Energiegerechte Stadtentwicklung aus soziologischer Sicht
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- Adrian Hermann
- vor 8 Jahren
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Transkript
1 Energiegerechte Stadtentwicklung aus soziologischer Sicht Prof. Dr. Bernhard Gill/ Dipl. Soz. Johannes Schubert Arbeitsgruppe "Sozialstruktur und Umweltverbrauch" Institut für Soziologie, LMU München
2 Vortrag anläßlich der Veranstaltung
3 Energiegerechte Stadtentwicklung aus soziologischer Sicht Stadt München sehr aktiv in Sachen Umweltschutz
4 Energiegerechte Stadtentwicklung aus soziologischer Sicht Unsere Kooperation mit der Stadt München - gegenwärtig: "Klima regional" Befragung Münchner Haushalte - zukünftig (beim BMBF beantragt): "Lokale Passung von Energiesystemen und sozialen Strukturen"
5 Energiegerechte Stadtentwicklung aus soziologischer Sicht Was erwartet Sie in den nächsten 30 Minuten? 1. Drei gesellschaftliche Diskurse zur Energiegerechtigkeit 2. Sozialstruktur und Umweltverbrauch zentrale Ergebnisse 3. Energiegerechtigkeit durch wechselseitige Anpassung von Bedarfs- und Angebotsstruktur
6 1. Drei gesellschaftliche Diskurse zur Energiegerechtigkeit Was verstehen wir unter "Energiegerechtigkeit"? "Autogerechte Stadt" (Leitbild der 1960er Jahre) - die Infrastruktur und den Bürger an das Auto anpassen? - wieviel Automobilität steht jedem Bürger heute zu? "Energiegerechte Stadtentwicklung" - wieviel Energie soll jeder Bürger bekommen? - die Infrastruktur und den Bürger an das Knappwerden fossiler Energie anpassen?
7 1. Drei gesellschaftliche Diskurse zur Energiegerechtigkeit - der wohlfahrtsstaatliche Diskurs - der öko-liberale Diskurs - der öko-sozialistische Diskurs
8 1. Drei gesellschaftliche Diskurse zur Energiegerechtigkeit Wohlfahrtsstaatlicher Diskurs
9 1. Drei gesellschaftliche Diskurse zur Energiegerechtigkeit Brennstoffbeihilfe Wohlfahrtsstaatlicher Diskurs
10 1. Drei gesellschaftliche Diskurse zur Energiegerechtigkeit Öko-liberaler Diskurs Öko-liberaler Diskurs
11 1. Drei gesellschaftliche Diskurse zur Energiegerechtigkeit Öko-liberaler Diskurs Preiserhöhungen Ökosteuern Öko-liberaler Diskurs
12 1. Drei gesellschaftliche Diskurse zur Energiegerechtigkeit Ökosozialistische Diskurs
13 1. Drei gesellschaftliche Diskurse zur Energiegerechtigkeit Ökosozialistische Diskurs Mengenbegrenzungen Verbote
14 2. Sozialstruktur und Umweltverbrauch zentrale Ergebnisse a) Einkommen und Umweltverbrauch b) Siedlungsstruktur und Umweltverbrauch c) Haushaltsstruktur und Umweltverbrauch Datenquelle: Sozio-ökonomisches Panel der Bundesrepublik Deutschland (SOEP)
15 2. Sozialstruktur und Umweltverbrauch zentrale Ergebnisse a) Einkommen und Umweltverbrauch (SOEP) R 2 = 0,07
16 2. Sozialstruktur und Umweltverbrauch zentrale Ergebnisse b) Siedlungsstruktur und Umweltverbrauch (SOEP) Kohlendioxid pk aus Heizen & Strom nach Gemeindegröße 100% 90% 80% 70% 60% 50% 40% 30% 20% 10% 0% unter über Zahl der Einwohner
17 2. Sozialstruktur und Umweltverbrauch zentrale Ergebnisse b) Siedlungsstruktur und Umweltverbrauch (SOEP) 100% Kohlendioxid pro Kopf aus Heizen & Strom nach Baualter 80% 60% 40% 20% 0% vor ab 2001
18 2. Sozialstruktur und Umweltverbrauch zentrale Ergebnisse c) Haushaltsstruktur und Umweltverbrauch (SOEP) Kohlendioxid pro Kopf (H&S) nach Haushaltsgröße 100% 80% 60% 40% 20% 0% Personen pro Haushalt
19 2. Sozialstruktur und Umweltverbrauch zentrale Ergebnisse c) Haushaltsstruktur und Umweltverbrauch (SOEP) Kohlendioxid pro Kopf aus Heizen & Strom nach Alter 100% 80% 60% 40% 20% 0% bis über 80 Alter Haushaltsvorstand
20 3. Energiegerechtigkeit durch wechselseitige Anpassung von Bedarfs- und Angebotsstruktur a) Bedarfsstruktur: Das Problem der Energiearmut b) Energiebereitstellung: Auslastung von Versorgungsinfrastruktur c) Folgerungen für die Energietarife Datenquelle: Unsere Münchner Haushaltsbefragung 2012 (vorläufige Auswertung)
21 3. Energiegerechtigkeit durch wechselseitige Anpassung von Bedarfs- und Angebotsstruktur a) Bedarfsstruktur: Das Problem der Energiearmut Was ist "Energiearmut"? Unsere Definition: Mehr als 10 Prozent des Einkommens wird für Haushaltsenergie verwendet. Heizen und Licht sind Güter des Grundbedarfs, die Ärmeren müssen dafür größere Anteile ihres Haushaltseinkommen verwenden (Engelsches und Schwabesches Gesetz).
22 3. Energiegerechtigkeit durch wechselseitige Anpassung von Bedarfs- und Angebotsstruktur a) Bedarfsstruktur: Das Problem der Energiearmut durchschnittliche Energieausgaben nach Einkommensklassen 12% Energieausgaben in Prozent 10% 8% 6% 4% 2% 0% bis über Einkommen pro Person
23 3. Energiegerechtigkeit durch wechselseitige Anpassung von Bedarfs- und Angebotsstruktur a) Bedarfsstruktur: Das Problem der Energiearmut In diesem Sinn waren in unserer Befragung Münchner Haushalte 2012 ca. 11 Prozent "energiearm" (N = 88). drei Gründe für Energiearmut: a) Einkommen unter der Armutsgrenze (58 von 88) b) überdurchschnittlich große Wohnfläche (37 von 88) c) hoher Energieverbrauch pro qm Wohnfläche (73 von 88)
24 3. Energiegerechtigkeit durch wechselseitige Anpassung von Bedarfs- und Angebotsstruktur a) Bedarfsstruktur: Das Problem der Energiearmut
25 3. Energiegerechtigkeit durch wechselseitige Anpassung von Bedarfs- und Angebotsstruktur a) Bedarfsstruktur: Das Problem der Energiearmut
26 3. Energiegerechtigkeit durch wechselseitige Anpassung von Bedarfs- und Angebotsstruktur a) Bedarfsstruktur: Das Problem der Energiearmut
27 3. Energiegerechtigkeit durch wechselseitige Anpassung von Bedarfs- und Angebotsstruktur a) Bedarfsstruktur: Das Problem der Energiearmut energiearm wegen Einkommen pro Kopf Wohnfläche pro Kopf Energieausgaben je qm Alter N % von N=88 niedrigem Einkommen ,8 27,76 55, % hoher Wohnfläche ,1 24,45 69, % hohem Energieverbrauch ,6 31,37 60, % nicht-arm ,7 18,32 49,5 703
28 3. Energiegerechtigkeit durch wechselseitige Anpassung von Bedarfs- und Angebotsstruktur b) Energiebereitstellung: Auslastung von Versorgungsinfrastruktur Beispiel Geothermie/Fernwärme (aber auch Gas, Elektrizität, Wasser, Abwasser, ÖNV) - hohe Grundinvestitionen für Bereitstellung und Unterhalt - lange Festlegung (Fernwärmenetz amortisiert sich üblicherweise in 50 Jahren) - niedrige Zusatzkosten im Normalbetrieb (Grundlast) für jede weitere Verbrauchseinheit
29 3. Energiegerechtigkeit durch wechselseitige Anpassung von Bedarfs- und Angebotsstruktur b) Energiebereitstellung: Auslastung von Versorgungsinfrastruktur - hohe Zusatzkosten bei Überschreiten der Kapazität des Normalbetrieb (Ausbau oder Zuschalten von anderen Energieträgern/Versorgern) - evtl. Zusatzkosten oder ökologische Verschwendung bei Unterauslastung (Fernwärme: zu hohe Rücklauftemperaturen; Wasserleitungen vermoosen etc.)
30 3. Energiegerechtigkeit durch wechselseitige Anpassung von Bedarfs- und Angebotsstruktur b) Energiebereitstellung: Auslastung von Versorgungsinfrastruktur Kostenstruktur Fernwärme Durchschnittkosten je nach Auslastung Geldeinheiten Verbrauchseinheiten
31 3. Energiegerechtigkeit durch wechselseitige Anpassung von Bedarfs- und Angebotsstruktur c) Folgerungen für die Energietarife Energietarife heute degressiv: Je höher der Verbrauch pro Haushalt, desto niedriger der Durchschnittspreis. Energiegerechtigkeit: Energieflatrate und progressiver Energietarif - Pauschale für Bereitstellung und ein kostenloses Kontingent des Grundbedarfs (pro Kopf) - stufenweise ansteigende Tarife für überdurchschnittlichen Bedarf (pro Kopf)
32 3. Energiegerechtigkeit durch wechselseitige Anpassung von Bedarfs- und Angebotsstruktur c) Folgerungen für die Energietarife Flatrate und progressiver Tarif Heizkostenrechnung am Jahresende Geldeinheiten Verbrauchseinheiten
33 3. Energiegerechtigkeit durch wechselseitige Anpassung von Bedarfs- und Angebotsstruktur c) Folgerungen für die Energietarife Mit der Flatrat wird die Grundauslastung der Versorgungsinfrastruktur sicher gestellt. Denn innerhalb der Flatrate besteht kein Anreiz zum Energiesparen. Gleichzeitig werden die einkommensarmen Haushalte durch eine günstige Flatrate im Bereich des Grundbedarfs entlastet. Jenseits der Flatrate wird durch den scharfen Anstieg der Tarife ein starker Anreiz zum Energiesparen gegeben. Dadurch wird auch die Versorgungsinfrastruktur gegen Überlast geschützt.
34 3. Energiegerechtigkeit durch wechselseitige Anpassung von Bedarfs- und Angebotsstruktur c) Folgerungen für die Energietarife Beispiel Kalifornien: Progressiver Tarif wurde 2001 eingeführt, seither ist der Stromverbrauch nicht mehr gestiegen (im Unterschied zum Rest der USA). Quelle: 761/
35 3. Energiegerechtigkeit durch wechselseitige Anpassung von Bedarfs- und Angebotsstruktur c) Folgerungen für die Energietarife Naheliegender Einwand: - Kunden wechseln zu anderem Versorger, der einen degressiven Tarif anbietet (Öffnung der Dienstleistungsund Infrastrukturmärkte in der EU) - Kunden mit hohem Pro Kopf-Verbrauch steigen auf andere Energieträger um (in Bayern kann für Fernwärme kein Anschlusszwang verordnet werden) - Aber: Wie wechselbereit sind Kunden wirklich?
36 Fazit Ein wesentliches Problem ist der Remanenzeffekt im Lebenszyklus alte Menschen bleiben allein in viel zu großen Wohnungen zurück. Der gegenwärtig vorherrschende ökoliberale Diskurs ist problematisch, weil er die besondere Belastung unterer Einkommensschichten vernachlässigt. Der Energiearmut könnte durch eine progressive Gestaltung der Energietarife begegnet werden. Dieses ökosoziale Prinzip passt gut zur Kostenstruktur großtechnischer Energieträger (wie z. B. Fernwärme).
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