Predigt über Johannes 14,1-12
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- Martin Hofmann
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1 Predigt über Johannes 14,1-12 gehalten in der Schlosskirche Bonn am Sonntag Trinitatis, 11. Juni 2017 Pfarrer Michael Pues, ESG Bonn ERÖFFNUNG Was für ein gewaltiges Bekenntnis, das wir da gerade in der Telemann-Kantate gehört haben. Jesus ist und bleibet mein! Ich weiß, dass ich ein Auserwählter bleibe. Weil ich dein bin, kann ich nimmermehr verloren sein. Eine tiefe Gewissheit, ein Aufgehobensein. Der Glaube ist so etwas wie ein Schutzmantel, der uns alle umhüllt. In diesem Duktus könnte die Predigt jetzt das nachvollziehen und verstärken, was gerade besungen wurde. Dass wir uns gegenseitig dessen versichern, was uns im Leben und Sterben hält. Wenn, ja wenn da nicht dieser Text wäre. Die Worte Jesu aus dem Johannesevangelium, die wir eben gehört haben. Auf den ersten Blick ganz im Stil der Kantate. Und doch - die Selbstverständlichkeit fehlt. Weitestgehend im imperativen Stil gehalten: Erschreckt nicht! Glaubt mir! Neben positiven Aussagen finden sich auch negative, ausschließende Formulierungen. Am bekanntesten und am meisten diskutiert der Vers 6: Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben. Niemand kommt zum Vater denn durch mich. Zu Gott geht es alleine über diesen Weg Jesus Christus? Und die Kirche wäre dann die Verwalterin dieses exklusiven Weges, der allein selig machenden Wahrheit? Was ist mit anderen Religionen? Keine Wahrheit bei ihnen zu finden? 1
2 CAFÉ ORANGE Szenenwechsel: Wir sitzen im Bonner Café Orange zusammen und bereiten das nächste Treffen des Café Abraham vor. Wir, das sind: Studierende der jüdischen Hochschulgruppe, der islamischen Hochschulvereinigung, der KHG und der ESG. Gemeinsam mit dem kath. Hochschulpfarrer und dem ev. Studierendenpfarrer. Café Abraham ist ein interreligiöses Projekt der drei abrahamitischen Religionen. In der Tradition der Kaffeehauskultur treffen wir uns seit zwei Semestern. Diskutieren Themen wie Familie und Religion oder Gewalt und Religion. Das alles geschieht in einem Geist gegenseitigen Respektes, wechselseitiger Akzeptanz und ohne einen missionarischen Impetus. Niemand kommt zum Vater denn durch mich. Jesus als der einzige Weg zu Gott. Welche Bedeutung sollte diese Aussage für ein Projekt wie dieses haben? Das Café Abraham steht als ein Beispiel für die vielen interreligiöse Bemühungen und Dialoge. Initiativen, von denen ich überzeugt bin, dass wir sie heute mehr denn brauchen. Im persönlichen Gespräch, in der persönlichen Begegnung, im Kennenlernen, da verwandelt sich Nichtwissen über die andere religiöse Tradition in Gemeinschaft, werden Vorurteile in differenzierte Sichtweisen transformiert. Der dogmatisch anmutende Satz: Niemand kommt zum Vater denn durch mich wirkt in diesem Zusammenhang verstörend. Wenn mit mir umgekehrt jemand ein Gespräch über theologische Sachverhalte oder persönliche Glaubensüberzeugungen in diesem Duktus führen möchte. Ich liege richtig und du falsch und darum schließe dich bitte meiner Meinung an. Dann bin ich sehr schnell an einer Grenze angekommen, an der ich das Gespräch auch beende. Worüber sollte da noch wirklich geredet oder gestritten werden? Was wäre das für ein Dialog, in dem der eine von sich behauptet, das Recht und die Wahrheit alleine auf seiner Seite zu haben? 2
3 Niemand kommt zum Vater denn durch mich. Was fange ich an mit einem solchen Exklusivitätsanspruch? Ignorieren, gedanklich aus der biblischen Botschaft streichen? Das wäre wohl zu einfach. ZURÜCK ZU JOHANNES Eine Antwort finde ich in der direkten Beschäftigung mit diesem Text aus Johannes 14. Schauen wir auf den Kontext dieser Aussage. Unser Text ist Bestandteil der sogenannten Abschiedsreden Jesu : Diese bieten einen Rückblick auf sein Wirken, eine Bündelung und einen Ausblick. Sie sind so etwas wie ein Testament, eine Hinterlassenschaft für die Zeit ohne ihn. Die Grundstimmung, die diese Abschiedsreden umweht, sie ist zu umschrieben mit: Verunsicherung, Ängstlichkeit, banges Fragen. Im Text sind es die Jünger, die so fühlen. Weil sie das bald kommende Ende ihrer gemeinsamen Zeit mit Jesus erahnen. Im Kontext des ganzen Evangeliums ist es die johanneische Gemeinde. Viele Jahrzehnte nach dem Auftreten Jesu befindet sich die christliche Gemeinde in einem äußerst angespannten Verhältnis zum Judentum. Das führt zu den bekannten pauschalen antijüdischen Ausfällen des Johannesevangeliums. Und in der Tradition der verunsicherten ersten christlichen Gemeinden stehen auch wir, die christliche Gemeinde 2000 Jahr danach. Die wir wieder neu vor der Aufgabe stehen, unseren Ort in einer sich immer weiter vom Christentum entfremdeten Gesellschaft zu finden. Die größte gesellschaftliche Gruppe (über ein Drittel) gehört heute in Deutschland keiner Religionsgemeinschaft mehr an. In Berlin, dem Ort des zu Ende gegangenen Kirchentages, sind nur noch gut 20 Prozent Mitglied einer der beiden großen christlichen Kirchen. 3
4 Die Jünger Jesu die johanneische Gemeinde und wir, die christliche Gemeinde im 21. Jahrhundert. Ganz unterschiedliche Situationen und Zusammenhänge. Und doch eine gemeinsame Grunderfahrung: Die Selbstverständlichkeit des Glaubens wie wir sie eben in der Kantate noch einmal eindrücklich erlebt haben - ist verlorenen gegangen. DEN WEG WISSEN Eine Frage bringt es auf den Punkt: Wie können wir den Weg wissen? Gesprochen von einem verunsicherten, zweifelnden Thomas. Der Weg ist das Ziel? Damit gibt sich der Jünger nicht zufrieden: Ohne Ziel kein Weg! Wie können wir den Weg wissen? Ein Satz, der auch in der Postmoderne gesprochen sein könnte. Wir sehen uns unübersehbare Möglichkeiten und Lebensentwürfen gegenübergestellt, tausende von Studiengängen und Berufsbildern. Wie können wir den Weg wissen? Damals wie heute. Es geht um die großen Fragen: Wozu lebe ich? Welchen Weg soll ich gehen? Worauf ist Verlass dabei und worauf nicht? Was ist wahr, was ist falsch? Wie kann ich im Leben Sinn finden? Wie gut das tut, dass da jemand sagt: Ich bin der Weg. Mir nach und es wird Dir gut gehen! Jesus möchte verlässliche Antworten geben. Das Ziel der Abschiedsreden bei Johannes ist: Trost zusprechen, Sinn erschließen, das Sterben Jesu zu verstehen, Glauben zu können, obwohl wir nicht sehen. Glaube als Weg. Dieses Bild gefällt mir, provoziert spontane Assoziationen. Glaube ist eben nichts Statisches, sondern hat eine Dynamik, eine Lebendigkeit in sich. Es ist ein nicht immer gerader, nicht immer unkomplizierter Weg. Es ist ein Weg, der in die Abgründe des Lebens führt, in die Gottverlassenheit, in den Tod. Eben ein Weg, der noch vor mir liegt, der noch zu gehen ist bis zum Ende. 4
5 Ein Weg mit Herbergen am Rand, in denen ich länger oder kürzer verweile. Ein Weg, auf dem ich schweigend gehe, ganz für mich, oder lustvoll diskutierend mit anderen. Gemeinsam Glauben als eine Weggemeinschaft. Es ist ein Weg nach Emmaus, auf dem ich manchmal unerkannt und doch immer begleitet bin. Es ist ein Weg auf den zu, der selber viele Wege gegangen ist. Der Menschen am Wegesrand sieht und oben in den Bäumen. Der einkehrt bei Menschen. Der ausruht von seinem Weg und in die Wüste oder auf einen Berg geht. Ein Weg auf den zu, der seinen Weg zu Ende gegangen ist. Durch das Gefühl der absoluten Gottverlassenheit hinein in eine nicht mehr zu hinterfragende, eine absolute Gemeinschaft mit Gott. Auf diesen Weg in der Nachfolge Jesus will ich mich gerne begeben. EXKLUSIVE WAHRHEIT? Doch wieder zurück zu den ernsten Anfragen an diese Verse. Anfragen an den Exklusivitätsanspruch des Christentums, der sich aus diesen Worten Jesu vermeintlich ableiten ließe. Auch jetzt wieder: zu beachten ist der Kontext! Im Duktus der Abschiedsreden spricht Jesus diese Worte zu seinen Jüngern. Also zu denen, die sich ihm eh schon zugehörig fühlen. Die einfach nur verunsichert und ängstlich sind. Die darum Trost brauchen, Vergewisserung. Zu denen sagt Jesus: Wenn ihr auf mich setzt, dann liegt ihr 100% richtig. Das heißt aber doch: Er steht mit dieser Aussage Niemand kommt zum Vater denn durch mich eben nicht in der Fußgängerzone und konfrontiert jede und jeden damit, ob er oder sie es hören will oder auch nicht. Es geht dem johanneischen Jesus hier nicht um Bekehrung der Ungläubigen, sondern um Vergewisserung derer, die bereits glauben. Das ist ein großer und entscheidender Unterschied. Ich für mich, wir als christliche Gemeinde singen die Kantate Telemanns aus vollem Hals. Das darf uns 5
6 Mut machen. Ich kann biblische Verse jedoch nicht aus ihrem Zusammenhang reißen, um dann mit ihrer Hilfe Menschen anderen Glaubens ihre Daseinsberechtigung abzusprechen. SCHON BEIM VATER Im Blick auf das Judentum formuliert der jüdische Religionsphilosoph Franz Rosenzweig bereits 1913 im Blick auf diese Stelle des Johannesevangeliums (Zitat): Was Christus und seine Kirche in der Welt bedeuten, darüber sind wir einig: es kommt niemand zum Vater denn durch ihn. Es kommt niemand zum Vater anders aber, wenn einer nicht mehr zum Vater kommen braucht, weil er schon bei ihm ist. Und dies ist nun der Fall des Volkes Israel (nicht des einzelnen Juden) (Zitat Ende). Lange vor mühsam errungen christlichen Synodenbeschlüssen zum Verhältnis Christentum Judentum schreibt der Jude Rosenzweig diese Erkenntnis an seinen ehemals jüdischen und nun zum Christentum konvertierten Vetter Rudolf Ehrenberg. SCHLUSS Ich komme zum Ende. Ich bin der festen Überzeugung: Wahrheit erschließt sich immer in Beziehung. Von Anfang an bin ich als dialogisches Wesen geschaffen. Und nie habe ich die ganze Wahrheit auf meiner Seite. Ich erinnere nur an Paulus: Unser Erkennen ist Stückwerk Meine Überzeugungen, meine Wahrheiten erfahren eine Öffnung und Bereicherung im Gespräch und im Austausch mit anderen. Mein Weg folgt dem, der gesagt hat: Ich bin der Weg. Davon kann ich und darf anderen erzählen. Aber ich werde niemals versuchen, die Lebens- und Glaubenswege anderer in diesem Sinne umzulenken oder zu beschneiden. Und ich bin überzeugt: ganz am Ende werden sich verschiedene Wege treffen in dem einen Ziel. Und der Friede Gottes 6
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