidung über die Zulassung einer Selektion gäbe es keine Richtlinien, jeder einzelne Fall muss eigens betrachtet werden. 469 Israel kann weltweit als einziger Staat gelten, in dem jüdische Ethik sich in der Gesellschaft wiederfindet, so auch im Recht. Eine Selektion via PID ist in Israel prinzipiell erlaubt, eine Kommission entscheidet über jeden Einzelfall. Die sogenannte Helsinki-Kommission fällt Entscheidungen über die Zulassung einer Selektion aufgrund der Religionszugehörigkeit. 470 Mark Popovsky steht der PID kritischer gegenüber. In seinen Artikeln über jüdische Perspektiven der PID stellt er die verschiedenen Aspekte differenziert heraus. PID sei keine Heilung, sondern nur Mittel zur Selektion kranker Embryonen. PGD does not heal; it only helps us decide which potential life will begin and which will not. Arguing strongly that we have an ethical obligation to heal the sick does not necessarily imply that we have an obligation to actively intervene with the intention of preventing sick people from coming into existence. 471 Allgemein argumentiere man für eine Zulassung der PID mit der Autonomie des Einzelnen, so Popovsky. Dabei sei zu bedenken, dass uneingeschränkte Freiheit auch negative Konsequenzen mit sich bringen kann, wie dies beispielweise im Nationalsozialismus der Fall war. However, it is important to remember that the past century has witnessed some of the most egregious violations of individual reproductive freedom in history, including Nazi-era eugenics programs, forced conception through rape as a means of ethnic cleansing by Serbians, and the involuntary sterilization efforts that persisted in America through the 1970s. These lessons from our recent past remind us that any future effort to abridge reproductive freedom must proceed with extreme caution Ebd. 468 Interview mit Rabbiner Schomo Hofmeister, in: Anhang, Vgl. Ebd. 470 Vgl. Interview mit Willy Weisz, in: Anhang, Popovsky, Mark: Jewish Perspectives on the Use of Preimplantation genetic Diagnosis, in: The Journal and Law, Medicine & Ethics, Vol. 35(4), 2007, Ebd. 98

100 Der Mensch irrt sich, wenn er glaubt, er könne alles kontrollieren. Wissenschaft und Technik werden prinzipiell im Judentum gut geheißen, bei der PID sei die Technik aber noch nicht so weit vorangeschritten, um das ganze Ausmaß der Diagnostik zu verstehen. While scientists are constantly finding more links between one s genetic makeup and disease, behavioural tendencies and personality traits, they are also, at a similarly rapid pace, learning more about how a specific genotype does not guarantee a specific phenotype. In other words, the presence or absence of any one characteristic is not determined by genetic makeup alone. Environmental stimuli as well as biological factors such as a gene s particular location on a chromosome or the complicated interaction between the proteins created by unrelated genes all play a role in determining how a single gene will express itself in a particular organism. Our understanding of this process at present is extremely limited. Many people are attracted to the simplicity and certainty of imagining that the presence of a specific gene will generate a particular trait, but this fantasy of genetic determinism may lead people to be positively inclined towards the expanded use of PGD. Jewish tradition warns its devotees that they must be careful to avoid the hubris of fooling themselves into believing that a few blunt interventions with human hands can realistically lead to genuine improvements in divine creation. 473 Es scheint, als sei die PID eine schnelle Lösung aller Probleme. Diese scheinbare schnelle Lösung birgt aber Risiken, die zu bedenken sind. Der Mensch ist komplexer als die Summe seiner Gene. Using technology to obliterate these differences may reduce people s capacity to regard human beings as more than a simple collection of traits and behaviors. 474 Für eine vollständige Ablehnung der PID plädiert Popovsky aber nicht. Im Sinne einer Güterabwägung ist eine Zulassung aus jüdischer Sicht vertretbar, wenn drei Voraussetzungen gegeben sind Das zukünftige Kind wird mit Sicherheit die Krankheit bekommen. 2. Die Krankheit endet früh tödlich und bedeutet große Schmerzen für das Kind. 3. Auf dem Markt gibt es keinerlei Therapien für die auftretende Krankheit. Im Allgemeinen herrscht im Judentum Einheit diesbezüglich, dass eine PID aus medizinischen Gründen ethisch zulässig ist. Nach welchen Krankheiten selektiert werden darf, wird im individuellen Fall entschieden. Liberale Rabbiner wie Hofmeister neigen dazu, mehr zu erlauben als etwa orthodoxe wie Popovsky. 473 Ebd., Ebd. 475 Vgl. ebd.,

101 Selektion nach Geschlecht Die Anwendung der neuen Technologie ist nach jüdischem Recht dann zulässig, wenn kein halachischer Grund gegen eine Zulassung vorliegt. The application of new technology according to Jewish law is based on the following principles: The Mishnah emphasizes that only prohibitive, strict decisions require juridical substantiation while permissibility or leniency needs no supportive precedent. The absence of a prohibitive substantiation is to be equated with halachic permissibility. This implies that any technological innovation is permissible unless there is a halachic reason for prohibiting it. 476 Welche Hinweise liefert die Mischna zum Thema Geschlechtsselektion? Laut Gesetz ist jedem Juden von Gott aufgetragen worden, Kinder beiderlei Geschlechts in die Welt zu setzen. For the preservation of the race, however, it is necessary for every man to have children of both sexes. The Gewara explains that they learn this from Moses, who only had two sons (1 Chron. 23:15), and withdrew from his wife. Beit Hillel says, a male and female, as it is written, Male and female He created them (Gen 5:2). Which they learn from the creation of the world, as it is written regarding Adam and Eve Male and female He created them and just as male and female were created, so it is necessary to fulfil the mitzvah of be fruitful and multiply by begetting a male and a female. 477 Die Verpflichtung zur Zeugung mindestens eines Sohnes könnte somit relevant bei der Frage nach der Gestattung einer Geschlechtsselektion via PID sein, so Schenker. 478 Popovsky weist darauf hin, dass das Gebot Vermehret euch (Gen 1,22) keinerlei Begründung für eine Geschlechtsselektion durch die Präimplantationsdiagnostik sein kann. Auch verschiedenste rabbinische Autoren lehnen eine solche Argumentation ab, so Popovsky. 479 Anders verhält es sich bei einer Geschlechtsselektion via PID aus medizinischen Gründen. Eine solche Selektion könnte in einem sehr engen Rahmen nach jüdischem Recht zulässig sein. 480 Schenker führt an, dass die Geschlechtsselektion aufgrund eines medizinischen Grundes erlaubt sein muss. Die Geschlechtsselektion würde helfen etwa 300 x-chromosomale Krankheiten zu vermeiden. So hält auch Rabbiner Hofmeister eine Geschlechtsselektion bei vorliegenden x-chromosomalen Krankheiten für ethisch vertretbar. 481 Weisz und Hofmeister plädieren zusätzlich für eine Zulassung der Geschlechtsselektion aus guten sozialen und religiösen Gründen. Beide erlauben eine Geschlechtsselektion bei der Unfruchtbarkeit eines Cohens. Ein Cohen ist ein 476 Schenker, Joseph G.: Gender Selection: Cultural and Religious Perspectives, in: Journal of Assisted Reproduction and Genetics, Vol. 19, No.9, 2002, Ebd. 478 Vgl. ebd., Vgl. Popovsky, Mark: Jewish Perspectives on the Use of Preimplantation genetic Diagnosis, in: The Journal and Law, Medicine & Ethics, Vol. 35(4), 2007, Vgl. ebd. 481 Vgl. Interview mit Rabbiner Schlomo Hofmeister, in: Anhang,

102 Nachkomme Aarons, welchem im Judentum priesterliche Funktionen zukommen. Der Sohn eines Cohens wird als Erwachsener in die Nachfolge seines Vaters aufgerufen, soll seine Aufgaben übernehmen. Ist der Sohn des Cohens aber nicht der genetische Sohn, so wird dieser zwar als Cohen aufgerufen, darf aber laut jüdischem Recht die Aufgaben des Cohens nicht übernehmen. In einem solchen Fall rät man dem Ehepaar dazu, nur weibliche Embryonen implantieren zu lassen. 482 Das Interesse des Kindes stehe hier im Vordergrund. Aber das ist ein typischer Fall, wo im Interesse des Kindes die Entscheidung stattfindet. 483, so Weisz Selektion des Designer-Babys, Selektion nach Wunschkriterien Aussagen von jüdischen Autoritäten über eine Selektion nach Wunschkriterien wurden bisher kaum getroffen. Die Zulassung einer Selektion des Rettungskindes wiederum wird weitestgehend erlaubt. So legt es auch Popovsky in seinen Ausführungen dar. Die Auswahl des sogenannten Rettungskindes unterliegt dabei, ähnlich wie die Selektion nach Behinderung, strengen Bestimmungen und kann nicht allgemein zulässig sein. 484 Die Selektion nach dekadenten Kriterien betrachtet Rabbiner Hofmeister als problematisch. 485 So auch Rosner: To improve physical traits and characteristics such as height, eye and hair colour, facial features and the like, is frowned upon in Judaism if it serves no useful medical or psychological purpose. 486 Eine Selektion nach physiologischen Eigenschaften, wie Augenfarbe, Haarfarbe, Statur oder auch nach IQ kann nach jüdischer Ethik nicht zulässig sein, so Weisz. 487 Letztendlich muss aber noch stärker bedacht werden, warum eine Selektion nach religiös-sozialen Kriterien, wie beispielsweise im Falle des Cohen im Judentum erlaubt wird, eine Selektion nach Wunschkriterien, wie beispielsweise die blauen Augen, aber nicht, so Hofmeister. Niko Alm weise auf dieses argumentative Problem hin. 488 Auch Popovsky macht deutlich, dass die Zulassung der PID einer stärkeren Diskussion bedürfe. Der Mensch ist mehr als die Summe seiner Eigenschaften. Der starre Blick auf seine Defekte könnte auch dazu führen, den Blick auf den ganzen Menschen zu verlieren und somit in der Konsequenz in Zukunft stärker nach eigenen Wunscheigenschaften zu selektieren Vgl. ebd., Interview mit Willy Weisz, in: Anhang, Vgl. Popovsky, Mark: Jewish Perspectives on the Use of Preimplantation genetic Diagnosis, in: The Journal and Law, Medicine & Ethics, Vol. 35(4), 2007, Vgl. Interview mit Rabbiner Schlomo Hofmeister, in: Anhang, Rosner, Fred: Biomedical Ethics and Jewish Law, Hoboken, New Jersey, 2001, Vgl. Interview mit Willy Weisz, in: Anhang, Vgl. Interview mit Rabbiner Schlomo Hofmeister, in: Anhang, Vgl. Popovsky, Mark: Jewish Perspectives on the Use of Preimplantation genetic Diagnosis, in: The Journal and Law, Medicine & Ethics, Vol. 35(4), 2007,

103 Islamische Positionen zu einer möglichen Selektion bei der PID Selektion nach medizinischer Indikation Bei der Frage nach einer Selektion bei der PID muss auch an dieser Stelle zuerst einmal geklärt welchen, von welcher Rechtsschule aus bewertet wird. Die drei Hauptpositionen zur Schutzwürdigkeit menschlichen Lebens wurden schon vorgestellt. Sie lauten: Schutzwürdigkeit ab der Befruchtung, Schutzwürdigkeit ab dem 40. Tag und Schutzwürdigkeit ab dem 120. Tag, mit der Beseelung. So kann im Falle der Schutzwürdigkeit ab dem Zeitraum der Befruchtung eine Selektion nicht erlaubt sein. The first, which includes The Malikis and A.Ghazali from Shafi i School, considers the foetus as sacred as any living human being from the very moment of conception. In this case, any attack on the embryo during any time of pregnancy is considered a crime. 490 Im Falle zwei und drei sei ein Blick auf die Wertigkeit von Behinderung geworfen. An sich kommt dem behinderten Menschen im Islam das gleiche Maß an Würde zu wie einem gesunden. Krankheiten und Behinderungen können auch etwas Positives sein. Der Mensch wird durch sein Leid geprüft. Wenn er standhaft bleibt und Gott nicht anklagt, kann es ihn von vergangenen Sünden loslösen, so Olgun. 491 Aber Krankheit und Behinderung ist nicht wünschenswert. Der Muslim soll alles, was in seiner Macht steht, gegen die Krankheit tun. Da, wo es nicht in seiner Macht liegt, soll der gläubige Muslim demütig seine Prüfung annehmen. 492 Wenn es aber die Möglichkeit gibt kranke, unbeseelte Embryonen aus-zu-selektieren, spreche nichts dagegen, so Elibol. 493 Grund dafür seien islamische Überlieferungen des Propheten Mohammeds, nachdem es zu jeder Krankheit auch eine Heilung auf Erden gibt, der Mensch aber nicht um jede Methode wisse. Die PID sei zwar keine direkte Heilung, mache es aber möglich für die Seele einen gesunden Körper zu produzieren. 494 Zahrae und Shafie weisen darauf hin, dass die PID vorbelasteten Paaren ein gesundes Kind ermöglicht. PGD should be encouraged if it helps to save the foetus from inheriting genetic disorders, and reduces the possibility of having to choose to terminate the pregnancy following a diagnosis of a probably genetic disorder. According to Abou Al-Serour, a professor of obstetrics and gynaecolocy, and director of the International Islamic center for Population Studies and Research at Al-Azhar University, the technique of PGD should be encouraged, as it helps to reduce the risk of passing parents genetic disorders to their children Zahrae, Madhi; Shafie, Shaniza: An Islamic Perspective on IVF and PGD, with Particular Reference to Zain Hashmi, and Other Similar Cases, in: Brill: Arab Law Quartely, Vol. 20, No. 2, 2006, Vgl. Interview mit Ibrahim Olgun, in: Anhang, Vgl. Interview mit Zeynep Elibol, in: Anhang, Vgl. ebd., Vgl. ebd., Zahrae, Madhi; Shafie, Shaniza: An Islamic Perspective on IVF and PGD, with Particular Reference to Zain Hashmi, and Other Similar Cases, in: Brill: Arab Law Quartely, Vol. 20, No. 2, 2006,

104 Die Vorteile einer PID gegenüber einer PND werden deutlich betont. Zusätzlich verhindere die PID die Implantation von Embryonen, die auf Grund ihrer genetischen Defekte ohnehin abgehen würden. PGD increases the chances of a successful IVF process, in preventing miscarriages, which occur due to abnormal embryos. 496 Für eine Befürwortung der Selektion von Behinderung via PID beziehen sich die Gelehrten auf drei Hadith-Stellen. Der Muslim wird an erster Stelle dazu aufgerufen, den Ehepartner sorgfältig zu wählen (1), er soll niemanden heiraten, der in einem näheren Verwandtschaftsverhältnis zu ihm steht (2), weiterhin ist die Heirat Fremder wünschenswert (3). Ziel ist eine Durchmischung der Stämme. Die technischen Vorzüge der Präimplantationsdiagnostik würden dem Muslim zur Zeugung gesunder Nachkommen zusätzlich helfen. Al-Quaradawi macht darauf aufmerksam, dass in der islamischen Tradition das Vorbeugen schon immer einen höheren ethischen Ansatz verdient habe als eine spätere Heilung. Da wo der Muslim einer Krankheit vorbeugen kann, da soll er dies auch tun. 497 Die Mehrzahl der Gelehrten spreche sich somit für eine Selektion von Behinderung bei der Präimplantationsdiagnostik aus. The above views seem to provide a permissible but cautious stance, showing that Islamic law can allow the use of PGD if it is used for the benefit of humanity, and alleviates the suffering of humanity. 498 Eine Selektion vor dem 40. Tag wird von den Rechtschulen mit Hauptposition zwei und drei als unproblematisch angesehen, so betont Elibol. 499 Die Selektion darf aber niemals zum Druckmittel werden. Eine Gesellschaft, die Druck auf die Familien ausübt, eine solche Selektion durchzuführen, eine Gesellschaft, die Behinderungen nur als Belastungen betrachtet, sieht Elibol als zukünftige Gefahr. 500 Auch ist fraglich welche Behinderungen selektiert werden dürfen. Die Selektion von Behinderung via PID einzugrenzen, müsse Aufgabe von Kommissionen sein. Im islamischen Bereich ist sie sich sicher, dass unterschiedliche Kommissionen zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen werden. (Vgl. Universität Al-Azahr und Theologen der Türkei) Selektion nach Geschlecht Das Phänomen der missing girls stellt ein weltweites Problem dar. Der Männerüberschuss in der islamischen Welt liegt zwischen 1 und 5%. Als Hauptgrund wird eine erhöhte Frauensterblichkeitsrate auf Grund von schlechter medizinischer Versorgung angeführt. 502 Es gibt zwei Möglichkeiten einer 496 Ebd. 497 Ebd., Ebd., Vgl. Interview mit Zeynep Elibol, in: Anhang, Vgl. ebd., Vgl. ebd., Vgl. Uthman, Ra fat: Die Verfügungsgewalt über das Geschlecht des Embryos, in: Eich, Thomas: Moderne Medizin und islamische Ethik. Biowissenschaften in der muslimischen Rechtstradition, Freiburg im Breisgau, 2008,

105 Geschlechtsbestimmung nach erfolgter In-Vitro-Fertilisation: die Microsort-Methode und die PID. Die zweite verspricht eine höhere Erfolgsquote. Erste Aussagen über die Zulassung einer Geschlechtsselektion trifft die IOMS 1983: Im Bezug auf die Auswahl des Geschlechtes wurde zwar mehrheitlich beschlossen, dass sie auf nationaler Ebene schariarechtlich verboten sei, eine Minderheit aber sprach sich gegen ein Verbot aus, wohingegen andere zu bedenken gaben, dass dadurch auch ein Ungleichgewicht der Geschlechter entstehen könnte. 503, so Fischer. Schenker hält ebenfalls fest, dass die Mehrheit sich für die Zulassung einer Geschlechtsselektion aussprach. Preimplantation of gender selection was accepted with some reservations. 504 Die Geschlechtsselektion kann dann erlaubt sein, wenn eine Frau schon mehrere Töchter geboren hat, aber noch keinen Sohn und religiöse oder familiäre Gründe für einen Jungen sprechen. Das Risiko weiterer Schwangerschaften der Frau, bis diese den gewünschten Sohn auf die Welt bringe, wird bei einer Zulassung drastisch gemindert lehnt das International Islamic Center for Population Studies & Research der Azhar-Universität Kairo 506 eine Selektion des Geschlechtes strikt ab, diese widerspreche dem Willen Gottes. Bei einem Workshop der Al-Ahzar-Universität im Jahre 2000 wird die Debatte um Geschlechtsselektion ebenfalls thematisiert. Auch die Universität Al-Ahzar weiß um die Probleme von Familien ohne männliche Nachkommen, doch lehnt sie eine Geschlechtsselektion deutlich ab. The workshop was strongly against using PGD for gender selection, and condemned discrimination against baby girls, but at the same time considered that universal prohibition would itself risk prejudice for the women in societies where the births of sons are important to the woman s well being. 507 Der Workshop sprach sich mehrheitlich gegen die Geschlechtsselektion aus. Eine Ausnahme fand allgemeine Zustimmung die Geschlechtswahl aus medizinischen Gründen. Finally, gender selection is condemned in principle, and prohibited in Islamic Shari ah, but can be permissible in very narrow, exceptional circumstances on medical grounds such as inherited serious sex-related diseases that affect only one gender. 508 Welche Argumente stehen hinter dem Diskurs? Vier verschiedene Aspekte sind in dem Kontext zu bedenken und werden hier kurz skizziert. 503 Fischer, Nils: Islamische Positionen zum pränatalen Leben, Freiburg im Breisgau, 2012, Schenker, Joseph G.: Gender Selection: Cultural and Religious Perspectives, in: Journal of Assisted Reproduction and Genetics, Vol. 19, No.9, 2002, Vgl. ebd. 506 Uthman; Ra fat: Die Verfügungsgewalt über das Geschlecht des Embryos, in: Eich, Thomas (Hrsg.): Moderne Medizin und islamische Ethik. Biowissenschaften in der muslimischen Rechtstradition, Freiburg im Breisgau, 2008, Zahrae, Madhi; Shafie, Shaniza: An Islamic Perspektive on IVF and PGD, with Particular Reference to Zain Hashmi, and Other Similar Cases, in: Brill: Arab Law Quartely, Vol. 20, No. 2, 2006, Ebd.,

106 1. Ist Geschlechtsselektion ein Eingriff in Gottes Vorrecht? Die Frage, welche sich in diesem Kontext häufig stellt, ist, ob der Mensch eine solche Selektion durchführen darf. Eich führt an, dass Gott ohnehin Einfluss auf die Zeugung von Kindern hat er schaffe Frauen und Männer so viel er will. So hält auch Abd-an-Nasir Abu-l-Basal fest: Die Behauptung, dass es in der Macht eines Ehemanns, Doktors oder Philosophen steht, das Geschlecht des Embryos zu bestimmen, ist eine Lüge. [ ] Der Ehemann oder wer an seiner Stelle ist, kann nicht mehr als mit seinem Beischlaf den Zeitpunkt der Befruchtung beeinflussen, also die Hoffnung auf eine Schwangerschaft. 509 Eine solche Sichtweise stellt aber keineswegs die Einheitsmeinung des Islam dar Es herrscht unter Rechtsgelehrten im Allgemeinen eine Neigung dazu, das zu erlauben, was in den heiligen Schriften nicht explizit verboten wird. Da Aussagen über Geschlechterselektion via PID in den heiligen Schriften nicht direkt zu finden sind, könnte somit das Votum für eine Zulassung von Geschlechtsselektion bei der Präimplantationsdiagnostik ausfallen. 3. Welche Aussagen über das weibliche Geschlecht trifft der Koran? Elibol führt an, dass schon der Koran Aussagen über das weibliche Geschlecht getroffen hat. Mädchen wurden auch vor islamischer Zeit schon benachteiligt, daher schien es dem Propheten Mohammed ein Anliegen zu sein, die Problematik dezidiert anzusprechen. Das Verbot der Tötung des weiblichen Geschlechts und die Aufforderung Mädchen gut zu behandeln ist zentraler Inhalt verschiedener Koranstellen. 511 Auch unabhängig von den 40 Tagen sieht sie ein klares Verbot der Tötung von Mädchen gegeben Welche gesellschaftlichen Aspekte sind zu bedenken? In den Stellungnahmen der Konferenzen, bzw. der verschiedenen Workshops der Universitäten aus dem Jahre 1983, 1991 und 2000 wurde die Thematik bereits angeschnitten. Bis heute noch erfährt ein Mann im Islam ohne männlichen Nachwuchs eine geringere gesellschaftliche Anerkennung als mit einem Sohn. Die Frage nach einer Zulassung der Geschlechtsselektion ist eine zutiefst soziale Frage. 509 Ab-l-Basal; Abd-an-Nasir: Die Wahl des Geschlechts des Embryos, in: Eich, Thomas (Hrsg.): Moderne Medizin und islamische Ethik. Biowissenschaften in der muslimischen Rechtstradition, Freiburg im Breisgau, 2008, Anm. YZ: Der Diskurs um die Frage nach der Vorherbestimmung bzw. das Eingreifen Gottes in die Welt ist ein hochkomplexes theologisches Thema innerhalb der islamischen Theologie. Erste Ansätze zur Problemstellung liefert das Interview mit Ibrahim Olgun, in: Anhang, Anm. YZ: Um eine beispielhaft zu nennen: Koran: Sure 3/ Vgl. Interview mit Zeynep Elibol, in: Anhang,

107 Im Rahmen einer Rechtsgüterabwägung kommen deshalb viele Rechtsgelehrte zu dem Schluss, dass die positiven Effekte der PID überwiegen würden. 513 Insgesamt bleibt aber die Frage über eine Zulassung einer Geschlechtsselektion im Islam strittig. Es lässt sich kein Konsens innerhalb des Islams, auch keiner innerhalb der Rechtsschulen, diesbezüglich feststellen Selektion des Designer-Babys, Selektion nach Wunschkriterien Bei der Frage, ob eine Selektion von Designer-Babys im Islam zulässig ist, sei ein kurzer Blick auf das Problem der Rechtfertigung des Muslims vor Gott zu werfen. Nach islamischer Theologie hat der Mensch sich am Auferstehungstage vor Gott zu rechtfertigen. Beurteilt wird dieser durch seine Absichten. Dem Menschen ist es nicht möglich immer die richtige Entscheidung zu treffen, entscheidend sei daher die dahinterstehende Absicht. 514 Mit diesem Hintergrund ist auch eine Selektion von Designer-Babys zu beurteilen. Ein Spiel mit dem Leben ist dem Menschen verboten, eine willkürliche Selektion verbietet sich. 515 Das Streben der Menschen nach Perfektion ist außerdem töricht, denn der Mensch wird aus sich selbst heraus niemals perfekt sein. Auch wenn eine Abtreibung vor dem 40. Tag von den meisten Rechtsgelehrten erlaubt wird, gibt es Grenzen. Da kann und darf auch das Abtreiben vor dem 40. Tag zu keinem Spiel werden und Entscheidung werden, ja ich möchte ein Kind haben mit blauen Augen oder schwarzen Augen. 516 Die Kontrolle des Menschen über die Weitergabe des Lebens sei Illusion, so Elibol. Und alles Mögliche unter Kontrolle haben zu wollen, sich das zu wünschen, das geht in eine falsche Richtung. 517 Eine Selektion nach Wunschkriterien ist im Islam nicht gestattet. Das Votum des Workshops an der Universität Kairo im Jahre 2000 bestätigt Elibols Aussagen. Having recognized that PGD was capable of genetic manipulation for purely cosmetic enhancement, such as making people taller, stronger, more athletic, or more intelligent, the Workshop was critical, and concluded that these practices are totally not permissible. The Workshop, however, recommended that the use of PGD must be clearly beneficial, and focused only on alleviating human suffering in cases of genetic diseases and pathological conditions Vgl. Eich, Thomas: Fragen des Lebensanfangs Ein Nachspann, in: Eich, Thomas (Hrsg.): Moderne Medizin und islamische Ethik. Biowissenschaften in der muslimischen Rechtstradition, Freiburg im Breisgau, 2008, Vgl. Interview mit Zeynep Elibol, in: Anhang, Vgl. ebd., Ebd., Ebd., Zahrae, Madhi; Shafie, Shaniza: An Islamic Perspective on IVF and PGD, with Particular Reference to Zain Hashmi, and Other Similar Cases, in: Brill: Arab Law Quartely, Vol. 20, No. 2, 2006,

108 Eine Zulassung in Grenzen erfolgte aber bei der Frage nach Rettungskindern. Sechs Bedingungen müssen gegeben sein, damit die Selektion eines Rettungskindes im Islam zulässig ist: Ziel der Selektion des Rettungskindes darf nicht sein, dem Kind später wertvolle Organe zu entnehmen. 2. Die spätere Entnahme eines Organs oder sonstige physiologische Eingriffe müssen schmerzfrei erfolgen. 3. Das Kind darf durch die Eingriffe keine physiologischen oder psychologischen Beeinträchtigungen erleiden. 4. Die Erfolgsrate soll möglichst hoch sein. 5. Das Verfahren ist die einzige Möglichkeit, das Geschwisterkind zu retten. 6. Die In-vitro-Fertilisation und die Tötung der übrigen Embryonen müssen in der Rechtsschule, der die Eltern angehören, erlaubt sein. Das Designer-Baby darf zu keinem Zeitpunkt als Ware betrachtet werden, ihm/ihr kommt die gleiche Schutzwürdigkeit zu, wie jedem anderen Menschen. The designer baby must not be considered as a commodity or provider of spare parts, his/her life must be protected like any other human being, and his/her contribution to save the unhealthy existing human being must not be detrimental to his/her health, or cause him/her any harm Vgl. ebd., Ebd.,

109 Conclusio Das Ziel der Arbeit war es, die verschiedenen Positionen der drei monotheistischen Religionen (Katholische Lehre, Judentum und Islam) zur Präimplantationsdiagnostik im Dialog mit den Naturwissenschaften und der Philosophie darzustellen. Welche Paradigmen spielen bei der Bewertung der PID eine Rolle? Inwieweit beziehen sich die Religionen auf naturwissenschaftliche Grundlagen und Argumentationen der Philosophie? Welches Menschen - und Gottesbild zeigt sich? Einleitend fand in der Arbeit eine naturwissenschaftliche Darstellung wichtigster Stationen der Embryologie statt. Es wurde deutlich, dass menschliches Leben mit der Befruchtung beginnt. Eine spätere Zäsur (bspw. Die Nidation, die Ausbildung des Gehirns, die Empfindungsfähigkeit) als den Beginn menschlichen Lebens zu setzen, müsste begründet werden. Denn eine solche Argumentation koppelt menschliches Leben immer an gewisse Eigenschaften, die der Mensch erst im Laufe seiner Entwicklung erlangen muss, um Mensch zu sein. Die präferenzutilitaristische Position Singers, dem Menschen käme erst zu einem späteren Zeitpunkt Würde zu (wenn dieser Eigenschaften einer Person erlangt habe), wurde dargelegt und in Frage gestellt. Eine Trennung zwischen Mensch- und Personsein ist unschlüssig, wenn der Begriff Person im ursprünglichen Sinne näher betrachtet wird. Der Gedanke der Menschenwürde, wie Kant ihn darstellt, ist mit dem Gedanken Singers nicht kompatibel. Zusätzlich treten in den Darstellungen Singers praktische Probleme auf, denn die Entwicklungspsychologie, beispielhaft vorgestellt durch Baldwin und Piaget, sieht sich nicht in der Lage, einen Zeitpunkt zu bestimmen, ab wann der Mensch die gewünschten Eigenschaften erlangt habe. Der Medizinethiker Günter Rager versucht in seinen Arbeiten eine Brücke zwischen der Medizin und Philosophie zu schlagen. In seinen Ausführungen zeigt er, dass der Embryo ein Individuum im biologischen Sinn 521 sei. Die SKIP-Argumentation (Spezies-, Kontinuitäts-, Identitäts- und Potentialitätsargument) versucht aufgrund von philosophischer Argumentation den Status des Embryos zu stärken. Im Rahmen des religionswissenschaftlichen Vergleiches wurden die beiden Theorien der Sukzessiv-und Simultanbeseelung vorgestellt. In diesem Zusammenhang stellt sich eine zentrale Frage: Kommt die Seele nachträglich in den Körper des Embryos oder besteht von Beginn an (mit dem Zeitraum der Befruchtung) eine leib-seelische Einheit? Im Laufe der Arbeit wird klar, warum die Frage nach der Beseelung den Dreh-und Angelpunkt der unterschiedlichen Bewertungen der Religionen in Bezug auf die PID darstellt. Die medizinischen Methoden und Diagnostiken der Präimplantationsdiagnostiken wurden vorgestellt, auf mögliche Problemfelder hingewiesen. Im Kontext der PID fand eingangs eine philosophische Klärung der Begriffe Selektion und Eugenik statt. Von Selektion im Zuge der PID 521 Vgl. Rager, Günter: Teil I. Naturwissenschaftliche und philosophische Perspektive, in: Rager, Günter; Von Brück, Michael (Hrsg.): Grundzüge einer modernen Anthropologie, Göttingen, 2012,

110 zu sprechen und nicht von dem historisch vorbelasteten Begriff der Eugenik könnte ein gezieltes taktisches Manöver sein. Habermas u.a. möchten deutlich machen, dass mit der PID nichts anderes als moderne Eugenik stattfindet. Im nächsten Abschnitt soll kurz dargestellt werden, inwiefern die Religionen Bezug zu den Erkenntnissen der Biologie/Medizin und den Argumentationen der Philosophie nehmen. A. Die Katholische Kirche Die Katholische Kirche lehnt die PID strikt ab. Verschiedene Gründe sprechen für diese Ablehnung 1. Die Erkenntnisse der Embryologie haben deutlich gemacht, dass mit dem Zeitraum der Befruchtung menschliches Leben beginnt. Wenn man einen Leib-Seele-Dualismus vermeiden will, dann muss mit dem Beginn der Befruchtung der Embryo auch eine Seele besitzen. Eine nachträgliche Beseelung durch Gott findet nach heutigem Verständnis nicht statt. Die Seele ist das Prinzip des Lebendigen, wie schon Aristoteles darstellte und gehört somit essentiell zum Menschen. Der Embryo entwickelt sich nicht zu einem Menschen, sondern als Mensch. Die alte Lehre der Sukzessivbeseelung wurde mit der Konstitution Apostolicae sedis am 12. Oktober 1869 von der Katholischen Kirche aufgrund der neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse der Embryologie revidiert. Weiterhin ist zentraler Inhalt des Christentums der Gedanke der Menschenwürde, welcher in der Gottebenbildlichkeit gründet. Der Gedanke der Menschenwürde hat auch in der säkularen Welt Zustimmung gefunden. Hier wird vornehmlich Kant angeführt. Wenn menschliches Leben mit der Befruchtung beginnt und der Mensch wegen seiner Würde zu schützen ist, muss auch der Embryo von Beginn an geschützt werden. Die SKIP- Argumentation der Philosophie versucht zu verdeutlichen, warum dem Embryo daher schon von Beginn an ein Schutz zukommen muss. Die Katholische Kirche greift die SKIP-Argumentation auf und tritt für den unbedingten Schutz des Embryos ab dem Zeitraum der Befruchtung ein. Die Argumentation Singers wird von der Katholischen Kirche abgelehnt. Was also bei der Präimplantationsdiagnostik weggeworfen wird, ist vom katholischen Standpunkt her klar - ein menschliches Leben. 2. Die Katholische Kirche stellt in aller Klarheit dar, dass die PID eugenische Ziele verfolgt, die keinesfalls mit dem Menschenbild des Christentums vereinbar sind. Philosophische Argumentationen von Habermas u.a., die ebenfalls auf die Problematik der modernen Eugenik bei der PID aufmerksam machen, werden aufgegriffen Vgl. Habermas, Jürgen: Die Zukunft der menschlichen Natur : Auf dem Weg zu einer liberalen Eugenik?, Frankfurt am Main,

111 B. Das Judentum Im Judentum wird die PID nicht prinzipiell erlaubt, aber auch nicht verboten. Gute Gründe sprechen für die Diagnostik. 1. Das Judentum bezieht sich im Unterschied zum eben Dargelegten in seinen Aussagen zum Beginn menschlichen Lebens auf die Beseelung des Embryos am 40. Tag nach der Befruchtung. Zwar kennt man die biologischen Fakten der Embryologie und spricht von menschlichem Leben ab dem Zeitpunkt der Befruchtung, dennoch kommt diesem erst mit der Beseelung Würde zu. Es wird eine Verbindung zwischen der biologischen Entwicklung des Embryos am 40. Tag (mit diesem Zeitpunkt habe er schon eine menschliche Gestalt) und seiner Beseelung hergestellt, vorrangige Quellen für eine nachträgliche Beseelung sind aber die Textstellen aus dem Talmud. Die Argumentation des Judentums am Beginn menschlichen Lebens ist stark biblisch geprägt. Dem Embryo kommt im Laufe seiner Entwicklung ein immer größeres Maß an Würde zu (stufenweise). Erst mit der Geburt erlangt der Säugling die gleiche Würde wie ein erwachsener Mensch. Hier zeigt sich eine Analogie der Geburt zu der Erschaffung Adams. Philosophische Argumentationen, wie die SKIP-Argumentation, sind aus jüdischer Perspektive irrelevant. Wenn es sich im 8-Zellstadium des Embryos um ein menschliches, aber noch nicht beseeltes Lebewesen handelt, spricht aus jüdischer Sicht nichts gegen eine Präimplantationsdiagnostik. 2. Die PID ermöglicht es dem Menschen, Behinderungen vorzubeugen und könnte somit aufgrund seiner Schöpfungsverantwortung dem Juden mit genetischer Disposition im Rahmen der IVF zur Verpflichtung werden. 523 Da die Weitergabe menschlichen Lebens höchstes Gut ist, steht das Judentum neuen Diagnostiken prinzipiell positiv gegenüber. Wenn ohnehin eine Selektion menschlichen Lebens im Zuge der IVF stattfindet, dann sollte die Selektion auch nach vernünftigen Kriterien stattfinden. Das Motiv der Eugenik wird im Judentum nicht mit der PID in Beziehung gesetzt. Es besteht allerdings noch kein einheitlicher Konsens dahingehend, wie diese vernünftige Selektion künftig aussehen kann. Popovsky, ein jüdischer Medizinethiker aus New York, macht darauf aufmerksam, dass es einer breiteren, vor allem philosophischen Diskussion über die Folgen einer allgemeinen Zulassung der PID bedarf. 524 C. Der Islam Im Islam neigt man dazu, die PID unter strengen Kriterien zuzulassen - von allgemeinem Konsens kann aber keine Rede sein. Die Schwierigkeiten werden hier kurz aufgeführt. 523 Vgl. Interview mit Rabbiner Schlomo Hofmeister, in: Anhang, Vgl. Popovsky, Mark: Jewish Perspectives on the Use of Preimplantation genetic Diagnosis, in: The Journal and Law, Medicine & Ethics, Vol. 35(4), 2007,

112 Im Islam lassen sich kaum einheitliche Stellungnahmen zu den Fragen nach dem Beginn menschlichen Lebens und Selektion finden, so auch Ilkilic. Aus den obigen Darstellungen dürfte klar geworden sein, dass die Positionen um den menschlichen Lebensbeginn in der innerislamischen Diskussion bis heute nicht homogen sind. Die Wirklichkeit, dass sogar innerhalb einer Rechtsschule zum moralischen Status des Embryos unterschiedliche Meinungen vorliegen, ist auf die systemimmanenten Dynamiken der islamischen Urteilsfindung zurückzuführen. 525 Man gewinnt den Eindruck, dass der Fragestellung keine große Relevanz innerhalb des Islam zukommt. Als Gründe werden schlechte wirtschaftliche Situationen, fehlendes wissenschaftliches Know-how und schlechte Infrastruktur angeführt. 526 Die meisten Muslime gestehen dem Embryo einen schutzwürdigen Status mit der Beseelung am 40. bzw Tag zu. Medizinische Erkenntnisse sowie philosophische Argumentationen werden nur wenig bedacht, in der Argumentation bezieht man sich vornehmlich auf die religiösen Schriften den Koran und die Hadithen. An zentraler Stelle im Islam steht die Frage nach der Rechtfertigung des Menschen vor Gott. Nur von diesem Standpunkt aus kann die Frage nach einer Zulassung der PID beantwortet werden. Was darf der Mensch sich anmaßen, was obliegt ihm gegen Krankheiten zu tun wie kann er diesen vorbeugen? Die Ehrfurcht gegenüber Allah ist ein zentraler Moment im Glaubensleben der Muslime. So hat der Mensch sich alleine vor Gott zu rechtfertigen, die Gelehrten der Rechtsschulen können ihn allenfalls bei seinen Entscheidungen unterstützen. Die Absicht hinter jeder Entscheidung gilt dabei als Maßstab für eine künftige Rechtfertigung. 527 Das Spiel mit menschlichem Leben, wie bei der Selektion des Designer-Babys, kann somit im Islam nicht toleriert werden. Bei der Frage nach der Selektion von Behinderung ist die dahinterstehende Absicht eine andere, nämlich die Verhinderung von Leid. Folgende zwei Aspekte sollten in der Arbeit verdeutlicht werden: Alle drei monotheistischen Religionen sprechen dem Menschen eine besondere Rolle innerhalb der Schöpfung zu, aufgrund dessen diesem Würde zukommt. 528 Der Begriff der Gottebenbildlichkeit wird im Judentum und in der Katholischen Kirche explizit genannt, der Islam spricht nur implizit von diesem. Der wesentliche Unterschied der drei Religionen im Kontext der PID besteht darin, ab wann dem 525 Ilkilic, Ilhan: Wann beginnt das menschliche Leben? Philosophisch-theologische Reflexionen aus der muslimischen Perspektive, in: Körtner, Ulrich H.J.; Virt, Günter; von Engelhardt, Dietrich; Haslinger, Franz (Hrsg.): Lebensanfang und Lebensende in den Weltreligionen. Beiträge zu einer interkulturellen Medizinethik. 2. Auflage 2009, Göttingen, 2009, Vgl. ebd., Vgl. Interview mit Zeynep Elibol, in: Anhang, Anm. YZ: Ausführungen zur Gottebenbildlichkeit und Menschenwürde im Islam finden sich bei: Heper, Altan: Menschenwürde, Islam und bioethische Fragen, in: Joerden, Jan C.; Hilgendorf, Eric; Thiele, Felix (Hrsg.): Menschenwürde und Medizin. Ein interdisziplinäres Handbuch, Berlin, 2013,

113 Menschen diese Würde zukommt. Da sowohl das Judentum als auch der Islam von einer späteren Beseelung sprechen, wird die PID nicht prinzipiell verboten. Die Katholische Kirche hingegen macht auf die leib-seelische-einheit des Menschen aufmerksam, wonach eine spätere Beseelung einen Leib- Seele-Dualismus zur Folge habe. Wie der damit einhergehende Leib-Seele-Dualismus von den beiden Religionen Judentum und Islam gelöst wird, wurde in der Arbeit nicht behandelt und wäre eigens zu untersuchen. Der katholische Moraltheologe Beck verweist auf das Problem. Diese Problematik, wie zwei getrennt voneinander vorliegende Entitäten nachträglich geeint werden können, ist bis heute nicht gelöst und kann auch mit einem Ansatz, der von der Materie und von zwei getrennt voneinander vorliegenden Entitäten ausgeht, nicht gelöst werden. 529 Die zweite Frage, die sich im Kontext der PID stellt, ist, inwieweit der Mensch in die Schöpfung eingreifen soll/kann. Habermas spricht von einer Zukunft, in denen Menschen nur mehr gemachte und nicht mehr gezeugte sind. 530 Ist die Präimplantationsdiagnostik also nur das Mittel einer modernen Eugenik, bei der der Mensch sich über Gott stellt? Die drei Religionsgemeinschaften halten fest, dass der Mensch einen Schöpfungsauftrag, eine Verantwortung von Gott erhalten habe. Die Frage, welche sich in diesem Kontext stellt, ist, wie die Religionen diesen Schöpfungsauftrag konkret umsetzen und ihre Verantwortung wahrnehmen. Die Arbeit hat aufgezeigt, dass die Schöpfungsverantwortung in den Religionen aufgrund der unterschiedlichen anthropologischen Voraussetzungen auch unterschiedlich wahrgenommen wird. Die Schöpfungsverantwortung im Zuge der PID könnte somit in den Religionen folgendermaßen formuliert werden: Die Verantwortung des Katholiken ist es, den Embryo zu schützen. Die Argumente dafür sind philosophischer und theologischer Natur. In der Konsequenz muss eine PID verboten werden. Der Jude hingegen würde aus seiner Verantwortung heraus versuchen, im Zuge der PID rational zu selektieren. Eine Selektion findet ohnehin nach einer IVF statt. Es wäre unverantwortlich blind zu wählen, wenn dem Menschen technische Mittel gegeben sind. Der Muslim würde höchstwahrscheinlich ausgehend von der dahinterstehenden Absicht des Paares im individuellen Fall entscheiden, ob eine PID zulässig ist. Weiterhin bestehen auch Unterschiede dahingehend, in welche Bereiche der Schöpfungsauftrag hineinragt. 529 Beck, Matthias: Hippokrates am Scheideweg. Medizin zwischen naturwissenschaftlichem Materialismus und ethischer Verantwortung, Paderborn, 2001, Vgl. Habermas, Jürgen: Die Zukunft der menschlichen Natur : Auf dem Weg zu einer liberalen Eugenik?, Frankfurt am Main,

114 Folgende anschließende Fragen stellen sich: Beziehen die Religionen sich in ihrem Schöpfungsauftrag sowie ihrer Verantwortung im medizinethischen Bereich nur auf die eigene Glaubensgruppe oder erwächst daraus ein gesellschaftlicher Auftrag? Wie würde ein solcher gesellschaftlicher Auftrag aussehen und ist dieser im deutschsprachigen Raum überhaupt realisierbar? Denn es bleibt die Frage, in was der Mensch eingreifen darf und was die Rolle Gottes ist bzw. welche Bedeutung der Gottesbeziehung des Menschen zukommt? Wäre ein zukünftiger medizinethisch-interreligiöser Diskurs denkbar? Wo ist es wichtig, Gemeinsamkeiten herauszuarbeiten, (-Stichwort Würde des Menschen ) und wo ist auf die Unterschiede zu verweisen? Wie kann die Katholische Kirche nach dem Zweiten Vatikanum (Stichwort Nostra Aetate ) sich innerhalb eines solchen Diskurses verorten? Gibt es Felder, in denen sie aus dem Diskurs lernen kann, vielleicht auch ihrer eigenen Positionen sicherer werden kann oder sie neu überdenken sollte? 113

115 Literaturverzeichnis Religiöse Quellen: Die Bibel. Einheitsübersetzung, Stuttgart, 2006¹¹. Der Koran. Übersetzung nach Scheich Abdullah As-Samit (F. Bubenheim) und Nadeem Elyas, auf der Plattform islam.de. Der Babylonische Talmud. Neu übertragen durch Lazarus Goldschmidt, Berlin, Kirchliche Dokumente: Gaudium et Spes, in: Rahner, Karl; Vorgrimler, Herbert (Hrsg.): Kleines Konzilskompendium, Freiburg im Breisgau, Katechismus der Katholischen Kirche (Hrsg. Oldenburg Benno, Paulusverlag Veritas), Kongregation für die Glaubenslehre: Konstitution Dignitas Personae. Über einige Fragen der Bioethik, Rom, _dignitas-personae_ge.html, (abgerufen am ). Hl. Kongregation für die Glaubenslehre: Donum Vitae, Rom, 1987, in: Die Unantastbarkeit des menschlichen Lebens. Zur ethischen Fragen der Biomedizin. Mit einem Kommentar von Robert Spaemann, Freiburg im Breisgau, Hl. Kongregation für die Glaubenslehre: Erklärung über den Schwangerschaftsabbruch, Rom, (abgerufen am ). Heilige Kongregation für die Glaubenslehre: Erklärung zur vorsätzlichen Abtreibung, Rom, Johannes Paul II.: Evangelium Vitae, Rom, (abgerufen am ). Lopez Trujillo Alfonso: Die Familie und das Leben in Europa, Rom, _family-europe-trujillo_ge.html, (abgerufen am ). 114

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126 Anhang Interview mit Rabbiner Mag. Schlomo Hofmeister MSc. (Gemeinderabbiner der Israelitischen Kultusgemeinde Wien) Datum: Ort: Rabbinat der IKG; Seitenstettengasse 4, 1010 Wien Erläuterung: I: Interviewerin; R: Rabbiner Schlomo Hofmeister I: Wann würden Sie den Beginn menschlichen Lebens festsetzen, also beim Individuum, also nicht auf die gesamte Welt bezogen, sondern beim Individuum? R: Leben beginnt natürlich, das Leben beginnt, Leben an sich beginnt, wenn sich die zwei Keimzellen verbinden, bei der Befruchtung. Dann beginnt Leben. Aber es gibt verschiedene Stufen des Lebens. Das heißt das ist das. Einerseits natürlich bereits das potentielle Leben der einzelnen Keimzelle. Das ist bereits potentielles Leben. Das hat bereits eine gewisse Wertigkeit. Dann hat natürlich eine Zygote eine höhere Wertigkeit. Wir sprechen dann aber dann vom Leben, im Sinn, dass Leben eine Seele bekommt, dass es sich um einen Menschen handelt, dann sprechen wir von 40 Tagen nach der Beseelung. I: Beseelung? R: Ja genau. I: Also vor diesem Stadium ist es eben ein potentielles Leben und gleichzusetzen mit einem Tier beispielsweise oder mit einer Pflanze? R: Ich scheu solche Vergleiche. Ich kann nicht sagen ein noch nicht beseeltes menschliches Leben ist wie ein Tier. Aber es ist nicht das Gleiche. Es ist, es hat nicht den gleichen Stellenwert der Embryo vor 40 Tagen hat nicht den gleichen Stellenwert als nach 40 Tagen. Lassen wir es mal dabei. 125

127 I: Sind sich in dieser Frage alle Juden, also sind alle Juden der gleichen Meinung, oder gibt s da Unterschiede? R: Das ist Standard. Diese Frage ist Standard. I: Ok. Gibt s Schriftverweise oder wie ist die Argumentation darauf? R: Es ist natürlich alles im Judentum, jedes weltanschauliche Konzept ist begründet auf die Thora, also auf das Alte Testament, bzw. das was wir Thora nennen ist ja nicht nur die narrative, sondern eben die gesamte Thora. I: Und einen Schriftverweis, wo das explizit drin steht? R: Wenn Sie da was konkret wollen, dann. Es gibt schon so Analysen, es gibt schon Artikel darüber aus der rabbinischen Literatur wo man tatsächlich Verweise hat, aber ich weiß nicht, ob die Ihnen was bringen, weil zum Nachlesen so wird s für Sie schwierig wahrscheinlich. I: Ich hatte ein Semester Hebräisch. Also... R: Damit werden Sie nicht weit kommen! Wenn es Ihnen nur um Quellenangaben geht, kann ich Ihnen gerne was zukommen lassen, wenn Sie wollen. I: Ich hatte den Herrn Prof. Dolar auch mal getroffen. Der wollte mir eigentlich was schicken mit Büchern und deutscher Literatur, aber das hat er noch nicht gemacht. R: Das können Sie vergessen. Da gibt s nichts dazu. Also aus jüdischer Sicht. 126

128 I: Also da gibt s keine Literatur dazu. R: Nicht deutsch. Nur hebräisch und aramäisch. Da werden Sie nur Popularwissenschaftler finden. Da können Sie auch auf Wikipedia nachschauen. I: Ok. R: Vergessen Sie s. Da gibt s nichts auf Deutsch, was sie irgendwie wissenschaftlich verwerten können. I: Haben Sie eine Idee? R: Ich kann Ihnen, schicken Sie mir bitte eine nur mit dem Titel Quellenangaben. Quellenangaben PID I: Ok. R: Dann schick ich Ihnen, dann schick ich Ihnen. Lesen Sie Englisch? I: Ja. R: Dann werde ich schauen, es gibt so Artikel dazu. Auf Englisch könnte ich was haben, das würde ich Ihnen einfach einscannen und schicken. I: Ok. R: Ok, machen wir s so. 127

129 (Pause, weil er versucht den Drucker anzuschließen) R: Es tut mir leid. I: Kein Problem. R: Entweder ist mein Drucker kaputt. I: Jetzt hat s geblinkt. R: Jetzt? I: Ja. R: Also wenn der Drucker an ist und das andere nicht funktioniert Kleinen Moment (das Telefon läutet) (Rabbi Hofmeister telefoniert) I: Also meine Nachfrage R: Das Leben (schmunzelt) I: Genau das Leben. Die Beseelung, die Beseelung bezieht sich dann auf die Beseelungstheorie von Thomas von Aquin? 128

130 R: Die 40 Tage. I: Das ist dann bei Mann und Frau gleich, weil manche ja da einen Unterschied setzen? R: Kein Unterschied. Und dann gibt es weitere Stadien. Und dann im Kontext wichtig. Das Leben des Kindes, also der Mutter hat immer Vorrang vor dem Leben des Kindes bis zur Geburt. Was auch der Grund ist, warum gemäß dem Gesetz der Thora eine Abtreibung erlaubt ist und nicht als Mord gilt, wenn es zur Lebensrettung der Mutter nötig ist. Das heißt, wenn die Frau das Kind nicht will, ist das kein Grund natürlich. Das kann sie nicht. Aber es gibt ja durchaus medizinische Indikationen, die einen Schwangerschaftsabbruch nötig machen, um das Leben der Mutter zu bewahren und dann darf man das tun. Rein theoretisch bis zur Geburt. Natürlich ist das heute zu Tage nicht nötig, weil wenn die Frau im 7. Monat schwanger ist, dann kann man das Kind zur Welt bringen und es kann leben. Aber in Zeiten wo das nicht möglich wäre, bringt man das Kind zur Welt, auch wenn man weiß das Kind würde sterben. Aber man muss das Leben der Mutter retten. Das Leben der Mutter hat Vorrang. Erst mit dem Moment der Geburt, wenn das Kind selbst atmet, haben beide Leben den gleichen Stellenwert. Also wir haben also nicht, wie in den meisten anderen Religionen einen Gleichheitsgrundsatz ab der Befruchtung, also ab der Befruchtung den gleichen Stellenwert wie eine 50-jährige Frau. Sondern da gibt es Abstufungen. I: Und warum genau mit dem Atem? R: Weil dann das Kind dann selbstständig ist. Bis dahin ist das Kind Teil des Körpers der Mutter bzw. ihm untergeordnet. I: Und eine extrauterine Lebensfähigkeit, wie sie um Beispiel in der Medizin halt eben argumentiert wird? Also Sie sprechen eben zum Beispiel an R: Dann versucht man es natürlich. Dann versucht man das Kind zu retten. I: Aber? 129

131 R: Dann versucht man das Kind zu retten. Aber wenn ich die Wahl habe, entweder das Kind zu retten oder die Mutter oder sogar beide, dann gilt es das Leben der Mutter zu retten. Also bei irischen Katholiken ist es üblich: Hauptsache das Kind lebt. Völlig egal was die Mutter. Die Mutter ist schon getauft. Also ganz ins Extrem gerechnet. I: Naja (Beide schmunzeln) R: Das ist bei uns nicht so. Ersten gibt es bei uns keine Taufe und kein Initiationsritus und es geht hier nicht um Seelenrettung. Das heißt der Mensch muss leben und es geht ums Leben, aber es ist nicht so, dass ein bereits gelebtes Leben weniger wert ist, wie das neue Leben. I: Ok. Das heißt nach Beginn menschlichen Lebens ist das nicht relevant für die Beurteilung der PID? R: Ist schon relevant. Denn natürlich eine Zygote Leben ist. Und deswegen mag ich den Vergleich nicht zur Pflanze oder zum Tier. Weil es doch ein Unterschied ist zwischen menschlichem Leben und tierischem Leben. Es ist nur nicht die Frage der Seele erlaubt unter 40 Tagen. Das macht es aber nicht weniger Leben. I: Ist denn die PID dann aus jüdischer Sicht erlaubt? R: Die PID ist prinzipiell erlaubt, obwohl es natürlich auf die Anwendung ankommt. Zu sagen prinzipiell wir erlauben es, ist natürlich problematisch, weil die einen sagen dann sie wollen blaue Augen, die anderen sagen sie wollen blonde Haare. Das ist natürlich einen Selektion, die ethisch fraglich ist. Wenn es aber darum geht, Erbkrankheiten auszuschließen, dann sind wir sogar gemäß unserer Ethik verpflichtet, PID zu üben. Mit dem Aspekt, dass wir sagen: Moment eine Auswahl wird eh getroffen. Wir haben eine Auswahl von Zygoten, der Mediziner entscheidet, welche er einpflanzt in die Frau. Die Möglichkeit existiert, Gott hat uns die Möglichkeit gegeben, die Erkenntnis gegeben, was Genetik ist, dann müssen wir das auch nutzen. Es wäre verantwortungslos zu sagen, wir machen diese Auswahl 130

132 jetzt zufällig. Sondern da sollen wir dann auch ausschließen genetische Defekte zum Beispiel. Weil wenn wir sowieso auswählen und die übrig gebliebenen Zygoten werden sowieso eingefroren oder irgendwann vernichtet. Das ist nicht unproblematisch, auch nicht gemäß jüdischer Ethik. Aber warum soll man jetzt zufällig auswählen und das Risiko in Kauf nehmen, dass das Paar ein behindertes Kind hat und dann dafür die quasi gesunden Kinder vernichtet werden? Weil es ist immer die Option. Das oder das. Es geht nicht darum, dass man Behinderte rausselektiert, um sie zu vernichten. Da muss man aufpassen. Das darf man ja nicht in die Richtung verstehen. Weil die Option ist, man selektiert sowieso. I: Aber das kommt darauf an in welchem Land wir leben. Ob wirklich mehr befruchtet werden, als implantiert werden. R: Aber es werden immer mehr befruchtet, als implantiert werden. I: Nein. R: Also das ist interessant. Das ist ein anderer Aspekt. Das heißt es bleiben keine Zygoten übrig? I: Ja (Pause) R: Aber Eizellen, Moment, Moment. Es werden genau die Anzahl befruchtet, aber die Eizellen. I: Es werden mehr Eizellen entnommen, aber die Eizellen, es werden nur so viele Eizellen, also bedarf ja die Stimulation der Frau, gibt es ja mehrere Eizellen, die werden auch entnommen. Aber es wird nur die Anzahl der Eizellen befruchtet, die dann auch implantiert werden. 131

133 R: Okay. Ja das macht für uns keinen großen Unterschied, ob unbefruchtete Eizellen vernichtet werden oder befruchtete. Die Eizelle an sich hat den Wert des Lebens. I: Aber da hat ja noch keine Befruchtung stattgefunden. R: Ja aber das potentielle Leben der Eizelle ist fast genauso wichtig, wie dann die befruchtete. Das ist ein minimaler qualitativer Unterschied vor der Befruchtung oder nach der Befruchtung. Der große qualitative tritt dann nach 40 Tagen auf. I: Und das würde dann, würde auf das Spermium dann genauso zutreffen? R: Genauso. I: Die In-Vitro-Fertilisation an sich ist dann schwierig, oder? R: Nein, wenn es dem Zweck der Zeugung dient, damit ein Paar Kinder hat, ist es überhaupt kein Problem. Die Frage stellt sich dann nur, die Frage stellt sich dann nur oft mal im jüdischen Recht bezüglich der Vaterschaften. Ob es sich, handelt es sich um die Keimzellen der beiden Eheleute, oder handelt es sich um fremde Spermien oder um fremde Eizellen. Das sind dann komplizierte, es gibt zu allem eine Lösung, aber das sind dann komplexere Fragestellungen natürlich. I: Das heißt es bezieht sich zuerst einmal auf das Ehepaar und in anderen Fällen muss zuerst genauer drauf geschaut werden? R: Das kommt darauf an. Also wenn zum Beispiel die Eizelle der Frau, aber das Spermium nicht vom Mann, ist es wichtig, wenn man sowieso einen Samenspender benutzt, dann ist es wichtig, dass man einen nichtjüdischen Samenspender bekommt und keinen jüdischen. Das ist ganz wichtig, aus verschiedensten Gründen. Ein Grund ist zum Beispiel, dass begründet sich auf eine talmudische Grundregel bereits, ohne ins Detail zu gehen. Wenn ein Samenspender, also wenn zwei Kinder eines 132

134 Vaters mit verschiedenen Müttern. Wenn der Vater jüdisch ist, dann gelten sie gemäß dem jüdischen Recht als Geschwister. Wenn der Vater nicht jüdisch ist, gelten sie nach jüdischem Recht nicht als Geschwister. Also die Kinder von jüdischen Müttern mit dem gleichen nichtjüdischen Vater sind keine Geschwister. Genetisch, natürlich wäre es problematisch aus der Genetik heraus, wenn die miteinander Kinder zeugen würden. Aber es gilt halachisch, gemäß jüdischem Recht, nicht als Inzest. Wenn der Vater jüdisch ist, der gleiche gemeinsame Vater ist jüdisch, dann gelten sie als Vollgeschwister, wenn die sich heiraten würden, wäre es Inzest. Weil bei Samenspender nicht unbedingt die Vaterschaft geklärt ist, man weiß ja nicht wer der Vater ist, kann der Zufall es ja grad so wollen, dass sich zwei kennenlernen, die den gleichen Vater haben. Wenn der Samenspender nichtjüdisch wär, also wenn es dazu käme, wäre es zumindest aus religionsrechtlicher Sicht kein Problem, dass die beiden heiraten. Ein anderes Problem ist auch, dass wenn der Mann ein Cohen ist, ein jüdischer Priester. Ein Cohen hat bestimmte Aufgaben/ Verpflichtungen in der Religion, wenn er und seine Frau keine Kinder haben und sie die Möglichkeit der IVF in Anspruch nehmen, wäre es zum Beispiel wichtig, sozial besprochen, wenn man eine Selektion macht, eine PID macht, dass man dafür sorgt, dass das Kind ein Mädchen wird und kein Bub. I: Weil? R: Weil, wenn das Kind ein Bub wird, dann müsste er, wenn er der Vater ist, dann ist der Sohn auch ein Cohen. Ein Mädchen ist kein Cohen. Wenn aber der Vater natürlich genetisch nicht der Vater ist, dann kann das Kind kein Cohen werden. Angenommen ein Paar hat einen Sohn, er darf aber nicht aufgerufen werden als Cohen, er darf nicht die Aufgaben eines Cohen übernehmen, dann muss man allen erklären, warum er kein Cohen ist. Das ist eine soziale Frage, verstehen Sie was ich meine? Also Es gibt durchaus Indikationen, die in der Religionsrecht relevant sind und auch dem sozialen Schutz des Kindes dienen unter der Annahme, dass man sowieso selektiert, kann man ruhig auch nach rationalen Gesichtspunkten selektieren. I: Welchen Paradigmen legen Sie dann fest für die PID? Welche Einschränkungen? R: Jeder individuelle Fall muss entschieden werden. Nach welchen Kriterien ausgewählt werden soll. Da kann man nur sehr schwer allgemeine Richtlinien festlegen. Daher stehen wir auf dem Standpunkt 133

135 die PID prinzipiell zu erlauben, also nicht prinzipiell zu verbieten, prinzipiell erlaubt, aber unter Auflagen. Und diese Auflagen sollte sich dann jede Religionsgemeinschaft selbst auferlegen. Das bedeutet eigentlich sollte sich der Staat nicht einmischen und sagen wir nehmen jetzt den katholischen Standpunkt oder den muslimischen Standpunkt oder welchen auch immer. Sondern es sollte prinzipiell legal sein. Und dann wenn aber eine Religionsgemeinschaft sagt, sie wollen das nicht für gut heißen, weil beispielweise in der katholischen Kirche das Ganze als unethisch gilt, dann darf niemand gezwungen werden. Wir haben insofern ein liberales Staatsverständnis, dass der Staat nur die Rahmenbedingungen geben, dass Grundwerte eingehalten werden, aber nicht unnötig limitieren. (Gespräch wird unterbrochen, weil jemand hereinkommt und Internes besprochen wird) I: Das heißt allgemeine grundlegende Prämissen, die man einhalten soll, gibt es nicht? Oder gibt es Grundlinien? Weil ich meine, der Einzelne brauch ja ungefähre Richtlinien, an die er sich halten kann. R: Also unter welchen Kriterien ausgewählt werden dürfte? Was ethisch vertretbar wäre? I: Je genau, aus jüdischer Sicht. R: Also dekadente Kriterien, wie die Augenfarbe oder sowas, das kann man gar nicht auswählen, aber angenommen in der Zukunft könnte man das auswählen, also Phänotyp auswählen, das geht gar nicht, aber angenommen man könnte es, wäre das, ein Gesetz muss immer für die Zukunft gewappnet sein, wäre das, da müsste man genau überlegen, da möchte ich jetzt noch keinen Entscheidung treffen, aber aus dem Bauchgefühl würde ich sagen, das ist problematisch. Es geht hier entweder um gesundheitliche Fragen, also Diagnostik nach genetischen Schäden, das sind Trisomien usw., also wirklich klar erkenntlich, dann Geschlechtsauswahl bei bestimmten Erbkrankheiten. Also wenn ich x- chromosomalen Krankheiten habe, dass ich dann natürlich schaue, dass es ein Mädchen wird, genauso bei y-chromosomalen Erkrankungen, natürlich auch Mädchen wieder. Die gesundheitliche ist sicherlich ein Aspekt. Aber mit der Prämisse. Es wird eh ausgewählt. Ob es aus den Eizellen ausgewählt wird oder den Zygoten ist kein großer Unterschied für uns. Also wenn ich sowieso das Spermium habe und ich hab die Eizellen, kann ruhig der Schritt der Befruchtung gemacht werden, um dann eine genetische Diagnostik durchzuführen, um zu schauen, welche sind unproblematisch und die verwende ich dann. 134

136 I: Was für ein Menschenbild ist bei Ihnen sozusagen, ist behindertes Leben sozusagen aus jüdischer Sicht dann minderwertiges Leben? R: Nein absolut nicht minderwertig. Jedes geborene Leben ist gleichwertig, völlig egal ob behindert oder nicht. Das macht überhaupt keinen Unterschied. Da haben wir einen rationalen Ansatz, wenn es darum geht, wenn wir wissen wir können eine Behinderung vermeiden, dann sind wir verpflichtet das auch zu tun. Es wäre unethisch aus unserer Perspektive zu sagen, das überlassen wir jetzt dem Zufall. Nicht zuletzt auch, auch wenn ich jetzt nicht auf die Philosophie des Zufalls gehen möchte. Es gibt keinen Zufall natürlich. Aber ich kann fahrlässig handeln oder ich kann bewusst handeln. Es nicht auszuwählen und einfach die nächstbesten zu nehmen, wäre fahrlässig. Und jede Behinderung ist eine Krankheit, das ändert nichts am Leben, aber jede Behinderung ist ein genetisches Problem und insofern ist es eine Sache, die die Eltern lieber nicht hätten und auch das Kind auch lieber nicht hätte. Und da die Beseelung erst nach 40 Tagen stattfindet, ist ja dieses Individuum, dieses Kind, dann im gesunden Embryo und nicht im kranken Embryo. Das heißt ja nicht, dass ich ein ungeborenes Leben, ein menschliches Leben selektiert hab, sondern das Individuum, das in die Familie geboren werden soll mit seinem ganzem Bewusstsein, das was es ist diese Seele ist ja da noch nicht vorhanden und die kommt dann in den gesunden Embryo und nicht in den Kranken. I: Sehen Sie darin Gefahren, dass eben durch die Selektion eben der behinderte Mensch sich weniger wert fühlt, weil das hat ja den Beigeschmack hat von ausselektiert, weil es nicht so positiv, nicht so gewünscht ist? R: Also ich glaub, kein Behinderter - und ich habe viele Behinderte im Bekanntenkreis - kein behinderter Mensch oder kein Behinderter wünscht sich die Behinderung, oder, dass mehr Behinderte geboren werden, damit sie ihr Schicksal teilen. Jeder Behinderte, den ich kenne, würde sagen: Wow hätte es die Möglichkeit vor meiner, während Zeugung gegeben mich in die Welt zu setzen ohne die Behinderung, natürlich würde ich wollen, dass das gemacht worden wäre. Das heißt ja nicht, dass dieser Mensch nicht leben würde, er wäre nur in einem gesunden Körper und nicht in einem behinderten. I: Ok das heißt also aus jüdischer Perspektive ist das dann so, dieser Mensch wird schon geboren, die Seele wartet auf ihn und kommt in diesen Köper? 135

137 R: Im 40. Tag im Embryonalzustand. Die Seele wartet eh. Die Eltern zeugen einen Embryo. Sei es nur auf natürlichem Weg oder durch künstliche Befruchtung und in diesem Embryo wird diese Seele kommen. Und wenn wir die Möglichkeit haben, diesen Embryo gesund zu produzieren, sind wir dazu verpflichtet. I: Das heißt es liegt viel an dieser Beseelung und dieser Differenz. Genau. Behinderung wird aber auch nicht als Strafe oder Gottes gesehen? R: Nein überhaupt nicht, also wenn es nicht zu vermeiden ist. Wir sagen auch nicht, dass jedes Ehepaar, was irgendwelche Behinderte in der Familie hat, nur durch PID Kinder bekommen sollte. Soweit gehen wir nicht. Um Gottes Willen. Aber wenn sowieso eine künstliche Befruchtung vorgenommen wird und die Möglichkeit so auf der Hand liegt, dann würden wir es als fahrlässig erachten, es nicht zu tun. I: Aber es wird nicht dazu aufgerufen, wenn eine Behinderung in der Familie vorliegt, halt eben das auch wirklich zu testen? R: Nein das nicht. Wobei was gemacht wird, es wird insofern getestet, bereits dann, wenn sich ein religiöses Paar kennenlernt, bevor sie den Heiratswunsch äußern, es gibt bestimmte Erbkrankheiten, jüdische Erbkrankheiten, in bestimmten Kreisen, die schließt man aus, da gibt es Tests. I: Tay-Sachs. R: Zum Beispiel Tay-Sachs ist eine. Es gibt da zum Beispiel Tests, da erfahren die Leute nicht, ob sie positiv sind oder nicht, aber sie bekommen als Ergebnis diese Kombination aus dieser Frau und diesem Mann problematisch sein könnte. Also eine 50% Wahrscheinlichkeit, dass die Kinder betroffen sind. Also und das macht man, wenn man sagt, man geht rational an die Partnerwahl heran, dass man sagt im klassischen Sinn sagt man sucht sich einen Heiratspartner, dann bevor man sich verliebt, bevor es einen Schritt weiter geht, machen viele dann diesen Gentest, um das auszuschließen. Es gibt auch andere Erkrankungen dieser Art. Und dann würden diese Leute überhaupt nicht heiraten. Wenn sie verheiratet sind, ist natürlich die Frage was man machen könnte 136

138 I: Ist dann diesen Menschen dann verboten zu heiraten, wenn das herausgefunden wird? R: Nein verboten ist es ihnen nicht, aber ist natürlich fraglich, ob es Sinn macht, dieses Dating vorzusetzen, bis die Emotionen sich anspielen. Wir sprechen von einem praeemotionalen Stadium. (Schmunzeln) I: Ok. Also sprich Selektion wäre in Ihrem Sinn, bejahend Schöpfungsauftrag? R: Ich möchte so sagen. Ich würde es nicht prinzipiell verbieten. I: Ok. R: Prinzipiell ja, aber unter bestimmten Auflagen natürlich. Man kann schon sagen prinzipiell ja, prinzipiell spricht nichts dagegen. Weil wir als Menschen gemäß jüdischem Selbstverständnis eine Schaffungsrolle in dieser Welt haben. Es ist unsere Aufgabe diese Welt zu verbessern. Es ist unsere Aufgabe, die zur Verfügung stellenden Mittel und unser Wissen dafür zu nutzen, um aus dieser Welt einen besseren Platz zu machen. Und da können wir nicht auf einmal. Die Menschheit hat durch Wissenschaft und Technologie so viel erreicht. Jetzt hier die Augen zuzumachen und zu sagen, das überlassen wir dem Zufall oder da schauen wir jetzt nicht hin, auch wenn wir könnten, das ist dann eben die Fahrlässigkeit. I: Wo würden Sie ansetzen die Rolle Gottes in der Welt? Was ist Handeln Gottes? R: Das ist natürlich das philosophische Paradox. Warum muss ich überhaupt was initiieren, wenn doch Gott dahinter steht? Nichts kann geschehen in dieser Welt ohne den Willen Gottes. Aber das ist eben das Paradox, scheinbare Paradox, obwohl, alles, ich möchte nicht das Wort vorherbestimmt nehmen, weil das passt nicht, obwohl alles von Gott vorhergewusst ist, was geschehen wird, bei Gott gibt es keine Zeit. Gott weiß jetzt schon was geschehen wird, hat der Mensch freien Willen. Es ist unsere Aufgabe, unseren freien Willen zu nutzen, verantwortlich in dieser Welt zu agieren. Das Leben kann nur entstehen, weil Gott diesen Mechanismus erlaubt. Wenn auch im Labor die Keimzellen 137

139 zusammenkommen, dann entsteht Leben, weil Gott diesen Mechanismus erlaubt. Das ist natürlich das Göttliche schon. Aber das entbindet uns nicht der Verantwortung dafür zu sorgen, dass es, das was unseren Fähigkeiten entspricht, um die Sache zu verbessern. I: Hieße das dann, dass nichts geschehen kann, was Gott nicht will? Weil das hätte ja für die Theodizee Problematik. R: Es geschieht nichts, was Gott nicht will. Bei uns gibt es keinen, für uns gibt es keinen Gegenspieler zu Gott. Das Konzept des Bösen/ des Satan/ Teufel ist ein rein christliches Konzept, dass aus der römischen Mythologie stammt. Das kommt nicht aus dem Judentum. Was wir als Menschen manchmal als negativ empfinden, ist ja intrinsisch nicht negativ. Manchmal haben schlechte Dinge, die uns im Leben geschehen, ja auch einen positiven Effekt, was wir dann im Nachhinein erst merken. Was uns weitergebringt. Nicht alles verstehen wir in dem Moment, wenn es geschieht. Auch die Dinge zum Guten, die wir eigentlich als negativ empfinden, als Tragödien erachten, in dem Moment, wo es geschieht. Das Gute und Schlechte ist nicht zu trennen. Wir sind da nicht objektiv als Menschen. I: Es gibt jetzt schon objektiv aus göttlicher Perspektive, natürlich Gut und Böse? R: Natürlich. I: Aber der Mensch kann halt eben diese Differenzierung nicht vollständig treffen? R: Genau, weil wir da nicht immer objektiv sind. Für den einen ist es eine Katastrophe, wenn jemand, Gott behüte, seinen Job verliert. Aber vielleicht findet er einen besseren Job und nach 10 Jahren sagt er, es ist gut, dass er ihn verloren hat, weil sonst wäre ich immer noch da. Als Beispiel. So gibt es Dinge den ganzen Tag, die geschehen, die wir nicht kontrollieren können. Aber wenn wir es kontrollieren können, haben wir eine Verantwortung. Der Mensch hat immer dann eine Verantwortung, auch Teil der Schöpfung zu sein, des Schöpfungswerkes zu sein, wo er etwas beeinflussen und bewirken kann. Wenn er nicht kann, kann er nicht. Und wir müssen unseren Einsatz geben, wir müssen uns bemühen nach besten Wissen und Gewissen positiv zu agieren, aber letzten Endes aber zu wissen, Gott steht dahinter. Ohne diese Einstellung würde es überhaupt keinen Sinn machen, dass irgendjemand, der 138

140 krank ist, zum Arzt geht. Weil wenn ich sag, es liegt alles in den Händen Gottes liegt und der Mensch hat sich nicht einzumischen, dann muss ein Kranker auch nicht zum Arzt gehen. Aber wir sagen nein. Natürlich wäre er nicht krank geworden, wenn es nicht der Wille Gottes wäre. Aber es ist auch der Wille Gottes, dass der Mensch versucht Krankheit zu heilen. Der Mensch heilt letztendlich nicht. Der Arzt macht nichts anderes als seinen menschlichen Einsatz zu geben, und die Heilung kommt natürlich auch von Gott. Aber das bedeutet nicht, das kommt ich sag, aufs Gleiche raus, dann muss der Mensch nicht zum Arzt geht. Das wäre fahrlässig. I: Aber dass Gott will, dass der Mensch krank wird, das ist ein unbedingtes Zusammenspiel? R: Ich würde es anders formulieren. Ich würde nicht sagen, Gott will, dass der Mensch krank wird. Ich würde es andersrum sagen. Wenn es nicht der Wille Gottes wäre, es kann nichts geschehen, was nicht dem Willen Gottes entspricht. Wenn Gott es nicht zulassen wollte. Gott ist allmächtig. Wenn Gott es nicht zulassen würde, würde es nicht geschehen, nichts würde geschehen. Der Holocaust würde nicht geschehen und die Sonne würde nicht aufgehen in der Früh, wenn Gott es nicht zulässt, würde es nicht geschehen. Es gibt keinen Gegenspieler, der Gott in irgendeiner Weise nahe kommen könnte und sagt, ich mache jetzt was, was gegen den Willen Gottes ist. Und dennoch sind wir als Menschen gefordert. Das heißt nicht, wenn jetzt ein kranker Mensch zum Arzt geht, heißt es ja nicht, dass er was gegen den Willen Gottes macht. Gott hat uns krank gemacht, jetzt müssen wir krank bleiben. Nein. I: Jaja das ist ja eine Verantwortung, weil er da an dieser Situation was ändern kann. R: Manchmal kann Krankheit einem Menschen helfen an sich zu arbeiten, im ethisch-moralischem Sinn, seine Nähe zu Gott zu finden. Es kann verschiedene Sachen haben. Es kann sein, dass es einfach nötig war. Ein gewisses Leiden in dieser Welt ist manchmal auch Gott gewollt. Durch das Leid in dieser Welt Dinge sühnen, die wir falsch gemacht haben und besser in dieser Welt zu leiden, als quasi die Strafe aufzuheben für die zukünftige Welt. Dieses Konzept gibt es auch. Was wir aber nicht machen, ist bewusst das Leiden zu provozieren. Natürlich gibt es Fastentage, natürlich gibt es solche Dinge, wo wir quasi physisch bewusst, freiwilliges Leiden im Fasten zum Beispiel, das heißt aber nicht, dass wir geißeln uns jetzt, so weit gehen wir jetzt auch nicht. 139

141 R: Aber ich weiß nicht, ob das bei Ihnen eine Rolle spielt. Sie sprechen von PID. Wenn man vom Ende des Lebens ausgeht, ist es gegen die jüdische Ethik, das Leben zu beenden frühzeitig. Also Euthanasie ist streng verboten, sowohl aktiv, als auch passiv. Wir sind zwar nicht dazu verpflichtet, Menschenleben unter allen Umständen zu verlängern, aber wir dürfen jetzt nicht abschalten. Das heißt, wenn ein Komapatient an der Herz-Lungen-Maschine hängt, darf diese nicht abgeschaltet werden, unter keinen Umständen. Auch wenn die Hirnkurve auf null ist, weil erstens der Hirntod nicht als Definition des Todes geht, gemäß dem biblischem Recht und sondern der Herzschlag gilt. So lange das Herz schlägt, ist der Mensch am Leben. Und was auch immer dieser Mensch, auch im Komazustand eventuell noch erleidet in dieser Welt, ist zu seinem Guten für die zukünftige Welt. I: Und dass man argumentiert, mit dieser Maschine würde er nicht überleben und diese Maschine sozusagen beispielsweise vor 30 Jahren einfach noch nicht gegeben hat, das wäre aus jüdischer Perspektive irrelevant? R: Herzschlag ist die Definition des Lebens, nicht die Hirnkurve. Solange das Herz schlägt, ist der Mensch am Leben. Und das ist auch nicht abzuschreiten, dass eine Lebensenergie im diesem Menschen ist, wenn das Herz noch schlägt. Man kann einem Verstorbenen nicht das Herz wieder zum Pumpen bringen. Ich kann ihn beatmen künstlich, und dann funktioniert scheinbar ein Sauerstoffausgleich mit dem Kleinhirn, was das Herz schlagen lässt. Aber es ist hier ein Leben vorhanden und dieses Leben kann ich nicht abschalten. Obwohl die Lungenmaschine, die künstliche Beatmung, den Herzschlag ermöglicht indirekt, logisch wenn ich die Beatmung abschalte oder den Sauerstoff herunterdrehe, dann stirbt das Kleinhirn ab und dann gibt es keinen Herzschlag mehr. Aber die Tatsache, dass es diesen Mechanismus des Herzschlages gibt, heißt Leben. Den kann ich künstlich nicht erzeugen. I: Und wenn wir gerade bei dem Herz sind. Also wir haben beim Embryo ja einen gewissen Zeitpunkt bei dem Herzschlag einsetzt oder so. Ist das relevant für die Argumentation für den Beginn des Lebens oder geht s da rein nur um die Beseelung? R: Nein es ist primär die Beseelung. Die 40 Tage sind wichtiger. Weil der Herzschlag, beim Beginn des Leben muss ja irgendwann anfangen, bevor es zur Beseelung kommt schon. Es muss ja irgendwann, der Embryo ins Laufen kommen. Natürlich ist das Leben. Da dürfen Sie mich nicht missverstehen. Das 140

142 heißt nicht, dass wir das nicht als Leben achten und dass es missbraucht werden darf in irgendeiner Weise, um Gottes Willen. Aber es ist, es hat nicht denselben Status wie nach 40 Tagen. I: Wenn wir uns jetzt anschauen bzgl. der PID, also Selektion von Behinderung, würden Sie die Gefahren gesellschaftlich zu einer Gesellschaft herangehen, wo der perfekte Mensch kreiert wird. Also erstmal, ob es da Gefahren gibt und inwiefern Religion also, Sie haben eben schon gesagt, dass Sie ein liberales Gesetzverständnis, aber? R: Also ich würde den Unterschied machen. Also wenn perfekter Mensch. Wir wollen alle perfekte Menschen. Jedes Elternpaar möchte ein perfektes Kind haben. Aber die Frage ist natürlich, wird selektiert nach gesundheitlichen, genetischen Kriterien oder nach Sozialdekadenzen und da würde ich den Unterschied machen. Und das ist eine hypothetische Sache jetzt, weil es das technisch überhaupt nicht gibt im Moment. I: Naja, ich glaube Sie können mittlerweile schon relativ viel herausfinden. R: Sie können die Wahrscheinlichkeit. I: Die Augenfarbe. R: Die Wahrscheinlichkeit. Aber ich kann nicht wirklich blaue Augen selektieren. Weil ich den Phänotyp nicht selektieren kann. Das Kind hat beides. Also alle Merkmale genetisch, was der Phänotyp ist, weiß ich nicht. Also angenommen es würde möglich sein, dann wäre das natürlich schon eine Problematik. Deswegen ist es wichtig zu sagen, prinzipiell ist eine PID zwar erlaubt, aber natürlich, es kommt auf die Kriterien an. Und das muss dann ein weiteres Gesetz, eine Kommission natürlich dann regeln für jene, die davon Gebrauch machen wollen. I: Und warum ist da genau, also welche Argumentation steht dahinter, dass das schwierig ist, so etwas zu selektieren? 141

143 R: Es ist immer eine Abwägung. Ich kann nicht ein Leben fürs andere aufwiegen, auch nicht im präembryonalen Stadium. Aber wenn s um wirkliche Lebensqualität geht, um Gesundheit, Gesundheit ist immer ein Faktor, der wichtig ist für uns, dass der Mensch gesund ist. Wobei es natürlich auch Grenzbereiche gibt. Wie ich vorher gesagt hab. Ein Ehepaar, wo der Mann ein Cohen ist, wäre es aus meiner Sicht kein Problem, zu sagen man selektiert so, dass die beiden ein Mädchen haben werden, um soziale Problematiken zu verhindern. Da würde der Niko Alm jetzt natürlich Alarm schlagen, wie können religiöse Beweggründe jetzt auf einmal wichtiger sein, als in Hollywood die blauen Augen. Verstehen Sie? Natürlich könnte man so argumentieren. In letzter Konsequenz könnte es sein: Wo ist das Problem blaue Augen zu selektieren? Könnte sein. Ich hab da keine. I: Aber prinzipiell ist das Judentum nicht daran interessiert, sich da in diese gesellschaftsrelevanten Sachen, die eben Gesetze sind, sich einzumischen, sondern dass jede Religion. R: Das können Sie besser formuliert nachlesen. Uns geht es darum zu sagen, es soll einen Gesetzesrahmen geben, in welchem verschiedene, Menschen verschiedener ethischer oder religiöser Überzeugung bestmöglich leben können, ohne die Ethik einer Gruppe einer oder der Mehrheit aufzudrücken. Und wenn wir von katholischer Ethik sprechen. Sie studieren katholische Theologie. Natürlich ist das Christentum die größte Religion in Österreich. Aber wenn man eine Umfrage machen würde unter Österreichern oder Deutschen, wie viel Prozent sich der katholischen Ethik verpflichtet fühlen, dann ist es sicherlich nicht mehr die Mehrheit. Dann ist das eine kleine Gruppe und diese Ethik den anderen aufzuzwängen, ist eine philosophische Frage im Staatsverständnis, die zu hinterfragen ist. Es darf niemand gezwungen werden gegen seine ethischen Bedürfnisse, das heißt es darf, wenn es für den Katholik ein Problem wäre PID, ich kenne mich nicht aus in der Katholischen Stellungnahme, aber gehen wir davon aus, es wäre ein absolutes Tabu, eine Diagnostik durchzuführen, wäre es aus unsere Perspektive problematisch, wenn das Gesetz es nicht nur erlauben, sondern verpflichten würde. Aber natürlich auch dann nicht die Verpflichtung erscheinen darf, Eltern sind vom Gesetz her verantwortlich zu sorgen. Die Ärzte müssen selektieren, damit, um Behinderungen auszuschließen, zum Beispiel wenn diese Selektion der katholischen Ethik wiederspricht, dann dürfen Eltern auch nicht dazu gezwungen werden, dass aus ihren Keimzellen das gemacht wird. 142

144 I: Aber das ist dann wiederrum eine Gefahr, wenn ich es gesetzlich sozusagen verankere, weil ich ein ganzes Gesundheitssystem dahinterstehen habe, weil es finanziell auch daran orientiert ist zu selektieren? Dass da so ein Zwang gesellschaftlich entsteht, dass eventuell R: Das ist dann eben die Grundvoraussetzung, dass das Gesetz sagen muss, und ich mein, wir können immer vom Worst-Case-Szenario ausgehen, wir müssen sagen Gesetze müssen gemacht werden, aber es muss spezifiziert werden, wo sind die Grenzen dieses Gesetzes. Also wenn wir sagen, es ist erlaubt und keiner darf genötigt werden, dann muss auch dieser zweite Absatz dabei bleiben. Es darf keiner genötigt werden und es darf kein Druck entstehen. Wenn wir jetzt von den Krankenkassen ausgehen, von den Gesundheitskosten, selbst wenn die 10 Prozent überzeugte Katholiken jetzt sagen, wir verzichten auf die Selektion, aber die anderen 90 Prozent tun s nicht, dann sparen die Krankenkassen trotzdem noch eine Menge Geld. Wenn man sagt, man macht einfach gar keine Diagnostik, dann hat man viel mehr Behinderte oder problematische Fälle. I: Na gut. R: Ich glaube, dass der große Unterschied schon auch in unserem Verständnis darin liegt, dass wir einen Unterschied machen zwischen dem Embryo und der Zygote. I: Ja. R: Weil es eben keine Selektion ist im Sinne von gleichwertigem Leben, oder ich vernichte jetzt Leben und auch der philosophische Rückkehrschluss, dass der behindertes Leben weniger wert wäre, ist nicht möglich. Aber noch einmal. Jeder behinderte Mensch, wenn es eine Heilung gäbe, egal was ihm fehlt, würde es natürlich wählen und jeder behinderte Mensch wäre froh, wenn es die Möglichkeit gäbe, dass es nie so geschehen wäre. Und unserer Überzeugung nach wäre es dann vermeidbar. 143

145 Interview mit Dr. Willy Weisz (Vizepräsident des Koordinierungsausschuss für christlich-jüdische Zusammenarbeit in Österreich) Datum: Ort: Tandelmarktgasse 5, 1020 Wien Erläuterung: I: Interviewerin; W: Willy Weisz I: Also die erste Frage wäre dann halt: wann beginnt menschliches Leben also beim Individuum im Judentum? W: Die gängige Vorstellung und wir finden sie im Talmud auch, ist, dass der Embryo nach dem 40. Tag beseelt ist. Obwohl es trotzdem auch eine gegenteilige Stellungnahme enthalten ist. Und zwar. Eine Geschichte, also es wird erzählt ein bedeutender Rabbiner und ein Kaiser hatten ein Streitgespräch darüber, eine Diskussion und da hätt der römische Kaiser gemeint: Wie kann es sein, dass ein Klumpen Zellen nicht verfault, wenn er nicht eingesalzen wird? Sozusagen die Seele hält das von Haus aus zusammen. Aber das ist die einzige Stellungnahme dagegen. Die gängige ist an und für sich der 41. Tag, was ja der aristotelischen Vorstellung entspricht, die damals natürlich bekannt war. Und die sich eben schon mit den damals gemachten Beobachtungen deckt, dass um diese Zeit ungefähr die ersten Gliedmaßen bei einem Embryo sichtbar sind. Also wahrscheinlich hatten die auch Embryoabgänge in Griechenland und anderswo festgestellt und ungefähr dann kann man was erkennen. I: Und 40. Tag ist bei Mann und Frau identisch? Weil bei Aristoteles haben wir ja die gängige Unterscheidung zwischen Mann und Frau beim 40. bzw. 80./90. Tag. W: Das haben wir nicht. Das finden sie bei den Moslems. Dass die drei Zäsuren quasi in der Schwangerschaft haben Aber die genauen Details müssen Sie einen Moslem fragen, oder eine Muslima. Ich weiß es nur I: Die sind sich da auch nicht einig. (beide schmunzeln) 144

146 W: Jaja, eh. aber ich weiß es gibt die drei und es gibt hier unterschiedliche Meinungen dazu. I: Und wie hat sich das entwickelt, dass dann im Judentum eben dann man bezieht sich auf Aristoteles, aber tut da das Detail eben W: Nein man bezieht sich explizit nicht auf Aristoteles meines Wissens nach. Es ist im Talmud, es ist die Stellungnahme unserer Weisen, aber wir wissen es. I: Aber es ist dann schon eine stufenweise Beseelung sozusagen? Von der anima W: Nein. Punkt. Ab da ist der Embryo beseelt und hat einen anderen Standpunkt. I: Okay, aber diese anderen zwei Stadien vorher durchlebt er nicht. Sondern sozusagen mit diesem Zeitpunkt göttliche Beseelung? W: Ja. I: Der Aristoteles, wenn wir gerade bei dem sind, der geht ja aber noch von anderen biologischen Fakten aus. Der ist ja überhaupt nicht auf dem Stand gewesen, dass es die Eizelle gibt etc. Wenn wir uns jetzt die neuen und naja mit der Befruchtung ist alles angelegt sozusagen. Hat die Erkenntnis der neuen medizinischen Kenntnisse Relevanz gehabt, wurde das diskutiert im Judentum oder? W: Es wird stark diskutiert, aber es hat keine Änderung gegeben. Es werden zwar genetisch alles angelegt, aber defakto heißt das nicht, dass daraus wirklich ein Mensch wird. Wie viele grad in den Anfangsstadien, wie viele befruchtete Eizellen gehen ab, ohne dass die Frauen das merken. Weil die Eizelle sich nicht einnisten kann. I: Und wann beginnt für Sie menschliches Leben? Mit dem Zeitpunkt der Beseelung oder später? 145

147 W: Sagen wir so. Der Embryo, egal ob vor oder nach dem 40. Tag ist, wie eigentlich schon die unbefruchteten Keimzellen, also sowohl die Eizelle, als auch die Spermien haben einen besonderen Status, wie keine andere menschlichen Zellen. Weil sie eben das Leben ermöglichen können. Aber, ob das Leben dann wirklich ermöglicht wird, hängt ja von vielen anderen Faktoren auch ab. Wie gesagt die Zusammenkommen, das Eingenistet wird, das eine Schwangerschaft aufrecht erhalten werden kann. Was wirklich zählt ist ab der Geburt. Wenn, insbesondere, wenn das Leben, die Gesundheit, auch die psychische Gesundheit der werdenden Mutter auf dem Spiel steht, hat die Vorrang gegenüber dem Embryo. Ab dem Moment, also wirklich die Aussage, also entweder der Kopf, bei der Geburt der Kopf, oder bei einer Steißgeburt der größere Teil des Körpers, aus dem Körper der Mutter, herausragt, sind beide Leben gleichwertig. Dann eine Entscheidung zu treffen, dass ein Arzt eine Entscheidung trifft, sag ich immer, vor einer solchen Entscheidung wollte ich nicht stehen. Aber ab dem Moment sind beide gleichwertig und da müssen andere Kriterien herhalten, wenn man sagt, man kann nur einen retten. I: Das Argument der extrauterinen Lebensfähigkeit, was in der Medizin oft angebracht wird, W: Gilt bei uns gar nicht I:Gilt gar nicht. W: Bei einer IVF werden zwar die Zellenmäßigen Grundlagen gelegt, aber extrauterin ist ein Embryo nicht lebensfähig. Kann erst durch das Implantieren in die Gebärmutter I: Ne, extrauterine meine ich, Lebensfähigkeit sozusagen. wird diskutiert 7. Monat oder so, praktisch wenn das Kind sozusagen aufgrund dessen wie es ausgebildet ist schon überleben könnte, aber noch in der Mutter sozusagen ist, aber auf der Welt überleben könnte. W: Also zwei Sachen. Hat die Mutter ein gesundheitliches Problem damit, hat ihr Leben Vorrang, ihre Gesundheit. Jetzt ist schon eine wichtige Frage und zwar geht es darum, z.b. wenn man das Kind retten könnte durch einen Kaiserschnitt und die Operation wäre, und das ist immer sozusagen das Beispiel. Ist am Schabbat, wenn die geringste Chance besteht, dass man bei Rettung der Mutter auch das Kind retten kann, weil es lebensfähig schon ist, dann darf man. Wenn klar ist, dass der Embryo nicht am 146

148 Leben erhalten werden kann, dürfte man so eine Operation am Schabbat nicht machen. Man macht sie nächsten Tag, weil es ja auch darum geht, die Mutter zu schützen, wenn sowas notwendig wäre. Wenn aber das Leben der Mutter nicht so gefährdet ist, dass man sagt einen Tag mehr oder weniger, dann macht man s nichts. Wenn es z.b. zu früh in der Schwangerschaft ist, dann macht man s nicht am Schabbat. Wenn man sagt es ist keine Chance mehr da. Das andere ist z.b. wenn die Mutter gestorben ist oder Hirntod und nur mehr mit Maschinen, also hirn- oder anders tot und nur mehr mit Maschinen am Leben erhalten werden kann, da gilt ja, dass ein Toter nicht. Also solange ein Mensch lebt, kann der, darf der Mensch machen, was er will, im Sinne des Patienten natürlich. Wenn der Mensch gestorben ist, darf der Leichnam nur mehr gewaschen und begraben werden. Jetzt, hier ist wirklich die Frage. Wenn man so ein Kind durch einen Kaiserschnitt retten kann, obwohl die Mutter tot ist, also nur mehr an den Maschinen hängt, dann ist es gestattet, wenn man merkt, dass ist nicht zu retten, weil der Embryo schon abgestorben ist, dann darf man s nicht. Das war keine ganz triviale Entscheidung, weil Jahrhunderte lang galt die Regel. Dass, bevor die Mutter stirbt ist der Embryo schon längst tot. Das war eine im Judentum tradierte Regel. Und es war damals junger Arzt, schon mit einem längeren Bart und selbst Rabbiner und Entscheider, aber damals eben nicht und der ist zu seinem Mentor gegangen, Auerbach, der ja ein ganz bedeutender Rabbiner für die jüdische Medizinethik war. Der war kein Arzt, aber der hat sich sehr damit beschäftigt. Der ist zu dem gegangen und hat zu dem gesagt, das war eine Frau, die eben hirntot war, aber mit Maschinen am Leben gehalten und er als junger Arzt hat gesagt, das Kind könnt man retten. Und dann hat ihm Rolf Auerbach gesagt: Beweis mir, dass diese Aussage, die bisher gilt, falsch ist. Der hat ein Tierexperiment gemacht, mit einem trächtigen Schaf, dass man natürlich entsprechend sediert und alles dann geköpft hat und damit war klar ohne Kopf ist jedes Lebewesen tot und hat ein lebensfähiges Lämmchen rausoperiert. Damit war bewiesen, dass eine Jahrhundert alte Tradition, falsch war, wissenschaftlich falsch war. Es gibt im Judentum Traditionen, die Jahrhunderte alt sind, aber wenn sie wissenschaftlich wiederlegt werden können, eindeutig, dann gelten sie nicht mehr. Obwohl bei uns Traditionen sehr wichtig sind. Also im pharisäischen Judentum, im rabbinischen Judentum ist ja gerade Tradition etwas sehr wichtiges immer gewesen und das war ja einfach der große Streit mit den Pharisäern und Sadduzäern, zumindest in den Zeiten von Qumran, die Bedeutung der Tradition gegenüber von formalen Regeln/ Ableitungen und so. Ja und da hat er das bewiesen, dass dieses Experiment und da hat auch die religiöse, den Kaiserschnitt an dieser schon toten Frau zu machen. Gerade diese, sie ist an der Herz-Lungenmaschine gehangen, und das Kind hat daher alles Notwendige bekommen. Aber hier eben diese Operation durchzuführen und einen lebensfähigen Embryo auf die Welt zu bringen. Also das zu der Frage der des extrauterinen Embryo. 147

149 I: Ja. Genau. Wie beurteilen Sie denn dann die Präimplantationsdiagnostik? Auf Grund dessen, hat es Relevanz, der Beginn des Lebens dafür oder welche andere Kriterien sprechen für oder gegen die Präimplantationsdiagnostik? W: Also wo das Argument der 40 Tage ist, ist dann, wenn es einen Grund für einen Schwangerschaftsabbruch gibt. Der ja nur im Leben oder Gesundheit der Frau begründet sein kann. Wenn man das früh bemerkt, dann sollte man es vor dem 40. Tag machen. Das ist der Einfluss des 40. Tages. Wenn man es erst später bemerkt, damit wenn man es nicht früher machen kann, dann ist der Schwangerschaftsabbruch im Sinne der Gesundheit und des Lebens der Mutter erlaubt, also auch der psychische Krankheiten zählen, insbesondere zb. nach einer Vergewaltigung, sollte es der Frau überlassen sein, ob sie sich zutraut mit der Schwangerschaft und dem Kind leben zu können oder nicht. Obwohl üblicherweise es nicht die Frau allein die Entscheidung trifft. Eine religiöse Jüdin würde sich mit ihrem Rabbiner darüber unterhalten und eine Entscheidung finden. Obwohl es sein kann, dass der Rabbiner auf diesem Feld nicht bewandert ist und einen anderen Rabbiner fragt, das ist ja üblich jemanden, der sich mit dieser Frage beschäftigt hat, vom religiösen und medizinischen Standpunkt. Bei der Präimplantationsdiagnostik gibt s. Im Prinzip ist sie für das Judentum absolut empfohlen. Ist Vorschrift eigentlich. Für den Fall, dass es ohnehin eine IVF gibt, weil sonst nicht und es gibt ja viele Fälle, wo das eine Begründung hat. Also was nicht erlaubt ist, ist das Designerbaby zu suchen, ja, blond, blauäugig, groß, klein, IQ von Einstein usw. Also dieser Hintergrund ist nicht erlaubt und erstens einmal können wir s ja gar nicht. Wir wissen ja von einigen Problemen, aber nicht wie das Ganze zusammen spielt. Selbst wenn wir eine genaue Analyse der Gene von der Eizelle und dem Spermium haben. Aber es gibt insbesondere medizinische Indikationen, die sehr stark sind. Weil es in verschiedenen Gruppen, stärker als in der durchschnittlichen Bevölkerung, mit Wahrscheinlichkeit Gendefekte gibt. Und wenn jetzt die, wenn einer der Partner nur den hat, im nicht schlagend werdend. Wenn es beide haben eine hohe Wahrscheinlichkeit. Hohes Beispiel bei askzenadischen Juden ist Tay-Sachs. Dass eine viel höhere Wahrscheinlichkeit hat, als in der Allgemeinbevölkerung. Es gibt dasselbe, also nicht dieselbe Krankheit, aber denselben Defekt, wenn ein anderen, der genauso katastrophal ist bei nordafrikanischen Juden. Das sind eben, sind eben Entwicklungen, da, wo es oft Gruppen, die erst einmal im kleineren Bereich immer wieder geheiratet haben. Das heißt so Defekte haben sich, über wahrscheinlich angehäuft. Und hier war es so, früher, dass man dann versucht hat zu verhindern, indem man Ehen verboten hat. Denn man wusste beide kommen aus Familien, wo das ist. Und heute erlaubt, wenn ohnehin eine IVF gemacht wird, die Präimplantationsdiagnostik eben zu verhindern. Weil man muss ja sagen beim Tay-Sachs, da geht s nicht darum, in der Diskussion hinein, ob es lebenswert wäre oder nicht, weil die Tatsache ist, dass die ohnehin nicht lange leben können, weil sie als Kinder schon sterben. Und in der kurzen Lebensspanne warnsinnige Schmerzen und andere 148

150 Probleme haben. Also es geht hier nicht darum, wie beim Down Syndrom, dass man sagt, ja, nein. Also daher in diesen Fällen ist es sogar fast Verpflichtung eine PID zu machen, um nicht jetzt zu warten, was rauskommt. Denn in Wirklichkeit ist es ja so, es wird ja eine Selektion durchgeführt. Es ist die Frage, darf ich jetzt eine Selektion mit Vorwissen oder muss ich sie blind machen, auch wenn ich ein Vorwissen hätte. Es werden ja ohnehin Eizellen, Embryonen weggeworfen. Weil man ja nicht alle implantiert. Also das ist einmal das eine. Zweitens gilt ja, das hab ich vorhin gesagt, dass nach jüdischer Vorstellung ein Embryo im Reagenzglas noch immer kein lebensfähiges Wesen ist. Er wird es erst durch die Implantierung. Ja. Und daher stellt sich diese Frage jetzt nicht, dass man sagt, man wirft Leben weg. Obwohl natürlich auch Embryonen, also auch wie Keimzellen, als besonders gehandhabt werden. Es ist nicht so wie Hautzellen. Es gibt allerdings im Judentum auch Fälle, ganz seltene, aber sie existieren, von sozial induzierter PID. In Israel ist es erlaubt, muss allerdings durch eine Kommission gehen. Und Israel ist hier der einzige Staat, in dem auch jüdische Ethik in die Gesellschaft spielt, nicht nur, denn im Unterschied zu Österreich und anderen Ländern, wird dort bei Gesetzen auch mit religiöser Ethik zusammenhängen von christlichen, muslimischen und jüdischen Fachleuten die Meinung eingeholt. I: In Israel? W: In Israel. Also das war bei der Gesetzgebung zu Stammzellennutzung. Da gab s, das kann man im Internet runterladen, ein größeres Dokument, von Juristen, Historikern, Philosophen und Religionsgelehrten der drei Religionen. Also das gilt. Und hier in Israel gibt s diese Kommission. Helsinki Kommission I: Wie heißt die Kommission? W: Helsinki Kommission. I: Wie die Stadt? W: Ja, wie die Stadt. Und die müssen bei der PID gerichtet werden und die entscheidet auf Grund der Religionszugehörigkeit der Antragssteller. Jeder wird nach seiner Religion auch, also die Entscheidung wird auch gefällt, abhängig von der Religion des Antragsstellers, durch Mitarbeit eben von 149

151 Religionsgelehrter dieser Religion, nicht der anderen (schmunzelt). Und da gibt s für Juden also, ich hab einen ganz interessanten Fall gelesen, natürlich voll anonymisiert. Nur um ihnen zu erklären, wo die soziale Möglichkeit, wies das gibt s und warum s sinnvoll ist. Wie Sie wissen im Judentum Familien, die in der Tradition haben, also zum großen Teil genetisch nachgewiesen, dass sie eben Nachkommen der Priesterfamilie sind. Also Nachkommen Arons. Also den kann man natürlich nicht nachweisen, also dass sie gemeinsame väterliche Vorfahren haben und für die, die haben jetzt keine Funktion mehr, so lang s es keinen Tempel in Jerusalem gibt, aber Kleinigkeiten gibt s immer, die für sie gelten. Und folgender Fall. Der eine religiöse Familie, religiöses Paar, absolut und nachgewiesen, absolut unfruchtbar und die wollten trotzdem zu mindestens Kind von ihr. An und für sich ist im Judentum schon eine gewisse Problematik bei der Samenspende. Nicht bei der Eizellenspende, die ist vom religiösen Standpunkt vollkommen unproblematisch. Aber bei der Samenspende, da die Abgrenzung zum Ehebruch das Problem ist. Ja. Auch wenn es zu keinem physischem Kontakt kommt, aber trotzdem. Es ist eben ein fremder Vater, aber trotzdem, nachdem es heute die Möglichkeit der freien Samenspende gibt, wird so ein Fall auch analysiert und die rabbinischen Autoritäten sind zu der Entscheidung gekommen. Ja erlaubt, kein Problem. So jetzt mit 13 Jahren, wenn es ein Bub ist, wird er zur Tora aufgerufen, sein Vater ist ja der gesellschaftliche, ist ein Cohen, aber der Spender ist keiner. Jetzt würde, daher kann man ihn nicht so aufrufen, wie man einen Cohen wirklich aufruft, obwohl es ein Cohen ist. Das heißt es würde die ganze Gemeinde wissen, es ist nicht sein Sohn. In dem Fall hat man erlaubt nach dem Geschlecht zu suchen und nur einen weiblichen Embryo zu implantieren. Also ganz eng natürlich eine Entscheidung für Aussuchen männlich, weiblich gibt s kaum sonst. Es gibt auch einen zweiten Grund, aber der ist wahrscheinlich viel ungewöhnlicher, weniger anwendbar, weil die Notwendigkeit ist natürlich, dass es eine IVF gibt, die man nur macht, wenn s nicht anders geht. Ja. Aber das ist ein typischer Fall, wo im Interesse des Kindes die Entscheidung stattfindet. Ich sag s deshalb weil soziale Sachen, eine teuflische Entscheidung sind. Es muss nicht eine, es muss natürlich eine. Mein Sohn ist in Indien, wie in Indien ist, dass man weibliche Föten abtreibt, weil das eine Belastung für die Familie ist, weil es eine Mitgift gibt. Das wäre im Judentum verboten. Aber das ist eine Entscheidung für das Kind. I: Das heißt Sie würden dann unterschreiben, dass die die Schöpfungsverantwortung des jüdischen Glaubens ist? W: Ja. Und was noch ist. Was auch die Diskussion in Österreich ist. Im Judentum gibt es ein Recht auf Kinder. Das was hier ja immer wieder abgelehnt wird und ein Recht auf Kinder heißt auch, dass die Gesellschaft nach ihren Möglichkeiten wenn s auf dem Stand, natürlichen Weg nicht geht, mithelfen 150

152 muss. Das heißt nicht, dass sie s gratis machen müssen. Insbesondere die Kostenfrage, also sozusagen immer alles auf die Gesellschaft auf würgen nicht. Das ist eine zweite Frage, die auch zu klären ist. Natürlich wird die, eine Gesellschaft verpflichtet, der sich grundsätzlich nicht leisten kann, zu unterstützen. Auch hier kann man fragen, muss es von der Gesellschaft auch eine materielle Unterstützung im Sinne von finanzieller dafür geben? Das ist eine zweite Frage, die hier nicht angesprochen werden soll. Aber wenn die Medizin was leisten kann, dann muss sie. Eben drum, warum gibt es. Es gibt eine Verpflichtung zum Kind. Die erste Verpflichtung, die Adam und Eva bekommen haben, war, dass sie sich vermehren und die Erde bevölkern sollen. Ja. Die zweite, die wir finden ist, dass ein Mann seine Eltern verlässt und seinem Weibe anhängt und sie eins werden. Ja. Also wenn es diese Vorschriften gibt, dann muss es auch ein Recht geben. Und es gibt eben viele Fälle, wo eben es für Partner wichtig ist, ein gemeinsames Kind zu haben oder zumindestens ein Kind von einem der beiden Partner, also auch genetisch eines der Partner ist, wenn es nicht geht. I: Machen sich denn diesbezüglich keine Sorgen keinen Sorgen bei der Selektion im Hinblick auf die Würde von Behinderten, die in der Gesellschaft leben und diese dann weniger Wert empfinden würden? W: Wie gesagt, Behinderung ist was anderes. Gerade wenn man den Herrn Huainigg nimmt. Der ist ja meines Wissens nicht, hat nicht eine Behinderung genetischer Art, sondern eines Problems bei der Geburt. Und da werden viele und das wird ja ohnehin nicht entdeckt. Ja. Also viele der Behinderungen sind eben auftretende Probleme in der Schwangerschaft oder bei der Geburt. Wir persönlich haben auch Freunde, gute Bekannte, die wo es bei einem ihrer Kinder ein großes Problem bei der Geburt gegeben hat, Sauerstoffmangel. Ein ganz toller junger Mann, aber physisch, körperlich behindert, geistig voll da und der auch im Leben heute steht. Ja, also da ist keine Frage. Da wird ja nicht selektiert. Da passiert ein Unfall. I: Ja aber sie würden ja auch bei der PID Behinderungen ausselektieren oder? Oder hab ich das falsch verstanden? W: Wie können Sie? 151

153 I: Trisomien etc? W: Das ist die Frage, ob danach gesucht werden kann, darf, nicht kann. Und ja hier ist die Entscheidung eine schwierigere, denn ob die Familie es schaffen würde, insbesondere die Frau, damit zu leben. Das ist eine sicher psychologische, vom Psychologen bewertendes. Ja. Ich kenne aber auch viele religiöse, die sich trotzdem dem stellen und sagen, sie ist so, wir nehmen s an. Aber ob überhaupt danach gesucht werden kann, das ist eben die Anforderung an so eine Kommission. Das kann nicht der Gesetzgeber meiner Meinung nach von oben für alle Fälle, sondern muss Fall für Fall entschieden werden. Das ist ja auch der große Unterschied zwischen dem Recht was in Österreich gilt und dem jüdischen Recht. Das österreichische Recht versucht Normen und Lösungen bereit zu stellen, das jüdische Recht ist kasuistisch. Das heißt wir müssten jeden Fall in seiner Gesamtheit anschauen und dann nach den Vorschriften suchen. I: Also die These, weil ich frage so genau, weil der Rabbi Hofmeister hat die These, dass Behinderung, dass eine Behinderung bei der PID unbedingt selektiert werden sollte, würden Sie jetzt nicht unterschreiben? W: Ich, sagen wir mal so. (Pause) Wie soll ich das formulieren? Wenn eine Entscheidung aus welchem Grund auch immer getroffen wird, man muss nachschauen, aus welchem Grund auch immer, dann ist es so, dass man, nachdem man eine Entscheidung treffen muss, dem Embryo mit der größten persönlichen Glück unter Anführungszeichen aussuchen sollte oder der mit der größten Wahrscheinlichkeit ein I: Gesundes Kind W: Ein ordentliches Leben führen kann, ja. Weil ich ja aussuche ohnehin. Und wie gesagt, spiele ich Roulette oder darf ich nachdenken ist die Frage und da ist das Judentum eher fürs Nachdenken, als fürs Roulette spielen. Wenn wir aber überhaupt dazu kommen nachzuschauen. Das muss ja einen Grund haben. Eine Trisomie 21 ist nicht etwas, was schon eine Vorbedingung hat, dass man nachschaut.. Das passiert in Familien, die 5 Kinder haben ohne dieses Problem und eines hat das Problem. Das ist ja nicht eines, was vererbbar ist. 152

154 I: Das heißt so eine Routine- PID- Untersuchung bei der IVF würden Sie jetzt nicht durchführen lassen, sondern nur W: Das glaub ich nicht, dass das unseren religiösen Vorstellungen entspricht. Wenn und das ist ja auch das. Ich nehme hier die Gesetzgebung von Israel her, weil das der einzige Staat ist, wo jüdische Einstellungen einfließen, miteinfließen und es ein demokratischer Staat ist, der ein Parlament hat, dass Gesetze verabschiedet. Aber in den Vorarbeiten fließt das mit ein und da haben wir ja eindeutig, dass es durch diese Kommission gehen muss und vor ein paar Jahren waren es 200, ungefähr 200 Ansuchen gegeben hat und ich glaub 10% sind genehmigt worden. Und da waren noch viele Fälle offen, auch wenn man sich das genau anschaut. Weil es ist wirklich so, wie es nach jüdischer Vorstellung gehört. Also hier auch für christliche und muslimische Paare, die aber ihre eigenen Religionsgelehrten plus Ärzte, Juristen, dass jeder Fall analysiert wird. Sowohl die Eltern die Position, ihre seelische und geistige Position dazu in die geistige Gesundheit auch, insbesondere der Mutter, wie auch körperlich auch. Also es wird genau analysiert, wie der Fall ist und dann zu entscheiden unter Berücksichtigung der religiösen Entscheidungen. Nicht des Paares, sondern der Religion. I: Aber gibt s dann Kriterien, könnten Sie Kriterien benennen, die durch solche Kommissionen durchgehen? W: Nein, ich kenne Ich glaube nicht, dass die genauen Unterlagen der Kommission im Internet. Was auch ja dem wiedersprechen würde, dass jeder Fall analysiert werden muss. Hier geht es eher darum, dass die, die die Entscheidungsgrundlagen liefern, ihre Vorstellungen von wie kann ich an das Problem herangehen, haben und dem je nachdem welchem Berufsstand sie angehören, haben sie unterschiedliche Zugang zur Analyse und das wird dann alles zusammengenommen. Aber wie gesagt, ich kenn keine genauen Details. Ich weiß nur von einigen Fällen, die da durchgegangen sind. Interessanterweise beschrieben, weil sie nicht medizinische sind. Das Problem von Tay-Sachs oder andere Fälle von hoher Wahrscheinlichkeit der nicht Überlebensfähigkeit des Kindes, da ist es trivial. Aber soziales und I: Sehen Sie Gefahren darin, wenn die PID sozusagen immer mehr zugelassen wird, dass dann auch ein sozialer Druck auf Grund des Gesundheitssystem der Krankenkassen entstehen könnte? Also sozusagen eine Verpflichtung der PID dadurch wird? 153

155 W: Gehen wir mal zurück. Erstens einmal muss es eine IVF sein. Also schon hier haben wir eine starke Reduktion der Fälle. Also dieser Dammbruch, den sehe ich nicht. Weil es ja schon einfach nur mehr nach IVF passiert. Und für den Rest. Ja. Da ist der Gesetzgeber zuständig. Das es eben nicht zum Druck kommen darf, indem z.b. Krankenkassen oder sonst wer auch immer dafür aufkommen müssten, keine Information darüber bekommen. Dass sie die Rechnung bekommen, dort wo sie zahlen müssen, aber bitte nehmen wir den Datenschutz im medizinischen Bereich endlich ernst. Und ich sag das deshalb, weil ich in Spitäler, weil ich schon einmal in einem Kopierer in einem Spital eine Diagnose gefunden habe, weil sie vergessen haben das Original mit der Kopie mitzunehmen, nachdem s kopiert wurde. Und auch schon bei mir zu Hause bei meiner früheren Telefonnummer, die sich um eine Ziffer von einer Versicherung unterschieden hat und Diagnosen bekommen. Also Abrechnungen mit Diagnosen und Namen und hier. Ich hab mich natürlich gerührt im Spital: Vorsicht da passiert was. Das heißt, hier ist die Gesellschaft und der Gesetzgeber aufgerufen, den Druck von außen nicht zuzulassen, soweit es gesetzlich möglich ist und gesellschaftlich. Das wäre die Aufgabe der Wertegesellschaften, zu denen ich die Religionen auch zähle, hier entsprechend bildend, ausbildend, zu reagieren. Aber nicht indem man den Teufel an die Wand malt, sondern indem man solche Sachen wirklich mit allen Pro und Contras in der Diskussion zulässt und daraus eben ein Wertegebäude schafft, dass dann Menschen, die dieser Wertgemeinschaft nahe stehen, auch annehmen, annehmen müssen, sollen, weil sie ja sonst ja nicht dieser Wertegesellschaft angehören. Also hier wäre eine diskursive Aufgabe für einige Mitspieler in der Zivilgesellschaft. Alle Religionsgesellschaften für ihren Bereich und allgemein, der Gesetzgeber dort, wo Instituten, die über das Gesetz geregelt sind, nicht drüber fahren dürften. Auch diese Informationen und auf keinen Fall Einfluss nehmen dürften. Ich finde es wäre auch wichtig, dass all diese Sachen in Österreich gemacht werden dürften. Das große Problem ist, es wird ja nur verlagert auf die, die sich s leisten können. Gestern war im Fernsehen z.b., gab s in Kreuz und Quer so eine Sendung eines der größten Spitäler, die sich mit Fortpflanzungsmedizin beschäftigen ist das Rote Kreuz. Was in Österreich nicht machen dürfen, wird nach Tschechien ausgelagert. Da sind sie auch Partner. Tschechien ist vielleicht auch noch ein Land, wo mit gewissen Regeln gearbeitet wird. Aber denken Sie an Leihmutterschaft. By the way - Leihmutterschaft ist einen biblische Tradition. Ja. I: Ich hab mich damit schon beschäftigt. W: Es ist heute eine andere Form und die Probleme sind angegeben, der Sara und der Hagar, sieht man die Probleme, die auftreten können. Bei anderen funktioniert s besser. Bei Rachel und bei Lea. Also die Idee keine, die der biblischen Tradition fremd ist. Wenn wir das hier nicht zulassen, passiert s in Indien. Und dort werden die Frauen und oft junge Frauen wirklich ausgebeutet. Die einzigen, die wirklich daran 154

156 verdienen sind die Klinken, die und was wir noch haben, nachdem s nicht erlaubt ist. Haben wir dann keine Datenbank über die wirklichen Eltern. Bei der Leihmutterschaft ist vielleicht doch, dass vielleicht doch, die Eltern, die dieses Kind haben wollen, beide Vater und Mutter sind, aber wenn der Mann unfruchtbar ist und die Frau zwar Eizellen hat, die befruchtbar sind, aber eine Schwangerschaft nicht halten kann, dann gibt s ein, dann werden Leihmütter in Anspruch genommen. Aber dort sind sie weniger geschützt, als würde in Österreich eine ordentlich, strenge Lösung sein Auch hier zitiere ich wieder Israel. In Israel ist es erlaubt mit strengen Regeln bzgl. der Mutter, der Leihmutter. Erstens einmal muss sie schon einmal eigene Kinder geboren haben. Also erst einmal darf sie nicht verheiratet sein, also geschieden oder verwitwet, aber nicht verheiratet, sie muss eigene Kinder haben. Das heißt sie muss wissen, was eine Schwangerschaft bedeutet, psychisch und physisch. Sie darf auch nicht, ich mein sie kriegt eine Entschädigung, das ist ja ein Aufwand, aber es darf nicht so sein, dass sie das zum Leben braucht. Ja. Also das dadurch kein Zwang auf sie ausgeübt werden kann und es gibt noch ein paar Regeln. Die weiß ich jetzt nicht alle auswendig. Sie muss wissen, was auf sie zukommt, auch psychologisch untersucht werden, ob sie ein Kind nach 9 Monaten Schwangerschaft hergibt und damit leben kann. Ja. I: Das heißt, Sie würden sich dafür einsetzen, dass ein Staat sozusagen sich stärker an den einzelnen Regeln der Religion orientiert und weniger ein Gesetzt macht, was für W: Nein, nein. Ich bin schon für Trennung von Staat und Religion. Was ich verlange vom Staat, dass er Gesetze so macht, dass ich alle anerkannten Religionsgesellschaften und das sind jetzt solche die sich mit der Verfassung des Staates, die kompatibel sind. Des Staates. Das ich all diese Gesellschaften drinnen finden können. Und wenn es sowas ist, wie eben PID schauen Sie in unser Gesetz für, ins Gentechnikgesetz. Da haben Sie drinnen, allerdings sehr diskriminierend theologische Vertreter. Das hat sich niemand angeschaut, denn mit dem PID Gesetz ist auch das geändert worden, das Gentechnikgesetz. Das ist ganz hinten im Vorschlag drinnen. Haben Sie wahrscheinlich nicht gesehen I: Ich hab mir das gar nicht W: Aber zur Vorlage 155

157 I: Ich orientiere mich eher am deutschen Gesetz. W: Aber bei dem PID, also bei der Novellierung des Fortpflanzungsmedizingesetzes, ganz hinten ist das Gentechnikgesetz, auch musste geändert werden und dort drin steht, der Teil ist nicht geändert worden. Das alle Theologen, alle Fachleute von den Fakultäten Österreichs. Also ein Mitglied in der Kommission, die darüber entscheidet, haben. Das heißt alle Religionsgemeinschaften, die keine Fakultät haben an einer Österreichischen Universität, haben sie nicht vertreten. Und man die die PID reingebracht hat, hat man zusätzlich ein paar Mitglieder, aber hat man auch hier nicht, für Religionsvertreter von Religionen, die keinen theologischen Fakultäten an österreichischen Universitäten haben. Also wir haben einige Gesetze, die mit Religionsgleichwertigkeit ein Problem haben. Und hier ist es das Gentechnikgesetz. Das hat sich nur niemand angeschaut, weil es nicht in der Diskussion war. Das hat man aus technischen Gründen auch ändern müssen, weil es ja damit zusammenhängt und da gibt s zusätzliche Fachleute, die in die Diskussion dazukommen, aber das ist nicht. Ja ich glaube einfach, dass es Gremien geben soll, die jedenfalls genau untersuchen und nicht allgemeine Regeln, die genau in diesen sehr persönlichen Dingen nicht funktionieren. Ich meine einen Rahmen setzen, ja. Ein Gesetz, dass den Mord verbietet und das Experimentieren mit Menschen und und. Darin können sich alle Wertegemeinschaften, die in Österreich sind, finden. Und innerhalb dessen auch andere und daher so Kommissionen, die Einzelfälle anschauen und dann muss man sich anschauen, nimmt man auch Religionsvertreter rein in die Diskussion des Falles oder nicht. Ich finde, es muss nicht immer sein, aber manchen Fällen spielt ja die Religion für den einzelnen, den betrifft s eine Rolle und dann sollte seine Religion berücksichtigt werden und nicht ein Vertreter einer anderen Religion, wie beim Gentechnikgesetz. Ich meine der kann auch mit. Aber ich meine es sollte nicht der Theologe drin sein. Ich glaube nicht, dass man diese Sachen ganz frei geben sollte, aber es auch nicht so eng sehen, wie es derzeit, auf jeden Fall von katholischer Seite, wenn man die Aussagen seitdem das PID Gesetz in der Diskussion ist, mehr oder weniger offizieller Seite von katholischer Seite, die evangelische Seite hält sich stark zurück. I: Die ist auch in Österreich nicht wirklich vertreten, prozentual. W: Also es gibt schon, also die evangelische Kirche Augsburger Bekenntnis ist nicht wenig. Aber von der Seite ist nichts gekommen, in die Diskussion rein, also nicht viel. Die anderen sind gar nicht vorgekommen und wie gesagt, auch wenn sie Stellung nehmen. Sie haben ein Papier bekommen, das haben wir auch an Zeitungen gegeben. Interesse, null. 156

158 I: Ist ein Vertreter von Ihnen in der Bioethikkommission? W: Nein, ich war bei der Vorherigen als Beobachter. Jetzt gibt s ein paar jüdische Ärzte drinnen, da haben sie, aber keine Religionsvertreter. Und die sind Ärzte, und ich kenn einige und ich weiß, die haben mit der jüdischen Medizinethik nichts am Hut, also haben sich nicht einmal dafür interessiert. Aber alle zwei, drei Jahre eine Tagung in Europa gibt, die letzte in der Schweiz. Da haben wir mal die Werbetrommel gerührt, die einzigen die dort waren, waren meine Frau und ich. Die von dem Thema von jüdischer Seite. Ok, die sehen sich halt als Ärzte, ist ihr Status. So wie in der Bioethikkommission ja auch Ärzte mit verschiedenen Religionsbekenntnissen sind, aber Theologen auch. Und es sind weder Moslems, noch jüdische Religionsvertreter. I: Ja. W: Is so! I: Ja gut. Ich glaub interviewtechnisch wären das meine Fragen. 157

159 Interview mit Ibrahim Olgun (Islamtheologe, Studium an der Ankara Universität und 2. Stellvertretender Leiter des Schulamtes der Islamischen Glaubensgemeinschaft Österreich) Datum: Ort: Schulamt der IGGIÖ; Neustiftgasse 117, 1070 Wien Erläuterung: I: Interviewerin; O: Ibrahim Olgun O: Vielleicht kurz fragen Sie, Selektion, habe ich ein bisschen nachgeschaut? I: Da wer für mich zuerst einmal die Frage, ob Sie unter Selektion dasselbe verstehen wie ich? O: Genau. I: Genau. O: Das ist die Frage, was Selektion zu verstehen ist. I: Also Autonomie meine ich, also die Frage Autonomie, die Frage ist inwiefern, was hat der Mensch für ein Recht zu bestimmen über solche Dinge und dann gerade explizit darüber, dass der Mensch im Sinne von Selektion, auswählt. Darf ich als Mensch auswählen, menschliches Leben auswählen? Da wäre dann, wo ich später drauf eingehe, die Rolle Gottes in der Welt. Darf ich als Mensch überhaupt eine solche Wahl treffen? O: Wahl treffen. I: Oder hab ich eventuell sogar eine Schöpfungsverantwortung? Eine Verantwortung gegenüber Gott, Allah. Also Es ist eh ok, wenn ich Gott sage? O: Jaja 158

160 I: Dass zu tun und welche Probleme. Ob Sie Probleme sehen aus islamischer Perspektive, wenn ich eben auswähle, im Bezug nämlich auf einen, ein Mensch, der weniger wert ist, als ein anderer Mensch? Das ist auch ein Thema, was auch sehr viel Platz kriegen wird. Halt eben, was für Probleme könnten in einer eventuellen Auswahl entstehen und gerade im Islam ist die Frage wahrscheinlich spannend, die Selektion vom Geschlecht. Da hab ich schon gelesen, dass da hin und wieder da die Frage auftaucht, dass die Geschlechtsselektion auftaucht, also glaub in Ägypten hab ich s gelesen. O: Also vielen Dank für die Einführung. Ich möchte beginnen mit dem Sinn vom Leben. Weil das ist genau der Mittelpunkt. Und von hier aus sollten wir beginnen, damit wir diese einzelnen Fragen verstehen können. Weil im Islam ist das Wichtigste und vielleicht der größte Unterschied zu den anderen Religionen. Warum der Mensch überhaupt auf die Welt gekommen ist? Also laut islamischen Quellen, mehrmals wird im Koran betont, auch in den Aussagen vom Prophet Mohammed, der eigentlich die letzte Prophetenkette für die Muslime ist. Also die Muslime glauben nicht nur an Mohammed, sind nicht nur Mohammedaner, die glauben an alle Propheten. Sei es jetzt Jesus oder Moses, für die Muslime im Islam waren alle Gesandte von Gott, vom einen Gott. Warum wurde die zu den Menschen gesandt worden? Damit die Menschen nicht vom Weg, vom richtige Weg abkommen, nicht den Faden verlieren. Also alle Propheten sind dazu, zu den Menschen, laut islamischer Theologie zugesendet worden, damit die Propheten den Menschen den Weg weisen können, den Weg führen können. Warum? In der Geschichte hat man, also laut islamische Quelle, mehrmals gesehen, dass die Menschen auch was Schlechtes gemacht haben, sich auch zu den Götzen angebetet haben also den Glauben an Gott verloren haben. Daher ist in der islamischen Theologie so, dass alleine Gedächtnis von Menschen nicht ausreichend ist, ausreichend ist, zwischen dem guten und dem Bösen zu unterscheiden, Aus diesem Grund ist laut islamischen Theologie, sind die Propheten zu den Menschen gesendet worden, als Wegweiser, als Modelle, damit sie den Weg weisen können. Im Islam ist das so, dass jeder Mensch auf der Erde durch die Bestimmung von Gott hergebracht wird, geschaffen wird, um den Sinn, also dass der Mensch hier überprüft wird, von Gott. Die Prüfungszeit von Gott ist laut islamischer Perspektive von Pubertät bis zum Ende des Lebens. Von der Pubertät bis zum Ende des Lebens wird der Mensch überprüft von Gott, sei es mit Krankheiten, mit Reichtum oder mit Armut. Das sind alles Überprüfungen Gott wählt sehr viele Wege aus, in dem der Gott den Menschen überprüft, viel Methoden. Wichtig ist für den Menschen auf dieser Erde, den Glauben an Gott nicht zu verlieren und wenn man diesen Glauben an Gott hat, dann weiß man, dann erkennt man bei jedem Problem, Krankheit, dass eine Weisheit, eine Weisheit hinter diesen Problemen, Krankheiten sich versteckt. Ich möchte jetzt zum Thema Krankheiten kommen. Sie hatten eine Frage glaube ich hier gehabt mit 159

161 behinderten Menschen, also wie geht Islam mit behinderten Menschen um? Sind diese Menschen weniger wert? Nein, sie sind genauso viel wert wie normale Menschen, weil sie genauso vom gleichen Gott erschaffen wurden. Der Islam ist generell, also gegen den Naturalismus, sagen wir mal, dass alles durch die Natur erschaffen wurde, nein so ist es nicht. Also von den einzelnen Atomen bis zu den Gestirnen, also bis zu den größten Lebewesen, stehen alle Lebewesen im Auftrag von Gott. Das heißt, ohne den Gottes Erlaubnis, Erkenntnis, kann nicht mal ein Atom bewegen. Das ist die islamische Theologie. Also die Auswirkungen von Natur sind nicht so relevant, sie sind quasi so ein Vorwand für Gott, weil wenn sie den Menschen überprüfen, dann sollten sie auch nicht die Antworten gleich den Menschen geben. Der Mensch hat sehr viele Kompetenzen von Gott bekommen von der Geburt. Das wichtigste ist, eben das, also I: Also Antworten nicht direkt von Gott bekommen oder nicht direkt vom anderen Menschen bekommen? O: Antworten I: Sie haben gesagt der Mensch wird überprüft. O: Überprüft, ja. I: Ja, genau. Also dass der selbst Kompetenzen hat von Gott, dann haben Sie gesagt O: Mit dem der Mensch zwischen dem Guten und Schlechtem unterscheiden kann. Aber wichtig ist, dass der Mensch, dass der Mensch diese Kompetenzen richtig anwendet. Das wichtigste Merkmal, was Gott den Menschen gegeben hat, ist das, also die Gedanken, also das Denkvermögen. Das ist ein sehr wichtiges Merkmal, Kompetenz, was dem Menschen von Allah gegeben worden ist. Aber alleine ist es nicht ausreichend, weil in der islamischen Geschichte, von Adam, das ist von Islam der erste Mensch und der Beginn des menschlichen Lebens auf der Erde bis zum Ende der Welt, bis zum Ende der Welt genau. Und von Adam bis heute hat man gesehen, dass es einige Fälle gegeben, die Gott vergessen haben, die sich mit schlechten Angewohnheiten, mit Gelüsten beschäftigt haben und so weiter, sich nicht auf die Propheten zugehorcht haben und so weiter ja. Das heißt da wird, da wir mit der Frage 160

162 nach behinderten Menschen angefangen haben, die sind gleichwertig wie andere Menschen. Weil Krankheiten werden von Muslimen, vom Islam, auch als was Positives betrachtet. Ich kann Ihnen diesbezüglich ein Werk geben, eine kleine Broschüre, das ein sehr bedeutender Islamtheologe geschrieben hat, wo er beschreibt nach islamischer Perspektive die Sinn und Weisheiten in den Krankheiten. Also Krankheiten sind grundlegend nicht negative, sondern können auch was positives sein, wenn man nicht den Glauben an Gott verliert, kann, ist die Krankheiten, können zum Beispiel die Sünden, von Menschen, von Muslimen, weglöschen. Wenn man einen starken Glauben an Gott hat, an Allah. Also wenn man da immer dankbar wird und sich nicht fragt warum hat mir Gott diese Krankheit gegeben, was hab ich gemacht, wenn man nicht auf diese Ideen kommt. Ok es gibt sicher bestimmt irgendwelche Weisheiten, dass ich behindert bin oder, dass ich unter Krankheiten leide, dass ich Krebs habe, und so weiter. I: Bezieht sich das auch auf Krankheiten, die ich vom Lebensbeginn an habe? O: Ja, das ist auch so. Ja das bezieht sich auch die Krankheiten, die ich von Geburt an habe. Wichtig ist natürlich auch, zum Beispiel, nehmen wir an, es gibt blinde Menschen, die von Geburt an blind sind, blind erschaffen worden sind, ohne die Bestimmung von Gott kann nichts existieren. Alles wird von Gott bestimmt. Ohne seine Erlaubnis wird nichts bestimmt, also laut islamischen Quellen. Darum haben diese behinderten Menschen, egal von Geburt an diese Behinderung haben oder nicht, haben sehr viele Vorurteile gegenüber dem gesunden Menschen, zum Beispiel nach islamischer Theologie und nach Aussagen des Propheten Mohammed werden die blinden Menschen, wenn sie immer noch an Gott weiterglauben, im Islam, werden sie so viel von Gott belohnt, ja, das noch nicht einmal ein normaler Mensch, also im Jenseits belohnt wird. Eine Belohnung ist zum Beispiel, dass die blinden Menschen nach dem Tod noch mehr und noch schärfer sehen werden. Ja. Jetzt kommen wir zuerst einmal, nach dieser Einführung, das ist sehr wichtig, um genau die Gedanken von Mensch, von Muslimen zu verstehen. Das Erschaffungsbild, den Sinn vom Leben zu verstehen, ist es sehr wichtig, weil alles vom Glauben an Gott, Bestimmung von Gott zu tun hat. I: Ja klar. O: Wann beginnt menschliches Leben im Islam? Dazu gibt s leider nicht so sehr viele Quellen im Islam, aber es gibt Aussagen vom Prophet Mohammed, von diesen Aussagen ausgehend, haben die 161

163 islamischen Theologen, sind auf die Zahl, das Jahr Jahre gekommen, also die Menschheit ist seit Jahren. Einige Aussagen des Prophet Mohammed, er sagt von seinen Aussagen: Ich bin, also zum Nachmittag der Menschheit gekommen. Also wenn wir vergleichen, also früh, Mittag, Machmittag, Abend usw. Das ist ein Viertel der Menschheit, des Lebens, können wir eine andere Aussage, die hilfreich ist, wo er sagt, meine Gemeinde, von meiner Gemeinde, von den Muslimen wird nicht mehr als 1400 Jahre sein, weil ja I: Ich meinte mit Beginn, vielleicht haben wir uns da missverstanden, Beginn menschlichen Lebens. Also das ist auch relevant, naja nur kleines Randthema, aber hauptsächlich werde ich da beschreiben, wann menschliches Leben beim Individuum beginnt, sprich, also medizinisch gesehen könnte man mit der Befruchtung, also mit welchem Stadium sozusagen des Menschen? Erst dann, wenn es geboren ist oder schon vorher in der Embryonalphase, in welcher Phase dort? Genau. O: Also Sie fragen da nicht, wann der erste Mensch auf die Erde gekommen ist? I: Sondern wann menschliches Leben beim Individuum beginnt. Das ist ja meine Hauptfrage in Bezug auf die Präimplantationsdiagnostik, weil dort ja schon, weil die befruchtete Eizelle ja weggeworfen wird. Und nach katholischer Auffassung beispielsweise nach der Befruchtung, wäre das schon Leben und das ist eben die Frage. Oder ist es erst mit der Beseelung, zum Beispiel die Beseelungslehre vom Thomas von Aquin oder welches O: Verstehe ich, verstehe ich. I: Genau. O: Also das menschliche Leben beginnt auch im Islam erst nach der Befruchtung der Eizelle mit der Samenzelle. Erst dann, genau, beginnt es und vielleicht auch zusammengebunden ist zum Beispiel, das. Der Begriff dazu fällt mir jetzt nicht ein, abnehmen von dieser Eizelle, der Begriff fällt mir jetzt nicht ein, ist auch nicht erlaubt im Islam. 162

164 I: Was genau? O: Wenn die Eizelle mit der Samenzelle befruchtet wird, kann man die befruchtete Eizelle nicht irgendwie zerstören. Mir fällt der Begriff jetzt nicht ein. Weil viele heutzutage machen das, um kein Kind zu bekommen. Sie gehen zum Arzt, ins Krankenhaus, lassen sich das vom Arzt einfach wegnehmen. Das ist vom Islam nicht erlaubt. Das Leben bestimmt nur Gott und kann auch nur Gott den Menschen das Leben wegnehmen. I: Also Abtreibung. O: Genau. Abtreibung ist verboten. Genau. Auch wenn man weiß, ok, dass Kind kommt behindert auf die Welt, auch wenn das medizinisch bewiesen wird, also wenn sie das nicht machen, abtreiben, dann bekommen sie I: Ist das einheitliche Meinung? Weil ich habe Quellen gefunden, wo das argumentiert, dass halt islamische Theologen halt den Beginn menschlichen Lebens mit der Beseelung zusagen, mit dem 40. Tag beim Mann, mit dem 80. Tag bei der Frau und das Schwangerschaftsabbrüche, Abtreibungen bis zu diesem Zeitpunkt nicht gerne gesehen werden, aber toleriert werden, oder halt nicht unter Strafe gestellt werden. O: Ja. Abtreibungen. Es gibt natürlich auch sicher sehr viele unter den vielen Theologen, einige Theologen, die sagen, ok bis zum 8. Tag ist es möglich, weil sie ein anderes Denken haben, weil sie denken, erst dann nach dem Einhauchen der Seele ist es nicht mehr möglich. Da gibt es auch unterschiedliche, unterschiedliche Argumente von islamischen Theologen, die anders denken. Das ist natürlich aus dem Grund, weil uns leider auch nicht so detaillierte islamische Quellen vorliegen, die sagen, ja nach der Befruchtung, ab dem Tage, 20 Tage wird die Seele eingehaucht, und so weiter. So eine umfangreiche Erklärung gibt es in den islamischen Quellen auch nicht. Daher wird diese Sache sehr viel interpretiert von islamischen Gelehrten, aber viel sagen, dass es nicht, also möglich ist und diejenigen, die es abtreiben, egal ob gleich nach der Befruchtung, ob ein Monat später oder zwei Monate später, die sagen, es ist nicht erlaubt, weil es von Gott befruchtet wird, ein Kind erschaffen wird. 163

165 I: Also konkret. Weil die Präimplantationsdiagnostik vollzieht ja die Befruchtung im Reagenzglas, also befruchtet die Eizelle, aber außerhalb des Mutterleibes. Gilt das dann für diese ebenfalls? O: Das gilt dann auch für diese ebenfalls. Weil befruchten tut Gott im Islam, egal ob das jetzt außerhalb der Gebärmutter befruchtet wird oder innerhalb der Gebärmutter. Wichtig ist, es ist eine Befruchtung da. Das kann man im Islam nicht, also nicht zu Natur zurückführen oder zu irgendwelchen anderen außer Gott. Wichtig ist, dass jeder einzelne Schritt von Gott aus erschaffen wird. Das ist sehr wichtig im Islam. Also zur Befruchtung möchte ich sagen. Der Präimplantationsdiagnostik. Islam verbietet diese Diagnostik nicht, wenn es vor allem um ein Ehepaar handelt, die keine Kinder bekommen können, und so weiter, oder wenn, also das Medizin bewiesen hat, bei so einem Paar, wenn kein Kind bekommen, zu einem Gefahr der Mutter verursachen, es kann was Schlechtes passieren. Daher ist aus medizinischen Gründen nicht sehr schön, wenn sie ein Kind bekommen. Wenn ein Notfall besteht, kann man sich dieser Diagnostik, als eine Alternative hinwenden. I: Aber geht es dort hier um die In-Vitro-Fertilisation, also einfach die Befruchtung der Eizelle im Reagenzglas oder geht s wirklich um die PID, wo ich ja beispielweise 10 Eizellen befruchte und aber 7 dann, also schaue, ob da welche krank sind, also Krankheitsanlagen haben und dann welche wegschmeiße? Weil das ist ja dann im Prinzip die Präimplantationsdiagnostik. Das würde sich ja dann wiedersprechen. O: Da werden dann nicht nur eine Eizelle befruchtet, sondern mehrere, soweit Sie erzählt haben? I: Ja genau. O: Also I: Die Kranken werden auch nicht implantiert. 164

166 O: Implantiert. Die Kranken werden dann beseitigt. Und wann wird die beseitigt? I: Nach der Befruchtung. O: Nach der Befruchtung. Ok. Die ist generell auch untersagt. Man sollte sich nicht in Aufgaben von Gott einmischen, weil er befruchtet das. Und Gott hat, er ist allwissend und weiß was dem Menschen gut wird mit der Befruchtung, nicht, er ist der Allwissende, was dem Menschen, dem Ehepaar am besten sein wird oder was nicht. Daher wenn man die restlichen befruchteten dann irgendwie abtreiben würde, dann bedeutet das für Islam, dass man sich also als Gott in die Sachen, Aufgaben von Gott einmischt. Und ja I: Ok. Weil ich hab von ganz vielen, also hab in paar Büchern gelesen, wo oft steht, dass die PID praktiziert wird und die gar nicht so problematisch sei für islamische, für Muslime O: Ist nicht problematisch, wenn nur eine Eizelle befruchtet wird. I: Aber die PID ist ja immer sozusagen. Also, es gibt ja einmal die In-Vitro-Fertilisation, da befruchte ich die Eizelle im Reagenzglas und dann kann ich entscheiden, ob ich alle implantieren lasse oder nicht, ob ich eine herstelle oder mehrere. Aber bei der PID, bei der Präimplantationsdiagnostik, stelle ich immer mehrere her und schmeiße immer welche fort. O: Das ist dann nicht erlaubt Im Islam. Weil man sich genau da in Aufgaben von Gott einmischen würde. I: Also die IVF wäre erlaubt und O: Genau. Wenn man zum Beispiel, ich weiß nicht, wie eine solche Diagnostik ist, wenn man nur eine einzelne, nur eine einzige Eizelle mit der Samenzelle befruchten würde und wenn von demselben Ehepartner, vom selben Ehepartner kommen, egal ob sie in einem Glas befruchtet werden oder direkt in der Gebärmutter, dann ist es erlaubt. Aber wichtig ist, das ist sehr wichtig, sowohl die Samenzelle, 165

167 also auch die Eizelle, als auch die Gebärmutter sollten nicht einer dritten Person angehören. Sollten von selben Ehepaar sein. Das ist der wichtigste Punkt vom Islam. Weil ansonsten ist das so, wie wenn man Ehebruch machen würde. I: Aber dieses neue Gesetz müsste ja dann dementsprechend eigentlich dann für den Islam, also in Österreich Probleme in Deutschland gab es ja auch vor ein paar Jahren. Weil ja eben dort die PID erlaubt wird, also für zum Beispiel Eltern, die genetische Disposition haben für Krankheiten und sozusagen die Wahrscheinlichkeit sehr hoch wäre, dass ein Kind ebenfalls diese Krankheiten haben würde. Und eben die Befruchtung machen im Reagenzglas und dann schauen, welches Kind ist davon krank und die kranken Kinder werden dann, das meine ich mit Selektion, ausselektiert, also sprich weggeworfen. O: Es gibt sehr viele, es wird viele Familienpaare geben, Ehepartner, die das so machen werden. Im Islam kann man niemals einen Menschen zwingen sich an die Vorschriften zu halten, auf die Gebote, auf die Verbote zu halten. Aber Gott zwingt im Islam auch nicht einen Menschen, dass er sich an die Regeln halten muss. Sondern jeder Mensch hat einen freien Willen und kann zwischen Guten und dem Schlechten entscheiden. Aber der Mensch muss im Islam auch denken, dass er seiner Rechenschaft gezogen wird. Also in dem Sinne, wir können den Menschen nicht zwingen. Ich glaub, also bei diesen Gesetzten bedeutet das auch kein Zwang für solche Ehepartner, dass sie unbedingt das machen müssen. Wenn sie sich anders entscheiden, dann ist es die Entscheidung von. I: Also sprich auf Grund dessen, dass der Mensch die Freiheit hat das zu tun hat, also sprich die Autonomie hat, und das Gesetz sozusagen nur die Freiheit des Menschen, nur unterstützt sozusagen, er sich ja immer noch entscheiden kann, deswegen ist es kein Problem? O: Ja genau. Ich denke bei diesem Gesetz kein Problem ist für den Islam. Weil die Entscheidung im Islam liegt direkt beim Mensch, zwischen Guten und Schlechtem sich entscheiden. Man kann nicht zwingen im Islam, jeder entscheidet für sich. Wichtig ist, dass der Mensch im Islam auch denken soll, jeder Mensch wird einmal zu einem Zeitpunkt zur Rechenschaft gezogen. 166

168 I: Könnte man dann so ein Gesetz auch, wie Sie gesagt haben mit den Proben sozusagen, als eine Prüfung dann interpretieren aus islamischer Sicht? Weil es ist ja sozusagen dem Menschen, wenn ein Staat sagt es ist verboten, dann obliegt es dem Menschen ja nicht mehr, sich dafür oder dagegen zu entscheiden. Aber wenn der Staat sagt, ihr müsst das selbst entscheiden, dann könnte man das ja, mehr oder weniger auch interpretieren, also würde ich jetzt daraus ableiten, dass man sagt, es ist eine Prüfung des Menschen, weil er muss sich selbst entscheiden, ob er das tut. O: Ja genau. So kann man sich das vorstellen. Auch bei diesem Gesetz. Ich bin kein Jurist. Wichtig ist, dass man den Menschen freien Raum schafft. Also dem Menschen auch freiwillig denken können, entscheiden können, Aber ich glaub bei dieser Novellierung des Gesetz, ist es glaub ich auch (Wörter nicht verstanden) 31:28-31:34 Der Mittelpunkt, der Ausgang der islamischen Perspektive ist genau dieser, dass die Welt eine Prüfung ist. Der Mensch wird jede Zeit, Sekunde überprüft von Gott. Das heißt jetzt nicht nur mit Krankheit, mit behinderten Kindern, sondern mit allen Dingen wird der Mensch überprüft. I: Gibt es sowas wie eine Autorität sozusagen im islamischen Glauben, die den Menschen unterstützt bei diesen Weisungen? Wenn wir das Gegenbeispiel haben, wir haben im Christentum die Bibel, aber einen Papst, der sagt O: Im Islam ist das bisschen unterschiedlich. Wir haben keine Autorität wie im Christentum den Papst. Wir haben unsere Quellen, Koran und die Lebensweise von Prophet Mohammed. Er ist der erste Person, der den Koran, der die islamische Theorie praktiziert hat und in die Praxis umgewandelt hat. Also wenn man sich nicht die Lebensweise des Propheten Mohmammeds anschauen würde, also allein nur Koran als theoretische Quelle würde nicht ausreichen, weil der Prophet für Muslime, also Prophet Mohammed war der erste, der die islamischen Vorschriften, also die Quelle, umgesetzt hat. In die Praxis. Er gilt für die Muslime als Vorbild bis heute, bis zum Ende des Lebens. Alles wurde von, von der Zeit von Prophet Mohammed bestimmt, so gibt es im Koran auch einen ganz offen Wert, wo Allah sagt, der gesamte Koran dient als Gotteswort, nur Allah sagt, heute habe ich eure Religion vervollkommet. Das die Religion für Muslime ist, also mit dem letzten Wert, ist genau, ist genau der letzte Wert, dass herabgesandt wurde und da steht, heute habe ich eure Religion vervollkommet. Und für Themen wie PID haben dann nach dem Tod vom Prophet Mohammed die islamischen Gelehrten anhand von Quellen, islamischen Quellen, also Koran und Sunna, also Handlungsweisen vom Prophet oder 167

169 Aussagen von Propheten, auf Basis dieser Aussagen, Quellen, haben sie was abgeleitet, interpretiert. Aber einen Papst haben wir heutzutage nicht, haben wir auch nie gehabt. Wir haben einen Führer gehabt, den man Kalif nennt, den gibt heutzutage nicht mehr, aber auch der kann nicht von diesen islamischen Quellen wegkommen. I: Aber beanspruchen, die diese Quellen auslegen, dass ihre Auslegung 100% Richtigkeit hat oder ist die auch sozusagen fehlbar? O: Ja, ist auch fehlerhaft, kann es sein. Die Interpretationen im Koran zum Islam. Heißt nicht, dass alles stimmt. Es gibt vom Ende des Lebens von Prophet Mohammed bis heute, wurden über Koranexegesen geschrieben worden. I: Wie viele? O: I: Okay. O: Verschiedene Werke, Interpretationen, Exegesen zum Koran sind geschrieben worden von verschiedenen islamischen Theologen, Gelehrten usw. Und natürlich alle haben sich, das Ziel gehabt, um den Koran zu interpretieren. Es gibt natürlich im Koran viele Verse, die man nicht interpretieren braucht, die ganz offen sind, aber es gibt auch einige Abschnitte, Verse, die man interpretieren muss, weil die Muslime sehen den Koran als ewiges System an, man kann nicht sagen, ok der Koran war nur bestimmend für die Leute in der Zeit von Prophet Mohammed. Jetzt brauchen wir das Buch nicht oder wir müssen alle Verse noch einmal, zu der Zeit noch einmal aufschreiben. Das geht nicht. Koran gilt als heiliges Buch und gilt für alle Menschen bis zum Ende der Zeit. Die Betrachtung vom Islam, von Muslime I: Und der normale in Anführungszeichen Muslim, hat der die Kenntnis über die Interpretation oder wie beschäftigt sich mit solchen Fragen, wie man, er damit. Also das ist natürlich ein komplexes Thema, 168

170 aber generell, wie man zu solchen Fragen stehen kann, auf Grund von Koran, also wenn das nicht sofort da drin steht und es kein Amt gibt, dass mir Bestätigung gibt? O: Also nicht jeder Moslem ist in der Lage den Koran richtig zu interpretieren. Das erfordert ein enormes Wissen, auch arabische Kenntnisse. Weil es ist wichtig, weil im Islam ist der Koran, der hat auch einen sehr wichtigen Charakter, einen Wundercharakter genannt, wo sehr viele, alle Verse, mehrdeutig sind. Weil man kann nicht sagen, so ich hab jetzt eine Übersetzung vom Koran. Man kann die Übersetzung nicht anstatt vom Koran verwenden. Das würde nicht, das würde eine Katastrophe sein für den Islam, weil es mehrdeutigen Charakter hat. I: Aber was machen dann diejenigen, die nicht dazu in der Lage sind, die aber genauso vor denselben Herausforderungen Gottes, vor denselben Prüfungen Gottes und zu entscheiden was Gut und Böse ist? O: Die sollten sich dann zu den Islamgelehrten wenden. Wenn sie den Koran direkt nicht verstehen können, die sollen sich dann mit den Übersetzungen auch, aber Übersetzung ist nicht genügend, um den Koran, um den Islam zu verstehen. Weil im Koran, wir haben sehr viele Verse, die nicht so einfach zu verstehen sind. Man kann nicht so leicht verstehen. Man sollte den gesamten Koran als ein Bild betrachten. Im Koran gibt es Verse, wo das Alkohol nicht verboten ist. Im Koran gibt es auch Verse, wenn man es nicht im richtigen Kontext liest, im Koran gibt es Verse, wo man sich nicht dem Gebet nähern soll. Aber wenn man es mit dem Kontext liest, dann heißt es betrunken, unter der Betrunkenheit sollte man nicht beten. Aber Betrunkenheit. Mit diesem Kontext nicht betrachtet und nur diese Stelle betrachtet, man sollte sich dem Gebet nicht nähern, dann kommt ein ganz anderes Islambild heraus. Daher ist es wichtig, weil die Koranlehre ist wirklich ein Wissensthema in den islamischen Fakultäten, theologischen Fakultäten gibt es sogar einen eigenen Zweig für Koranexegese. Da behandelt man genau, wie man den Koran verstehen kann. Also gibst sonst noch irgendwelche Fragen, die wir noch nicht? I: Also generell das Thema, was wir eben angesprochen haben. Also mit Selektion, also sprich, also Sie haben jetzt gesagt sozusagen, dass es aus islamischer Perspektive verboten ist. Aber welche Gefahren sehen Sie darin, wenn die Gesellschaft immer mehr das tut, weil sie durch die PID Leben selektiert. Behinderte sozusagen verschwinden und das einen Druck ausübt auf Gesundheitssysteme, weil die 169

171 dann sagen, wir finanzieren das nicht, wir finanzieren kein behindertes Kind von euch, weil ihr hättet dafür sorgen können, dass es keines gibt. Können Sie diese Gefahren teilen oder sagen Sie, dass der Mensch sowieso keinen Einfluss darauf hat? O: Also die islamischen Theologen sehen das so, kein Mensch, oder keine Menschheit würde unter der Lage, der Probleme noch mehr wissen, als Gott selbst. Das ist einmal vielleicht der wichtigste Satz. Gott liebt uns mehr als wir uns selbst. Und Gott hat eine ewige Barmherzigkeit, die man nicht messen kann. Wird auch nicht, uns also, die Aufgaben von Gott übernehmen. Für Islam besitzt Gott auch sehr viele unendliche Eigenschaften, die unmessbar sind. Eine Eigenschaft ist zum Beispiel die unendliche Warmherzigkeit, die man nicht messen kann. Weil messen kann man erst dann, wenn etwas einen bestimmten, einen aufzähligen Charakter besitzt oder messbar genau. Aber beim Gott ist ja kein Gott, wenn man was messen könnte von Gott. Daher ist vielleicht dieser Punkt sehr wichtig für Muslime oder für Menschen. Man soll den Gott zuerst einmal ein Anvertrauen haben. Aber das alles hat damit zu tun, mit dem Gottesbild. Wie ich diese Frage. Im Islam gibt es ein anderes Gottesbild zum Christentum usw. Bei uns für Muslime im Islam hat Gott eine ewige Warmherzigkeit, denkt an die Menschen noch mehr als die Menschen selbst an sich denken. Daher sollte man den Gott, also ewig, anvertrauen. Das Vertrauen sollte immer bestehen. Wenn man sich dem Gott nicht anvertrauen kann, dann kann man vielleicht diese Methoden anwenden, Theorien, aber Gefahren sehen wir, dass vielleicht, dass der erste Islam verliert den Anvertrauen an Gott. Man mischt sich in die Aufgaben von Gott ein, vom Schöpfer I: Also es liegt gar nicht in der Verantwortung? Der Mensch übernimmt Verantwortung für sich selbst. O: Für sich selbst ja. I: Aber nicht für seine Umgebung die Gesellschaft, für O: Natürlich hat der Mensch auch Verantwortung für die Gesellschaft. Nicht nur für sich selbst, weil die islamischen Vorschriften sind auch dazu da, damit auch, eine angenehme Gesellschaft entstehen kann. Damit wirklich auch eine friedvolle Gesellschaft entstehen kann. Es ist genau aus diesem Grund, dass Ehebruch, das Ehebruch ist aus diesem Grund im Islam ein Verbot, weil dadurch auch die 170

172 Gesellschaft zersplittert. Dadurch kann die Mordfälle unter den Menschen ansteigen, weil kann gibt auch heutzutage Menschen, innerhalb von den Familien Ehebrüche, die dann also mit Mord beendet werden. Aus Neid zum Beispiel aus Eifersucht. Genau diese, um diese Probleme von der Wurzel auszulösen, hat Islam genau diese Vorschriften, dass man das Ehebruch nicht machen darf. Ok, es gibt eine Lösung, das Heiraten. Das ist eine Lösung. Also es gibt sicher auch sehr viele Gefahren dieser PID. Vielleicht das auch zum Beispiel man hat dann vielleicht kann man diese Diagnostik kann dann vielleicht dazu führen, dass sich die Menschen sehr schnell vermehren oder das vielleicht die Gesundheit dieser, von dieser Diagnostik erschaffenen Menschen nicht mehr aufrecht bleiben. Das sie vielleicht noch mehr mit Krankheiten konfrontiert werden im Leben. Weiß ich nicht, ob es zurzeit solche Problemfälle gibt in der Medizin. Ich habe selbst einen Bruder, der seit 6-7 Jahren verheiratet war, der kein Kind bekommen konnte, der hat sich auch, glaub ich, befruchten lassen, in der Gebärmutter von der Frau. Die haben Zwillinge bekommen. Also das eine Kind hat nur drei Tage gelebt. Das zweite Kind ist, war sechs Monate lang, in der Intensivstation stationär. Ich weiß nicht, solche Fälle kann es noch mehr geben. Weil diese Diagnostik, ich bin nicht der Experte dazu. Aus dem Grund will ich mich auch nicht so viel einmischen in die Medizin. Solche Fälle, ich denke, dass es solche Fälle oft gibt. I: Aber nochmal zu dieser gesellschaftlichen Verantwortung. Da ist für mich noch ein bisschen die Frage, wenn ich sage, ich habe gesellschaftliche Verantwortung und ich sehe, dass mit dieser Selektion Probleme auftreten: Warum greife, aber, im Prinzip, habe ich diese Verantwortung und zum anderen das Vertrauen auf Gott? O: Die Verantwortung, die ist vielleicht nicht so gut verstanden worden. Der Mensch im Islam kriegt dann erst Verantwortung, wenn er, trägt dann die Verantwortung, wenn alles in den Händen vom Mensch ist. Wenn der Mensch nichts machen kann, zum Beispiel wenn Gott etwas bestimmt, wenn ein behindertes Kind auf die Welt kommt, dann ist der Mensch nicht verantwortlich, weil er hat das Beste gegeben. I: Aber hier wäre es ja, ich als Mensch greife ein, also ich greife ja also, greife ein in die O: In den Aufgabenbereich 171

173 I: Natur, oder ist die Frage halt O: In den Aufgabenbereich von Gott ein. Genau. Und das ist unhöflich für Gott im Islam. Das unethisch für Gott. Das ist genauso, wie wenn Sie auf der Uni, sich vom Unterrichtssystem, Schulsystem einmischen. Das kann man so in dieser Art vergleichen. Es gibt ein System, sozusagen. Die Administration einer Schule weiß alles, hat alles im Griff. Das ist genauso, wie wenn sich ein Student in die Administration einmischen würde oder in den Vortrag des Professors einmischen würde und sagen würde: Ja, ich mache den Vortrag. So in dieser Art kann man vielleicht vergleichen. I: Also, dass ich. Bezieht sich das jetzt darauf, dass ich eben, das unhöflich zu Gott, dass ich eingreife oder dass ich eingreife und sage, ihr sollt das nicht machen? O: Also den Menschen kann man schon sagen, dass sie das nicht, also den Muslimen, den Regeln des Islam, das laut Islam nicht erlaubt ist. Man kann aber den Menschen nicht, wie schon gesagt, nicht zwingen. Auch wenn sie sowas machen, das ist das eigene Problem von solchen Menschen. Das ist ein Eingriff. I: Wenn jetzt diese Gläubige das tun würden, also würde dann, also, oder würde das nie dazu kommen, also sind das Gedanken, aber O: Also wir können den Menschen, auch wenn sie das tun würden, nichts sagen. Wir können nur sagen anhand von islamischen Quellen, es ist nicht erwünscht ist, dass es nicht im Islam steht. Wir haben die Aufgabe das zu sagen, aber wir können den Menschen nicht, sagen wir mal, rechtfertigen. Das kann nur der Gott machen. Wir können den Mensch nicht bestrafen. Das geht nicht. Jeder ist für sich selbst verantwortlich. Aber islamisch gesehen, wenn man sowas tut, egal ob es dieses Thema ist oder ein anderes Thema ist. Grundsätzlich, laut Islam sollte der Mensch nicht in den Aufgabenbereich von Gott einmischen. Das heißt aber nicht, dass der Mensch einfach, wenn er eine Krankheit hat oder wenn er ein Problem hat sich nicht als, also zum Gott, sich, sagen wir mal, sich verlässt. Sondern natürlich muss man auch dazu schauen, dass man gesund wird, dass man Medikamente einnimmt, das man zum Arzt geht. Das heißt jetzt nicht, ok, jetzt brauch ich nichts mehr zu machen, Gott hat für mich alles bestimmt. Nein. Der Mensch ist schon für sich selbst verantwortlich. Er hat die Aufgabe schon zum Arzt zu gehen 172

174 und sich ein Medikament einzunehmen. Auch wenn man das nicht machen müsste. Im Koran stehen auch mehrmals die Verse, zum Beispiel ich sage Ihnen eines. Wenn ich krank werde, so steht das im Koran, wenn ich krank werde, bist du der, der mich wieder gesund macht. Also das steht, ich weiß das jetzt nicht auswendig, aber ich kann Ihnen per vielleicht zuschicken. Das heißt also wenn ich mich zum Arzt wenden, oder wenn ich eine Medikament einnehme, das ist auch eine Aufgabe vom Moslem, von Islam. Man muss das Medikament einnehmen. Man soll schauen, welche Gesundheiten es gibt, aber wenn man wieder gesund ist, dann kommt das nicht von Medikament, sondern die Wirkung von Gott. Weil nicht das Medikament ist das, was wieder gesund. Die Medikamente haben schon seine Auswirkung, aber tatsächlich nach islamischen Glauben macht Gott den Menschen gesund. Weil eben das jetzt wieder mit dem Thema zu tun hat. Jedes Lebewesen, jeder Atome, in den Medikamenten usw., jede Zelle steht im Dienst, im Auftrag von Allah. Daher, da sie unter dem Auftrag von Allah stehen, ist genau, also im Endeffekt der Gott, derjenige, der die Menschen wieder gesund macht. I: Also Schöpfungsauftrag, wie wir ihn beispielsweise im Katholischen haben, macht euch die Erde untertan und reagiert über Pflanzen, Tier oder so. Das würde ein Muslim niemals sagen oder doch? O: Können Sie nochmal wiederholen? I: Also in Genesis O: In Genesis I: Genau da haben wir diese Stelle vom Schöpfungsauftrag von Gott an den Menschen, dass er sozusagen der Höchste ist in der Schöpfung ist und dass die Erde ihm Untertan, also alles was Tiere, Pflanzen ihm unterstellt ist und er Verantwortung für diese hat. Für sich selbst und für alles, was auf der Welt ist. Und diese Verantwortung auf den Menschen übertragen wird. Und das wäre ja dann, also wenn ich das richtig interpretiere, wäre das dann ja jetzt nach islamischer Theologie nicht so. Weil die Verantwortung bleibt ja bei Gott? O: Nein. Das ist ein schwieriges Thema. Um das zu erklären. Es ist auch im Islam natürlich der Mensch trägt eine große Verantwortung. Aber nur für den Bereich, wo er es bestimmen kann, wo er einen 173

175 freien Willen hat. Für Entscheidungen, die ohne freien Willen des Menschen entstehen, sei es eine Krankheit von der Geburt aus. Was kann der Mensch dafür? Natürlich im Islam soll der Mensch sich die Wege durchchecken, wo er gesund wird, wo er gesund werden kann. Natürlich muss er dafür sorgen, dass er wieder eine Gesundheit bekommt. Das ist nicht Normalfall, das ist eine Ausnahmefall, die von Gott bestimmt ist. Der Mensch muss natürlich schauen, dass er wieder zum Normalzustand kommt, wieder gesund bleibt usw. Das ist schon eine Aufgabe vom Mensch. Wenn er immer noch nicht gesund wird, wie Krankheiten wie Krebs usw. Ok wenn er dann immer noch nicht gesund werden kann, wenn er alles, das Beste gegeben hat, der Mensch, wenn es dann trotzdem nicht gut geht, dann ist er nicht verantwortlich, weil die Verantwortlichkeiten im Islam I: Weil die Verantwortung liegt sozusagen dann bei dem Einzelnen. Weil wenn ich das jetzt so provokante These aufstellen würde: Wenn ich Verantwortung habe für die Welt und ich sehe bei der PID, dass daraus schlechte Konsequenzen führen würde, müsste ich bspw. bei einem deutschen Gesetz als Islamtheologe oder als Muslim sagen, ich bin dagegen und dieses Gesetz darf niemals. Aber das ist dann nicht so, weil der Islam, weil der Muslim immer nur für sich selbst spricht und nicht gemeinsam? O: Also vielleicht nochmal. Also ein Moslem vertritt auch alle Lebewesen. Auch im Islam sind alle Lebewesen dem Menschen untergestellt und dienen auch dem Menschen. Der Mensch ist quasi ist der Stellvertreter von allen Lebewesen, der auch diese Verantwortung trägt. Er ist das höchste Lebewesen in diesem Universum. Alle Lebewesen wurden in den Dienst der Menschen gestellt. Alle Tiere, Pflanzen, erkennen wir, die Universum betrachten, also denken. Das heißt, das, es gibt einen Bereich, einen großen Bereich, wo der Mensch verantwortlich ist. Er darf dem Mensch nicht schaden, er darf dem Universum nicht schaden. Er darf nichts Schlechtes begehen. Das heißt auch wenn er, sagen wir mal, das Universum beschädigen würde, ist das eine Sünde für Islam für den Mensch. Das heißt, dass der Mensch nicht nur gegen einen anderen Mensch sündigt. Auch wenn er alleine ist, kann er sündigen im Islam. Aber das ist genau der Bereich, wo der Mensch einen freien Bereich hat, einen freien Willen hat. Wo der Mensch also entscheiden kann, also soll ich jetzt dem Universum Schaden zuführen oder nicht. Das liegt direkt in den Händen, in der Entscheidung von Menschen. Aber es gibt einen anderen Bereich, wo die Menschen wenig dafür machen können. Also es gibt diesen Bereich bestimmt viel mehr Gott, was jetzt sein soll für den Menschen. Das nennt man im Islam Qadar, die Vorherbestimmung. Jetzt haben wir den richtigen Begriff. Vorherbestimmung. Ich nenne Ihnen einige Beispiele für die Vorherbestimmung. Zum Beispiel wo man geboren wird, wann man geboren wird, wann man sterben wird. Also ist jetzt ein sehr intensives Thema. Die islamische Theologen mehrmals bis heute diskutiert haben, diskutieren über dieses Thema der Vorherbestimmung. Das ist eines von den letzten Themen 174

176 des Islam, dass auch unter vielen Muslimen nicht verständlich ist. Und darauf kamen auch in der Geschichte des Islam viele Gruppierungen. Die Gruppe Mutezile, die die Vorherbestimmung überhaupt nicht akzeptiert haben, weil es überhaupt nicht verstanden haben. Sie sind eine Gruppe, die sich also in der islamischen aufgetreten sind. Die waren der Meinung, also sind eine theologische Gruppe, die waren der Meinung, nein Gott ist in keinem Bereich verantwortlich. Sowohl bei guten Sachen, als auch bei schlechten Sachen ist alleine der Mensch verantwortlich, haben sie gesagt. Und eine andere Gruppe, die parallel gegen diese Gruppe aufgetreten ist, waren die Cebriye. Die haben gesagt Nein, der Mensch hat überhaupt keinen freien Willen. Alles wird von Gott vorherbestimmt. I: Ja O: Das heißt. Sie haben zum Beispiel Alkohol getrunken. Haben gesagt, ja wenn Gott das nicht so wollte, hätte ich das nicht getrunken. Was soll ich machen, ich habe keinen freien Willen, auch wenn ich es nicht will, war das schon vorherbestimmt, dass ich Alkohol trinke. Die haben überhaupt keine Verantwortung mehr eingenommen. Beide waren eine, also falsche Richtung, also Gruppe, weil der Eine sind sehr weit gegangen, der andere überhaupt nicht. Aber die sunnitische Glaubenslehre, wo sich viele islamische Theologen angehören, die haben genau, also dieses Erkenntnis, diese Überzeugung, es gibt diesen Bereich, einen großen Bereich, wo der Mensch Verantwortung hat, Verantwortung trägt für die Handlungen. Aber es gibt auch einen kleinen Bereich, wo von Gott vorherbestimmt ist. Wo der Mensch überhaupt keine Einwirkung hat, um diese Vorherbestimmung zu verändern. I: Sind in Europa die meisten Muslimen sunnitisch? O: Die meisten Muslime, ich sage mal, in Österreich, in Deutschland, generell in Europa sind schon sunnitisch, ja. Auch in der muslimischen Welt sind die meisten sunnitisch, Iran ist schiitisch geprägt. Dann vielleicht in Nordafrika vielleicht noch Syrien noch Schiiten. I: Und in Amerika? 175

177 O: In Amerika. Ich habe leider nicht so viel Erkenntnis. Jetzt nochmal zurück zu der Vorherbestimmung, wo der Mensch überhaupt keine Entscheidung hat oder verändern kann. Zum Beispiel der Gesichtsausdruck oder die Stimme, wo jeder Mensch eine unterschiedlichen Gesichtsausdruck hat, oder Fingerabdruck. Das kann der Mensch nicht verändern. Das wurde vorherbestimmt im islamischen Glauben. Auch bei der Geburt von behinderten Menschen. Da kann der Mensch, ich weiß nicht, ob da irgendwelche Therapien gibt. Natürlich muss die Mutter auf ihre Gesundheit achten. Aber auch im Normalfall, wenn die Mutter sehr gut auf ihre Gesundheit aufpassen würde, kann es sein, dass ein behindertes Kind auf die Welt kommt. Bei einem solchen Beispiel kommt auch wieder die Vorherbestimmung im Islam zum Mittelpunkt. Ja. Es ist wirklich eins der (schmunzeln) I: Ja für katholische Theologen für mich ist es auch sehr komplex von der Theologie her, weil viele ethische Werte haben, wie konkurrieren O: Vielleicht ein Beispiel zum Verstehen im Islam. Jedes Gefäß, jedes Lebewesen, um auf die Welt zu kommen erfordert drei wichtige Eigenschaften. Das heißt nehmen wir mal an, eine Blume, es trifft auch unter den weltlichen Produktionen. Jedes einzelne Produktion oder Lebewesen erschafft, erfordert mindestens drei wichtige Eigenschaften. Erstens einmal das Wissen. Also, egal was man produziert, also was man auf die Welt bringt, das erfordert ein Wissen. Ohne Wissen, wie man das auf die Welt bringt oder wie zum Beispiel ein Sessel, wenn der Tischler nicht weiß, wie er das aufbauen kann, dann kommt das nicht zur Stande. Ein geistig behinderter Mensch kann das nicht zu Stande bringen. Ohne Wissen geht das nicht. Es genügt aber nicht alleine das Wissen, sondern auch, wenn man weiß, ok ich weiß, wie man einen Sessel aufbauen kann als Tischler, das genügt nicht alleine. Ich kann sagen, ich will nicht, ich bin sehr müde heute und mach das nicht. Also alleine das Wissen zu haben, verfügen, über den Aufbau, die Produktion, reicht nicht aus, dass etwas zu Stande kommt. Sondern man braucht noch zwei weitere Eigenschaften, Kenntnisse. Das ist der freie Wille. Die zweite Eigenschaft. Man muss also den Willen dazu haben. Ich weiß und ich will. Und trotzdem ist das nicht ausreichend. Weil es kann sein, dass man behindert ist, körperlich behindert ist und die Kraft dazu nicht hat. Und drittens braucht man die Kraft dazu. Also man muss hingehen und wirklich mit dem Körper arbeiten können. Dem Material. Also die drei mindestens. Die drei Eigenschaften braucht eigentlich jedes Lebewesen. Jetzt möchte ich zurückgehen zu Gott. Gott handelt bei jedem Lebewesen, bei jedem Erschaffnis vom Lebewesen mit mindestens, mit mindestens den drei Eigenschaften. Also das Wissen, der Wille und die Kraft. Das geht jetzt tiefer in die islamische Theologie. Aber so ist die Erklärung. 176

178 I: Also sprich um ein Tisch herzustellen, brauch ich als Mensch diese der Dinge und ein, um sozusagen, damit Gott ein menschliches Leben auf die Welt bringt, bräuchte er auch diese. O: Genau. Weil das ist ein, ein sagen wir mal, ein sehr gutes System, Erklärung von der islamischen Theologie und dieses Prinzip gilt für alle. I: Das heißt, das würde Gott zukommen? O: Und genau mit mindestens diesen drei Eigenschaften handelt auch Gott bei jedem Lebewesen. Das heißt im Islam kommt jedes Lebewesen von, durch Zufall. Ja. Jedes einzelne Lebewesen kommt mit der Erkenntnis, mit der freien Wille, mit der Kraft von Gott zu Stande. Das ist die islamische theologische Erklärung dazu. Und zum letzten Punkt. Ja, es gibt Anlaufstellen für Paare und Ärzte. Also bei uns hier in der Islamischen Glaubensgemeinschaft. Wir bekommen sehr viele Fragen, auch also von Muslimen, auch von anderen Andersgläubigen und so weiter zum Islam. Auch solche Themen werden jetzt angefragt, nicht nur die Islamische Glaubensgemeinschaft, auch andere islamische Vereine, kommen auch Leute, um Fragen zu stellen. Und wir diese Stellen, wir haben hier auch Anlaufstellen. Zum Beispiel theologische Fragen werden an mich weitergeleitet, auch an andere Theologen, die in der Islamischen Glaubensgemeinschaft. Auch in den anderen Vereinen gibt s Anlaufstellen, wo diese Fragen genau direkt zu den Experten kommen und beantwortet werden. 177

179 Interview mit Mag. a Zeynep Elibol (Direktorin der Islamischen Fachschule für soziale Bildung (IFS) Schule der IGGIÖ) Datum: Ort: Schulamt der IGGIÖ; Neustiftgasse 117, 1070 Wien Erläuterung: I: Interviewerin; E: Zeynep Elibol I: Also ist genau die Frage halt. Wann beginnt Leben im Islam. Also im Islam bin ich da schon relativ weit, auch die Unterschiede schon herausgearbeitet und ist das relevant für die Beurteilung der PID? Wie stehen Sie zu Selektion? Hat das denn Wert, mindert das, wie ist der Blick auf Behinderungen? Wenn man PID durchführt, was sozusagen gesellschaftliche Konsequenzen mit Blick auf Behinderung hat? Welche Gefahren Sie da im Menschenbild sehen? Welche Rolle sozusagen spielt Gott in dem Ganzen, also darf ich mir das anmaßen eine solche Selektion durchzuführen? Ja. Ich hab jetzt auch grad gelesen, dass Abtreibung im islamischen Kontext mit Eingriff in Gott relevant ist. E: Also es geht ja prinzipiell darum, dass man das Leben was da ist, nicht nehmen darf. Weil wir nicht die Personen sind, die dieses Leben nicht geben. Wir können es nicht geben, leider. Also in dem Sinne, außer wir können zeugen, aber wir können es nicht geben und nicht zurückholen, wenn der Tod eingetreten ist. Und daher dürfen wir es auch nicht nehmen. Jetzt gibt es natürlich, das ist mal so ein Grundprinzip. Leben erhalten ist ganz wichtig. Also d.h. alle Maßnahmen auch zu treffen, um dieses Leben zu erhalten. Aber es ist nicht wirklich in unserer Hand das Leben aufrechtzuerhalten. Wir wissen auch, wenn jemand stirbt, dann war das auch von Gott. Und wenn ein Leben gezeugt wird, dann ist das auch von Gott eigentlich. Wir sind sozusagen, wir agieren als Instrumente und erfüllen unsere Rolle quasi. Aber dennoch haben wir natürlich in einem gewissen Kontext eine gewisse Verantwortung, die wir auch. Also die Taten, die wir tun, die haben auch mit unseren Absichten etwas zu tun. Also wir werden in erster Linie, also wenn ich jetzt für uns Muslime spreche, laut unseren, nach unseren Absichten beurteilt, also am Auferstehungstag, wenn wir dann für unsere Taten gerade stehen, dann stehen die Absichten im Vordergrund. Weil trotz der guten Absicht kann es ja sein, dass ich irgendetwas falsch gemacht habe, unabsichtlich. Also daher ist jetzt nicht unbedingt das Resultat relevant, sondern in erster Linie die Absicht zu diesem Resultat oder zu dieser Handlung. Welche Absicht hat mich dort hin geführt? Wenn das absehbar, ob das absehbar war, 100 % absehbar war oder ich die Absicht gehabt hatte ein Leben zu retten und es ist trotzdem schief gegangen oder ob ich die 178

180 Absicht gehabt hab, jemanden zu töten, auch wenn es gut gegangen ist. Dennoch ist es wichtig, welche Absicht ich dahinter gehabt hab. I: Also wann beginnt menschliches Leben? E: Das ist natürlich eine wichtige Frage, weil hier auch die Gelehrten hauptsächlich der gleichen Meinung sind. Aber wenn wir jetzt die ganz strenge Meinung nehmen. Die strenge Meinung nehmen, die strenge Meinung meint, in dem Moment wo eben sich die zwei Eizellen, also die Eizelle, also die Befruchtung stattfindet, in dem Moment beginnt auch ein Design des Lebens. Aber dieser ruach, dieser Lebensgeist wird noch nicht eingehaucht bei der Befruchtung. Dieser Lebensgeist fängt, wird eins von einem Engel übermittelt und da gibt es eben, da steht jetzt nicht direkt etwas im Koran an welchem Tag es übermittelt wird, aber es gibt in den Überlieferungen des Propheten, in den Hadifen kommt vor, dass das mit dem 120. Tag ist. Das am 120. Tag ein Engel kommt und eben den Lebensgeist diesem Fötus einhaucht. I: Beziehen Sie sich dann auf diese dreimal 40 Tage, auf diese stufenweise? Ja weil manche kommen ja dann insgesamt nur auf 40. E: Ja, die Schwierigkeit ist, was heißt das jetzt, wenn jetzt mit dem 120. Tag der ruach, Lebensgeist eingehaucht wird. Heißt das, dass der Fötus vor dem 120. Tag nicht lebendig war? Ja, aber so darf man das jetzt auch nicht verstehen. Der Lebensgeist ist relevant, dieses Lebendigsein. Das heißt jetzt für Muslime vor allem, wenn dieser Fötus ein Abortus passiert, auf Grund einer gesundheitlichen, Medizinischen Indikation, dann muss auch dieser Fötus, dieser Embryo islamisch bestattet werden. Wenn es vor dem 120. Tag war, also vor allem geht es auch darum, da gibt es noch ein Kriterium, wenn die Gliedmaßen sich voll entwickelt haben, also wenn sie sich noch gar nicht entwickelt haben, wenn das alles noch nicht erkennbar ist, braucht man das Totengebet nicht verrichten. Oder die Rituale für das Totengebet muss man nicht verrichten sozusagen I: Also Gliedmaßen 179

181 E: Also wenn die ganzen Hände sich noch nicht entwickelt haben, die Füße, der ganze Körper quasi erkenntlich entwickelt hat, dass man einen Menschen erkennen kann. Also wenn es in der ersten Woche ist oder in der zweiten ist, da erkennt man noch gar nichts. Obwohl schon alles angelegt ist. Jetzt nach den meisten Gelehrten sind die 120 Tage relevant, das heißt das ist jetzt eine Abtreibung, wenn es notwendig ist vorher oder auch nachher möglich. Also wenn das Leben der Mutter in Gefahr ist, dann bevorzugt sozusagen das Leben der Mutter dem Kind gegenüber, wenn man sich aussuchen müsste, Mutter oder Kind, dann wird das Leben der Mutter bevorzugt, nicht weil sie mehr lebenswertvoller ist, sondern deswegen weil eben die Mutter als erwachsene Person wahrscheinlich auch noch andere Kinder hat, eben eine Familie hat. Damit diese Familie nicht weggelöscht wird, sozusagen. Also wenn man da überhaupt eine Möglichkeit hat, dann zieht man das Leben der Mutter dem Baby vor. Wenn man muss. Also ansonsten versucht man natürlich beide zu retten. Jetzt, also es gibt diese 40 Tage, die ersten 40 Tage, wo die Gelehrten sagen, die meisten von ihnen sagen. Bis zum 40. Tag wäre es kein Problem abzutreiben, auch ohne Grund. Und da gibt s eben die eine ganz strenge Meinung, die sagt, auch da, ohne Grund sollte man gar nicht abtreiben, egal in welchem Stadium der Fötus ist. Egal ob er in der 2. Woche ist oder 40. Tage, wie auch immer, Auf keinen Fall ohne Grund, In keinem Stadium. Aber es ist bekannt, dass auch in der Zeit des Propheten die Anhänger, manche schon in den ersten Wochen durch gewisse Tees, Kräuter durchaus einen Abortus hervorgerufen haben. Weil einfach der Fötus noch kein Lebenshauch bekommen hat. Noch nicht beseelt worden ist. Aber die Mehrheit meint eben ab dem 40. Tag sollte es nicht, also zwischen dem 40. und 120. Tag sollte auch nicht ohne Grund abgetrieben werden, auch wenn der Lebensgeist mit dem 120. Tag eingehaucht wird. I: Bezieht man sich da auf die aristotelische Beseelungslehre, dass man sagt, dass diese Stufen E: Also nein. Das sind einfach Erläuterungen von den Hadisen. Aja, also es gibt prinzipiell um diese Hadisen, am 120. Tag wird der Lebenshauch, der Geist dem Fötus eingehaucht. I: Aber warum macht man einen Unterschied mit dem 40. Tag? E: Weil man mit dem 40. Tag beginnt schon, also die Entwicklung beginnt mit der Befruchtung, also mit dem 40. Tag beginnt es sich schon zu zeigen, der Körper, der physische Aspekt beginnt sich zu zeigen. Wenn man ein Fötus mit dem 50. Tag oder mit 2 Monaten abtreibt, sieht man schon, sind die Gliedmaßen schon erkenntlich etc. Das ist der Grund. Sonst wird das gar nicht genau begründet. Was 180

182 im Mittelpunkt steht ist der 120. Tag. Die etwas liberaler sind, sagen man kann auch vor dem 120. Tag abtreiben, weil die Seele noch nicht da ist und trotzdem, also die ganz, ganz Strengen sagen gar nicht. Also ab der Befruchtung gar nicht abtreiben ohne Grund und dann gibt s noch die, die in der Mitte sind, zwischen dem 40. und 120. Tag nicht ohne Grund. Mit Grund sowieso immer, aber ohne Grund sollte man auch nicht zwischen dem 40. und 120. Tag abtreiben. Dann gibt s natürlich Ausnahmesituationen, wie schon gesagt aus medizinischen Gründen oder eben aber auf Grund einer Vergewaltigung, hat sich dann auch ein Konsens gegeben. Das kommt nicht aus der Zeit des Propheten selber, aber es hat eben auf Grund des Exodus Wanenkrieges, wo viele Frauen vergewaltigt worden und geschwängert worden sind und eben nicht ihre Babys austragen wollten, hat dann eine Kommission von Gelehrten eine Konsens beschlossen, dass es hier, dass es auch eine Ausnahmesituation ist und auch die Abtreibung legitim ist, auf Grund der psychischen Situation der Mutter. I: Genau. Also wenn man sagt mit dem 120. Tag ist beseelt, die Juden würden ja jetzt sagen, dass sozusagen, wenn dieses Kind vorher abgetrieben wird und die Beseelung dann sozusagen mit diesem, also die setzen das früher, diesem Tag halt stattfindet und das Kind vorher abgetrieben wird, das dann praktisch das nächste Mal, wenn das Paar ein Kind zeugen würde, dass die Seele dann sozusagen da rein kommt. Sprich dieses Leben, was von Gott gegeben wird, also dieses. Dass das, dass die Seele sowieso wartet. E: Genau. Die Seele wartet. Aber die Seele, aber es kann auch sein, dass sie zu einem anderen Ehepaar kommt. Also in dem Moment, also wenn jetzt sozusagen bestimmt, dass die Seele am 2. Februar 2016 auf die Welt kommen soll, dann wird sie am 2. Februar 2016 auf die Welt kommen, egal wer die Eltern sind. Die Eltern zeugen nur den Körper, nicht die Seele. I: Das heißt dieses Leben sozusagen würde auch entstehen, auch wenn jetzt dieses Kind abgetrieben wird. E: Ja es wird nur der Körper. Es sind zwei, also ein paar Schuhe. Das eine ist der Körper, das sich eben entwickelt. Das zweite ist der Lebenshauch, der Lebensgeist, ruach. Ruach wird eben in diese Hülle eingehaucht mit dem 120. Tag. Ob das jetzt, ob die Hülle jetzt von mir und meinem Mann ist oder von einem anderen Paar, ist ziemlich irrelevant. Weil für uns als Außenstehende, ob es einen Bezug gab zu 181

183 einem vorherigen Leben, also dem vorherigen Leben im Sinne von der ersten, im Sinne von der ersten Nichtsehbaren, im ersten Leben Adur Abar. Das bedeutet die Dimension der Seelen, die wurden konstant erschaffen. Also meine Seele und die Seele meiner Mutter sind eigentlich im gleichen Alter, nur sie hat früher einen Körper bekommen, ist früher auf die Welt gekommen. Und ich bin halt von, als ihr Kind auf die Welt gekommen, ja. Welchen Zusammenhang es jetzt dort gibt zwischen den Seelen, das wissen hier nicht. Das was wir nur sehen ist, dass die Seelen zu bestimmten Zeiten, zu bestimmten Familien zugeordnet sind und so eben auf die Welt kommen. I: Und wenn Sie jetzt den Beginn menschlichen Lebens. Ist das relevant für halt eben die Präimplantationsdiagnostik? E: Auf jeden Fall. Also natürlich, es ist kein Grund ein Kind abzutreiben, wenn man festgestellt hat durch PND, dass das Kind eine Behinderung hat. I: PID. Also PID. Präimplantationsdiagnostik. Das ist die Befruchtung im Reagenzglas und dann die Ausselektion bevor sozusagen im Körper der Frau E: Da dürfte man nicht selektieren danach. Ethisch gesehen nicht, aber es islamisch ethisch gesehen glaube ich, dass die meisten, dass das religiös, religiös eine Antwort finden könnte, indem man sagt, letztendlich sind sie zwar lebensfähig, haben aber keine Seele. Haben ja noch keinen Lebensgeist. Also das ist sicher. I: Das heißt man würde, würde man aber eine Unterscheidung mit der befruchteten Eizelle außerhalb des Körpers der Mutter. Weil die PID kann ja nur dann stattfinden, wenn sozusagen eine IVF durchgeführt wird. Weil sonst wäre ja die Befruchtung im Körper der Frau. Die sind ja praktisch. Beides ist eine Befruchtung, der Prozess ist gleich. Das eine ist eben in der Petrischale, das andere im Körper der Mutter. Würde man die anders ethisch betrachten? E: Ich würde mal wagen zu sagen, ja. Also eine Selektion wäre möglich. Weil es einfach noch keinen Lebensgeist bekommen hat. Ja. Aber was jetzt, ich bin keine Gelehrte in der Hinsicht. Jetzt bin ich, wenn ich mir die Schlüsse mir anschaue, die Konsens mir anschaue, dass es eben bis zum 40. Tag 182

184 möglich ist, dass es mit dem 120. Tag eben ruach eingehaucht wird, dann würde ich wagen zu sagen, vor dem 40. Tag kein Problem. Das bedeutet eben auch in der IVF wenn man da eben nachweisen kann, welche dieser befruchteten Eizellen eventuell Komplikationen haben, also Gendefekte, wie auch immer. Dass die Auslese da durchaus schon stattfinden könnte, aber später dann nicht mehr. Nach dem 40. Tag würde ich mir das nicht mehr zutrauen zu sagen, dass müsste dann wirklich eine Kommission von Gelehrten entscheiden. Aber ab dem 120. Tag geht, also d.h. Ab dem 3. Monat geht das gar nicht. Also wenn man mit dem 3. Monat, mit der Beseelung feststellt, das Kind hat ein Down Syndrom, eine andere schwere Behinderung, dann könnte der einzige Grund gibt, dass die Mutter psychisch krank ist und es keinen gibt, der auf das Kind aufpassen wird etc., könnte ich mir vorstellen nur in diesem Rahmen. Aber ansonsten ab dem 3. Monat, am Ende des 3. Monats dürfte man auch, darf man auch keine Kinder abtreiben, die eine Behinderung haben. Also gar keine Selektion. Aber ich traue mir schon zu sagen, dass eine Selektion vor dem 40. Tag möglich. Also auch die Pille danach wäre eine Option, die man nicht verbieten würde. I: Und wäre, würden Sie dann soweit gehen, sagen, wenn ich weiß in meiner Familie sozusagen eine Tendenz zu einer Krankheit vorliegen, wenn ich eine IVF durchgeführt habe, dass es Pflicht durchzuführen auf Grund meiner Verantwortung? E: Wenn man auf Grund der Tatsache, dass man vorher Maßnahmen treffen kann und eine Therapie oder einer Behandlung, aber nicht, um es abzutreiben I: Also wenn ich eine IVF durchführen lasse und E: Und dann selektieren sie die Kinder aus, die diese genetischen Defekte haben. I: Defekte haben E: Ja, wäre möglich. Vor dem 40. Tag 183

185 I: Aber wäre sozusagen, wenn ich weiß, dass ich genetische Defekte in der Familie vorliegen haben, hoch prozentual die Wahrscheinlichkeit steigt, dass sich es ausbildet, dass ich da sozusagen die Verantwortung und Pflicht dazu habe, dann wenn ich eine IVF mache, auch eine PID durchzuführen? E: Vor dem 40. Tag ja. Also alles was sozusagen jetzt, also bei der IVF ist es ja außerhalb, ist ja die Befruchtung außerhalb. Da ist es ja sowieso noch ganz am Anfang. Da wartet man ja gar nicht länger ab. I: Aber würden Sie Familien auch wirklich raten es durchzuführen? E: Also I: Ist es also nur erlaubt oder wird es schon fast schon E: Nein, nein, wird nicht als Pflicht angesehen. Bis jetzt ist das noch nie zur Diskussion gestanden. Also in dieser Hinsicht. So wie ich die Familien kenne, glaub ich nicht, dass das technisch so verbreitet ist und die Ärzte das empfehlen. Dann sprechen die Familien darüber und sagen, das liegt in Gottes Hand. Das ist genauso wie andere Instrumente, die wir verwenden, ja, um gesund zu bleiben und zu werden. Also wir nehmen ja auch Behandlungen in Anspruch, da sagen wir ja auch nicht, ich lasse uns nicht behandeln, es ist halt mein Schicksal, entweder ich werde genesen oder ich werde weiterhin krank bleiben. Es ist mein Schicksal, ich nehme es an. Das sagen wir auch nicht. Es gibt auch eine Überlieferung, wo der Gott sagt, Prophet sagt, dass Gott zu jeder Krankheit auch eine Heilung erfunden hat, nur wir müssen danach streben. Jetzt, wenn dieser Defekt natürlich oft vorkommt und wenn es diese Möglichkeit gibt das da irgendwie zu selektieren, dann kann ich mir gut vorstellen, in dem Moment, wo wenn die Familien wissen, und in Anspruch nehmen, würden sie das wahrscheinlich auch in Anspruch nehmen. Aber das wird von niemanden empfohlen, bis jetzt nicht. I: Aber der Unterschied ist halt eben jetzt zur Krankheit ist ja, dass ich an einem Individuum sozusagen die Krankheit therapiere, hier selektiere ich ja eben nur gewisse Individuum aus und das sehen Sie nicht als Problem? 184

186 E: Ich persönlich sehe das nicht als Problem. Alles was vor dem 40. Tag ist, sehe ich ehrlich gesagt nicht als Problem. Gut, ich meine die Therapien, es ist mir schon klar, dass es ein Unterschied ist. Bei den Therapien haben wir nicht die Möglichkeit bis in die Gene reinzugehen, oder hatten wir nicht die Möglichkeit bis in die Gene vorzudringen. Jetzt haben wir s ja. Es gibt ja Moment Gene für das, für dies. Für gewisse Mutationen etc. oder Anfälligkeiten für bestimmte Mutationen. In Familien gibt es z.b. Krebs, das weitergegeben wird, dass es gewisse Gene, wo man sieht, dass in der Familie viele an Brustkrebs z.b., erkrankt sind. Wenn man dieses Gen sozusagen selektieren kann vorher, sehe ich, würde ich da nichts sehen, was dagegen sprechen würde. I: Gibt es religiöse Argumente für eine Geschlechterselektion im Islam? E: Ja das schon. Weil, es gibt ganz klare Aussagen, dass man eben besonders das weibliche Geschlecht. Weil es war auch schon vorher, in der vorislamischen Zeit waren die Mädchen sehr benachteiligt, und hier, da wurden, nichtmuslimische Stämme, das waren meistens polytheistische Stämme, die ihre Mädchen in der Wüste ausgesetzt haben. Und dieser Ansatz eben Kinder auf Grund, dass sie eben weiblich sind, zu töten, das wurde verboten und da kann ich mir sehr gut vorstellen, dass das bis hin, auch unabhängig von diesen 40 Tagen, das könnte kein Argument sein, einem Menschen diese Chance nicht zu geben, auf Grund seines Geschlechtes jemanden zu selektieren. I: Also Geschlechterselektion wäre verboten? E: Das wäre ganz sicher verboten, weil schon in den Aussagen. Man hat natürlich gegolten für die, die noch am Leben waren, wo die Mädchen getötet worden sind und da ist ein ganz klares Verbot gekommen und eben auch die Aufforderung die Mädchen gut zu behandeln. I: Gibt es auch Stellen in der Tradition, also? E: Also es gibt im Koran auf jeden Fall ein Vers, wo drinnen steht, also nochmal dran erinnert wird, dass die Mädchen getötet worden sind und die getöteten Mädchen am jüngsten Tag ihr Recht zurückholen 185

187 werden, dass sie entrechtet worden sind und dass man sie eben nicht töten darf. Und dann gibt es eben auch Aussagen des Propheten zur Behandlung von Mädchen, wie man sie behandeln muss und dass man sie nicht diskriminieren darf, z.b. Also ich kann Ihnen, wenn Sie diesen konkreten Vers brauchen, können Sie mir, heraussuchen und dann kann ich Ihnen den zuschicken. I: Was wären denn dann sozusagen für Sie Paradigmen, was man selektieren darf? Also Geschlechterselektion wäre nicht erlaubt, nach dem Behinderung selektieren, wäre erlaubt. E: Also es wäre eigentlich nur alles, was in Richtung Gesundheit, im medizinischen Bereich, das wäre erlaubt. Aber ansonsten. Aber wie gesagt, ich habe immer noch ein Problem mit den 40. Tage, wenn, ich würde mir nicht zutrauen. I: Aber die PID bezieht sich ja sowieso ja nur auf E: Vor 40 Tagen I: Nur im Reagenzglas, nach der Befruchtung. Weil halt eben genau halt die Gefahr sozusagen immer wieder im Diskurs steht, dass mit der PID sozusagen das Designerbaby sozusagen. E: Also alles in Richtung, also ich hab am Anfang auch gesagt, dass die Absicht sehr wichtig ist. Also das spielen damit ist ganz sicher nicht erlaubt. Das kann und darf auch das Abtreiben vor dem 40. Tag zu keinem Spiel werden und Entscheidung werden, ja ich möchte ein Kind haben mit blauen Augen oder schwarzen Augen, keine Ahnung. Ich möchte ein Mädchen, ich möchte einen Buben. Das darf eben nicht ein Kriterium sein damit zu spielen. Weil allein auch die Befruchtung. Es muss nicht immer klappen, dass man schwanger wird. Das passiert auch, dass man lange probiert manchmal und man wird immer noch nicht schwanger. Auch wenn das jetzt im Reagenzglas passiert und daher ist natürlich, gilt natürlich auch die Achtung, also die Achtung vor dem Leben steht ja auch im Mittelpunkt. Also dieses Abtreiben ist im Prinzip, im Prinzip ist im Islam die Abtreibung verboten, prinzipiell. Dass es jetzt so eine Regel wird, ja auf Grund dessen, dass man sich was aussuchen kann, das kann hier überhaupt nicht in Frage kommen. Das heißt, es muss natürlich auch einen plausiblen Grund haben, dass man abtreibt vor dem 40. Tag. Das kann mit meiner psychischen Situation etwas zu tun haben, dass ich 186

188 überfordert bin, etc. Aber eben mit dem 120. Tag wird s problematischer, da fühle ich mich dann noch stärker verantwortlich, weil da zählt das schon sozusagen wie ein Mord. Das heißt der Fötus hat schon eine Beseelung bekommen und ich töte, lösche das Leben eines Embryos aus. Eigentlich auch schon einen Lebensgeist bekommen hat. I: Das heißt also die Würde des Embryos ab dem Embryo ab dem 120. Tag würden Sie gleichsetzen E: Mit einem geborenen Menschen. Und das bezieht sich dann im Koran auch auf die Sonderstellung des Menschen und das Tötungsverbot. Also alles was vorher, vor dem 40. Tag ist erlaubt, das hat auch seine Grenzen sozusagen. Also wir stehen vor der Problematik besonders, dass die Gelehrten sich, vielleicht in Al-Azhar kann ich mir vorstellen, in Ägypten, an der Al-Azhar-Universität, dass es vielleicht dort da eine Ethikkommission gibt in dieser Hinsicht. Oder es gibt eben einzelne, wo Personen an Theologen wenden und fragen, ob sie das machen können oder nicht. Aber so willkürlich zu sagen, ich möchte jetzt diese Schwangerschaft nicht, das hat ja auch einen Grund, dass man schwanger wird. Das ist ja sozusagen eine Bestimmung, wenn man schwanger geworden ist. Auch wenn man verhütet hat z.b. Verhütung also ist ja erlaubt. Aber da gibt s einen interessante Überlieferung vom Propheten, wo ein Mann fragt, ob er verhüten darf und der Prophet sagt, ja du kannst verhüten, aber glaube ja nicht, dass es wirklich in dieser Macht liegt, dass du es 100 % kontrollieren kannst. Verhüten ja, ich treffe eine Maßnahme, aber ich habe keine Garantie. Aber wenn jetzt trotzdem ein Kind gezeugt wird, dann ist die Würde des Kindes schon da, weil es geht in Richtung Beseelung und wenn das Kind 120 Tage alt ist, das ganze Design geht weiter und das Kind bekommt mit dem 120. Tag eine Seele. Und ich bin eigentlich nicht befugt diese Entwicklung bis zum 120. Tag zu stören oder zu unterbrechen. Also ich, es ist nicht legitim den Grund zu haben, ich möchte ein Kind eben, dass blaue Augen hat oder grüne Augen hat oder keine Ahnung ein Genie ist oder keine Ahnung. Das können keine Kriterien sein dorthin. Weil was passiert, wenn das Kind auf die Welt kommt und es bekommt ein Virus, eine Infektion, dann dürfte ich das ja auch, das Leben dort löschen, z.b. also wenn ich schon vorher löschen darf, dann dürfte ich es auch da schon löschen. Ja also wenn ich da schon selektieren darf wegen der Behinderung, also das sind Fragen, die es damals eben noch nicht gegeben hat und wo eben heute verschiedene, vielleicht Kommission, auch unterschiedliche Entscheidungen treffen können. Also ich kann mir gut vorstellen, dass vielleicht eine Kommission zu einer ganz bestimmten Situation bei der Universität Al- Azhar und eine Universität von Theologen und Theologinnen in der Türkei vielleicht eine ganz andere Antwort geben, aufgrund der speziellen Situation, aufgrund der familiären Bedingungen, aufgrund der Bereitschaft der einzelnen Personen etc. 187

189 I: Der Herr Ilikic, hab ich gelesen, der beschreibt das eigentlich ganz gut, wenn er sagt, dass da kein Konsens in den Fragen gefunden werden kann, aufgrund dessen, dass keine Autorität sozusagen im Islam gegeben ist und halt eben diese kasuistische Argumentation halt eben keine normative Regeln dafür haben. E: Ja I: Unterstreichen Sie das? E: Ja. Absolut. Weil letztendlich geht es wirklich auch darum, um meine persönliche individuelle Entscheidung. Weil jedes Individuum ist berechtigt, sich zu entscheiden, für oder gegen etwas zu entscheiden. Muss aber die auch die Verantwortung, auch im Jenseits vor Gott tragen. Ja. Also wir sprechen auch oft davon, man muss auch aufpassen, dass man Gott nicht kränkt. Ja. Das heißt, weil er eben, wir wollen perfekt, auch wenn es nicht immer so perfekt ist, wie wir uns das vorstellen, aber letztendlich gibt auch Situationen, wo wir wirklich uns so sehr Kinder wünschen und es passiert einfach nicht, obwohl beide Seite keine Probleme haben, keine gesundheitlichen Probleme, aber es kommt nicht zu einer Befruchtung, zu einer Schwangerschaft. Das heißt, dass man dankbar ist gegenüber dem Leben, was Gott hier uns schenkt und das man das auch nicht verlieren darf vor dem Werden des entwickelnden Lebens. Und daher, wenn meine Absicht jetzt ist, aufgrund des Aussehens und des Geschlechts, das geht in Richtung Arroganz. Und Arroganz, der Mensch kann niemals perfekt sein, auch wenn man das anstrebt, Perfekt ist nur Gott. Und alles Mögliche unter Kontrolle haben zu wollen, sich das zu wünschen, das geht in eine falsche Richtung. Und daher ist eben auch diese Absicht dahinter. Will ich jetzt ein Kind auswählen, weil es sozusagen, den Buben auswählen, dann greife ich auch in ein gewisses Gleichgewicht in der Schöpfung, greife ich da auch ein. Und lasse ich zu, dass dieses Gleichgewicht von Gott gesteuert wird. Ich möchte eingreifen, das unbedingt steuern. Wird ja auch meistens Mist gebaut. Wenn wir jetzt in China sehen, dass die da jetzt ein Überschuss an Männern haben z.b. und ein großes Problem haben mit, Frauen für die Männer zu finden. I: Aber wenn wir bei dem Thema Verantwortung sind. Gibt es im Islam eine gesellschaftliche Verantwortung sich in Debatten, ethische Debatten einzumischen oder innerhalb der Glaubensgemeinschaft, dass sozusagen, dass da ein Auftrag besteht, dass die Gläubigen unterrichtet werden oder liegt die Verantwortung nur bei der individuellen? 188

190 E: Also die letzte Entscheidung liegt schon beim Individuum. Aber letztendlich ist es schon auch politisch, und auch gesellschaftlich diskutiert und besprochen, vor allem, wenn es um Abtreibung geht, die Willkürlichkeit, die teilweise bei den Abtreibungen vorstehen, dass das nicht so sein kann. Wenn das Leben von den Eltern nicht geschützt wird, dass das durchaus auch eine gesellschaftliche und politische Verantwortung dahinter ist. Dass eben der Staat bzw. die Gesellschaft auch die Bedingungen erleichtern muss, oder eben die Hilfestellungen vermehren muss, damit diese Kinder auch auf die Welt kommen können. I: Aber eine, wenn wir jetzt darauf schauen, auf die PID, da würden wir sozusagen Behinderte ausselektieren, sehen Sie eine Gefahr darin, dass diejenigen, die schon auf der Welt sind, in der Gesellschaft leben und einen Behinderung haben, sich diskriminiert fühlen, dass es sozusagen schon einen gesellschaftlichen Umschwung hat. Ja, auch ein Stück weit zum Zwang werden kann, weil das kann dann ja wiederrum auf Gesundheitssysteme haben etc. E: Ohja, ich denke schon. Die gleiche Debatte läuft ja auch mit der Sterbehilfe, wo eben die Menschen sich das aussuchen dürfen, aber letztendlich kann das eben, wird das dazu führen wirklich die Menschen Sterbehilfe in Anspruch nehmen müssen, weil sie unter Druck stehen. Das Gleiche kann dann auch, wird dann auch für die Familien ein Druckmittel, wenn die Gesellschaft das als eine Belastung sieht. Ja also, in einer muslimischen Kommunität würde man eigentlich jemanden, der eine Behinderung Gottes hat, eine Prüfung Gottes sehen, das heißt eine Herausforderungen, weil die Menschen mit Behinderungen, wenn es einen geistige Behinderung ist, sind sie auf der Ebene der Engel, sie sind frei von Sünden. Und ich hab die Möglichkeit, wenn ich eben diesen Mensch pflege und sozusagen eben alles Mögliche tue, damit dieser Mensch auch eine Bildung bekommen kann, auch eigenständig werden kann etc. Hab ich die Möglichkeit auch mein Jenseits zu gewinnen und dieser Mensch wird auch im Jenseits willkommen sein. Es ist eine Prüfung für beiden Seiten eigentlich. Und ein Mensch, der eine körperliche Behinderung hat, das ist seine Prüfung auf der Erde und da, da ist es z.b. uns nicht erlaubt zu sagen, warum haben meine Eltern jetzt nicht vorgesorgt, warum hat meine Mutter mich nicht abgetrieben oder warum hat man diese Selektion damals nicht zugelassen. Diese Fragen wären für jemanden, der schon behindert ist, nicht legitim. Weil es ist, so wie es ist und alles, was von Gott kommt, soll man auch annehmen. Und es gibt Situationen, wo die Ärzte eine Abtreibung empfehlen und die Mütter treiben nicht ab und das Kind kommt vollkommen gesund auf die Welt, weil die Ärzte sich geirrt haben. Also solche Situationen gibt s ja auch, hab ich öfter gehört von, jetzt nicht in der, schon später, wo man später feststellt aufgrund der Nackenfalte etc. ja, dass man, oder eine schwerste Behinderung also, das wird dann gar nicht mehr 189

191 I: D.h. im Endeffekt liegt die Entscheidung, ob ich als Paar eine PID durchführen lasse, bei mir persönlich, ob ich halt eben? E: Bei beiden, also bei den Ehepaaren und ob das System das überhaupt erlaubt. Es kann natürlich sein, dass das politische System aufgrund ihre eigenen ethischen Gremien oder Kommissionen das gar nicht erlaubt oder das es strenge Maßstäbe gibt, ob man das überhaupt machen darf oder nicht, oder in welchen Fällen man das machen darf oder nicht und wann man das zulassen darf und wann man selektieren darf, also das weiß ich I: Also eigentlich sollte nach Ihrer Meinung nach eine Gesellschaft nach Grenzen festlegen? E: Ja schon. Also es sollte auch, wie in vielen anderen Bereichen sollte es auch die Möglichkeit geben, dass die Gesellschaft das reflektiert, dass da nicht sozusagen alles aus den Fugen tritt, dass es hier auch ethische Kommissionen gibt, wo das auch auf verschiedensten Ebenen diskutiert wird. I: Sie sitzen aber mit keinem muslimischen Vertreter in der Ethikkommission oder? E: Nein, nein I: Wo liegen die Gründe darin. Eher aus staatlicher Perspektive oder weil Sie keine Ressourcen haben oder keinen Auftrag sehen oder? E: Also ich weiß nur, dass da mal eine Anfrage gekommen ist an die IGGIÖ und da ist, weiß ich nicht, vor 4 oder 5 Jahren, haben sie jemanden dort hingeschickt. Also es dürfte in der Ethikkommission auch ein Muslim dabei sein. Wer das jetzt genau weiß ich nicht. Kennen Sie da jemanden? Der in der Ethikkommission ist? I: Also mir wurde gesagt, dass weder von jüdischer, noch von muslimscher Seite jemand in der Ethikkommission drin ist. 190

192 E: Dann ist das zurzeit, weil vor 4 oder 5 Jahren hat es mal eine Vertretung von jüdischer und muslimischer Seite gegeben. Dann dürfte es irgendwie nicht mehr gut gelaufen sein oder es hat sich geändert, keine Ahnung. Also ich wäre daran interessiert ehrlich gesagt, weil, also mitzudiskutieren oder. Es ist halt sehr spannend und es ist einfach nicht etwas, wo man 100%ig etwas fixieren kann. Es ist wirklich sehr schwierig. Aber ich kann mir gut vorstellen, dass z.b. wenn es in Österreich, also in einem säkularen Staat, aufgrund vielleicht in einer späteren wirtschaftlichen Krise man eben auch durchaus von wirtschaftlichen Gründen die Menschen mit Behinderungen, die Menschen verpflichtet dann diese Selektion so früh wie möglich zu machen. I: Und das würden Sie dann auch als Gefahr sehen, oder E: Ich sehe das als Gefahr. Ich würde es als Gefahr sehen für die Menschen, die mit einer Behinderung schon leben. Dass die sich eben in einer Situation fühlen, unwürdig zu sein, dass sie lebensunwürdig zu sein. Dass ihr Leben nicht so viel wert ist. Da man ja schon viel früher vorzeitig schon sozusagen das Leben selektiert, die eben eventuell von Menschen mit Behinderungen geboren werden könnten. Da kann ich mir schon vorstellen, wenn ich mich da hinein versetze, ja eigentlich würde ich dazu gehören. Man hat das eben zugelassen, ich bin jetzt eben auf der Welt und das System sieht mich als Belastung. Das ist natürlich wirklich nicht schön, weil mit diesem Gefühl leben zu müssen, als eine Last für die Gesellschaft z.b. Und das kommt sicher auf uns zu. Im Bereich der kranken und schwer kranken Personen oder alten Menschen, die eben diese Sterbehilfe in Anspruch nehmen, vielleicht nicht nehmen wollen, eigentlich weiter leben wollen, aber aufgrund dessen, weil sie niemandem zur Last fallen wollen, dann doch das in Anspruch nehmen. Durch einen gesellschaftlichen Druck. Also jetzt nicht wirklich gezwungen, aber ein gewisser Druck entsteht da natürlich, und da wird sicherlich ein Druck entstehen, wenn das jetzt sozusagen eine verbreitete Methode wäre, ja, wo jeder verpflichtet wäre das vorher eben. I: Also Sie würden sagen, dass Sie das grundsätzlich erlauben, aber dass es halt eben keine Regel darstellen darf. E: Genauso ist es. Also das generelle Erlauben sollte nicht zu einem willkürlichem, ja, zu einer Gewohnheit werden oder so. 191

193 I: Und E: So wie man ja auch die Pille danach nicht, also man hat ja jetzt nicht, dann könnte man ja auch sagen, keine Verhütungsmittel mehr, wir haben eh die Pille danach. Also so ähnlich. Also es gibt diese Maßnahmen, man soll diese Pille danach, ist eigentlich eine Maßnahme in einer sehr, in einem Ausnahmefall, wo man glaubt, dass hat jetzt nicht funktioniert und ich könnte jetzt schwanger werden. I: Und dass, dass sich dann in gesellschaftlichen Diskussion, an der gesellschaftlichen Diskussion teilnehmen, kann ich dann verstehen aufgrund meiner Sonderstellung in der Schöpfung, dass ich da Verantwortung übernehme. E: Richtig. Genau. I: Okay. E: Ja das würde betreffen vor allem Wichtiges im Sinne von mit 120 Tagen, wo schon die Seele eingehaucht worden ist, zählt ja eigentlich für die Muslime, ist kein Unterschied zwischen, wie schon erwähnt jemandem der noch nicht geboren ist und jemand, der schon geboren ist. Also mit dem Einhauchen ohne Grund, ohne einen medizinischen Grund da jetzt abzutreiben zählt als, ist genauso, als wenn man jetzt jemanden nach der Geburt absichtlich töten würde. I: Gibt es Bestrebungen, also es gab wohl in den 80er-Jahren, hab ich herausgefunden, Treffen zu den Menschenrechten und dann halt irgendwie eine Organisation der islamischen Konferenz, die sich mit Fragen, die sich hat mit solchen Fragen halt, auch mit E: In den 80er oder 90er Jahren? I: 80er und 90er Jahren. 81, 90er Jahren, genau 192

194 E: Also in 90er Jahren. I: Ja genau. E: Weil 81 wurde die Glaubensgemeinschaft erst gegründet und da kann s noch nicht die Diskussionen geben haben. Aber ich kann mir gut vorstellen, dass es in den 90er Jahren auf Grund der Imame- Konferenzen vielleicht das ein oder andere Thema angerissen worden sind, aber I: Also ich habe da herausgefunden, dass da eben in den 90er Jahren halt eben die Themen gerade auch um Verhütung, um Spirale etc. diskutiert worden, Abtreibungen. Hab aber danach jetzt keine Diskussionen mehr in der Literatur gefunden. Wissen Sie irgendwie was, ist da seitdem wieder Themen markiert worden? E: Nein, das sind immer Sondersituationen, die man dann auch gesondert behandelt, ja. d.h., wenn eine Familie jetzt, also man weiß jetzt ganz konkret, wo man eben, welche Methoden man verwenden darf, da hat man auch die gewissen Kriterien aufgelistet, d.h. da sind die ganzen Verhütungsmittel dürfen weder, der Mutter nicht schaden, der Frau nicht schaden oder eben keine nachhaltigen Schaden verursachen. Dann eine Sterilisation ist prinzipiell verboten, beiderseits, außer es hat wieder medizinische Gründe und alles andere wird eben ganz speziell besprochen. I: Das heißt mit dieser neuen Methodik? E: In der Türkei schon, in der Türkei eher, weil da die Theologen und Theologinnen auch sehr oft besprechen und sehr oft diskutiert, ja. Das wird auch diskutiert, wie es in Al-Azhar ist, weiß ich nicht. Aber ich finde es ist ein sehr großes Defizit, dass wir hier vor Ort in Österreich diese Diskussion in einem Gremium oder einer Ethikkommission nicht haben, sehe ich als ein sehr großes Defizit an. Vielleicht sollte das jetzt nicht. Ich könnte mir vorstellen, dass die Begründung darin liegt, dass nicht so viele Muslime diese Fragen derzeit fragen, also diese Fragen stellen. Weil als Prinzip gilt, in dem Moment, wo man schwanger ist, sollte man dieses Leben zulassen. Damit wird nicht diskutiert, was wäre, also 193

195 auch wenn man es nicht haben möchte, sagt man doch, solange ich das bewältigen kann, sollte ich das auf die Welt bringen, dieses Kind austragen. Also diese Fragestellung die in der hiesigen Gesellschaft auch, das ist ja auch nicht so aktuell. Auch wenn es jetzt nicht diese Diskussionen gibt, ist es auch unter Österreichern auch nicht so verbreitet, dass man I: Ja es war jetzt in den letzten Wochen, dadurch, dass das Fortpflanzungsmedizingesetz novelliert worden ist, aktuell, aber ansonsten ist es auch eher weniger. E: Oder man hat sich gar nicht viel überlegt, ich hab da mal einen Beitrag dazu gesehen von Amerika, ein Institut eben bei den Problemen Befruchtbarkeit da kommt es ja zu mehreigen Befruchtungen und da wird ja nicht alles eingenistet in die Gebärmutter und der Rest wird ja eingefroren. Und dieses Eingefrorene wird nicht weggeworfen. Das heißt da können auch andere Familien diese befruchteten Eizellen adoptieren, in dem sie, eine Leihmutter sie austrägt, oder sie selber, weil sie eben keine Eizellen, also weil es bei ihnen nicht funktioniert, dass diese fremde Person, fremde Familie das selber es austrägt. Dann gibt es auch noch die Möglichkeit, dass eben diese Eizellen, die eben eingefroren worden sind, dass sie nicht entsorgt werden, sondern, dass sie die Möglichkeit haben sich hier zu entwickeln. Das beruht glaube ich daher, dass man von vorhinein die befruchtete Eizelle schon als ein vollkommenes Leben betrachtet und das macht eben den Unterschied. Islamisch gesehen ist schon das Design da, aber es ist nicht lebensfähig. Lebensfähig im Sinne von mit dem 120. Tag, wird der Lebensgeist eingehaucht. Aber das umgekehrte ist es wieder auch nicht. Also man kann auch nicht sagen, die Eizelle, die da befruchtet worden ist, ist nicht würdig. Also es ist irgendwie dazwischen. I: Hab ich jetzt irgendwie ein Paradigma, was vergessen, was aus islamischer Perspektive wichtig wäre, wenn man sich eben diese ganze genetische Frühdiagnostik oder gerade die PID anschaut, ein wichtiges Kriterium wäre? E: Naja. Das was natürlich nicht erlaubt. Alles was wir jetzt diskutiert haben, das ist immer noch im Rahmen der Ehe. Alles was sozusagen aus dieser Ehe hinausgeht ist sowieso nicht erlaubt. Also wenn die Eizelle an jemand gespendet wird, also Eizellen zu spenden oder Leihmütter, das ist nicht erlaubt. Das ist ganz klar, da bedarf es auch keiner, die Problematik, die Thematik, die wir besprochen im Rahmen der Ehe, der Eheleute nicht wirklich ausgereift, ja. Es ist so ein hin und her. Einerseits das mit dem 120. Tag auf der anderen Seite würden wir sagen bis zum 40. Tag ja, aber wie ist es, darf man das 194

196 aufgrund des Geschlechtes, das das. Das sind dann keine Gründe mehr. Das muss ein gravierender Grund sein warum ich dieses Kind vor dem 40. Tag, also mit der Befruchtung nicht haben möchte. Das muss trotzdem einen Grund haben. Das kann meine Situation sein, dass ich jetzt vielleicht, weiß ich nicht, Karriere machen möchte und hab schon 2 Kinder und das dritte Kind wäre für mich ein großes Problem. Das wäre mit dem 40. Tag sehr problematisch vom Gewissen her, aber vor dem 40. Tag, das heißt gleich nach der Befruchtung oder so, mit der Pille danach oder etc., bräuchte ich jetzt nicht so ein schlechtes Gewissen haben. Es ist nicht das gleiche wie, von der Verantwortung her. Ich hab da auch einen Grund, der wäre aber nicht genug für ein Kind, wenn ich jetzt erst im 2. Monat feststelle oder im 3. Monat feststelle würde, dass ich schwanger wäre. I: Gravierender Grund generell oder gravierender Grund ab dem 40 Tag. Hab ich das jetzt richtig verstanden? E: Ich hab das bisschen durcheinander erzählt. Es ist für mich sehr schwierig. Ich sehe die Schwierigkeit, also in der Diskussion finde ich das sehr spannend. Da kommen nämlich neue Fragen hinzu, wo man dann selber auch nicht 100% weiß, wie steht das jetzt. Das eine ist ja, dass man mit dem 120. Tag. Also das Leben, was entsteht, wo man weiß, dass Leben sich weiter entwickeln kann, mit dem 120. Tag bekommt es eine Seele und wird ein eben vollkommener Mensch und kommt dann auf die Welt. Jetzt prinzipiell, also das Grundprinzip ist Abtreiben ist verboten. Das ist ein Grundprinzip und dann beginnt, fängt es an mit den Ausnahmen. Wie ist das jetzt wenn es noch nicht 120 Tage alt ist, wie ist es jetzt vor dem 40. Tag? Wie ist es gleich nach Befruchtung etc.? Und da kommen jetzt meine Absichten und meine Gründe hinein. I: Kann man dann sagen, also in der Literatur hab ich das öfters gefunden, dass umso höher ich sozusagen ich ins Stadium komme, umso schwerwiegender auch die Gründe sein müssen? E: Ja genau. So kann man das gut ausdrücken. I: Okay. 195

197 E: Genau. Ja, also d.h. wenn ich ein Argument habe, ich habe zwei Kinder und es fällt mir sehr schwer, ich geh arbeiten auch noch und ich habe alles zweifach, dreifach zu erledigen und es fällt mir sehr schwer die Kinder zu erziehen und ich möchte noch eine Fortbildung machen, die mir sehr wichtig ist und bemerke, dass ich da schwanger bin und noch vor dem 40. Tag. Das ist natürlich ein Umstand, das würde ich jetzt nicht mit einer IVF machen. Das ist jetzt ganz klar. Das ist eine natürliche Schwangerschaft sozusagen. Dieser Grund, dass ich jetzt Karriere machen möchte, dass ich überfordert bin mit den zwei Kindern und dieser Ausbildung etc. der wäre für mich keine Begründung mehr, wenn ich im dritten Monat jetzt schwanger wäre. Also da kommt dann das Recht des Kindes zu Tage und die meisten Gelehrten haben keine großen Einwände gehabt, solange die Abtreibung vor dem 40. Tag war. Ja. Außer eben einen bestimmten, der Gesalli hat auch heftige Einwände gehabt. Der meint ab der Befruchtung, ab der Befruchtung wird schon das Design des Babys, des Fötus, des werdenden Menschen schon eingelegt und da ist schon alles festgelegt und daher sollte man auch da nicht abtreiben ohne eine triftige Begründung. Und das ist vielleicht das, was so bisschen verwirrt. Also diese zwei großen Meinungen. Die eine Meinung vor dem 40. Tag ist es erlaubt, da wäre wahrscheinlich auch die Selektion erlaubt, was Behinderung betrifft, was Krankheit betrifft, aber Geschlecht würde auch dort scheitern. Weil es prinzipiell nicht erlaubt ist, Frauen zu diskriminieren und das wäre eine Diskriminierung des weiblichen Geschlechtes. I: Na gut. So weit wären das meine Fragen. 196

198 Yvonne Kathrin Zelter Lebenslauf Persönliche Daten Name: Geburtsdaten: Yvonne Kathrin Zelter in Koblenz Schulbildung : Grundschule St. Georg in Lehmen : Regionale Schule Untermosel in Kobern-Gondorf (Realschulabschluss) : Max-von-Laue-Gymnasium in Koblenz (Abitur) März 2008-September 2008: Auslandsaufenthalt in Irland, Cork, als Aupair Oktober 2008-Juli 2011: Studium der katholischen Fachtheologie an der Theologischen Fakultät Trier Seit Oktober 2011: Studium der katholischen Fachtheologie an der Universität Wien März 2013-März 2014: Journalistische Ausbildung: Absolvierung des Grundkurses Print (Kurs 1 und 2) bei der Katholischen Medienakademie Wien (KMA) Praktische Erfahrungen Journalistischer Bereich Seit 2014: Mitglied des Verbandes Katholischer Publizistinnen und Publizisten Österreichs 197

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