Einflüsse auf die Habitatentwicklung und die Fließgewässerbewertung

Ähnliche Dokumente
GRUNDLAGEN DER ÖKOLOGISCHEN GEWÄSSERBEWERTUNG. Fulgor Westermann

Ein Blick zurück Veränderungen seit dem 1. Bewirtschaftungsplan

Fließgewässertypologie

ÖKOLOGISCHER ZUSTAND DER FLIESSGEWÄSSER RP

Wasserwirtschaftliche Zielkonflikte am Beispiel der Unteren Dhünn

Bewertungskriterien bei der ökologischen Klassifizierung anhand des Makrozoobenthos im nationalen Bewertungsverfahren AQEM

Möglichkeiten zur Bewertung der Zusammensetzung der Gewässerbiozönose unter dem Einfluss von Schadstoffen am Beispiel des SPEAR-Index

Bearbeitungsgebiet Main Was ist das?

Impulsreferat. Was ist der gute und sehr gute hydromorphologische Zustand?

Ein Blick zurück Veränderungen seit dem 1. Bewirtschaftungsplan. Bergisch Gladbach, den

Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie in Hessen. Gewässerentwicklung an Hainbach und Buchhügelgraben: Bedeutung, Perspektiven und Grenzen

EU-Wasserrahmenrichtlinie Bestandsaufnahme

Aquatische Wirbellose als Indikator für den guten ökologischen Zustand der Fließgewässer

Wasserkörper: Darmbach/Darmstadt DEHE_

Stadtgewässer in Hamburgnatürlich erheblich verändert

Wasserkörper: Untere Drusel DEHE_

Erfahrungen zur Erfolgskontrolle aus NRW. Veronica Dahm, Daniel Hering & Armin Lorenz

Der Habitatindex als Mittel zum Erfolgsnachweis und zur Maßnahmenidentifikation Hintergrund, Methodik, Anwendungsgrenzen

Grundlage der ökologischen Fließgewässerbewertung

Zusammenfassung der Fließgewässertypen und Fischgewässertypen in Gewässertypgruppen

Erfolgskontrolle bei der Renaturierung von Fließgewässern

Beispiel: Fließgewässertypen

Arbeitsgespräche / Runde Tische BR Düsseldorf Einführung zu den HMWB-Fallgruppen

Bewertung der Durchgängigkeit von Fließgewässern

Auswirkungen des Klimawandels auf die Gewässerökologie Dr. Harald Morscheid Dr. Folker Fischer - LfU

Hierarchie von Belastungen und Ableitung von Grenzwerten zur Erreichung des guten ökologischen Zustandes

Zusammenfassung der Fließgewässertypen und Fischgewässertypen in Gewässertypgruppen

Morphologie lebendiger Gewässer

Ökologische Fließgewässerbewertung nach WRRL Thomas Korte (Emschergenossenschaft/Lippeverband)

Fließgewässer Quo vadis? Blick nach vorn (und nicht zurück.) Uwe Koenzen, Planungsbüro Koenzen Wasser und Landschaft

Flächendeckende Erhebung von Querbauwerken in NRW

Die Europäische Wasserrahmenrichtlinie - Monitoring im Regierungsbezirk Oberfranken Vorstellung der Monitoringergebnisse

Die Kausalanalyse von Gewässerbelastungen. Möglichkeiten und Grenzen

World Café Tisch 9: (Ökologische) Durchgängigkeit von Fließgewässern

Strahlwirkung und Trittsteine aus Sicht der Naturschutzverbände. Dr. Christoph Aschemeier

2. Regionaler Workshop im Projekt NEYMO

Wondreb von Einmündung Seibertsbach bis Staatsgrenze SE035

Umsetzungsfahrplan der Kooperation Kreisfreie Stadt Bielefeld DT_16

Thesen. Masterarbeit. Vergleichende Untersuchungen zur morphologischen Entwicklung von Fließgewässern Beispiel Unterlauf der Inde

Herstellung der ökologischen Durchgängigkeit Schlüsselfrage zu Beginn des neuen Bewirtschaftungszyklus

Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Wasser. Ständiger Ausschuss. Oberirdische Gewässer und Küstengewässer

Hydromorphologie: Grundlagen und Ergebnisse. LANUV FB 54: Dr. Euler, Behrens, Dr. Münzinger

Abschätzung des Wiederbesiedlungspotenzials als Grundlage für die Planung von Renaturierungsmaßnahmen

Erfolgskontrolle der Renaturierungsarbeiten an der Usa

Wasserkörper: Rhein von Neckar bis Main DERP_ _2

Bedeutung der Gewässerstruktur für die Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie

EU-Wasserrahmenrichtlinie

Konzeption zur modellhaften Umsetzung der EG-WRRL unter Berücksichtigung der naturschutzfachlichen Vorgaben des FFH-Gebietes Begatal im

Zustand der Wasserkörper im Landkreis Kitzingen

Vorstellung des Bearbeitungsgebietes Schwalm

Flussbettdynamik und Gewässermorphologie

Umsetzung der EG- Wasserrahmenrichtlinie

Analyse von Monitoringergebnissen zur Ableitung von Maßnahmen am Beispiel von Hessen

Der gute ökologische Zustand von Gewässern was ist zu bewerten: Gewässergüte und Strukturgüte?

Dynamische Gewässerentwicklung

Der Habitatindex als Brückenschlag zwischen Gewässerstruktur und biologischer Bewertung

Ergebnisse der Bestandsaufnahme und Zustandsbewertung nach WRRL an den Gewässern in Mecklenburg-Vorpommern. 19. Gewässersymposium

NRW-Leitfaden Teil 3, Kap Typisierung der Oberflächengewässer (Kartierung der Ökoregionen und Oberflächengewässertypen)

Hydraulische Belastung der Gewässer durch Niederschlagswassereinleitungen. Workshop am F/E-Schwerpunkt

Guter ökologischer Zustand oder gutes ökologisches Potenzial Vergleich von Renaturierungsmaßnahmen an natürlichen und erheblich veränderten Gewässern

3S.1.1_Seetypologie_ pdf Stand Seetypologie

Lebensraumgewinn durch Entfernung von Querbauwerken, wo fängt man an?

von Muldestausee bis Einmündung Freiberger Mulde kiesgeprägte Tieflandflüsse km² Fließgewässerlänge in Sachsen-Anhalt: 11

Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Wasser

Erarbeitung eines Landeskonzepts zur ökologischen Durchgängigkeit der Fließgewässer Brandenburgs. Institut für Binnenfischerei e.v.

Stephan von Keitz. Integriertes Flussgebietsmanagement aus Sicht der EU

Einführung in die Europäische Wasserrahmenrichtlinie und Ergebnisse der Bestandsaufnahme

Neue Impulse durch die europäische Wasserrahmenrichtlinie

EU-Wasserrahmenrichtlinie Regionales Wasserforum im Planungsraum Unterer Main Informationsaustausch

Einführung in die Europäische Wasserrahmenrichtlinie und Ergebnisse der Bestandsaufnahme

Die Umweltziele gemäß WRRL Komplex und Anspruchsvoll

Einführung in die Europäische Wasserrahmenrichtlinie und Ergebnisse der Bestandsaufnahme

Konfliktlösungen im Spannungsfeld zwischen ökologischer Funktion und anthropogener Nutzung von Fließgewässern. LVA Nr

Maßnahmen zur Reduktion der Frachten in die südliche Ostsee. EU-Wasserrahmenrichtlinie - Ökologie vs. Ökonomie?

Die Bedeutung von Quellpopulationen und Gewässerhabitaten für die Wiederbesiedlung ehemaliger Schmutzwasserläufe. Dr.

Der biologische Zustand der Zwester Ohm

Das one out all out Prinzip: Ansporn zum Handeln oder Motivationsbremse?

Ziele und Umsetzung der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie

Verbesserung der biologischen. Vielfalt an ausgebauten

Sedimentsituation bayerischer Fließgewässer

Hochwasserrisikomanagementplanung

Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie in Niedersachsen/Bremen

Strategien, Erfolge und Einschränkungen von Renaturierungsmaßnahmen in Schleswig-Holstein

Zustandsverbesserung in kleinen Schritten das gute ökologische Potenzial in landwirtschaftlich geprägten Gewässern

Europäische Wasserrahmenrichtlinie und ihre Umsetzung in Bayern

Wasserkörper: Nidda/Frankfurt DEHE 248.1

Weitere Vorgehensweise

Hydrologische Interaktion zwischen Grundwasser und Oberflächengewässer

Impulsreferat. 'Gute fachliche Praxis' der Gewässerentwicklung. Matthias Brunke

Bestimmung des Lebensraumgewinns bei Rückbau von Querbauwerken in NRW anhand einer GIS-gestützten Methode

Überwachung der Gewässer (Monitoring)

- oberirdischen Gewässer -

Überlegungen zur Bewertung und Renaturierung urbaner Gewässer

Block 1: Vitalisierung der Gewässer I. Ordnung von der Strategie zur Umsetzung.

Flusswasserkörper (FWK) Datenstand: Kennzahl 1_F423

Masterarbeit von Nina Boxen Leibniz Universität Hannover

Bedeutung der Kleinmaßnahmen zur Fließgewässerentwicklung aus Sicht des Landes

Ergebnisse der aktualisierten Bestandsaufnahme 2013

Transkript:

ELWAS-Web.de BUGeFi.de Die hydrologisch-hydraulische Situation der Fließgewässer Einflüsse auf die Habitatentwicklung und die Fließgewässerbewertung Prof. Dr.-Ing. André Niemann Felix Dacheneder, M.Sc. Daniel Teschlade, M.Sc. Institut für Wasserbau und Wasserwirtschaft ZWU Zentrum für Wasser- und Umweltforschung Universität Duisburg-Essen 18. Workshop Flussgebietsmanagement Essen, 22. November 2017 Prof. Dr.-Ing. André Niemann Institut für Wasserbau und Wasserwirtschaft Universität Duisburg-Essen Essen 22. November 2017 1

Wir geben Geld aus, aber die Farbe ändert sich nicht Nicht richtig, aber auch nicht immer falsch GSGK 1998-2004 GSGK 2011-2013 Bildquelle: ELWAS-Web Prof. Dr.-Ing. André Niemann Institut für Wasserbau und Wasserwirtschaft Universität Duisburg-Essen Essen 22. November 2017 2

Inhalt Bestandsaufnahme zur hydrologisch-hydraulischen Belastungssituation der Fließgewässer Wirkung von dynamischen Prozessen in Fließgewässern im Hinblick auf die Habitatprägung Habitatentwicklung und Fließgewässerbewertung Einfluss dynamischer Prozesse auf die FG-Bewertung Ansprüche der Biologie an die hydraulischen Bedingungen Prof. Dr.-Ing. André Niemann Institut für Wasserbau und Wasserwirtschaft Universität Duisburg-Essen Essen 22. November 2017 3

Auswirkungen einer Veränderung des hydrologischen- hydraulischen Regimes Wirkeinfluss hydrologische Veränderung Magnitude Frequenz Dauer Änderungsrate Periodik Aussagen über die Wassermenge und deren Verteilung Häufigkeit von Niedrig- / Hochwasserereignissen Dauer von Niedrig- / Hochwasserereignissen Veränderungen im Abfluss und deren Intensität Zeitliche Muster und Intensität der Ausprägung Quelle: Enerwa-Abschlussbericht. Im ENERWA Projekt konnten mittels indexverfahren zeitlich/jahreszeitlich unterschiedlich intensive Einflüsse einer Dynamisierung auf die Biozönose / Biologische Bewertung ermittelt werden. AÖ, ZWU, UDE Promotion Thomas Meissner, UDE Prof. Dr.-Ing. André Niemann Institut für Wasserbau und Wasserwirtschaft Universität Duisburg-Essen Essen 22. November 2017 4

Belastungen durch Gewässerausbau und Querbauwerke Kein Totholz (unterhaltungsbedingt) Eingeschränkte Dynamik durch Eindeichung, Uferund Sohlverbau Eingeschränkte longitudinale Durchgängigkeit asv-nienborg.de Gleichmäßige Gerinnebreite, dadurch fehlende Breitenund Tiefenvarianz Belastungen durch Gewässerausbau, Wasserkraftanlagen und anderer Querbauwerke Eingeschränkter Geschiebetransport Stahlkocher wsa-schweinfurt.wsv.de Schlecht ausgebildete Riffel-Pool-Sequenzen Fehlen typischer Substratanteile, bedingt durch gleichmäßige Strömungsverhältnisse Lebensraumverlust durch Stau- und Ausleitungsstrecken sciencedirect.com Quelle: verändert nach Müller, 2015 Prof. Dr.-Ing. André Niemann Institut für Wasserbau und Wasserwirtschaft Universität Duisburg-Essen Essen 22. November 2017 5

Ein Blick zurück: Hydrologische Leitbilder aus 2001 Geographisches Institut RUB, 2001 Entwicklung und Regionalisierung Hydrologischer Leitbilder für NRW im Auftrag des MUNLV sollte der Einstufung des ökologischen Zustandes von Flüssen im Bereich der hydromorphologischen Qualitätskomponenten gemäß der EG-WRRL dienen Dissertation Dr. Harnischmacher, 2002 Fluvialmorphologische Untersuchungen an kleinen, naturnahen Fließgewässern in Nordrhein-Westfalen Ziel der Arbeit war die Entwicklung quantitativ-empirischer fluvialmorphologischer Gesetzmäßigkeiten für kleine Fließgewässer in Nordrhein-Westfalen. Analyse unabhängiger und abhängiger fluvialmorphologischer Variablen und ihrer möglichen Korrelationen an naturnahen Gewässern http://www-brs.ub.ruhr-uni-bochum.de/netahtml/hss/diss/harnischmacherstefan/diss.pdf Prof. Dr.-Ing. André Niemann Institut für Wasserbau und Wasserwirtschaft Universität Duisburg-Essen Essen 22. November 2017 6

Ausgewählte Vorhaben und Projekte LAWA O 2.01 Entwicklung von Kriterien für signifikante Wasserentnahmen, Abflussregulierung und morphologische Veränderungen O 6.01 Fließgewässertypisierung entsprechend den Anforderungen der WRRL - Teil I O 7.03 Fließgewässertypisierung entsprechend den Anforderungen der EU- WRRL - Teil II O 6.12 Bewertung des Wasserhaushalts von Einzugsgebieten und Wasserkörpern O 3.15 Ergänzende Arbeiten zur Korrelation zwischen biologischen Qualitätskomponenten und allgemeinen physikalisch-chemischen Parametern in Fließgewässern O 8.17 Aktualisierung LAWA-Mindestwasserempfehlung für Ausleitungsstrecken (Quelle: www.laenderfinanzierungsprogramm.de) Prof. Dr.-Ing. André Niemann Institut für Wasserbau und Wasserwirtschaft Universität Duisburg-Essen Essen 22. November 2017 7

Ausgewählte Vorhaben/Projekte Ökologisch begründetes Mindestwasser (82-0270-90782/2015) Auftraggeber: LfU Bayern Verifizierungen und Praxistest zum KLIWA-IndexMZB (83-0270-53412/2016) Auftraggeber: LfU Bayern, LfU Rheinland-Pfalz, LUBW Baden-Württemberg Prof. Dr.-Ing. André Niemann Institut für Wasserbau und Wasserwirtschaft Universität Duisburg-Essen Essen 22. November 2017 8

Bestimmung des kumulativen Abwasseranteils für Fließgewässer in NRW Bestimmung des kumulierten Abwasseranteils ausgehend von kommunalen Kläranlagen für 22.000 Teileinzugsgebiete (mittlere Größe 1,6 km²) der verdichteten GSK flächendeckend in NRW in Bezug auf MNQ und MQ Entscheidungsgrundlage im Vollzug / der WRRL-Maßnahmenplanung Datengrundlage für die Stoffeintragsmodellierung AG: LANUV NRW AN: Hydrotec, IAWG Zeitraum: 2013-2014 Besonders bedeutend im Hinblick auf die Beurteilung der hydrologisch-hydraulischen Situation: Regionalisierung der Abflussspenden (MNQ, MQ) Prof. Dr.-Ing. André Niemann Institut für Wasserbau und Wasserwirtschaft Universität Duisburg-Essen Essen 22. November 2017 9

Länge [km] Hydraulische Belastung der Gewässerabschnitte in absoluten Längen der Flussgebietseinheiten in NRW 10000 8000 6000 4000 2000 0 10000 8000 6000 4000 2000 0 10000 8000 6000 4000 2000 0 10000 8000 6000 4000 2000 0 44% 12% 44% I II III 32% 10% 58% I II III 48% 8% 44% I II III 42% Quelle: LANUV NRW 11% 47% I II III Hydraulische Belastungsklassen Belastungsklasse QE1,vorh/QE1,zul I 0-1 II 1-5 III > 5 Rhein Maas Ems Weser Prof. Dr.-Ing. André Niemann Institut für Wasserbau und Wasserwirtschaft Universität Duisburg-Essen Essen 22. November 2017 10 Flussgebietseinheiten nach WRRL QE1, vorh : vorhandene Einleitungsabflüsse QE1, zul : zulässige Einleitungsabflüsse gem. BWK M3/7 Projektdaten: GISBREIN GIS-gestützte Beurteilung der hydraulischen Belastung von Fließgewässern durch Niederschlagswassereinleitungen AG: MUNLV NRW AN: FH Münster, IFS, KIT, Zeitraum: 2006-2010 Quelle: REBEKA NRW, NIKLAS-KOM

Geomorphologische Gleichgewichtszustände in Fließgewässern Zustandsvariable Dynamisches Gleichgewicht Zeit Quelle: verändert nach Knighton, 1986 Prof. Dr.-Ing. André Niemann Institut für Wasserbau und Wasserwirtschaft Universität Duisburg-Essen Essen 22. November 2017 11

Geomorphologische Gleichgewichtszustände in Fließgewässern Störung Zustandsvariable Dynamisches Gleichgewicht Zeit Quelle: verändert nach Knighton, 1986 Prof. Dr.-Ing. André Niemann Institut für Wasserbau und Wasserwirtschaft Universität Duisburg-Essen Essen 22. November 2017 12

Geomorphologische Gleichgewichtszustände in Fließgewässern Zustandsvariable Störung Dynamisches Gleichgewicht Reaktionszeit Anpassungsprozess Zeit Quelle: verändert nach Knighton, 1986 Prof. Dr.-Ing. André Niemann Institut für Wasserbau und Wasserwirtschaft Universität Duisburg-Essen Essen 22. November 2017 13

Geomorphologische Gleichgewichtszustände in Fließgewässern Störung Störung Zustandsvariable Dynamisches Gleichgewicht Reaktionszeit Reaktionszeit Anpassungsprozess Ruhezeit Dynamisches Gleichgewicht Anpassungsprozess Zeit Quelle: verändert nach Knighton, 1986 Prof. Dr.-Ing. André Niemann Institut für Wasserbau und Wasserwirtschaft Universität Duisburg-Essen Essen 22. November 2017 14

Geomorphologische Gleichgewichtszustände in Fließgewässern Quelle: nach Verdonschot et al. (2013): A comparative review of recovery processes in rivers, lakes, estuarine and coastal waters. Hydrobiologia, 704, 453-474. Störung Störung Zustandsvariable Dynamisches Gleichgewicht Reaktionszeit Reaktionszeit Anpassungsprozess Ruhezeit Dynamisches Gleichgewicht Anpassungsprozess Zeit Quelle: verändert nach Knighton, 1986 Prof. Dr.-Ing. André Niemann Institut für Wasserbau und Wasserwirtschaft Universität Duisburg-Essen Essen 22. November 2017 15

Auswirkungen einer Dynamisierung des hydrologischen- hydraulischen Regimes Dynamisierung Abiotische Zustandsveränderung Biologische Zustandsveränderung Abfluss Hydraulischer Stress Abnahme strömungsmeidender (lenitischer) Arten; Zunahme rhithaler Arten Niedrigabfluss Sauerstoffdefizit Abnahme sensitiver (anspruchsvoller) Arten, Anstieg des Saprobienindex Temperatur Abkühlen Zunahme kälteliebender/toleranter Arten; Abnahme von Potamalarten Geschiebe/Sediment Feinsediment/Kolmation Abnahme von Interstitialarten, Abnahme von kieslaichenden Fischen Geschiebedefizit Vereinheitlichung der Habitate Quelle: AÖ, UDE; ENERWA, 2017 Prof. Dr.-Ing. André Niemann Institut für Wasserbau und Wasserwirtschaft Universität Duisburg-Essen Essen 22. November 2017 16

Feinsedimentmengen unterhalb von Talsperren und unbeeinflussten Nebengewässern 8000 7000 6000 5000 4000 3000 2000 1000 Oberflächennahe Feinsedimentmengen unterhalb der Talsperren (UH) und in vergleichbaren, unbeeinflussten Nebengewässern (NE). Fazit: Fehlender Abfluss führt zu Habitatverlust (interstitialer Räume) unterhalb von Talsperren Wasserbau River and Coastal Engineering (TUHH) Wasserbau River and Coastal Engineering (TUHH) 0 Agger Ennepe Große Dhünn Henne Kerspe Oester Verse Wiehl UH NE Quelle: AÖ, UDE; ENERWA, 2017 Prof. Dr.-Ing. André Niemann Institut für Wasserbau und Wasserwirtschaft Universität Duisburg-Essen Essen 22. November 2017 17

Beispielhafter Vergleich der Ergebnisse der taxonomischen Bewertungsverfahren mit DNA-basierten Bewertungen Barcoding : Höhere Ordnung der Taxonomie als pragmatischen Grund aber: das Verfahren liefert keine Abundanzinformationen Unsicherheiten im Verfahren (Haase et al. 2010) 20,5% der Taxa wurden übersehen > 30% der Bestimmungen waren nicht korrekt Es scheint ein zeitlicher Einfluss erkennbar (Zeitpunkt der Probenahme) Bilder: F. Leese Biologische Indizes -> Ökologischer Status Prof. Dr.-Ing. André Niemann Institut für Wasserbau und Wasserwirtschaft Universität Duisburg-Essen Essen 22. November 2017 18

Beispielhafter Vergleich der Ergebnisse der taxonomischen Bewertungsverfahren mit DNA-basierten Bewertungen Wissenschaftliche Überprüfung der Leitbilder: 99 Arten im Typ 5 Referenzgewässer Kleine Schmalenau Beprobung im Jahr 2015: 32 Übereinstimmungen mit der Referenzliste Genetische Analyse: 360 Arten gefunden (viel mehr Arten als bekannt) Nur 26 dieser 360 Arten in Referenzliste, der Großteil ist dort nicht dokumentiert Die Referenzartenlisten sind mit Expertenwissen zu bewerten, Abweichungen bedeuten nicht zwingend einen schlechten Zustand Sicht der Wissenschaft: Wir wollen mehr wissen (zeitlich und räumlich) Prof. Dr.-Ing. André Niemann Institut für Wasserbau und Wasserwirtschaft Universität Duisburg-Essen Essen 22. November 2017 19

Betrachtungen zu Hydromorphologie und Morphodynamik. Machen wir das richtig? Ja Berücksichtigung der Gewässertypologie Längsgefälle, Sohlstrukturen, Sohlsubstrate sind wesentliche Einflussfaktoren auf Form und Fließverhalten der Gewässer (und somit zu entsprechenden Habitatbedingungen) nur typgerechte Initialisierungsmaßnahmen führen mittelfristig zu typgerechten hydromorphologischen Strukturen aber: zeitlich hochvariable dynamische Prozesse der Morphodynamik haben Auswirkungen auf das zeitliche Element der Bewertung (Sohlsubstrat) Erfassung mit statischen Bewertungsverfahren Erforderlich: Bewertung der Fließgewässerdynamik (prozessbezogen) Definitionen nach DWA-M 570: Hydromorphologie: Lehre von der Gestalt, Formung und Struktur des Gewässerbetts Morphodynamik: Die Veränderung des Gewässerbetts durch Strömung und Feststofftransport Prof. Dr.-Ing. André Niemann Institut für Wasserbau und Wasserwirtschaft Universität Duisburg-Essen Essen 22. November 2017 20

Motivation und Fragestellung Renaturierungen werden zurzeit flächendeckend durchgeführt; Der Anteil an aktiven Erfolgskontrollen ist gering (in NRW 27/426; in Bayern 14/101) Erfolgskontrollen weisen darauf hin, + dass sich Gewässer stets optisch/strukturell verbessern, - Mikrohabitate und Morphodynamik teilweise nur unzureichend wiederhergestellt werden (können) - sich der ökologische Zustand in manchen Fällen nur mäßig verbessert Prüfauftrag: Einordnung dynamischer Prozesse (u.a. Morphodynamik) in die Wirkhierarchien unter Berücksichtigung der Praxis der Fließgewässerbewertung Vertieftes Verständnis der Zusammenhänge zwischen dynamischen Prozessen und der Bewertung des ökologischem Zustands Entwicklung eines Monitoringkonzeptes zur Erfolgskontrolle von Renaturierungsmaßnahmen unter Beachtung dynamischer Prozesse Prof. Dr.-Ing. André Niemann Institut für Wasserbau und Wasserwirtschaft Universität Duisburg-Essen Essen 22. November 2017 21

Dynamisierung des Sedimenttransportes /Sedimentdurchgängigkeit Aktuell: Erarbeitung von Bewertungsverfahren für Sedimentdurchgängigkeit (LAWA LFP O 3.18) Vorlaufend: Methodenentwicklung LAWA AO 03/2017 (abgeschlossen) Ergebnisse: Datengrundlagen in den Ländern sind sehr unterschiedlich (je nach Gewässergrößen und Bauwerkstypen) eine abgesicherte einheitliche Bewertung ist nicht möglich Konzept Sedimentbypass (Boes et al.) Konzept Sedimenttransport Bsp. DB Sediments aktuell vorgesehen: Ermittlung des Spektrums der Bauwerks- und Gewässertypen der Länder Differenzierung des Aufwandes zur Herstellung der Sedimentdurchgängigkeit Methodenvalidierung und Methodenweiterentwicklung (Ausschreibung LAWA mit Stichtag 17.11.2017) Prof. Dr.-Ing. André Niemann Institut für Wasserbau und Wasserwirtschaft Universität Duisburg-Essen Essen 22. November 2017 22

Beste Vorausetzungen: Fließgewässertypen LAWA/NRW LAWA-Typen (Tiefland) 5% 5% 6% 8% 53% 23% Typ 15: Sand- und Lehmgeprägte Tieflandflüsse Typ 16: Kiesgeprägte Tieflandbäche Typ 18: Löss- und Lehmgeprägter Tieflandflüsse Typ 14: Sandgeprägter Tieflandbach Typ 19: Kleine Niederungsfließgewässer in Fluss- und Stromtälern Weitere LAWA-Typen (Mittelgebirge) Typ 9.2: Große Flüsse des Mittelgebirges 13.748 km berichtspflichtige Gewässer in NRW 24% Typ 5: Grobmaterialreiche, silikatische Mittelgebirgsbäche 7% Typ 9: Silikatische, fein- bis grobmaterialreiche Mittelgebirgsflüsse 58% 2% 5% 5% 6% 24% Typ 9: Silikatische, fein- bis grobmaterialreiche Mittelgebirgsflüsse Typ 6: Feinmaterialreiche, karbonatische Mittelgebirgsbäche Typ 7: Grobmaterialreiche, karbonatische Mittelgebirgsbäche Typ 5: Grobmaterialreiche, silikatische Mittelgebirgsbäche Weitere 23% Typ 19: Kleine Niederungsfließgewässer in Fluss- und Stromtälern 8% Typ 14: Sandgeprägter Tieflandbach Prof. Dr.-Ing. André Niemann Institut für Wasserbau und Wasserwirtschaft Universität Duisburg-Essen Essen 22. November 2017 23

Ausblick: DWA/BWK Fachforum Einfluss dynamischer Prozesse auf die Fließgewässerbewertung gemäß WRRL Ansprüche der Biologie an die hydraulischen Bedingungen Ziele des Fachforums: - Bestandsaufnahme zur Berücksichtigung von Dynamiken bzgl. Habitatprägung und FG-Bewertung - Systematisierung der Handlungsfelder und des Handlungbedarfs - Ausweisung des Bedarfs für die Praxis - Ausweisung der Bedarfe für Forschung und Wissenschaft Einladung durch den DWA Fachausschuss GB-10 Wasserrahmenrichtlinie Prof. Dr.-Ing. André Niemann Institut für Wasserbau und Wasserwirtschaft Universität Duisburg-Essen Essen 22. November 2017 24