4.2.3.2. Geltung des Arbeitsgesetzes für öffentlich-rechtliche Heime



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Transkript:

4.2.3. Nachtarbeit. 4.2.3.2. Geltung des Arbeitsgesetzes für öffentlich-rechtliche Heime Gemäss Art. 1 ist das Arbeitsgesetz mit gewissen Ausnahmen auf alle öffentlichen und privaten Betriebe anwendbar. Das Arbeitsgesetz findet folglich Anwendung unabhängig davon, ob der Betrieb in privatem oder öffentlichem Eigentum steht. Auch die in Art. 2 Abs. 1 ArG aufgeführten Betriebe sind nicht vollständig vom Anwendungsbereich des Arbeitsgesetzes ausgenommen, sondern insbesondere die Vorschriften über den Gesundheitsschutz finden auf die Verwaltungen des Bundes, der Kantone und Gemeinden dennoch Anwendung (vgl. Art. 3a ArG). Neu hat der Gesetzgeber in Art. 71 lit. b ARG festgehalten, dass die vorbehaltenen Vorschriften des Bundes, der Kantone und der Gemeinden nur zugunsten nicht aber zu ungunsten der Arbeitnehmenden von den Bestimmungen über die Arbeits- und Ruhezeiten des Arbeitsgesetzes abweichen dürfen. Diese Änderung ist am 1.1.2005 in Kraft getreten. Dies bedeutet, dass Personalgesetze oder Personalverordnungen der öffentlichen Hand nicht schlechter sein dürfen als die Mindestbestimmungen im Arbeitsgesetz. Der Vorbehalt zugunsten des öffentlichen Personalrechts ist folglich neu nur noch relativ, da die betroffenen öffentlich rechtlichen Betriebe vom Arbeitsgesetz und auch von den Arbeits- und Ruhezeitvorschriften nur abweichen dürfen, wenn das öffentliche Personalrecht in diesen Bereichen mindestens gleichwertig oder besser als die arbeitsgesetzlichen Bestimmungen sind. Wenn beispielsweise in einem öffentlich rechtlichen Personalgesetz oder einer verordnung gewisse arbeitsrechtliche Probleme wie Nachtarbeit nicht geregelt sind, finden die Bestimmungen des Arbeitsgesetzes vollumfänglich Anwendung. Der Mindestschutz des Arbeitsgesetzes findet auf alle in einem öffentlich rechtlichen Arbeitsverhältnis stehenden Mitarbeitenden oder für in einem öffentlich rechtlichen Heim arbeitenden Mitarbeitenden Anwendung. In der Praxis ist es insbesondere auf Gemeindeebene häufig der Fall, dass durch das jeweilige Gesetz oder Verordnung über den öffentlichen Dienst gewisse arbeitsgesetzliche Vorschriften gar nicht behandelt oder geregelt werden. Den öffentlich rechtlichen Heimen ist zu empfehlen, sich beim zuständigen kantonalen oder kommunalen Verantwortlichen über die geltenden Bestimmungen zu informieren. Bestehen irgendwelche Zweifel, ist es in jedem Fall zu empfehlen, die Mindestbestimmungen des Arbeitsgesetzes auch bezüglich Nachtarbeit einzuhalten. 4.2.3.3. Privatrechtliche Heime und geltende Nachtarbeitsvorschriften für Heime Ausnahme für Heime (Art. 10 Abs. 2 ArGV2) Privatrechtliche Heime (das heisst insbesondere auch Vereine und Stiftungen mit Beteiligung der öffentlichen Hand) und Heime in Form von Körperschaften des öffentlichen Rechts, die jedoch die Mehrheit der Mitarbeitenden in einem privatrechtlichen Arbeitsverhältnis anstellen, haben ebenfalls die Arbeits- und Ruhezeitbestimmungen einzuhalten. Bei den Ausnahmen in der Verordnung 2 (ArGV2) wird in Art. 16 bezüglich Nachtarbeit nur Art. 10 Abs. 2 genannt. Die übrigen Absätze des Art. 10 ArGV2 finden keine Anwendung auf Heime (und auch nicht auf Spitäler und Kliniken, vgl. Art. 15 ArGV2). CURAVIVA 08/2008 Kapitel 4 Seite 6

Die Arbeitszeit von Mitarbeitenden darf folglich mit Einschluss der Pausen nur innerhalb eines Zeitraums von 12 Stunden liegen, sofern ein grosser Teil der Arbeitszeit reine Präsenzzeit darstellt und eine Ruhegelegenheit vorhanden ist. Die tägliche Arbeitszeit darf zudem 10 Stunden nicht überschreiten und es muss auch eine tägliche Ruhezeit von 12 Stunden gewährt werden. Ausnahmsweise dürfen Mitarbeitende in mehr als 3 Nächten pro Woche bis zu 10 Stunden in einem Zeitraum von 12 Stunden beschäftigt werden. Voraussetzung dazu ist jedoch, dass ein erheblicher Teil der Arbeitszeit reine Präsenzzeit darstellt, in der sich der Arbeitnehmende ausruhen kann. Die reine Präsenzzeit umfasst dabei einen Anteil von mindestens 25 % effektiver Arbeitszeit. Das heisst, dass bei einer Schichtdauer von 12 Stunden (Beginn z.b. 20.00 Uhr und Arbeitsende 08.00 Uhr morgens) und einer Arbeitszeit von 10 Stunden von dieser Arbeitszeit wenigstens 2.5 Stunden reine Präsenzzeit sein müssen, also 7.5 Stunden effektive Arbeitszeit innerhalb von 12 Stunden. Zudem sind immer die täglichen Ruhezeiten von 12 Stunden zu gewähren (vgl. seco / Wegleitung zum Arbeitsgesetz und zu den Verordnungen 1 und 2). Insbesondere in Pflegeheimen, in welchen Mitarbeitende nachts mehr oder weniger mit Ausnahme der zwingenden einstündigen Pause regelmässig im Einsatz sind, kann dieser Artikel gar nicht angewendet werden. Folglich gilt dann die Ausnahme von Art. 10 Abs. ArGV2 nicht mehr sondern wie für übrige Betriebe der Art. 17a des Arbeitsgesetzes. Lösungsmöglichkeiten: Allenfalls kann jedoch mit mehreren Mitarbeitenden pro Nachtschicht und mit einer Pikettregelung erreicht werden, dass die effektive durchschnittliche Arbeitszeit (d.h. abzüglich Ruhezeit und Pausen) der Einzelnen im 12-Stundenrahmen (z.b. von 20.00 Uhr bis 08.00 Uhr) nicht über 7,5 Stunden liegt. Bei Alleinnachtwachen ist speziell zu beachten, dass die medizinische Untersuchung und Beratung immer obligatorisch ist. Zudem muss dann eine Pikettregelung getroffen werden, damit auch die Alleinnachtwache ihre zwingenden Pausen einhalten kann und in Notfällen unverzüglich eine zusätzliche (genügend qualifizierte) Arbeitskraft zur Verfügung steht. Dabei ist eine echte Pikettregelung mit Mitarbeitende auf Pikett ausserhalb des Betriebes (vgl. dazu aber Voraussetzungen von Art. 14ff ArGV1) oder ein Bereitschaftsdienst innerhalb des Betriebes ( Schlafpikett -Regelung) möglich, wobei die Schlafzeit mit Arbeitsbereitschaft im Betrieb tiefer entlöhnt werden kann als normale Arbeitszeit. Die geltenden Bedingungen, insbesondere die Entlöhnung, sind mit den Mitarbeitenden arbeitsvertraglich klar zu vereinbaren. Diese Lösungen tragen zudem auch der Qualitätssicherung (für die Sicherheit der Bewohner) bei und können auch von den kantonalen Gesundheitsdirektionen verlangt werden. Art. 17 a ArG (Nachtarbeit ohne spezielle Ausnahme Art. 10 Abs. 2 ArGV2) Art. 17 a Abs. 2 ArG lässt zu, dass bei Mitarbeitenden, welche nur in höchstens 3 von 7 aufeinander folgenden Nächten beschäftigt werden, die tägliche Arbeitszeit ebenfalls 10 Stunden innerhalb eines Zeitrahmens von 12 Stunden betragen darf. Die Voraussetzung des erheblichen Anteils Präsenzzeit ist hier nicht verlangt. Im Unterschied zur Ausnahme von Art. 10 Abs. 2 ArGV2 müssen keine erheblichen Ruhezeiten gewährt werden. CURAVIVA 08/2008 Kapitel 4 Seite 7

Selbstverständlich muss aber bei einer Arbeitszeit von mehr als 9 Stunden mindestens eine Stunde Pause gewährt werden können. Dabei darf eine Pause von einer Stunde auch in Pausen von je einer halben Stunde aufgeteilt werden. Will nun ein Heim jedoch Mitarbeitende in mehr als 3 von 7 aufeinander folgenden Nächten beschäftigen, gilt der strengere Abs. 1 des Art. 17a ArG, wobei die Arbeitszeit des einzelnen Arbeitnehmenden nur noch maximal neun Stunden innerhalb eines Zeitraums von 10 Stunden betragen darf. 4.3.2.4. Besondere Formen der Nachtarbeit: Grundsätzliches bei dauernder und wiederkehrender Nachtarbeit Wenn die Dienstplanung bei dauernd und wiederkehrender Nachtarbeit (d.h. ab 25 Nächte/Jahr pro Mitarbeitende) ist eine Arbeitszeit von 10 Stunden im Zeitraum von 12 Stunden nur zulässig, sofern die Mitarbeitenden keine ausserordentlichen physischen, psychischen und mentalen Belastungen ausgesetzt sind (vgl. Art. 29 Abs. 1 lit. b ArGV1, sowie auch lit. a, c, d und e). Dies ist insbesondere gemäss arbeitsmedizinischer Auslegung des seco nicht gegeben, wenn eine Mitarbeitende oder ein Mitarbeiter belastende Alleinnachtwache halten muss. Wichtig ist auch, dass bei einer Alleinnachtwache, auch wenn diese im kürzeren Zeitrahmen von maximal 10 Stunden liegt, zwingend eine medizinische Untersuchung betreffend Eignung des jeweiligen Mitarbeitenden gemacht werden muss. Dies gilt gemäss Art. 29 Abs. 1 lit. d ArGV1 auch bei einem verlängerten Zeitraum von 12 Stunden. Zudem haben die Mitarbeitenden bei dauernder und wiederkehrender Nachtarbeit Anspruch auf den 10% Zeitzuschlag, der vom Arbeitgeber innerhalb eines Jahres als bezahlte Ausgleichsruhezeit zu gewähren ist (d.h. auch bei Teilzeitarbeit nicht einfach ausbezahlt werden darf). Nachtarbeit ohne Wechsel mit Tagesarbeit (Art. 30 ArGV 1) Dabei ist zu unterscheiden, ob es sich um Nachtarbeit von mehr als 6 Wochen ohne Wechsel mit Tagesarbeit nach Art. 25 Abs. 2 des Arbeitsgesetzes handelt oder um Nachtarbeit von mehr als 12 Wochen ohne Wechsel mit Tagesarbeit nach Art. 25 Abs. 3 des Arbeitsgesetzes. Nachtarbeit von mehr als 6 Wochen ohne Wechsel mit Tagesarbeit: Hier wird gemäss Art. 30 Abs. 1 ArGV 1 folgendes verlangt: a) Die Nachtarbeit ist aus betrieblichen Gründen notwendig; d.h. die anfallenden Arbeiten müssen zwingend in der Nacht ausgeführt werden und aus wirtschaftlichen Gründen muss mindestens dreischichtig gearbeitet werden oder bestimmte Arbeiten können nur in der Nacht ausgeführt werden. b) Das schriftliche Einverständnis der betroffenen Arbeitnehmenden muss vorliegen. c) Innerhalb 24 Wochen müssen insgesamt mindestens gleich viele Einsätze ohne Nachtarbeit wie solche mit Nachtarbeit vorhanden sein (bzw. bei Teilzeitarbeit mindestens gleich viel freie Tage). CURAVIVA 08/2008 Kapitel 4 Seite 8

Nachtarbeit von mehr als 12 Wochen ohne Wechsel mit Tagesarbeit: Hier gilt insbesondere, dass die Nachtarbeit nicht nur notwendig, sondern aus betrieblichen Gründen unentbehrlich ist (vgl. Voraussetzungen gemäss Art. 30 Abs. 2 und 3 ArGV1). Zudem muss der Arbeitnehmende schriftlich sein Einverständnis erklärt haben, und auch alle Voraussetzungen von Art. 29 Abs. 1 lit. a-d ArGV1 (verlängerte Dauer der Nachtarbeit) der Verordnung 1 zum Arbeitsgesetz müssen erfüllt sein. Dies sind dieselben Bedingungen, welche auch ein Arbeitnehmender erfüllen muss, der im verlängerten Zeitraum von 12 Stunden 10 Stunden Arbeit leistet (vgl. vorne zu Art. 17a Abs. 2 Zeitrahmen 12 Stunden). Gemäss Wegleitung des seco zum Arbeitsgesetz und zur Verordnung 1 und 2 darf Nachtarbeit ohne Wechsel geleistet werden, wenn - keine Gegenschichten existieren - die Arbeit nur in der Nacht ausgeführt werden kann - vorübergehend nachweisbar nicht genügend Personal rekrutiert werden kann, das bereit ist, in einem Wechselschichtsystem auch in der Nacht zu arbeiten. Ziel muss jedoch gemäss seco sein, dass wieder ein Wechselschichtsystem eingeführt werden kann. Damit eine zeitliche Überbeanspruchung der Mitarbeitenden verhindert wird, darf gemäss Art. 30 Abs. 3 ArGV1 an höchstens 5 bzw. 6 Nächten gearbeitet werden, wenn danach wenigstens 2 respektive 3 Nächte arbeitsfrei bleiben. Da Art. 25 des Arbeitsgesetzes betreffend Schichtenwechsel nicht zwingender Natur ist, wenn die durch Verordnung festzulegenden Auflagen eingehalten werden, kann meines Erachtens eine Dauernachtarbeit unter den zuvor in Ziff. 3 erläuterten strengen Voraussetzungen der Verordnung 1 möglich sein. Da die Heime gemäss Art. 16 von einer Bewilligung für Nachtarbeit befreit sind (Art. 4 ArGV2) ergibt sich aus dem Gesetz und der Verordnung auch keine Bewilligungspflicht für Dauernachtarbeit. Dies bedeutet jedoch nicht, dass nicht sämtliche geltenden Vorschriften des Arbeitsgesetzes betreffend Nachtarbeit sowie auch die Vorschriften der Verordnung 1 betreffend Nachtarbeit einzuhalten sind. Fazit: es bestehen strenge Voraussetzungen dafür, dass Dauernachtwachen für Mitarbeitende zulässig sind. In jedem Falle ist eine ärztliche Eignungsuntersuchung und Beratung für Nachtarbeit gemäss Art. 45 ArGV1 durchzuführen für Mitarbeitende in Heimen, die dauernd oder regelmässig wiederkehrende Nachtarbeit leisten und dabei in erhöhtem Ausmass belastende oder gefährliche Tätigkeiten verrichten oder belastenden oder gefährlichen Situationen ausgesetzt sind. Dies gilt gemäss lit. d für alle Mitarbeitenden, welche alleine in einem Betrieb oder Betriebsteil arbeiten (Art. 45 Abs. 1 lit. d ArGV1) sowie auch für Mitarbeitende, welche eine verlängerte Dauer der Nachtarbeit (d.h. Verlängerung vom 10 Stunden Rahmen auf den 12 Stunden Rahmen) und Nachtarbeit ohne Wechsel mit Tagesarbeit leisten (Art. 45 Abs. 1 lit. e ArGV1). Wichtig ist auch zu betonen, dass diese medizinische Untersuchung und Beratung erstmals vor Antritt zu einer solchen Tätigkeit zu machen ist und danach alle 2 Jahre zu wiederholen ist. Die entsprechenden Formulare sind beim seco zu beziehen. CURAVIVA 08/2008 Kapitel 4 Seite 9

4.2.3.5. Zusammenfassung Nachtarbeit Um den Heimleitungen trotz Komplexität der Angelegenheit einen Überblick zu geben, lässt sich die Problematik wie folgt zusammenfassen: A. Regelfall für privatrechtlich organisierte Heim Für privatrechtlich organisierte Heime gilt der Grundsatz, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer pro Woche nicht mehr als drei Nächte arbeiten dürfen. Ausnahmen - Ausgenommen von dieser Regel sind Heime, welche den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ermöglichen, mindestens 25 Prozent der effektiven Arbeitszeit im Sinne einer Präsenzzeit/Schlafgelegenheit einzuräumen. Konkret müssen bei einer zehnstündigen Arbeitszeit, 2.5 Stunden Präsenzzeit/Schlafzeit und durchschnittlich 7.5 Stunden effektive Arbeitszeit innerhalb von 12 Stunden im Arbeitszeitrahmen (d.h. Arbeitsbeginn bis Arbeitsende) liegen. - Die zweite Ausnahme ist, wenn ein Heim die Mitarbeitenden mit maximal 9 Stunden Arbeit innerhalb eines Zeitraumes von 10 Stunden beschäftigt. Die Pause kann in zwei mal 0.5 Std. aufgeteilt werden oder als 1 Stunde festgelegt werden. Die beste Regelung ist, genau Arbeitsbeginn und ende zu definieren, sowie die Pausen festzulegen. Da der Mitarbeitende im Heim bleibt und in Notfällen auch die Pausen unterbrechen muss, werden diese Pausen bezahlt; d.h. Lohn für 9 Stunden Arbeitszeit und 1 Stunde bezahlte Pause. Wenn die Pause von 1 Stunde bezogen wird und sich keine Arbeitsblöcke von mehr als 5,5 Stunden ergeben, sind keine weiteren Pausen geschuldet (vgl. Art. 15 ArG und Art. 18 ArGV1). Bei diesen beiden Ausnahmen gilt die höchstmögliche Nachtarbeit aufeinanderfolgend bei 5 Nächten und anschliessend 2 arbeitsfreien Nächten, oder bei 6 Nächten und anschliessend 3 arbeitsfreien Nächten. FAZIT: 1. Regel Diese strengen Voraussetzungen für Nachtarbeit ohne Wechsel mit Tagesarbeit können von den Heimen bei Mitarbeitenden mit einem 100% Pensum in der Praxis oft nicht erfüllt werden. Eine Dauernachtarbeit ohne Wechsel mit Tagesund Abendarbeit ist grundsätzlich nur im Rahmen der Ausnahme von Verordnung 2 möglich, nämlich bei Schlafgelegenheit im Heim und einer reinen Präsenzzeit von in der Regel 25 Prozent (Art. 10 Abs. 2 ArGV2) oder bei nicht mehr als 3 Nächten pro 7 Kalendertage (Art. 17a Abs.2 ArG). 2. Ausnahme bei Nachweis nicht genügend Personal für Wechselschichten Eine Dauernachtwache ohne Wechsel mit Tages- und Abendarbeit setzt voraus, dass die Nachtarbeit aus betrieblichen Gründen unentbehrlich ist, der Mitarbeitende schriftlich sein Einverständnis gegeben hat und der Nachweis gegeben ist, dass nicht genügend Personal für die Nachtarbeit rekrutiert werden kann. CURAVIVA 08/2008 Kapitel 4 Seite 10

Ausserdem ist es in diesen Fällen (wie auch bei Alleinnachtwache!) zwingend, dass eine ärztliche Eignungsuntersuchung und Beratung für die Nachtarbeit für die Mitarbeitenden vorgenommen wird. Die erste medizinische Untersuchung und Beratung hat vor Stellenantritt zu erfolgen und ist alle zwei Jahre zu wiederholen. Zudem müssen alle Voraussetzungen der Verordnung 1 zum Arbeitsgesetz eingehalten werden (Art. 29 Abs. Abs. 1 lit. a-d ArGV1, Art. 30 Abs. 2 und 3 ArGV1), insbesondere muss schon vor Stellenantritt eine obligatorische medizinische Untersuchung erfolgen, deren Ergebnis dem seco zu melden ist. Die jeweiligen Arbeitnehmenden sind auf diese Untersuchung und Meldepflicht vom Arbeitgeber ausdrücklich hinzuweisen; am besten erfolgt dies mit dem schriftlich zu erteilenden Einverständnis der Arbeitnehmenden, überhaupt diese dauernde Nachtarbeit ohne Wechsel mit Tagesarbeit leisten zu wollen. B. Spezielles bei öffentlich-rechtlichen Heimen Diese Regelungen gelten auch für Heime in Form von Körperschaften des öffentlichen Rechts, sofern die Mehrheit der Mitarbeitenden in einem privatrechtlichen Arbeitsverhältnis angestellt sind. Für alle anderen öffentlich-rechtlich organisierten Heime (seien sie Teil einer Gemeinde, ein Zweckverband, eine öffentlich-rechtliche Körperschaft oder eine Stiftung, bei welchen alle Mitarbeitenden dem öffentlichen Personalrecht unterstehen oder zumindest die Mehrheit) gelten die Bestimmungen des Arbeitsgesetzes grundsätzlich nicht. Massgeblich sind die Bestimmungen der Gemeinden und der jeweiligen Kantone. Hiervon gibt es eine Ausnahme, welche in Artikel 71 lit. b Arbeitsgesetz neu noch verstärkt wurde, nämlich dass die Bestimmungen betreffend Gesundheitsschutz und auch Arbeits- und Ruhezeitvorschriften dann Anwendung finden müssen, wenn die Regelungen der öffentlichen Hand bezüglich der Nachtarbeit schlechter sind als die oben skizzierten Mindestbestimmungen im Arbeitsgesetz. CURAVIVA 08/2008 Kapitel 4 Seite 11