Prof. Dr. Michael Fröhlich Fakultät IM HS Regensburg Kapitel 8. Beitragsberechnung bei Tarifwechsel in der neuen Welt Seit 1.1.2009 gibt es für die deutsche PKV die sogenannte neue Welt : Das Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-WSG) vom 26. März 2007 und das Gesetz zur Reform des Versicherungsvertragsrechts vom 23.November 2007 brachten für die PKV erhebliche Änderungen mit sich. Folgende Punkte wurden dabei geändert bzw. neu eingeführt: 1. Einführung eines Basistarifs für alle Versicherungsunternehmen (VU) mit Sitz im Inland mit Kontrahierungszwang der VU, dem Ausschluß von Gesundheitsprüfungen, Risikozuschlägen, Leistungsausschlüssen und mit Höchstbeträgen. 2. Einführung einer allgemeinen Versicherungspflicht von bisher nicht krankenversicherten Personen in der PKV. 3. Zahlung des Arbeitgeberzuschusses für die substitutive KV von unselbstständig Beschäftigten nur unter der Voraussetzung, daß das VU den aufsichtsrechtlich vorgeschriebenen Basistarif anbietet. 4. Übertragung der dem Basistarif entsprechenden kalkulierten Alterungsrückstellung bei einem Versichererwechsel. 5. Einführung eines absoluten Kündigungsverbots der VU für Krankenversicherungen, mit denen die Versicherungspflicht erfüllt wird. 6. Möglichkeit der Arbeitnehmer zum Wechsel von der GKV in die PKV erst nach mehrjährigem Überschreiten der Jahresarbeitsentgeldgrenze. 7. Verpflichtung der VU zum Abschluß von Zusatztarifen unter Übertragung der über den Basistarif hinausgehenden kalkulierten Alterungsrückstellung. 8. Möglichkeit der GKV, selbst Wahltarife anzubieten. Bemerkung: Werden Tarife aus der alten Welt übernommen, können die Rechnungsgrundlagen, welche nicht vom Übertragungswert beeinflußt werden, also insbesondere Profil, Grundkopfschaden, Sterbetafel, beibehalten werden.
Der Übertragungswert stellt eine Leistung an den Kunden dar und muß folglich bei der Kalkulation des Beitrags berücksichtigt werden. Für die Finanzierung des Übertragungswertes gibt es in der Praxis zwei Modelle, welche Näherungsmethoden sind: 1. Das Externe Modell - hier wird der Übertragungswert über eine Zusatzprämie finanziert. 2. Das Interne Modell - hier erfolgt die Finanzierung über eine Absenkung der Stornowerte. Externes Modell: Beim externen Modell wird der Übertragungswert als Zusatzleistung angesehen und über eine Zusatzprämie PZ T x finanziert. Diese berechnet sich analog zur normalen Nettoprämie nach dem Äquivalenzprinzip, d.h. die erwarteten Prämieneinnahmen der Zusatzprämie müssen gleich dem erwarteten Leistungsbarwert für den Übertragungswert sein: λ T PZ T x ä x = ω x 1 m=0 = v ω x 1 D x mp x v m w PKV m+1 Ü T x v m=0 D λ T w PKV m+1 V B x. ist die sogenannte Wertigkeitsmaßzahl zum Alter x + m: L T x 0,x 0 +m m+1 ÜT x 0 λ T x = L T x 0,x 0 +m m+1 V B x 0, wobei L T x 0,x 0 +m der tatsächliche Bestand des Tarifs T nach Versicherungsdauer m ist, da der Übertragungswert von m abhängt. Die genaue Bestimmung von λ erfolgt iterativ ähnlich wie κ x in Kapitel 6, und es gilt m+1üt x 0 λ T x m+1 V B x 0. Die sonstige verwendete Symbolik in obiger Formel ist dieselbe wie im Kapitel 6 Der Übertragungswert. Der Übertragungswert wird in obiger Formel um ein Jahr diskontiert, da die Prämie am Anfang, der Übertragungswert aber erst am Ende des Jahres gezahlt wird. 2
Vom Externen zum Internen Modell Folgende Betrachtungsweise ist unter der Voraussetzung, daß die Zusatzprämie an den jeweiligen Tarif gekoppelt ist, äquivalent: m+1üt x = κ T x ( m+1 V T x + m+1 V ZT x ) mit der prospektiven AR aus der Zusatzprämie wobei mv ZT x = (PZ T x, PZ T x ) ä T, PZ T x, ä = v D ω x m 1 n=0 D +n λ T +n (w PKV +n m+n+1 V B x ). und L T x 0,x 0 +m m+1 ÜT x 0 κ T x := L T x 0,x 0 +m m+1 V T x 0, Es folgt PZ T x ä x = v ω x 1 D x m=0 D κ T w PKV ( m+1 V T x + m+1 V ZT x ). κ stellt wie in Kapitel 6 das gewichtete Verhältnis des Tarifs T zum Basistarif dar. Für die Zuführung der Alterungsrückstellung gilt in der alten Welt nach der Thielschen Gleichung: m+1v T x m V T x = (P T x K T ) (1 + i) + i m V T x + (q + w ) m+1 V T x und mv T x = (K T P T x ) + v (1 q w ) m+1 V T x. Für die neue Welt im Falle des externen Modells gilt: ( ) mv T x = (K T + K ZT (P T x + PZ T x )) + v (1 q w ) ( m+1 V T x + m+1 V ZT x ) = (K T (P T x + PZ T x )) + v (1 q w GKV w PKV (1 κ x,m )) ( m+1 V T x + m+1 V ZT x ), wobei K ZT der Kopfschaden aufgrund des Übertragungswerts ist. Diese Gleichung führt unmittelbar zum Internen Modell, wie wir es schon in Kapitel 6 angewendet haben. 3
Internes Modell: Beim Internen Modell wird der Übertragungswert über ein niedrigeres PKV- Storno finanziert. Dieser Ansatz ist plausibel, da bei Kündigung in Richtung GKV die Alterungsrückstellung komplett ans Kollektiv vererbt wird, bei Kündigung in Richtung PKV nur der Anteil der Alterungsrückstellung, der über dem Übertragungswert liegt, vererbt wird. Grundlage für das Interne Modell ist der Satz von Cantelli (übertragen auf PKV): Gegeben seien 2 private Krankenversicherungsverträge mit identischen Leistungen im Krankheitsfalle. Beiden Verträgen liege diesselbe Sterbetafel zu Grunde. Bei einem der Verträge bleibe die Ausscheideursache Storno unberücksichtigt, bei dem zweiten werde sie mit Hilfe einer Stornotafel berücksichtigt. Wird dann beim zweiten Vertrag beim Ausscheiden durch Storno die rechnungsmäßige Alterungsrückstellung ausgezahlt, so ergeben sich für beide Verträge sowohl identische Nettoprämien als auch identische Alterungsrückstellungen. Dies folgt unmittelbar aus Gleichung ( ): Ob mit der Bereitstellung eines Übertragungswerts kalkuliert wird (erste Zeile in ( )) und die Alterungsrückstellung trotzdem vererbt wird, oder mit einem geringeren Storno ohne Übertragungswert (zweite Zeile in ( )), ist versicherungsmathematisch gleichbedeutend. Insbesondere ergeben sich gleiche Prämien und gleiche Alterungsrückstellungen. Im internen Modell entspricht P T x der Summe P T x + PZ T x in ( ). Im Internen Modell wird also mit einem modifizierten PKV-Storno gerechnet: w PKV = w PKV (1 κ ) und also w = w PKV + w GKV. Bemerkung: In der Praxis wird das Interne Modell bevorzugt bzw. am häufigsten angewendet. 4
Tarifumstufungen in der neuen Welt Tarifumstufungen können Tarifwechsel innerhalb eines Unternehmens, Unternehmenswechsel oder Beitragsanpassungen sein. Im folgenden werden die Tarifumstufungen für das Externe und Interne Modell nach dem in Kapitel 7 behandelten Abschlagsverfahren behandelt. Tarifumstufungen im Externen Modell Die Bestimmung der Zusatzprämie PZ T x wurde bereits hergeleitet. Diese Netto- Prämie ist immer eine Neuzugangsprämie. Wenn ein x + m jähriger Versicherter aufgrund eines Tarifwechsels oder eines Unternehmenswechsels einen Übertragungswert m Ü x mitbringt, wird zur Zusatzprämie ein neuer Prämienanteil hinzu gerechnet. Zunächst wird analog wie beim Abschlagverfahren in Kapitel 7 ein Nachlassfaktor E = müx ä B kalkuliert, wobei ä B der Rentenbarwert des Basistarifs ist (also insbesondere mit GKV-Storno berechnet). Für den neuen Übertragungswert m+n Ü x nach n Jahren, der sich aus dem mitgebrachten Übertragungswert ergibt, ist dann immer m+nüx = E ä B +n, und die Finanzierung erfolgt über einen gesonderten Prämienanteil PZE mit: PZE ä T = v D k 0 D +k ä B +k+1 wpkv +k, so daß sich die gesamte Netto-Prämie PZ T (gesamt) für den Zusatzbaustein unter Berücksichtigung der bisher im Zusatzbaustein aufgebauten Rückstellung mv Z,alt x ergilt zu: PZ T (gesamt) = PZ T + E PZE m Vx Z,alt ä T. Tarifumstufungen im Internen Modell Die Berechnung der Netto-Prämie P T x erwähnt mit dem modifizierten Storno im Internen Modell erfolgt wie bereits w PKV = w PKV (1 κ ), d.h. P T x = ÃT x ã T, x wobei à T x der mit modifiziertem Storno berechnete Leistungsbarwert ist und ã T x der mit modifiziertem Storno berechnete Rentenbarwert ist. 5
Die Rückstellung ergibt sich wie in der alten Welt aus mṽt x = ( P T P T x ) ã T. Diese Rückstellung besteht aus portablen und nicht-portablen (vererbbaren) Komponenten (falls der Tarif höherwertiger als der Basistarif ist). Bei einer Tarifveränderung zum Alter x + m werden diese jeweils in einen Abschlag umgewandelt wie im Kapitel 7: E T,GKV = müx ä T,GKV Hier wird mit dem GKV-Storno verrentet, da dieser Teil nur bei Kündigung in Richtung GKV vererbt wird.. E T = max(0; m ṼT x m Ü x ) ä T. Hier wird mit dem Gesamtstorno verrentet, da dieser Teil bei Unternehmenswechsel innerhalb PKV komplett vererbt wird. Die neue Netto-Prämie ergibt sich daher wie folgt: P T x/ = P T E T,GKV ET. In der Praxis nimmt man häufig die Rückstellung als komplett portabel an und vergleicht sie erst bei einem tatsächlichen PKV-Wechsel mit der Rückstellung des Basisarifs, d.h. der Abschlag bei einer Tarifveränderung wäre dann E T = mṽt x ã T, und man erhält für die neue Netto-Prämie (mit modifiziertem PKV-Storno) die gleiche Formel wie in der alten Welt in Kapitel 7 (ohne modifiziertes Storno): P T x/ = P T mṽt x ã T. Ein Problem kann bei Umstufungen zwischen höher- und niedrigerwertigen Tarifen auftreten: Wird nicht zwischen portabler und nicht-portabler Rückstellung unterschieden, kann bei einem Wechsel von einem höherwertigen in einen niedrigerwertigen Tarif mehr Rückstellung portabel sein als in dem niedrigerwertigen Tarif überhaupt aufgebaut worden wäre. Dies liegt daran, daß bei einem späteren Wechsel ein Vergleich zwischen der tariflichen Rückstellung und der Rückstellung des Basistarifs stattfindet. Dies ist bei der Bestimmung von κ zu berücksichtigen. Insbesondere ergeben sich im Internen Modell der neuen Welt bis auf das modifizierte Storno die gleichen Formeln für die Beitragsberechnung bei Tarifwechsel wie im Kapitel 7 der alten Welt. 6