Eheleute, beide deutsche Staatsangehörige und im gesetzlichen Güterstand verheiratet, haben einen Sohn; dieser wiederum hat zwei Kinder.
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1 DNotI Deutsches Notarinstitut GUTACHTEN Dokumentnummer: letzte Aktualisierung: BGB 2069, 2075, 2269, 2270 Rechtsfolge des Verstoßes gegen eine Pflichtteilsklausel; Ersatzberufung; Bindungswirkung eines gemeinschaftlichen Testaments hinsichtlich Pflichtteilsklauseln; Abänderung durch neue Verfügung von Todes wegen I. Sachverhalt Eheleute, beide deutsche Staatsangehörige und im gesetzlichen Güterstand verheiratet, haben einen Sohn; dieser wiederum hat zwei Kinder. Die Eheleute haben ein gemeinschaftliches Testament errichtet und dort im wesentlichen folgendes bestimmt: - gegenseitige Alleinerbeinsetzung, - Einsetzung des Sohnes als alleinigen befreiten Vorerben des Überlebenden und der Kinder des Sohnes als Nacherben, - Einsetzung der Kinder des Sohnes als Ersatzerben, - Ausschluss des Sohnes von jeglicher Erbfolge, falls er beim Tode des Erstversterbenden den Pflichtteil verlangt, - Vermächtnis zu Gunsten der Kinder des Sohnes, wenn der Sohn den Pflichtteil verlangt, bestehend in dem Betrag, der dem Wert des Nachlasses des Erstversterbenden nach Abzug des Pflichtteils entspricht, wobei das Vermächtnis sofort anfällt, aber erst auf den Tod des Längstlebenden zur Zahlung fällig ist. Das Testament enthält keine Regelung und keinen Anhaltspunkt im Hinblick auf die Frage der Änderungsbefugnis für den überlebenden Ehegatten. Der Ehemann ist verstorben. Der Sohn hat von der Witwe, seiner Mutter, den Pflichtteil verlangt und nach Einleitung eines Rechtsstreits nach einem gerichtlichen Vergleich auch erha l- ten. Wegen der heftigen, gerichtlich ausgetragenen Streitigkeiten im Zusammenhang mit dem Pflichtteilsverlangen möchte die Witwe nicht nur den ohnehin durch die gemeinschaftliche letztwillige Verfügung aufgrund der Pflichtteilsforderung auf ihr Ableben ausgeschlossenen Sohn, sondern auch dessen beiden Kinder (die beide noch kinderlos sind) als Erben ausschließen und gemeinnützigen Institutionen zu ihrem Erben bestimmen. Deutsches Notarinstitut Gerberstraße Würzburg Telefon 09 31/ Telefax 09 31/ dnoti@dnoti.de Internet: mr pool Gutachten/12103.doc
2 Seite 2 II. Frage Kann die überlebende Ehefrau das Testament noch dahingehend ändern, dass sie die vorstehend genannte Erbeinsetzung gemeinnütziger Institutionen vornimmt und dabei zugleich vorsorglich ihre Enkel enterbt? III. Zur Rechtslage 1. Im vorliegenden Fall haben die Ehegatten die sog. Einheitslösung (vgl Abs. 1 BGB) gewählt (die Vor- und Nacherbschaft ist ja nur für den Schlusserbfall angeordnet, gestaltet diesen mithin nur näher aus). Verwenden sie in einem solchen, sog. Berliner Testament eine Pflichtteilsstrafklausel dahingehend, dass derjenige Abkömmling, der beim Tod des Erstversterbenden seinen Pflichtteil verlangt, beim Tod des Lä n- gerlebenden auch nur den Pflichtteil erhält bzw. enterbt sein soll (vgl. Palandt/Edenhofer, BGB, 61. Aufl. 2002, 2269 Rn. 13 in diesem Sinne dürfte auch die mitgeteilte Formulierung zu verstehen sein), so ist die Schlusserbeneinsetzung der Abkömmlinge auflösend bedingt durch das Pflichtteilsverlangen nach dem ersten Erbfall (vgl. Palandt/Edenhofer, 2269 Rn. 13; J. Mayer, in: Dittmann/Reimann/ Bengel, Testament und Erbvertrag, 3. Aufl., 2269 Rn. 83). Es kann damit davon ausgegangen werden, dass der Sohn durch das Geltendmachen seines Pflichtteils nach dem Ableben des Vaters seine Schluss(vor-)erbenposition nach dem Ehegattentestament verwirkt hat. 2. Zu welchen Rechtsfolgen der Verstoß gegen die Verwirkungsklausel führen soll, ist grundsätzlich von den Erblassern in der Verfügung von Todes wegen festzulegen. Insoweit kommt beispielsweise die Anordnung der Anwachsung des freiwerdenden Schlusserbteils an andere Schlusserben bzw. der Anfall an die Ersatzberufenen in Betracht (vgl. J. Mayer, 2269 Rn. 86). Bei Fehlen einer ausdrücklichen Regelung ist die Rechtsfolge der Verwirkung ggf. durch ergänzende Auslegung zu ermitteln (vgl. Ba y- ObLG NJW-RR 1996, 262 = DNotZ 1996, 312; J. Mayer, 2269 Rn. 86). Wurden keine speziellen Anordnungen getroffen, dann kann u. E. primär eine allgemeine Ersatzberufung nach 2096 BGB bzw BGB zum Tragen kommen, hilfsweise die Anwachsung nach 2094 BGB bei mehreren Erben (vgl. Strobel, MDR 1980, 363, 364). Im vorliegenden Fall wurden als Ersatzerben für den Sohn dessen Kinder (wohl nach den Regeln der gesetzlichen Erbfolge) bestimmt. Daher könnte im vorliegenden Fall eine Ersatzberufung der Abkömmlinge des den Pflichtteil verlangenden Sohnes Rechtsfolge des Eingreifens der Pflichtteilsklausel sein. Normalerweise wird dies aber gerade nicht gewollt sein, da dies eine Doppelberücksichtigung desselben Stammes zur Folge hätte. Üblicherweise wird daher auch bei der Testamentsgestaltung vorgesehen, dass bei Verlangen des Pflichtteils nicht nur der den Pflichtteil verlangende Abkömmling, sondern auch seine Abkömmlinge von der Erbfolge auf Ableben des Längstlebenden ausgeschlossen sind (vgl. Nieder, Handbuch der Testamentsgestaltung, 2. Aufl. 2000, Rn. 840). Da im vorliegenden Fall eine solche Erstreckung der Ausschlusswirkung auf die Abkömmlinge nicht ausdrücklich in der Pflichtteilsklausel vorgesehen ist, bleibt fraglich, ob die Ersatzberufung der Abkömmlinge zum Tragen kommt oder nicht. Soweit ersichtlich, liegt zu dieser Rechtsfrage bislang keine einschlägige Rechtsprechung vor, die Rechtslage ist daher unsicher.
3 Seite 3 In der Kommentarliteratur wird das Problem in der Regel lediglich im Rahmen des 2069 BGB erörtert. So vertritt beispielsweise Leipold (in: MünchKomm, BGB, 3. Aufl., 2069 Rn. 16), dass im Eintritt einer auflösenden Bedingung (z. B. bei Verwirkungsklauseln) kein Wegfall des Bedachten liege, sondern hierdurch vielmehr die Verfügung nach dem Willen des Erblassers vom Bedingungseintritt an unwirksam würde. Leipold geht folglich davon aus, dass 2069 BGB in diesen Fällen keine Anwendung findet (eine Ersatzberufung der Abkömmlinge folglich von vornherein ausgeschlossen ist). Anders wird dies aber von der soweit ersichtlich restlichen Literatur gesehen, die vertritt, dass ein Wegfall i. S. v BGB auch im Eintritt einer auflösenden Bedingung liegen kann (vgl. Erman/Schmidt, BGB, 10. Aufl., 2069 Rn. 4; Soergel/Loritz, BGB, 12. Aufl., 2069 Rn. 20; Staudinger/Otte, BGB, 13. Aufl., 2069 Rn. 13; Wacke, DNotZ 1990, 403, 407 ff.). Die herrschende Kommentarliteratur stützt sich dabei auf zwei ältere Kammergerichtsentscheidungen (vgl. KG JW 1938, 1600; DNotZ 1942, 147). Allerdings wird weiterhin unter Berufung auf eben diese Rechtsprechung vertreten, dass 2069 BGB in der Regel widerlegt sei, wenn ein Verstoß des Bedachten gerade gegen eine Verwirkungsklausel vorliege (vgl. Palandt/Edenhofer, 2069 Rn. 5; Soergel/Loritz, 2069 Rn. 20; einschränkend aber Wacke, a. a. O.). Loritz (a. a. O.) weist in diesem Zusammenhang im Übrigen darauf hin, dass im Falle einer Pflichtteilsberecht i- gung des gegen die Verwirkungsklausel verstoßenden Abkömmlings im Hinblick auf 2069 BGB dieselbe Situation wie bei einer Ausschlagung (zwecks Pflichtteilsverlangens) bestehe. Zusammenfassend betrachtet gelangt damit die wohl überwiegende Auffassung in Rechtsprechung bzw. Literatur wie in den Fällen der Ausschlagung dazu, dass (in der Regel) der Verstoß gegen die Verwirkungsklausel keine Ersatzberufung der Abkömmlinge gem BGB zur Folge hat. Ob dies in den Fällen der ausdrücklichen Ersatzberufung wie hier gleichfalls so gesehen würde, bleibt nach Durchsicht der einschlägigen Rechtsprechung und Literatur offen. Eine ausdrückliche Entscheidung fehlt. Da die Sachlage aber vergleichbar ist, wird man u. E. den Verstoß gegen eine Verwirkungsklausel im Ergebnis wie die Fälle der Ausschlagung zwecks Pflichtteilsverlangen behandeln können, wo nicht zwischen Ersatzberufung gem BGB und ausdrücklicher Ersatzberufung unterschieden wird. Im Zweifel könnte damit davon auszugehen sein, dass im vorliegenden Fall das Pflichtteilsverlangen des Sohnes nicht die Ersatzberufung seiner Kinder zur Folge gehabt hat. Nun ist hier aber zu bedenken, dass die Schlusserbfolge (zunächst) als Vor- und Nacherbschaft ausgestaltet war, was dafür sprechen könnte, dass die Ehegatten ihr Vermögen auf jeden Fall (also u. U. auch um jeden Preis ) in der Familie halten wollten. U. U. käme man aber auch hier im Wege der ergänzenden Auslegung zu einem anderen Ergebnis. Dann wäre aber zu bedenken, dass die Eheleute in dem Testament noch eine sog. Jastrow sche Klausel verwendet haben. Da diese üblicherweise nur in den Fällen verwendet wird, dass mehrere (Mit-)Schlusserben vorhanden sind, könnte deren Verwendung hier im Hinblick auf ein und denselben Stamm dafür sprechen, dass die Testatoren die mit ihr einhergehende Rechtsfolge auch bedacht und gewollt haben. Denn das Eingreifen der Klausel setzt im konkreten Fall die Ersatzerbberufung der Kin-
4 Seite 4 der des Sohnes gerade voraus. Deshalb dürfte hier aus unserer Sicht einiges für die Ersatzberufung der Enkel sprechen. 3. Unterstellt man im Folgenden, dass das Pflichtteilsverlangen des Sohnes dazu geführt hat, dass dieser als Schlussvorerbe weggefallen ist und die dadurch freigewordene Schlusserbschaft nunmehr dessen Kindern zusteht, dann könnte die überlebende Ehefrau nur dann über die freigewordene Schlusserbschaft neu verfügen, wenn es sich hierbei nicht um eine erbrechtlich bindende Berufung handelte. Denn in den Fällen, in denen der Wegfall des zunächst berufenen Schlussmiterben eine Ersatzberufung anderer Personen zur Folge hat (sei es, wie wahrscheinlich hier, im Wege der echten Ersatzberufung oder im Wege der Anwachsung), kann u. E. eine Bindung an die Pflichtteilsstrafklausel bestehen, und zwar im Hinblick auf die positive Erbeinsetzung dieser anderen, ersatzweise berufenen Personen. Inwieweit eine solche Ersatzberufung bindend sein soll, obliegt wiederum primär den Anordnungen der Erblasser. Fehlen, wie im vorliegen Fall, Anordnungen hierzu, so ist die Frage im Wege der Auslegung der letztwilligen Verfügung zu klären. Einschlägige Ausführungen in Rechtsprechung und Literatur dazu, ob im Regelfall Bindung oder Nichtbindung anzunehmen ist, gibt es u. E. bislang nicht. Die Problematik wurde allerdings im Hinblick auf die Ersatzberufung von Abkömmlingen gem BGB lange Zeit diskutiert. In der Entscheidung vom ist der BGH (ZEV 2002, 150 = NJW 2002, 1126) nunmehr zum Ergebnis gelangt, dass die Vermutung des 2270 Abs. 2 BGB nur dann auf die Ersatzerbenberufung anwendbar ist, wenn sich Anhaltspunkte für einen auf die Ersatzerbeneinsetzung gerichteten Willen der testierenden Ehegatten feststellen lassen, die Ersatzerbenstellung also nicht nur auf der Auslegungsregel des 2069 BGB beruht. Im vorliegenden Fall war die Ersatzerbenberufung aber eine ausdrückliche, so dass dann prinzipiell auch von einer Bindung auszugehen ist. 4. Es bleibt aber noch zu berücksichtigen, dass nach einem Beschluss des BayObLG v (BayObLGZ 1990, 58 ff. = FamRZ 1990, 1158 f.) eine Pflicht teilsklausel dahin gehend ausgelegt werden kann, dass der Überlebende bei Pflichtteilsgeltendmachung des Abkömmlings Vollerbe wird und an die erbvertragliche (oder sonst bindende) Schlusserbeneinsetzung nicht mehr gebunden ist, wenn der Abkömmling den Pflichtteil verlangt. Das BayObLG, dem sich die Literatur wohl überwiegend angeschlossen hat (vgl. J. Mayer, 2269 Rn. 87; Palandt/Edenhofer, 2269 Rn. 15; vgl. auch Staudinger/Kanzleiter, BGB, 13. Aufl., 2269 Rn. 63), hat folglich der Pflichtteilsklausel im Wege der Auslegung ein Änderungsrecht des überlebenden Ehegatten entnommen. Einer solchen Auslegung könnte aber auch in diesem Fall die Jastrow sche Klausel entgegenstehen, die signalisiert, dass die Eheleute seinerzeit die nunmehr eingetretene Konstellation gerade bedacht haben, in Kenntnis dessen (zumal das Testament recht detailliert ist) dem anderen Teil aber kein Reurecht einräumen wollten. 5. Im Ergebnis ist festzustellen, dass hier eine neue letztwillige Verfügung für den Schlusserbfall jedenfalls nicht ausgeschlossen ist, entweder weil der Wegfall des Sohnes nicht zu einer bindenden Ersatzberufung geführt hat (was hier u. E. aber wohl nicht anzunehmen ist) oder weil dem überlebenden Ehegatten unabhängig davon ein Änderungsrecht zustehen sollte, gegen dessen Bestehen allerdings ebenfalls angesichts der konkreten Testamentsgestaltung Einiges spricht.
5 Seite 5 Wir neigen daher im Ergebnis der Auffassung zu, wonach der Ersatzerbfall mit Bindungswirkung eingetreten ist. Gleichwohl ist eine abschließende Stellungnahme nur möglich unter Ausschöpfung aller zulässigen Beweismittel, die auch außerhalb der Urkunde liegen können. Sofern im vorliegenden Fall also nicht ausgeschlossen werden kann, dass die überlebende Ehefrau hinsichtlich der Schlusserbschaft neu verfügen kann, könnte es sich empfehlen, die Beurkundung vorsorglich vorzunehmen, allerdings gem. 17 BeurkG die Aufnahme eines Zweifelsvermerks in die Urkunde zu veranlassen.
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