Automobile Klassiker. Cord L29 der erste Großserienwagen mit Frontantrieb

Transkript

1 ZeitHaus Automobile Klassiker Cord L29 der erste Großserienwagen mit Frontantrieb Automobile Meilensteine sind das Thema des ZeitHauses in der Autostadt dies ungeachtet ihrer Herkunft. ZeitHaus-Philosophie ist es, Trendsetter zu präsentieren: Automobile, die Maßstäbe setzten und anderen Herstellern als Vorbild dienten, sei es technologisch, konzeptionell, im Design oder in der Produktionsweise. Zu diesen Meilensteinen zählt der 1929 von dem amerikanischen Großindustriellen Errett Lobban Cord vorgestellte Luxuswagen Cord L29, der als weltweit erster in größerer Stückzahl gebauter Personenwagen über Frontantrieb verfügte. Stand der Technik war seit Erfindung des Automobils im 19. Jahrhundert, dass die Kraft des Motors über die Hinterräder in Vortrieb umgesetzt wird. Frontantrieb hingegen kam bis in die 20er Jahre des vorigen Jahrhunderts über das Experimentierstadium nicht hinaus. So setzte zum Beispiel auch Ferdinand Porsche auf angetriebene Vorderräder, als er 1899 im Sold der Wiener Firma Jacob Lohner & Co. Elektro-Fahrzeuge mit Radnabenmotoren in den gelenkten Vorderrädern entwickelte.

2 Während Porsche später wieder dem Heckantrieb den Vorzug gab, lieferten vor dem Ersten Weltkrieg in den USA Walter Christie und in den 20er Jahren der Amerikaner Harry Miller sowie der britische Automobil-Hersteller Alvis neuerlich Frontantriebs-Meilensteine zunächst im Rennwagenbau, Alvis ab 1928 zudem mit dem Serienmodell FWD. Dem war indessen kein Verkaufserfolg beschieden: Er sollte nur etwa 150 progressiv eingestellte Käufer finden, weshalb Alvis die Kleinserie des übrigens gleichfalls im ZeitHaus der Autostadt präsentierten FWD 1931 einstellte. Errett Lobban Cord blieb es vorbehalten, ein Frontantriebs-Automobil erstmals in größerer Serie zu bauen. Der Nachkomme schottischer Einwanderer war in den 20er Jahren Herr über die amerikanische Cord Corporation, ein Imperium, in dem außer den Auto- und Motoren-Marken Auburn, Duesenberg und Lycoming weitere 160 Firmen vereint waren. Was ihm noch fehlte, das war ein Automobil mit seinem eigenen Namen ein Cord. Dieser Cord, so die Cord sche Vorstellung, sollte sich von allen gängigen amerikanischen Automobilen unterscheiden, technisch genauso, wie äußerlich. Mit Hilfe der amerikanischen Indianapolis-Legende Harry Miller konzipierten die Auburn- und Duesenberg-Techniker ab 1927 folglich einen revolutionären Luxuswagen: Frontantrieb mit Kardangelenken, DeDion-Vorderachse, Hydraulik-Bremsanlage. Konfektionsware war einzig der Cord-Reihenachtzylinder, auf dessen Herkunft das L in der Typbezeichnung hinweist: Diesen seitengesteuerten 4,9-Liter lieferte der Automobil- und (ab 1929) Flugzeug- Motorenhersteller Lycoming, seit 1927 im Besitz von E.L.Cord. Lycoming-Motoren fanden beispielsweise auch bei Auburn, Graham, Locomobile und Checker Verwendung. Äußerlich unterscheidet sich der Cord L29 indessen ähnlich dramatisch von gängigen Design-Mustern jener Jahre, wie technisch. Alan Huet Leamy, Cord-Chefdesigner, und Karosserie- Ingenieur John Oswald schufen sehr dynamische, im zeitgenössischen Vergleich ungewöhnlich niedrige Karosserien. Diese Bauweise ermöglichte ein erstmals im Cord verwendeter, von Auburn-Chefingenieur Herb Snow konstruierter X-förmiger Rahmen, der weniger Bauhöhe beansprucht als herkömmliche Leiterrahmen attraktiver Nebeneffekt des

3 Strebens nach höchstmöglicher Verwindungssteifigkeit des Rahmens. Cord persönlich hatte bei Snow Nachbesserung angemahnt, nachdem er in einem Prototyp mit Leiterrahmen über einen Acker gefahren war: Bei dieser Testfahrt waren alle vier Türen aufgesprungen. Cord-Anweisung daraufhin: Fix it!! Der ZeitHaus-L29 trägt die damals teuerste, serienmäßig angebotene Karosserie, genannt Convertible Sedan. Sie verbindet den Komfort einer viertürigen Limousine (amerikanisch: Sedan ), mit der Sportlichkeit eines Cabriolet ( Convertible ), wurde nur 118 Mal gebaut und kostete 1930 stolze $. Zum Vergleich: Das preisgünstigste Automobil aus dem Cord- Konzern, ein Auburn 6-85, stand ab 995 $ in der Preisliste, ein Ford A war schon für 435 $ zu haben. Kein Wunder, dass der Börsen-Crash im Oktober 1929 und die darauf folgende Weltwirtschaftskrise Cord einen Strich durch die L29-Rechnung machte. Der Absatz brach nach dem Schwarzen Freitag dramatisch ein, auch Preissenkungen auf bis zu $ konnten 1931 den Absturz nicht verhindern: Im Dezember jenes Jahres entstanden die letzten 157 von insgesamt Cord L29. Frontantrieb sollte künftig eine Domäne der Europäer werden: DKW, Adler und Stoewer in Deutschland sowie Citroën in Frankreich folgten dem Trendsetter aus den USA nach. Ausgerechnet Ferdinand Porsche, der als Erster die Kraft über die Vorderräder auf die Straße übertrug, setzte beim Käfer auf Heckantrieb die Gelenkwellen-Technologie schien ihm in den 30er Jahren noch zu unausgereift. Tatsächlich zeigt auch der Cord beim Fahren Schwächen, die seiner Konzeption anzulasten sind. So lässt sich das Lenkrad im Stand nur mit allergrößter Mühe drehen, auch in Fahrt gerät die Lenkarbeit zur Tortur selbst wenn man Cord-zeitgenössische Maßstäbe anlegt, die Anfang der 30er Jahre in den USA Cadillac, in England Rolls-Royce und in Deutschland Horch hießen. Alle drei konkurrierenden Luxuswagen verlangen ihren Chauffeuren zwar gleichfalls Einiges ab doch eben auch deutlich weniger als der Cord. Gibt man im L29 mit eingeschlagenen Vorderrädern etwas zu heftig Gas, tendiert die Lenkung mit Macht zur Geradeausfahrt. Und zum Kampf mit dem unsynchronisierten L29-Getriebe gesellt sich beim Gangwechsel die Last mit einer unpräzisen Schaltung. Denn das Schaltgestänge muss, mehrfach gekröpft und mit Gelenken versehen, den aus dem Armaturenbrett ragenden Krückstock-Hebel über lange Wege mit dem im Bug angeordneten Getriebe verbinden.

4 So wundert es nicht, dass Cord-Fahrer stets hochkonzentriert, manchmal auch etwas verbissen dreinblicken und dass lediglich Passagiere die L29-typischen Vorteile in vollen Zügen genießen können. Dazu gehört zweifellos die flüsternde Laufkultur des Reihenachtzylinders, die allerdings von lauten Getriebegeräuschen überlagert wird. Der Fahrkomfort ist eine weitere Cord-Stärke insbesondere im Fond. Dass die hinteren Blattfedern dank vergleichsweise kleiner ungefederter Massen besonders gut ansprechen, diese Theorie wissen Passagiere mit empfindlicher Rückfront auch in der Praxis zu schätzen. Der L29 ist das, was die Amerikaner einen Cruiser nennen: Sanftes Gleiten, möglichst geradeaus, ist seine Stärke dies, obwohl ihm die zeitgenössische Cord-Werbung hohe Kurvensicherheit attestierte. Die im Grenzbereich zu erkunden, wagte wohl nur jener Rennfahrer, der an der L29-Entwicklung beratend und als Testfahrer beteiligt war: Leon Duray, so sein Name, fuhr Ende der 20er Jahre erfolgreich bei den Indianapolis 500 mit. Sein Miller-Rennwagen hatte Frontantrieb wie der Cord L29. Hersteller: Auburn Automobile Co. / Baujahr: 1930 Meilenstein Cord L29 Convertible Sedan Warum Meilenstein? Mit seinem L29 präsentierte der amerikanische Technik-Tycoon Errett Lobban Cord (Auburn, Duesenberg, Lycoming) 1929 unter eigenem Namen das weltweit erste Großserien-Automobil mit Frontantrieb. Innovativ auch das L29-Chassis: Der im zeitgenössischen Vergleich sensationell flache Aufbau ruht statt auf einem damals üblichen Leiterrahmen erstmals auf einem viel steiferen, X-förmigen Rahmen. Die Vierradbremsanlage wird bereits hydraulisch betätigt. Wann entstanden? Die L29-Entwicklung begann mit Unterstützung der Indianapolis-Legende Harry Miller 1927 zwei Jahre später feierte der preislich zwischen den Cord-Marken Duesenberg und Auburn angesiedelte Cord mit Lycoming-Achtzylinder sein Debüt. Der letzte L29 verließ Ende Dezember 1931 die Cord-Fabrik in Auburn, Indiana.

5 Wie erfolgreich? Stürmischer Nachfrage bei Verkaufsstart im August 1929 folgte mit Eintreten der Weltwirtschafts-Krise am 25. Oktober 1929 ein dramatischer Verkaufseinbruch. So entstanden vom L29 nur Exemplare, darunter 118 Convertible Sedan eine für US-Verhältnisse geringe Zahl. Welche Wirkung? Bereits in den 30er Jahren fand der L29 vor allem in Europa viele Frontantriebs-Nachahmer zum Beispiel Citroën, DKW, Audi, Adler und Stoewer. Heute hat der weitaus größte Teil aller weltweit produzierten Personenwagen Frontantrieb. Welche Daten? Reihen-Achtzylinder, wassergekühlt, cm 3 (298,6 cubic inches), 94 kw/125 PS, Gewicht kg, Höchstgeschwindigkeit: 130 km/h; damaliger Neupreis*: $ * Preis für viertüriges Cabriolet in den USA; weitere Karosserievarianten kosteten ab $ (Limousine). Weitere Informationen finden Sie unter oder erhalten Sie direkt beim ZeitHaus-Team unter zeithaus@autostadt.de Fotonachweis: Autostadt

6