Der Regierungsrat des Kantons Thurgau an den Grossen Rat
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- Edwina Nora Sommer
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1 Der Regierungsrat des Kantons Thurgau an den Grossen Rat Frauenfeld, 13. Mai Interpellation Bernhard Wälti vom 7. November 2007 betreffend Impfungen von Schulkindern Beantwortung Sehr geehrter Herr Präsident Sehr geehrte Damen und Herren Zum eingangs erwähnten Vorstoss nehmen wir wie folgt Stellung: Vorbemerkungen Die schulärztliche und schulzahnärztliche Betreuung der Schülerinnen und Schüler ist Aufgabe der Schulgemeinden. Das Gesetz für die Volksschule (RB ) gibt diesbezüglich vor, dass besonderes Gewicht auf die Früherkennung und die Vorbeugung zu legen sei und dass die Schule im Rahmen ihrer Möglichkeiten die Gesundheitsförderung zu unterstützen und dazu bei Bedarf Fachdienste beizuziehen habe ( 59). In den Richtlinien des Kantonsarztes für die schulärztliche Tätigkeit vom Herbst 2000 wird dazu ergänzt, dass sich schulärztliche Tätigkeit nach den Bedürfnissen der Schülerinnen und Schüler sowie der Institution Schule richten muss und unter anderem den Impfstatus zu kontrollieren und gegebenenfalls Impfungen durchzuführen hat. Die schulärztliche Tätigkeit dient auch der Verhinderung der Ausbreitung von Epidemien gemäss Epidemiengesetz. Der Impfstatus wird auf der schulärztlichen Untersuchungskarte, die jeder Schülerin und jedem Schüler von der Schulgemeinde abgegeben wird, vermerkt. Anlässlich der schulärztlichen Untersuchungen sind die Impfausweise zu kontrollieren und den Eltern Impfempfehlungen abzugeben.
2 Die rechtliche Grundlage, Impfungen im Rahmen der schulärztlichen Untersuchungen zu propagieren, sind demnach vorhanden. Ob eine Impfung im Rahmen dieser Untersuchungen zu einer höheren Durchimpfungsrate führt, als wenn die Impfung in der Praxis des Arztes vorgenommen wird, wird durch die Schulgemeinden nicht erfasst. Wie der Interpellant zutreffend festhält, wurde das schulärztliche Impfprogramm fallengelassen, weil sich weniger als ein Drittel der Schulgemeinden daran beteiligten und die Mehrheit der Schulärzte das Impfprogramm ablehnte. Obwohl sich mit Reihenimpfungen die höchsten Durchimpfungsraten erreichen lassen, werden sie von Teilen der Bevölkerung zunehmend abgelehnt; nach Meinung dieser Kreise soll auch in Impffragen für die Kinder eine individuelle Beratung durch den Vertrauensarzt erfolgen. Vor diesem Hintergrund gilt es heute, eine Verbesserung der Durchimpfungsrate durch Aufklärung, Information und ärztliche Beratung statt durch Reihenimpfungen zu erreichen. Das aktuelle Konzept des Kantonsärztlichen Dienstes kommt diesen Anforderungen weitgehend entgegen. Für dessen Arbeit massgebend wird aber das Monitoring der Durchimpfungsraten bzw. der Erkrankungen sein. Sämtliche Massnahmen müssen demgemäss durch permanente Erhebungen der impf-assoziierten Erkrankungen begleitet sein. Die so gewonnenen Daten sind zur Beurteilung mit den gesamtschweizerischen Daten abzugleichen. Auf diesem Weg können Veränderungen so wie allfällige Defizite im Impfkonzept des Kantons festgestellt und frühzeitig Massnahmen zur Korrektur eingeleitet werden. Beantwortung der einzelnen Fragen 1. Tatsächlich ist seit Frühjahr 2007 schweizweit, insbesondere aber in den Kantonen Luzern und Basel-Landschaft eine ausgeprägte Häufung von Masernerkrankungen zu beobachten. Ein gegenüber 2007 verstärkter Anstieg war in den Monaten Januar bis März 2008 zu verzeichnen. Der Höchststand wurde gesamtschweizerisch mit knapp 450 gemeldeten Erkrankungen im März 2008 erreicht. Im Thurgau waren es von Januar bis April Fälle, womit der Thurgau im hinteren Drittel der Kantone rangiert. In allen Kantonen dürfte eine Dunkelziffer nicht gemeldeter Fälle bestehen. Der Kantonsärztliche Dienst hat die Ärzteschaft im Kanton Thurgau wiederholt aufgefordert, die Impfung zu propagieren. Über die Medien ergingen Aufrufe zum Impfen, insbesondere gegen die Masern. Gemäss dem schweizerischen Impfplan soll die Masernimpfung zweimal erfolgen, und zwar im Alter von 12 bis 24 Monaten. Es handelt sich also bei diesen Impfungen nicht mehr um Impfungen im Schulalter, wie dies noch vor einigen Jahren der Fall war. Neu steht der Impfstoff Measles zur Verfügung, mit dem einzig gegen Masern (ohne Röteln und Mumps) geimpft werden kann. Unverändert befürwortet der Kantonsärztliche Dienst eine hohe Durchimpfungsrate der Bevölkerung im Sinn des Interpellanten, dass nämlich betreffend Masern, Mumps und Röteln eine mindestens 95-prozentige Durchimpfung (mit zwei Impfdosen) angestrebt werden muss. Den Schulgemeinden ist es freigestellt, weiterhin Reihenimpfungen durchzuführen, diese werden jedoch vom Kanton nicht mehr finanziell und personell unterstützt. 2/5
3 Um die Strategieänderung mit Zahlen zu untermauern, liess der Kantonsärztliche Dienst im Jahre 2007 durch das Institut für Präventivmedizin der Universität Zürich für den Kanton Thurgau eine Impfstudie durchführen. In fünf Jahren wird der Kantonsärztliche Dienst die Impfdaten erneut erfassen. Sollte sich die Durchimpfung bis dahin deutlich verschlechtern, wird die Impfstrategie des Kantonsärztlichen Dienstes neu diskutiert und überdacht werden müssen. Wie die Impfstudie gezeigt hat, sind im Thurgau vor allem die Kinder von gut gebildeten und sozial besser gestellten Erziehungsberechtigten und Familien schlechter geimpft. Die vom Interpellanten erwähnten sozial schlechter gestellten Kinder sind hingegen im Kanton Thurgau für die erste Impfung bis zu 100 %, für die zweite bis zu 92 % durchgeimpft. Ausländische Kinder sind ebenfalls besser durchgeimpft als Schweizer. Diese Resultate decken sich mit den Resultaten des Kantons Bern. Die Bemühungen für eine bessere Durchimpfung unserer Kinder müssen daher die Zielgruppe Schweizer Erziehungsberechtigte mit hohem Bildungsgrad anvisieren. Hier braucht es Information und Überzeugungsarbeit durch die Hausarztpraxis und die Öffentlichkeitsarbeit des Kantonsärztlichen Dienstes sowie des Bundesamtes für Gesundheit (BAG). Zu den detaillierten Ergebnissen der Impfstudie verweisen wir auf Ziff Der Regierungsrat stellt sich gestützt auf den Kantonsärztlichen Dienst hinter das Konzept des BAG und empfiehlt eine Durchimpfungsrate bezüglich aller Impfungen gemäss dem schweizerischen Impfplan. Besondere Impfkampagnen sind vorläufig nicht geplant. 3. Die Resultate der Impfstudie 2007 für den Kanton Thurgau sind im März 2008 eingetroffen. Die Mitarbeit der Gemeinden hat sich im Vergleich zum Jahre 2000, als ebenfalls eine solche Studie durchgeführt wurde, von ca. 45 % Beteiligung auf gut 85 % verbessert. Die Durchimpfung wurde aufgrund der Impfausweise bei Kindern und Jugendlichen im Alter von ca. zweieinhalb bis drei, acht und 16 Jahren geprüft. Es wurden der soziale Status (im Sinn von tiefer, mittlerer oder hoher Schulbildung der Mutter bzw. der erziehungsberechtigten Person) und die Nationalität erfasst. Die Durchimpfung betreffend Diphtherie 1, Starrkrampf, Keuchhusten und Kinderlähmung sowie Haemophilus influenzae 2 betrug mit knapp drei Jahren für drei Impfungen beinahe 95 %, im Schuleintrittsalter lag die Durchimpfung für vier Impfungen ebenfalls bei über 90 %, teilweise bis 95 %, für Haemophilus influenzae für die vierte Impfung bei 84 %. 1 Entzündung der oberen Atemwege (Rachen, Kehlkopf) mit Nekrosen und Membranen (Erstickungsgefahr, Toxinbildung) 2 Bakterielle Entzündung der Schleimhäute der oberen Atemwege (Erstickungsgefahr, Hirnhautentzündung) 3/5
4 Im Schulaustrittsalter betrug die Durchimpfung für Diphtherie und Starrkrampf für fünf Impfungen 90 % bis 91 %, für Keuchhusten knapp 90 % für drei Impfungen, für Kinderlähmung knapp 95 % für vier Impfungen und 87 % für fünf Impfungen. Bei Schulaustritt ergab sich eine Durchimpfungsrate für Hepatitis B für eine Impfung von 64 %, für zwei Impfungen von 57 % und für drei Impfungen von gut 30 %. Bei Masern, Mumps und Röteln betrug die Durchimpfung im Alter von rund zweieinhalb Jahren für eine Impfung 85 %, für zwei Impfungen knapp 69 %. Im Schuleintrittsalter betrug die Durchimpfung für eine Impfung knapp 92 %, für zwei Impfungen 81 %. Im Schulaustrittsalter betrug die Durchimpfung für eine Masern- Impfung knapp 95 %, für zwei Impfungen bei 83.5 %. Ganz eindeutig zeigt sich, dass Schweizer Kinder schlechter geimpft sind als ausländische. Bei der ersten Masernimpfung beträgt die Quote bei Schweizern 82.8 %, bei Nichtschweizern 92.4 %. Ein ähnlicher, weniger gravierender Unterschied zeigt sich auch bei der Diphtherie-, Tetanus-, Pertussis-, Polio- und Haemophilus-Impfung. Dieser Trend ist in allen Altersgruppen zu beobachten, am wenigsten ausgeprägt bei den 16-jährigen. Deutlich ist auch die Abhängigkeit vom Bildungslevel der Mutter bzw. erziehungsberechtigten Person. So zeigt sich z.b. bei den Masern-Erstimpfungen bei Personen mit tiefem Bildungslevel bei den einjährigen Kindern eine 100-prozentige Durchimpfung, bei mittlerem Bildungslevel eine 89-prozentige Durchimpfung, bei hohem Bildungslevel eine 60-prozentige Durchimpfung. Bei der zweiten Masern- Impfung ergibt sich eine Quote von 81 % bei tiefem Bildungslevel, 76 % bei mittlerem und 46.5 % bei gutem Bildungslevel der Mutter. Derselbe Trend ist beim Schulaustritt zu erkennen. Bei Erziehungsberechtigten mit tiefem Bildungslevel beträgt die Durchimpfung der Kinder bei der ersten Masernimpfung 89.7 %, bei der zweiten Masernimpfung 72.7 %, im mittleren Bildungslevel bei der ersten Masernimpfung 99.2 %, bei der zweite Masernimpfung 88.4 %. Bei Personen mit hohem Bildungslevel ergab sich ein Wert von 93.9 % für die erste Impfung, für die zweite Impfung ein solcher von 77.6 %. Im Vergleich zum Jahr 2000 ist bei allen Impfungen eine Verbesserung ersichtlich. Insgesamt kann die Durchimpfung im Thurgau gemessen am schweizerischen Durchschnitt als gut bezeichnet werden. Sie ist aber nicht optimal und daher zu verbessern. 4. Hinsichtlich der Schlüsse und Konsequenzen aus der Impfstudie kann auf die vorstehenden Ausführungen (insbesondere unter den Vorbemerkungen und Ziff. 1) verwiesen werden. Die Information durch Medien, Hausärzte, Kantonsärztliche Dienste und BAG muss vor allem bei Erziehungsberechtigten mit hohem Bildungsgrad und bei Schweizerinnen verstärkt werden. 4/5
5 Der Kantonsärztliche Dienst wird sein Impfkonzept überdenken, sofern die Impfstudie 2012 eine Verschlechterung der Durchimpfung aufzeigen sollte. Eine Änderung der Impfstrategie wird in jedem Fall unter Einbezug der Schulgemeinden erfolgen müssen. 5. Der Regierungsrat schliesst eine spätere Zusammenarbeit mit dem Kanton St. Gallen oder anderen Kantonen nicht aus. Vor dem Hintergrund der im Thurgau mit den Schulimpfungen gemachten Erfahrungen (siehe Vorbemerkungen) zieht er es aber vor, den eingeschlagenen Weg der Überzeugung durch Aufklärung und Information weiter zu gehen. Eine allfällige Zusammenarbeit mit anderen Kantonen verspricht keine besseren Beschaffungspreise als sie heute die Spitalpharmazie der Spital Thurgau AG erzielt. Diese gehört zu den zehn umsatzträchtigsten Spitalapotheken der Schweiz und wird dementsprechend von der Pharmaindustrie als wichtiger Geschäftspartner wahrgenommen. Der Präsident des Regierungsrates Der Staatsschreiber 5/5
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