Anwendung von Rivaroxaban in der Anästhesiologie Kurzversion der Guidelines der Expertengruppe «Rivaroxaban and anesthesiology» Kurzversion der überarbeiteten Ausgabe November 2013* *Alle Referenzen und weitere Informationen erhalten Sie in der Langversion der Guidelines auf der SGAR-Website: www.sgar-ssar.ch Erarbeitet durch die Expertengruppe «Rivaroxaban and anesthesiology» Prof. Dr. D. R. Spahn, Prof. Dr. Borgeat A., Prof. Dr. P. Ravussin, Kern C., Prof. Dr. W. Korte Die Expertengruppe «Rivaroxaban and anaesthesiology» wird von Bayer (Schweiz) AG unterstützt. Die Inhalte dieser Guideline geben nur die Meinungen der Mitglieder der Arbeitsgruppe wieder.
1. Indikation, Dosierung und Dosisanpassung bei eingeschränkter Nierenfunktion Thrombose- Prophylaxe Nach orthopädischen Eingriffen Schlaganfall- Prophylaxe Bei Patienten mit nicht-valvulärem Vorhofflimmern Therapie der TVT und LE Akutphase Langzeittherapie Kreatinin-Clearance (CrCl) 50 ml/min 1x 10 mg 1x 20 mg 2x 15 mg 1x 20 mg 30 49 ml/min 1x 10 mg 1x 15 mg 2x 15 mg 1x 20 mg # < 30 ml/min Nicht empfohlen Nicht empfohlen Nicht empfohlen Zu beachten # Patienten über die Risiken aufklären Einnahme unabhängig von Mahlzeiten Keine prä-op. Gabe, erste Dosis 6 10 h nach Wundverschluss, sofern Hämostase sichergestellt ist. Einnahme mit Mahlzeit Einnahme mit Mahlzeit Tabelle 1 Kontraindikationen 9 Überempfindlichkeit gegenüber einem Inhaltstoff Schwangerschaft und Stillzeit Aktive klinisch relevante Blutung Schwere Lebererkrankung und schwere Leberinsuffizienz mit relevant erhöhtem Blutungsrisiko sowie leichte und mässiggradige Leberinsuffizienz in Kombination mit einer Koagulopathie Dialysepflichtige Niereninsuffizienz Gastrointestinale ulzerative Erkrankung Akute bakterielle Endokarditis Rivaroxaban sollte bei Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren nicht angewendet werden, da die Sicherheit und Wirksamkeit bei diesen Patienten bisher nicht untersucht worden ist. 2
Überdosierung/Intoxikation Aktivkohle bei Einnahme < 3 h, mit Anti-Xa-Test Rivaroxaban Plasmaspiegel bestimmen, beobachten bis Plasmaspiegel wieder im Bereich < 50 ng/ml (siehe Kapitel 3). Bei Dosen > 50 mg 14 zunehmend schlechtere Resorption, womit das Ausmass der Intoxikation limitiert wird. Rivaroxaban und Co-Medikation (Auflistung nicht abschliessend) 9,28 Rivaroxaban hat keinen Einfluss auf den Plasmaspiegel anderer Medikamente. Kombination mit den folgenden Medikamenten ist ohne Einschränkung möglich: Acetaminophen, Cyclosporin, Nifedipin, Felodipin, Midazolam, Triazolam, Quinidin, Fluconazol, Dexamethason, Erythromycin Simvastatin, Atorvastatin Verapamil, Amiodaron, Digoxin Antazida, Omeprazol, H2-Rezeptor-Antagonisten, Ranitidin Vorsicht: Clarithromycin. Telithromycin, wenn möglich Antibiotika wechseln. Nicht kombinieren: Mit starken CYP-Induktoren (Rifampicin, Phenobarbital, Phenytoin, Carbamazepin, Johanniskraut) und starken CYP/P-gp-Inhibitoren: Azol Antimykotika (Ketoconazol, Itraconazol, Miconazol, Voriconazol, Posaconazol), HIV-Protease-Inhibitoren (Ritonavir, Indinavir, Atazanavir, u.a.). Erhöhte Blutungsgefahr: Mit ASS 100 mg, Clopidogrel 75 mg, Naproxen, NSAR. Stark erhöhte Blutungsgefahr mit dualer Plättchenhemmung: Kombination (Tripeltherapie) zurzeit nicht empfohlen. 3
2. Spinal- und Epiduralanästhesie Rivaroxaban 10 mg Die Platzierung und das Ziehen eines Katheters haben das gleiche Blutungsrisiko. Wenn der Patient Rivaroxaban einnimmt, sind deshalb in beiden Situationen die gleichen Zeitintervalle zu beachten. 10 mg Rivaroxaban Letzte Rivaroxaban-Dosierung 18 h warten Katheter setzen oder ziehen* 6 h * warten Nächste Rivaroxaban- Dosierung *Nach traumatischer Punktion sollte die Verabreichung von Rivaroxaban für 24 Stunden aufgeschoben werden Abbildung 1a: Rivaroxaban 10 mg, Zeitintervall für die Spinal- und Epiduralanästhesie Dies entspricht dem Vorgehen in den 4 RECORD-Studien und wurde dort bei 913 Patienten angewendet, ohne dass ein Fall einer epiduralen Blutung aufgetreten ware. 15 Spinal- und Epiduralanästhesie Rivaroxaban 15/20 mg Zur Regionalanästhesie bei Patienten mit höheren Rivaroxaban-Dosen (15 mg, 20 mg), liegen aus den EINSTEIN DVT 5 - oder ROCKET AF 6 - Studien keine Daten vor. Bei den 7111 Patienten, die Rivaroxaban in der ROCKET-AF-Studie erhielten, traten keine epiduralen Hämatome auf (1 Fall im Warfarin-Arm, 7125 Pat.). Es sollte ein ähnliches Schema wie für das perioperative Management angewendet werden (siehe Abb. 2). Nach einer Wartefrist von mindestens 6 h kann nach trockener Punktion die Antikoagulation fortgesetzt werden. 15 20 mg Rivaroxaban Letzte Rivaroxaban-Dosierung >24 h warten Katheter setzen oder ziehen* 6 h * warten Nächste Rivaroxaban- Dosierung *Nach traumatischer Punktion sollte die Verabreichung von Rivaroxaban für 24 Stunden aufgeschoben werden Abbildung 1b: Rivaroxaban 15/20 mg Periphere Nervenblockaden Ausser bei tiefen Blöcken (Psoas-Kompartment, Ischiadicus nach Labat, usw.) sind keine besonderen Massnahmen notwendig. 4
3. Messung von Rivaroxaban 8,9,16,17 Empfohlen: Chromogener Anti-Xa-Test, Angabe in ng/ml oder μg/l Rivaroxaban. 20 mg Dosis (Vorhofflimmern) 23,24 : Spitzenspiegel (2 4 h) = 249 ng/ml (CI 5/95: 184 343ng/ml) Talspiegel (20 28 h) = 43.6 ng/ml (CI 5/95: 12 137ng/ml) Rivaroxaban zeigt eine vergleichbare Pharmakokinetik wie ein NMH. Nicht empfohlen: Quick oder PT, da relativ unempfindlich und Messwert stark reagentienabhängig. INR-Wert kann unter Rivaroxaban stark erhöht sein ohne entsprechende klinische Bedeutung. Wichtig: Normaler Quick/INR oder aptt-wert im Normbereich heisst nicht, dass der Patient kein Rivaroxaban eingenommen hat Nur Anti- Xa-Tests sind sensitiv genug. Folgende Gerinnungstests werden durch Rivaroxaban beeinflusst: 8,16,17,25 Quick, INR, aptt (schwach), Anti-Xa-Test (Heparine, NMH), spezifische Faktorentests (II, FII, IX, X und FV, FVIII XI) und ROTEM (Intem/extem CF) Wichtig: Der patientenspezifische Quick (INR) kann ohne wesentliche Beeinflussung durch Rivaroxaban 16 24 h nach letzter Rivaroxaban-Einnahme bestimmt werden. Kein Einfluss auf die Durchführung des D-Dimer-Tests, TT, Fibrinogen, FXIII 4. Umstellungsmanagement (siehe Version im Internet) www.sgar-ssar.ch 5
5. Management von Patienten unter Rivaroxaban vor invasiven Verfahren und chirurgischen Eingriffen 9 Empfehlung: Kein Rivaroxaban am Tag vor dem Eingriff. Nächste Dosis Rivaroxaban am Tag nach dem Eingriff. -3-2 -1 Tag 0 1 2 Rivaroxaban 15/20 mg STOP Eingriff GO * > 24 h *Ev. parenterale VTE-Prophylaxe gemäss spitalinterner Richtlinien Abbildung 2 Ausnahmen: Eingriffe mit hohem Blutungsrisiko: Schwierige Kontrolle, gravierende Folgen (Hirn, Rückenmark, Auge): Absetzen von Rivaroxaban 2 Tage vor Eingriff. Patienten mit hohem thromboembolischem Risiko: Bei Unterbruch von mehr als 2 Tagen überbrücken mit Heparin i.v. oder Rivaroxaban 10 mg. Grössere orthopädische Eingriffe bei Patienten unter 15/20 mg Rivaroxaban: Normal Absetzen, nach Eingriff 3 Tage mit 10 mg Rivaroxaban (oder NMH) behandeln, dann auf 15/20 mg Dosis umsteigen. Kein Unterbruch bei kleinen oder zahnärztlichen Eingriffen (Zahnreinigung, Bohren), aber die letzte Einnahme von Xarelto sollte 24 h zurückliegen. Die nächste Dosis sollte ca. 6 h nach dem zahnärztlichen Eingriff eingenommen werden. 6
6. Management einer aktiven Blutung bei Verdacht der Rivaroxaban-Einnahme des Patienten 9 Wann hat Patient welche Dosis Rivaroxaban eingenommen? Einfluss der Dosis und des Zeitpunktes der Tabletteneinnahme auf die Hämostase eines Patienten: Zeitpunkt der Tabletteneinnahme Einfluss von Rivaroxaban auf die Hämostase 25 10 mg 1x tägl. 20 mg 1x tägl. 15 mg 2x tägl. 0 8 h Mittel Gross Gross 9 15 h Gering Mittel Mittel 16 24 h Minim Gering Gering > 24 h Minim Minim Minim Tabelle 2 Gerinnungstests 8 Quick/INR und aptt. Chromogener Anti-Xa-Test soll bei konkretem Verdacht auf Rivaroxaban-Einnahme angefordert werden. Cave: Normaler Quick/INR oder aptt schliesst die Einnahme von Rivaroxaban nicht aus. Zusätzliche Faktoren, die das Blutungsrisiko erhöhen Nimmt Patient Plättchenhemmer, NSAR, starke CYP3A4-Inhibitoren? Hat der Patient eine inhärente Blutungsneigung? Einleiten der spitalüblichen Massnahmen bei Blutungen Anwenden der üblichen Massnahmen und Behandlungsalgorithmen (chirurgisch, Volumenersatz etc.) zur Blutstillung einer aktiven Blutung. Folgender Algorithmus wird in dieser Reihenfolge empfohlen (schrittweise, falls die Blutung nicht sistiert): 1. Tranexamsäure (initialer Bolus 1 2 g i.v.) 2. Desmopressin erwägen (0.3 µg/kg CAVE: Hyponatriämie) 3. PCC-Präparate 9 (20 25 IE/kg KG), insbesondere bei nachgewiesener Rivaroxaban-Konzentration im Blut des Patienten. 7
Nicht empfohlen: FFP-Gabe. Vitamin K oder Protamin kann die Wirkung von Rivaroxaban nicht beeinflussen oder abschwächen. 9 Rivaroxaban kann nicht hämodialysiert werden. 9 Antidot Ein Antidot gegen Faktor Xa-Antagonisten ist in Entwicklung, hat aber noch keine klinische Zulassung erhalten. 35 Referenzen* *Alle Referenzen und weitere Informationen erhalten Sie in der Langversion der Guidelines auf der SGAR-Website: www.sgar-ssar.ch