Blutgase. 3.1 Sauerstoff 55. 3.2 Kohlendioxid 64. Literatur 68



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Transkript:

Blutgase.1 Sauerstoff 55.1.1 O 2 -Kaskade 55.1.2 Transport von Sauerstoff im Blut 57.1. O 2 -Sättigung des Hämoglobins und O 2 -Bindungskurve 58.1.4 O 2 -Gehalt und O 2 -Status des Blutes 62.1.5 O 2 -Angebot an die Organe 6.2 Kohlendioxid 64.2.1 Herkunft von Kohlendioxid 64.2.2 Transport von Kohlendioxid im Blut 65.2. CO 2 -Bindungskurve des Blutes 67.2.4 Diffusion von Kohlendioxid durch Membranen 68.2.5 CO 2 -Speicher 68 Literatur 68

55.1 Sauerstoff Zu den wesentlichen Aufgaben des Blutes gehört der Transport der Atemgase Sauerstoff und Kohlendioxid. Molekularer Sauerstoff wird für zahlreiche metabolische Prozesse benötigt, Kohlendioxid gehört zu den Endprodukten des oxidativen Stoffwechsels. Beide Gase sind nur wenig im Blut löslich, entsprechend gering ist auch die in physikalischer Lösung transportierte Menge. Der größte Teil der Gase wird vielmehr in chemischer Bindung im Blut transportiert. Allerdings durchläuft jedes einzelne Gasmolekül das Stadium der physikalischen Lösung, da nur in dieser Form die Passage durch die Alveolarmembran, die Wanderung zu den Reaktionspartnern im Blut und schließlich der Austausch zwischen Blut und Gewebe (Sauerstoff) sowie zwischen Gewebe und Blut (Kohlendioxid) erfolgen kann. Die Konzentration eines physikalisch gelösten Gases hängt von seinem jeweiligen Partialdruck und vom spezifischen Löslichkeitskoeffizienten ab. Partialdruck von Gasen in Flüssigkeiten. Die physikalisch gelöste Menge von Sauerstoff oder Kohlendioxid hängt vom Partialdruck ab: Je höher der Partialdruck, desto mehr Gas wird im Blut gelöst. Wird eine Flüssigkeit, wie z. B. Blut, mit einem Gas in Kontakt gebracht, so stellt sich nach einer gewissen Zeit ein Gleichgewicht zwischen beiden Medien ein, und es herrscht Partialdruckgleichheit. Konzentration gelöster Gase. Die Konzentration eines gelösten Gases (= Menge/Volumen) hängt von seinem Partialdruck und seinen spezifischen Löslichkeitseigenschaften ab. Die Löslichkeitseigenschaften werden durch den Löslichkeitskoeffizienten beschrieben. Der Löslichkeitskoeffizient (Proportionalitätsfaktor) gibt an, wieviel ml eines Gases bei einem Partialdruck von 1 atm (= 760 mm Hg, 1 mm Hg = 1,22 Pa) pro ml Flüssigkeit gelöst sind. Nach dem Henry-Dalton-Gesetz ist bei konstanter Temperatur die Konzentration eines Gases in einer Flüssigkeit proportional dem Partialdruck des Gases:.1 Sauerstoff Sauerstoff gelangt aus der Atmosphäre in die Alveolen, diffundiert durch die alveolokapilläre Membran in das Blut, wird dort zum geringen Teil physikalisch gelöst, überwiegend jedoch chemisch an das Hämoglobin gebunden und mit dem Blutstrom zu den Geweben transportiert. Die Bewegung von Sauerstoff aus der umgebenden Luft in den Respirationstrakt und von dort über das Blut zu den Mitochondrien erfolgt entlang einem Partialdruckgefälle, vergleichbar einer Kaskade, wobei der Partialdruck auf seinem Weg zur Zelle immer mehr abnimmt..1.1 O 2 -Kaskade Auf seinem Weg vom Beginn der Atemwege bis zu den Geweben und zurück mit dem gemischtvenösen Blut zur Lunge nimmt der O 2 -Partialdruck kontinuierlich ab. O 2 -Partialdruck der Luft Der po 2 der Luft hängt vom Barometerdruck ab: Je höher der Barometerdruck, desto größer der po 2. Mit zunehmender Höhe nimmt der Barometerdruck ab, entsprechend auch der po 2 (. Tab..1). In Meereshöhe beträgt der po 2 von trockener Luft 159 mm Hg, die Konzentration des atmosphärischen Sauerstoffs 20,94% (n = 0,2094).. Tab..1. Partialdrücke von Sauerstoff (Umgebungsluft bei 1 Atmosphäre) Inspirationsluft (Nasopharynx) p 1 O 2 149 mm Hg Bunsen-Löslichkeitskoeffizienten im Blut bei 7 C (ml Gas ml Blut 1 atm 1 ): 4 α O 2 0,028, 4 α CO 2 0,49, 4 α N 2 0,012. Alveolarluft p A O 2 105 mm Hg Arterielles Blut p a O 2 95 mm Hg Gewebe po 2? mm Hg (Mitochondrien ca. 5 mm Hg) O 2 -Partialdruck der Inspirationsluft Beim Eindringen in den Respirationstrakt wird die Luft mit Feuchtigkeit bzw. Wasserdampf gesättigt: Der po 2 wird verdünnt, die fraktionale O 2 -Konzentration bleibt aber unverändert. Nach dem Boyle-Gesetz gilt Folgendes: Gemischtvenöses Blut p v O 2 40 mm Hg

56 Kapitel Blutgase Inspiratorischer po 2 = (Atmosphärendruck Wasserdampfdruck bei 7 C) O 2 -Konzentration; (760 47) 0,2094 mm Hg = 149 mm Hg; oder in kpa: (101, 6,) kpa 0,2094 = 19,9 kpa Für eine ungefähre Abschätzung des O 2 -Partialdrucks in mm Hg kann die O 2 -Konzentration mit 7 multipliziert werden. Danach beträgt der po 2 der Raumluft 21 7 = 147 mm Hg. Alveolärer po 2 Auf dem Weg zu den Alveolen nimmt der po 2 weiter ab und beträgt dort schließlich nur noch 105 mm Hg. Vereinfacht kann der alveoläre po 2 (p A O 2 ) nach folgender Formel berechnet werden: Diese Formel gilt nur, wenn die Anzahl der eingeatmeten Stickstoffmoleküle gleich bleibt, eine Voraussetzung, die beim Intensivpatienten häufig nicht gegeben ist. In nachstehender Formel ist die»stickstoffkorrektur«berücksichtigt: Der alveoläre po 2 hängt v. a. von folgenden Faktoren ab: 4 trockener Barometerdruck, 4 inspiratorische O 2 -Konzentration, 4 O 2 -Verbrauch. Hinzu kommen sekundäre Faktoren wie das Herzzeitvolumen und der Konzentrationseffekt. Barometerdruck. Der alveoläre po 2 ist direkt proportional dem trockenen Barometerdruck: Fällt der Barometerdruck, z. B. in großer Höhe, so nimmt der alveoläre po 2 ab. Bei Anwendung von Überdruck besteht hingegen keine direkte Proportionalität. Inspiratorische O 2 -Konzentration. Veränderungen der inspiratorischen O 2 -Konzentration führen zu gleichgerichteten Veränderungen des alveolären po 2 : Erhöhung der inspiratorischen O 2 -Konzentration steigert den alveolären po 2 und umgekehrt. Diese Beziehung ist klinisch außerordentlich wichtig, da bei Hypoventilation der alveoläre po 2 durch Zufuhr von Sauerstoff (Erhöhung der inspiratorischen Konzentration) rasch gesteigert werden kann, und zwar unabhängig von der Größe der jeweiligen alveolären Ventilation. > Bei Hypoventilation steigert eine Erhöhung der inspiratorischen O 2 -Konzentration um 10% den alveolären po 2 um ca. 64 mm Hg vorausgesetzt, alle anderen Faktoren bleiben konstant. Eine Hypoxämie durch venöse Beimischung in der Lunge kann innerhalb bestimmter Grenzen durch Erhöhung der inspiratorischen O 2 -Konzentration günstig beeinflusst werden (Einzelheiten 7 Kap. 5). O 2 -Verbrauch. Mit zunehmendem O 2 -Verbrauch muss auch die alveoläre Ventilation gesteigert werden, um den alveolären po 2 im Normbereich zu halten; umgekehrt ist bei vermindertem O 2 -Verbrauch eine geringere alveoläre Ventilation erforderlich. Diese Zusammenhänge müssen v. a. beim beatmeten Intensivpatienten beachtet werden, da der O 2 -Verbrauch selbst in scheinbarer»ruhe«häufig nicht konstant ist. So wird der O 2 - Verbrauch durch Hyperthermie bzw. gesteigerten Stoffwechsel (Katabolismus, Unruhe, Krämpfe, vermehrte Atemarbeit bei der Entwöhnung) erhöht, durch Hypothermie, Hypothyreose und Anästhesie hingegen erniedrigt. Entsprechend muss die Einstellung des Beatmungsgeräts angepasst werden, um den alveolären po 2 im Normbereich zu halten. Alveoläre Ventilation. Zwischen alveolärem po 2 und alveolärer Ventilation besteht eine hyperbolische Beziehung: Wird die Ventilation gesteigert, so nähert sich der alveoläre po 2 asymptotisch dem inspiratorischen po 2 an, ohne ihn jedoch jemals zu erreichen. Allerdings ist der Effekt bei einer Steigerung der Atmung verhältnismäßig gering ausgeprägt (maximaler Anstieg des p A O 2 auf ca. 140 mm Hg bei Hyperventilation), während bei zunehmender Hypoventilation der alveoläre po 2 bedrohlich abfällt und bei noch erhaltener minimaler alveolärer Ventilation Null erreicht. Herzzeitvolumen. Ein direkter Einfluss des Herzzeitvolumens auf den alveolären po 2 besteht nicht. Jedoch führt ein schlagartiger Abfall des Herzzeitvolumens vorübergehend zum Anstieg des alveolären po 2, da die Lungendurchblutung abnimmt und entsprechend weniger Sauerstoff in das Blut aufgenommen werden kann. Allerdings wird im weiteren Verlauf kompensatorisch mehr Sauerstoff im Gewebe extrahiert; hierdurch fällt der gemischtvenöse po 2 ab, entsprechend kann in der

57.1 Sauerstoff Lunge mehr Sauerstoff ins Blut aufgenommen werden, sodass sich der alveoläre po 2 wieder normalisiert. Konzentrationseffekt. Die Zufuhr löslicher Gase wie N 2 O kann den alveolären po 2 vorübergehend beeinflussen. Zu Beginn der Zufuhr strömen große Mengen N 2 O aus den Alveolen in die Körperspeicher, während eine wesentlich geringere Menge aus dem Körper in das Alveolargas gelangt. Hierdurch steigt der alveoläre po 2 (und pco 2 ) vorübergehend an. Umgekehrt verlassen bei Unterbrechung der N 2 O-Zufuhr große Mengen des Gases den Körper und werden durch geringere Mengen von Stickstoff ersetzt. Die in die Alveolen einströmende N 2 O-Menge verdünnt den Sauerstoff und das Kohlendioxid: Alveolärer po 2 (und alveolärer pco 2 ) fallen vorübergehend ab. Eine Hypoxie kann in dieser Situation durch Erhöhung der inspiratorischen O 2 -Konzentration vermieden werden. Alveoloarterielle po 2 -Differenz Das gemischtvenöse Blut strömt mit einem po 2 von ca. 40 mm Hg in die Lungenkapillaren ein und wird dort aufgrund des großen O 2 -Partialdruck-Gefälles von 50 60 mm Hg mit Sauerstoff aufgesättigt. Die Transitzeit des Erythrozyten beträgt bei normalem Herzzeitvolumen 0,7 s, jedoch stellt sich in Ruhe bereits innerhalb von 0,2 0, s ein Gleichgewicht zwischen dem alveolären und dem lungenkapillären po 2 ein. Damit ist auch unter körperlicher Belastung oder Lungenfunktionsstörungen noch eine ausreichende zeitliche Reserve für den Gasaustausch vorhanden. Nach dem Gasaustausch durch die alveolokapilläre Membran besteht allerdings zwischen Alveolen und arteriellem Blut keine Partialdruckgleichheit, sondern eine altersabhängige Differenz, die beim jungen Menschen ca. 15 mm Hg beträgt und beim gesunden alten Menschen auf ca. 7,5 mm Hg ansteigen kann (. Tab..1). Wichtigste Ursache des O 2 -Partialdruck-Gradienten sind venöse Beimischungen, die auch als physiologischer Shunt bezeichnet werden. 2 Komponenten des intrapulmonalen physiologischen Shunts können unterschieden werden: 4 venöses Kurzschlussblut, das sich mit dem oxygeniertem Blut vermischt, 4 ungenügende Aufsättigung durch Ungleichheiten des Belüftungs-Durchblutungs-Verhältnisses der Lunge. Anatomische Shunts bezeichnen demgegenüber venöses Blut, das unter Umgehung der Lunge direkt in das arterielle Blut einströmt, z. B. Blut aus Bronchialvenen oder dem Koronarkreislauf.. Tab..2. Normalwerte des arteriellen po 2 in Abhängigkeit vom Alter. (Nach Nunn 199) Alter (Jahre) [mm Hg] [Pa] 20 29 94 (84 104) 12,5 (11,2 1,9) 0 9 91 (81 101) 12,1 (10,8 1,5) 40 49 88 (78 98) 11,7 (10,4 1,1) 50 59 84 (74 94) 11,2 (9,9 12,5) 60 69 81 (71 91) 10,8 (9,5 12,1) Normalwerte für den arteriellen po 2 Wie bereits erwähnt, nimmt der arterielle po 2 mit zunehmendem Alter progredient ab im Gegensatz zum arteriellen pco 2, der sich auch im hohen Lebensalter beim Lungengesunden nicht verändert. In. Tab..2 sind die p a O 2 -Werte in Abhängigkeit vom Lebensalter zusammengestellt..1.2 Transport von Sauerstoff im Blut Nach der Diffusion von Sauerstoff über die alveolokapilläre Membran in das gemischtvenöse Blut erfolgt der Transport im arterialisierten Blut in 2 Formen: 4 physikalisch gelöst in den wässrigen Blutbestandteilen, 4 chemisch gebunden an Hämoglobin. Die Menge des in beiden Formen transportierten Sauerstoffs hängt vom arteriellen po 2 ab, jedoch liegt der weitaus überwiegende Anteil in chemischer Bindung vor. Vor jeder Bindung und dem Austausch mit den Geweben muss aber das Stadium der physikalischen Lösung durchlaufen werden. O 2 -Transport in physikalischer Lösung Nach Diffusion durch die alveolokapilläre Membran gelangen die O 2 -Moleküle zunächst in das Blutplasma. Dort erfolgt nur eine physikalische Lösung, und zwar nach dem Henry-Gesetz, d. h. die im Plasma gelöste O 2 -Menge/Volumen ist direkt proportional dem Partialdruck von Sauerstoff: gelöste O 2 -Menge/Volumen, d. h. die Konzentration c = α p α Löslichkeitskoeffizient (s. oben); p Partialdruck.

58 Kapitel Blutgase 4 1 ml Blutplasma nimmt bei 7 C Körpertemperatur pro mm Hg po 2 0,00 00 ml Sauerstoff auf, 100 ml Plasma pro mm Hg po 2 0,00 ml Sauerstoff. Entsprechend gilt: 4 100 ml Plasma enthalten bei einem po 2 von 100 mm Hg 0, ml Sauerstoff in physikalischer Lösung. Diese physikalisch gelöste O 2 -Menge ist sehr gering und reicht nicht annähernd aus, um den O 2 -Bedarf in Ruhe von ca. 250 ml/min zu decken, denn hierfür müsste das Herz ca. 8 l Plasma pro Minute durch den Körper pumpen. Selbst durch Atmung von reinem Sauerstoff kann der physikalisch gelöste O 2 -Anteil nicht hinreichend gesteigert werden, denn bei einem alveolären po 2 von 67 mm Hg (760 mm Hg 40 mm Hg pco 2 47 mm Hg ph 2 O) ergibt sich lediglich eine physikalisch gelöste O 2 -Menge von 2 ml/100 ml Blut. Bei Beatmung mit einem Überdruck von 2 atm ergäbe sich eine O 2 -Menge von 4, ml/100 ml Plasma, bei atm von 6,6 ml. Hiermit könnte der Ruhebedarf gedeckt werden. O 2 -Transport in chemischer Bindung an Hämoglobin Der größte Teil des Sauerstoffs, nämlich 21 ml/100 ml Blut, wird chemisch an das Hämoglobin der Erythrozyten gebunden transportiert. Hämoglobin ist ein Chromoproteid, bestehend aus Globin und 4 Hämmolekülen. Globin setzt sich aus 4 Untereinheiten je 2 α- und β-ketten zusammen; jede Untereinheit trägt ein Hämmolekül, in dessen Zentrum sich ein zweiwertiges Eisenatom befindet. An dieses Eisenatom wird das O 2 - Molekül reversibel angelagert, ohne dass sich die Oxidationsstufe des Eisenatoms ändert. Diese Anlagerungsreaktion wird als Oxygenation bezeichnet, die Abspaltung des Sauerstoffs vom Hämmolekül als Desoxygenation. Entsprechend gilt: 4 Oxyhämoglobin (HbO 2 )=mit O 2 -beladenes Hämoglobin, 4 Desoxyhämoglobin (Hb) = Hämoglobin ohne Sauerstoff. Fetales Hämoglobin (HbF) besteht im Gegensatz zum Hämoglobin des Erwachsenen (HbA) aus je 2 α- und γ-ketten. O 2 -Bindungskapazität des Hämoglobins. 1 Mol Hämoglobin kann maximal 4 ml Sauerstoff binden: Hb + 4 O 2 = Hb(O 2 ) 4 Theoretisch bindet 1 g Hämoglobin 1,9 ml Sauerstoff (Hüfner-Zahl), jedoch wird bei der Blutgasanalyse ein Wert von 1,4 1,6 bestimmt, vermutlich, weil ein geringer Teil des Hämoglobins bindungsinaktiv ist. Praktisch gilt daher Folgendes: 4 1 g Hämoglobin bindet 1,9 ml Sauerstoff (Hüfner- Zahl). Die O 2 -Kapazität ist die maximale O 2 -Menge, die bei einem hohen po 2 vom Hämoglobin gebunden werden kann. Sie ist abhängig vom jeweiligen Hb-Gehalt des Blutes in g/100 ml. Beispiel: 1 g Hb bindet 1,9 ml Sauerstoff; 15 g Hb binden 15 1,9=20,9 ml Sauerstoff. Eine Halbierung der Hb-Konzentration führt entsprechend zu einer Halbierung der O 2 -Kapazität..1. O 2 -Sättigung des Hämoglobins und O 2 -Bindungskurve Der arterielle po 2 bestimmt die O 2 -Sättigung des arteriellen Blutes (S a O 2 ), d. h. den prozentualen Anteil des mit Sauerstoff gesättigten (oxygenierten) Hämoglobins (O 2 Hb) am Gesamthämoglobingehalt des Blutes: Der Normalwert der arteriellen O 2 -Sättigung beträgt 96%. Eine 100%ige Sättigung des Hämoglobins wird praktisch nie erreicht, da 0,5% des Hämoglobins als MetHb und 1 2% als COHb vorliegen. Außerdem nimmt eine geringe Menge des Blutes nicht am pulmonalen Gasaustausch teil, sondern strömt als Shuntblut in den arteriellen Kreislauf ein. Partielle O 2 -Sättigung. Im Gegensatz zu dieser auf das Gesamt-Hb bezogenen O 2 -Sättigung bezeichnet die partielle O 2 -Sättigung (p S O 2 ) den prozentualen (fraktionellen) Anteil des O 2 Hb an der Summe von O 2 Hb und DesoxyHb: O 2 -Bindungskurve > Die O 2 -Sättigung des Hämoglobins hängt vom jeweiligen O 2 -Partialdruck ab (. Tab..). Zu jedem bestimmten po 2 gehört auch eine bestimmte O 2 -Sättigung des Hämoglobins. Diese Beziehung kann durch die O 2 -Bindungskurve graphisch dargestellt werden (. Abb..1).

59.1 Sauerstoff. Tab... Arterieller po 2 (p a O 2 ) und zugehörige O 2 -Sättigung des Hämoglobins bei ph 7,4, p a CO 2 40 mm Hg, 7 C, Hb 15 g/dl p a O 2 [mm Hg] O 2 -Sättigung [%] 10 1 20 6 0 58 40 75 50 84 60 90 80 95 100 97 150 99 Hierzu wird das Blut mit einem Hb-Gehalt von 15 g/dl und einem pco 2 von 40 mm Hg einem Gasgemisch mit unterschiedlichen po 2 -Werten ausgesetzt und nach Äquilibrierung der O 2 -Gehalt der Proben in ml O 2 /100 ml Blut bestimmt. Die Bindungskurve ergibt sich, wenn auf der Abszisse die po 2 -Werte und auf der Ordinate die jeweils zugehörige O 2 -Konzentration (Gesamtmenge, d. h. chemisch gebundener und physikalisch gelöster Sauerstoff) pro Volumen Blut aufgetragen werden. In der Praxis wird anstelle der O 2 -Konzentration meist die O 2 -Sättigung auf der Ordinate eingetragen (. Abb..1). Die Beziehung zwischen O 2 -Sättigung des Hämoglobins und po 2 ist nicht linear, vielmehr verläuft die O 2 -Bindungskurve S-förmig. Dieser Verlauf ist für die Transportfunktion von großer Bedeutung. Auswirkungen des S-förmigen Verlaufs der O 2 -Bindungskurve 4 Im Bereich hoher po 2 -Werte (oberhalb 8 kpa) verläuft die Kurve flach, und eine Zunahme oder ein Abfall der po 2 -Werte in diesem Bereich hat einen nur geringen Einfluss auf die O 2 -Sättigung. Entsprechend wirken sich Schwankungen des normalen alveolären po 2 kaum auf die O 2 -Sättigung des Blutes in den Lungenkapillaren aus. Fällt z. B. bei Vollsättigung des Hb der po 2 um 20 mm Hg, so bleibt die O 2 -Sättigung bei über 90%, und auch der O 2 -Gehalt ändert sich nur wenig. Selbst ein Abfall des arteriellen po 2 von 100 mm Hg auf 60 mm Hg bewirkt lediglich einen Abfall der arteriellen O 2 -Sättigung auf 90%. Bei diesem Wert tritt noch keine Hypoxie der Gewebe auf, sofern die Hämoglobinkonzentration im Normbereich liegt. 4 Im Bereich niedriger po 2 -Werte (< 60 mm Hg) verläuft die Kurve sehr steil: Bereits geringe Anstiege des po 2 führen zu einer starken Zunahme der O 2 -Sättigung und umgekehrt. Dieser Verlauf ist für die O 2 -Abgabe an das Gewebe von Bedeutung: Am venösen Ende der Kapillare 6. Abb..1. O 2 -Dissoziationskurve. Die linke vertikale Achse kennzeichnet die arterielle O 2 -Sättigung, die rechte Achse den arteriellen O 2 -Gehalt. Die O 2 -Bindungskurve verläuft S-förmig, der arterielle Punkt (a) befindet sich im oberen flachen Anteil der Kurve, der venöse Punkt (v) im steilen Anteil. Der Hämoglobingehalt beträgt 15 g/dl. Der physikalisch gelöste O 2 -Anteil (gestrichelte Linien) ist erheblich geringer als der an Hämoglobin gebundene

60 Kapitel Blutgase beträgt der po 2 ca. 40 mm Hg, also an einem Punkt im steilen Bereich der Kurve, in dem bereits geringe Abfälle des po 2 zu einer starken Entsättigung des Hämoglobins führen und entsprechend mehr Sauerstoff für die Gewebe zur Verfügung steht. 4 Bei vollständiger Sättigung des Hämoglobins ist keine weitere chemische Bindung mehr möglich. Eine weitere Steigerung des po 2 führt lediglich zu einer geringfügigen Zunahme der physikalisch gelösten O 2 -Menge. Halbsättigung. Bei einem po 2 von 27 mm Hg beträgt die O 2 -Sättigung des Hämoglobins 50%. Dieser Wert wird als Halbsättigung bezeichnet, der zugehörige O 2 - Partialdruck als p 50. Diese Beziehung gilt aber nur bei normalem Hämoglobingehalt, normaler Körpertemperatur, einem ph-wert von 7,4 und einem pco 2 von 40 mm Hg. Verändern sich diese Faktoren, so verschiebt sich auch die O 2 -Bindungskurve, und zwar entweder nach rechts oder nach links, wobei die Form im Wesentlichen gleich bleibt. Wird die Kurve nach rechts verschoben, nimmt p 50 zu, bei einer Linksverschiebung nimmt p 50 ab (. Abb..2). Verschiebungen der O 2 -Bindungskurve Veränderungen der O 2 -Affinität des Hämoglobins, d. h. der O 2 -Sättigung beim jeweils gegebenen po 2, führen zu Rechts- oder Linksverschiebung der O 2 -Bindungskurve: Rechtsverschiebung der O 2 -Bindungskurve bedeutet: Bei gleichem po 2 wird weniger Sauerstoff vom Hämoglobin gebunden, d. h. die O 2 -Affinität ist vermindert. Allerdings wird der Sauerstoff aus der Hämoglobinbindung auch besser freigesetzt. Eine Rechtsverschiebung tritt auf bei 4 Azidose, 4 pco 2 -Anstieg (Hyperkapnie), 4 Fieber. O 2 -Sättigung in Abhängigkeit vom ph-wert bei einem p a O 2 von 100 mm Hg ph 7,2 SO 2 = 95,2% ph 7,4 SO 2 = 97,2% ph 7,6 SO 2 = 98,5% Linksverschiebung bedeutet: Bei gleichem po 2 kann das Hämoglobin mehr Sauerstoff binden, die Affinität hat somit zugenommen, entsprechend wird der Sauer-. Abb..2. Der Einfluss von ph-wert, Bluttemperatur, pco 2 und 2,-DPG-Konzentration auf die O 2 -Sättigung und den p 50 -Wert des Blutes. (Matthys u. Seeger 2008)

61.1 Sauerstoff stoff schlechter freigegeben. Eine Linksverschiebung der Bindungskurve tritt auf bei: 4 Alkalose, 4 Hypothermie, 4 2,-Diphosphoglycerat(2,-DPG-) Mangel. Einfluss von ph-wert und pco 2 (. Abb..2). Eine Zunahme der H + -Konzentration (Abfall des ph-werts) bewirkt eine Abnahme der O 2 -Affinität des Hämoglobins und damit eine Rechtsverschiebung der Bindungskurve und umgekehrt. Dies gilt in gleicher Weise für eine Zunahme des pco 2 (Rechtsverschiebung) und für eine Hypokapnie (Linksverschiebung). Die Verschiebung der O 2 -Bindungskurve durch Veränderungen der H + -Konzentration und des pco 2 wird als Bohr-Effekt bezeichnet. Der Bohr-Effekt begünstigt die O 2 -Aufnahme in der Lunge, aber auch die O 2 -Abgabe an die Gewebe. In der Lunge nimmt der ph-wert durch die Ausatmung von Kohlendioxid zu, hierdurch wird die Affinität des Hämoglobins für Sauerstoff gesteigert und die Kurve nach links verschoben. Umgekehrt wird in den Geweben durch die CO 2 -Abgabe der pco 2 im Blut gesteigert und der ph-wert erniedrigt, sodass dort aufgrund der Affinitätsabnahme mehr Sauerstoff aus dem Hämoglobin freigesetzt wird, d. h. die Bindungskurve ist nach rechts verschoben. 2,-Diphosphoglycerat (. Abb..2). 2,-Diphosphoglycerat (2,-DPG), das in hoher Konzentration im Erythrozyten vorkommt, vermindert die O 2 -Affinität des Hämoglobins durch bevorzugte Bindung an die β- Kette eines der Tetramere von Desoxyhämoglobin. Die O 2 -Bindungskurve wird hierdurch nach rechts in den physiologischen Bereich verschoben. Bei Fehlen von 2,-DPG ist hingegen die Affinität erhöht und die Kurve nach links verschoben. Anämie. Bei Anämie nimmt der 2,-DPG-Gehalt zu, die O 2 -Bindungskurve wird um ca.,8 mm Hg nach rechts verschoben. Fetales Hämoglobin. Das Molekül des fetalen Hämoglobins weist 2 α- und 2 γ-ketten auf; die Bindungskurve ist im Vergleich mit der des Erwachsenen nach links verschoben, d. h. fetales Blut erfüllt seine Funktionen bei niedrigeren po 2 -Werten (. Abb..). Myoglobin. Der rote Muskelfarbstoff, ähnlich aufgebaut wie eine der 4 Grundeinheiten des Hämoglobins, kann ebenfalls Sauerstoff binden, allerdings jeweils nur 1 Molekül. Die O 2 -Bindungskurve des Myoglobins verläuft hyperbelförmig (. Abb..); eine vollständige O 2 - Sättigung in der quergestreiften Muskulatur wird bereits bei po 2 -Werten von 15 0 mm Hg erreicht.. Abb... O 2 -Bindungskurve von Erwachsenenhämoglobin und fetalem Hämoglobin sowie Kurven für Myoglobin und Carboxyhämoglobin. Das fetale Blut bindet bei gleichem po 2 mehr O 2 als das Erwachsenenhämoglobin, die Bindungskurve ist also nach links verschoben. Myoglobin erreicht seine Vollsättigung mit O 2 bei einem po 2 von 15 0 mm Hg; der größte O 2 -Anteil kann somit nur bei sehr niedrigen po 2 -Werten abgegeben werden. Carboxyhämoglobin kann nur bei sehr niedrigen po 2 - Werten dissoziieren. Auf der normalen O 2 -Bindungskurve des Erwachsenen repräsentiert Punkt A eine schwere Hypoxie, die der sofortigen Behandlung bedarf, Punkt B ist der Schwellenwert für Bewusstseinsverlust

62 Kapitel Blutgase Inaktive Hämoglobinformen Das Eisenatom des Hämoglobins kann nicht nur Sauerstoff, sondern auch andere anorganische Moleküle binden, sodass die O 2 -Aufnahme blockiert wird. Von Bedeutung sind v. a. Kohlenmonoxid und Methämoglobinbildung durch Oxidationsmittel, wie z. B. Nitrat. Kohlenmonoxid (CO). Kohlenmonoxid besitzt eine 00mal größere Affinität zum Hämoglobin als Sauerstoff (. Abb..). Das Molekül verdrängt den Sauerstoff aus seiner Hämoglobinbindung und bindet selbst, reversibel, aber fest, an das zweiwertige Hämeisen; es entsteht Carboxyhämoglobin. > Eine Vergiftung mit Kohlenmonoxid blockiert die O 2 -Aufnahme des Hämoglobins. Zusätzlich wird die O 2 -Bindungskurve nach links verschoben und dadurch die O 2 -Abgabe an die Gewebe beeinträchtigt. Carboxyhämoglobin findet sich besonders im Blut von Rauchern (bis zu 10%) und von Taxifahrern. Methämoglobin. Das zweiwertige Eisen des Häms kann durch Oxidationsmittel wie Nitrite, Nitrate und anilinhaltige Substanzen zum dreiwertigen Eisen oxidiert werden. Hierdurch entsteht Methämoglobin (MetHb), das keinen Sauerstoff binden kann und damit nicht für den O 2 -Transport zur Verfügung steht. Im Körper wird MetHb durch das Enzym Methämoglobinreduktase reduziert..1.4 O 2 -Gehalt und O 2 -Status des Blutes Die wichtigste O 2 -Größe des arteriellen Blutes ist die O 2 -Konzentration bzw. der O 2 -Gehalt, c a O 2 (ml O 2 /dl Blut). Der O 2 -Gehalt ist die Summe von physikalisch gelöstem und chemisch gebundenem Sauerstoff. Er hängt von folgenden arteriellen Größen ab: 4 O 2 -Partialdruck (p a O 2 ) (mm Hg oder kpa), 4 O 2 -Sättigung (S a O 2 ) (%), 4 Hämoglobingehalt (chb) (g/dl). Der O 2 -Gehalt des Blutes kann nach folgender Formel berechnet werden: c a O 2 (ml/dl) = S a O 2 (%)/100 chb (g/dl) 1,4 + (p a O a 0,00) Normalwerte des arteriellen co 2 4 Männer: 20,4 ml/dl 4 Frauen: 18,6 ml/dl Voraussetzungen für einen normalen O 2 -Gehalt sind normale p a O 2 -, S a O 2 - und Hb-Werte. Die Parameter p a O 2, S a O 2, Hb-Gehalt und C a O 2 kennzeichnen den O 2 -Status des Blutes. Störungen des arteriellen O 2 -Status Für die Beschreibung von Störungen des arteriellen O 2 - Status sind folgende Begriffe von Bedeutung: 4 Hypoxie. Abnahme des po 2 an irgendeiner Stelle des O 2 -Transportsystems. Hier ist der arterielle po 2 gemeint. Die arterielle Hypoxie führt zu Hypoxygenation und Hypoxämie. 4 Hypoxygenation. Ungenügende Oxygenierung des Hämoglobins mit Sauerstoff, d. h. Verminderung der arteriellen O 2 -Sättigung. Sie führt zur Abnahme des O 2 -Gehalts (= Hypoxämie). 4 Hypoxämie. Abnahme des arteriellen O 2 -Gehalts. Formen der Hypoxämie Folgende Formen der Hypoxämie, d. h. Abnahme des arteriellen O 2 -Gehalts bzw. der O 2 -Konzentration (c a O 2 ), können unterschieden werden: 4 Hypoxische Hypoxämie. Abnahme von p a O 2, O 2 - Sättigung und O 2 -Gehalt. Beispiel: Störungen der Lungenfunktion, der äußeren Atmung oder der Beatmung. 4 Toxische Hypoxämie. Abnahme der O 2 -Sättigung und des O 2 -Gehalts bei zunächst normalem po 2. Beispiel: CO-Intoxikation (7 s. oben). 4 Anämische Hypoxämie. Verminderung des Hbund O 2 -Gehalts bei normaler O 2 -Sättigung und normalem arteriellem po 2. Beispiel: Anämie. Die verschiedenen Formen der Hypoxämie haben, selbst bei identischer Abnahme der arteriellen O 2 -Konzentration (c a O 2 ), klinisch unterschiedliche Auswirkungen: > Eine anämische Hypoxämie wird wesentlich besser toleriert als eine hypoxische Hypoxämie und diese wiederum besser als eine toxische Hypoxämie. Grund: Hypoxische, toxische und anämische Hypoxie weisen jeweils einen anderen Verlauf der O 2 -Gehaltskurve auf. Diese Kurve beschreibt die Beziehung zwischen O 2 -Gehalt (c a O 2 ) und p a O 2 (zur Erinnerung: Die traditionelle O 2 -Bindungskurve beschreibt die Beziehung zwischen arterieller O 2 -Sättigung und p a O 2 ). Da die O 2 -Versorgung der Gewebe nicht nur vom arteriellen O 2 -Gehalt, sondern auch vom arteriellen po 2 als treibender Kraft für die O 2 -Diffusion aus dem Kapillarblut in die Gewebe abhängt, führt eine Linksverschiebung der O 2 -Gehaltskurve, selbst bei gleichem

6.1 Sauerstoff O 2 -Gehalt, zu einer O 2 -Minderversorgung. Eine solche Linksverschiebung der Kurve tritt bei hypoxischer und toxischer Hypoxämie auf. Demgegenüber ist der Verlauf der Kurve bei akuter Anämie nicht und bei chronischer Anämie nur wenig verändert. Untere Grenzwerte der arteriellen O 2 -Konzentration 4 Hypoxische Hypoxämie: 18 ml/dl: Therapie zu erwägen oder zu beginnen 15 ml/dl: Therapie obligat 4 Toxische Hypoxämie: 17 ml/dl: Therapie zu erwägen oder zu beginnen 14 ml/dl: Therapie obligat 4 Anämische Hypoxämie: 1 ml/dl: Therapie zu erwägen oder zu beginnen 10 ml/dl: Therapie obligat Diese Werte gelten für akute, innerhalb weniger Minuten auftretende Veränderungen. Bei chronischen, sich im Verlauf mehrerer Tage entwickelnden Veränderungen können die Grenzwerte, je nach Einzelfall, bis um 50% niedriger angesetzt werden..1.5 O 2 -Angebot an die Organe Die O 2 -Versorgung der Organe hängt vom O 2 -Angebot mit dem arteriellen Blutstrom ab. Definition O 2 -Angebot = Menge an Sauerstoff, die dem Organismus pro Minute zur Verfügung gestellt wird. Für den Gesamtorganismus ergibt sich das O 2 -Angebot (AO 2 ) aus dem Produkt von Herzzeitvolumen und arteriellem O 2 -Gehalt (c a O 2 ): AO 2 (ml/min) = HZV c a O 2 (ml/dl), 1020 ml/min = 5 l/min 20,4 ml/dl Hieraus folgt: In Ruhe liegt das O 2 -Angebot an die Organe um ein Mehrfaches über dem tatsächlichen O 2 -Bedarf, d. h. es besteht eine große funktionelle Reserve. Das O 2 -Angebot an ein einzelnes Organ wird bestimmt durch die Größe der Organdurchblutung, Q (ml/min), und den O 2 -Gehalt dieses Blutes: AO 2 an das Organ = Q (ml/min) c a O 2 (ml/dl) Zusammengefasst bestimmen folgende Variablen das Gesamt-O 2 -Angebot an die Organe: 4 Herzzeitvolumen, 4 O 2 -Sättigung, 4 Hämoglobingehalt. Wird eine Variable halbiert, so wird auch das O 2 -Angebot halbiert; haben hingegen alle Variablen um 50% abgenommen, so beträgt das O 2 -Angebot nur noch ⅛ des Ausgangswerts von 1020 ml (125 ml/min). Dieser Wert ist mit dem Leben nicht vereinbar. Vielmehr gilt: > Das minimale, für das Überleben erforderliche O 2 -Angebot beträgt in Ruhe 00 400 ml/min. Nach Barcroft führt ein erheblicher Abfall des HZV zur Stagnationsanoxie, ein Abfall der arteriellen O 2 -Sättigung zu einer anoxischen Anoxie und eine Abnahme des Hämoglobingehalts zur anämischen Anoxie. Herzzeitvolumen und gemischtvenöser O 2 -Gehalt. Wie bereits dargelegt, spielt die Größe des Herzzeitvolumens für den O 2 -Transport eine wesentliche Rolle. Ein Abfall des Herzzeitvolumens kann zur Gewebehypoxie führen. Zunächst wird aber vermehrt Sauerstoff aus dem venösen Blut geschöpft: Der O 2 -Ruhebedarf beträgt ca. 250 ml/min, das Herzzeitvolumen ca. 5 l/ min; somit transportiert jeder Liter Blut 250 / 5 = 50 ml Sauerstoff zu den Geweben. Da der O 2 -Gehalt des arteriellen Blutes ca. 200 ml/l beträgt, enthält das aus den Organen abströmende gemischtvenöse Blut 200 50 ml = 150 ml Sauerstoff pro Liter bzw. 15 Vol.-%. Bei gleichem c a O 2 fällt demnach der gemischtvenöse po 2 ab, wenn das Herzzeitvolumen abfällt, und umgekehrt vorausgesetzt, der O 2 -Verbrauch bleibt unverändert. Die Bestimmung des gemischtvenösen O 2 -Gehalts und des po 2 ermöglicht daher innerhalb gewisser Grenzen Aussagen über die O 2 -Versorgung. Beziehung zwischen O 2 -Angebot und O 2 -Verbrauch Das Verhältnis von O 2 -Angebot (AO 2 ) zu O 2 -Verbrauch (V O 2 ) wird als O 2 -Extraktion bezeichnet und in% angegeben. Die gemischtvenöse O 2 -Sättigung ergibt sich aus der arteriellen O 2 -Sättigung minus der O 2 -Extraktion. Unter Ruhebedingungen, bei einem arteriellen O 2 -Angebot von 1 000 ml/min und einem O 2 -Ver-

64 Kapitel Blutgase brauch von 250 ml/min, beträgt die O 2 -Extraktion 25%. Bei einer arteriellen O 2 -Sättigung von 97% ergibt sich demnach eine gemischtvenöse O 2 -Sättigung von 97 25% = 72%. Bei einem mäßigen Abfall des O 2 -Angebots gleich welcher Ursache wird der O 2 -Verbrauch aufrechterhalten, und zwar durch Zunahme der O 2 -Extraktion aus dem Blut. Hierdurch nimmt die gemischtvenöse O 2 -Sättigung ab. Erst bei Überschreiten eines kritischen Schwellenwertes des O 2 -Angebots besteht eine lineare Beziehung zwischen O 2 -Angebot und O 2 -Verbrauch, und es entwickelt sich eine Hypoxie mit anaerobem Metabolismus und Bildung von Laktat. O 2 -Speicher. Die O 2 -Vorräte des Organismus sind bei Atmung von Raumluft außerordentlich gering (. Tab..4) und reichen in Ruhe nicht einmal aus, den O 2 -Bedarf für min zu decken. Wird daher die O 2 -Zufuhr vollständig unterbrochen, so tritt innerhalb weniger Minuten der Tod ein. Auch ein Abfall des alveolären oder arteriellen po 2 wirkt sich sofort ungünstig auf die O 2 -Speicher aus; zudem können die Speicher nur teilweise entleert werden, weil der po 2 in einen kritischen Bereich abfällt. So sind bei einem po 2 von 26 mm Hg noch 50% des Blutsauerstoffs vorhanden, und auch das Myoglobin kann bei einem po 2 von 20 mm Hg (2,7 kpa) nur noch sehr wenig Sauerstoff abgeben. Durch Atmen von reinem Sauerstoff können die O 2 -Speicher wesentlich erhöht werden, wobei der überwiegende Anteil des Sauerstoffs im Alveolargas gespeichert wird (. Tab..). Von hier können dann bis zu 80% entnommen werden, ohne dass der po 2 unterhalb des Normwerts abfällt. Sind die O 2 -Speicher durch wenige Minuten Voratmen von Sauerstoff maximal gefüllt, so steht beim Gesunden eine Apnoezeit von mindestens 8 min zur Verfügung, innerhalb derer keine Hypoxie auftritt.. Tab..4. O 2 -Vorräte des Organismus Bei Atmung von Raumluft Bei Atmung von 100% O 2 Lunge (FRK) 450 ml 000 ml Blut 850 ml 950 ml In Flüssigkeit gelöst 50 ml 100 ml? An Myoglobin gebunden 200 ml? 200 ml? Gesamt 1550 ml 4250 ml Herzstillstand. Beim Herzstillstand wird der Sauerstoff in den Geweben und dem stagnierenden Kapillarblut rasch entleert, und es entwickelt sich eine Hypoxie; bereits nach 10 s tritt Bewusstlosigkeit ein. Außerdem werden Produkte des anaeroben Stoffwechsels gebildet. Atemstillstand. Bei Apnoe nach vorangegangener Atmung von Raumluft fällt der alveoläre po 2 rasch ab; und entsprechend schnell entwickelt sich eine Anoxie, v. a. bei gesteigertem O 2 - Verbrauch. Bei Voratmung von reinem Sauerstoff über einige Minuten und nachfolgendem Anschluss an eine O 2 -Quelle während der Zeit des Atemstillstands wird der arterielle po 2 hingegen über einen langen Zeitraum aufrechterhalten. Diese Technik wird als apnoische Oxygenierung bezeichnet. Allerdings kommt es hierunter zum Anstieg des p a CO 2..2 Kohlendioxid.2.1 Herkunft von Kohlendioxid Kohlendioxid ist das Endprodukt des oxidativen (aeroben) Stoffwechsels: Pro verbrauchtem O 2 -Molekül entstehen etwa 0,8 Moleküle Kohlendioxid. Die Bildung von Kohlendioxid erfolgt nahezu ausschließlich in den Mitochondrien der Zelle; entsprechend ist hier der pco 2 am höchsten. Vom Ort seiner Entstehung diffundiert das physikalisch gelöste Kohlendioxid durch das Zytoplasma und den Extrazellulärraum in das Kapillarblut. Hierfür ist ein Druckgradient zwischen Gewebe und Blut erforderlich; dieser Gradient ist wesentlich kleiner als für Sauerstoff: In der Zelle beträgt der pco 2 ca. 46 mm Hg, im arteriellen Blut ca. 40 mm Hg; die Partialdruckdifferenz für die Diffusion beträgt somit 6 mm Hg. Ist das Kohlendioxid aus dem Gewebe in das Blut gelangt, so wird es dort in seine Transportformen überführt: Der größte Teil wird chemisch gebunden, nur ein geringer Teil bleibt in physikalischer Lösung. Mit dem Blut gelangt das Kohlendioxid in seinen verschiedenen Transportformen zur Lunge, wo die Ausscheidung erfolgt: in Ruhe pro Minute etwa 200 ml (8,98 mmol). Für die Ausatmung ist ebenfalls ein Partialdruckgradient zwischen gemischtvenösem pco 2 und Alveolen erforderlich. Der gemischtvenöse pco 2 befindet sich bei 46 mm Hg im Gleichgewicht mit dem Gewebe-pCO 2. Der alveoläre pco 2 beträgt 40 mm Hg, der Partialdruckgradient zwischen gemischtvenösem Blut (pco 2 46 mm Hg) entsprechend 6 mm Hg.

.2 Kohlendioxid 65.2.2 Transport von Kohlendioxid im Blut Der Transport von Kohlendioxid im Blut erfolgt zu ca. 90% in chemischer Bindung, der Rest in physikalischer Lösung (. Tab..5 und. Abb..4). Folgende Transportformen liegen im Blut vor: 4 physikalische Lösung: ca. 12%, 4 Bikarbonat: ca. 50% im Erythrozyten und ca. 27% im Plasma, 4 Carbamat: ca. 11%. Kohlendioxid wird im Blut chemisch gebunden als Bikarbonat und als Carbamat transportiert, zu einem geringen Teil in gelöster Form. Desoxygeniertes Blut bindet mehr Kohlendioxid als oxygeniertes. Hierdurch wird die CO 2 -Aufnahme aus den Geweben in das Blut und die CO 2 -Abgabe aus dem Blut in die Alveolen gefördert. Kohlendioxid ist wie Sauerstoff eine nichtpolare Verbindung und damit hydrophob; hieraus erklärt sich die geringe Wasserlöslichkeit beider Gase. Zwar ist Kohlendioxid im Blut 20mal besser löslich als Sauerstoff, jedoch reicht die physikalische Lösung bei weitem nicht aus, um die im Stoffwechsel produzierten großen Mengen in dieser Form zur Lunge zu transportieren. Transport in physikalischer Lösung Aufgrund der fortlaufenden CO 2 -Produktion ist der CO 2 -Partialdruck in der Zelle höher als im Kapillarblut der Gewebe, sodass die CO 2 -Moleküle entlang dem Druckgradienten in das Kapillarblut diffundieren. Nur ein sehr geringer Teil bleibt aber physikalisch im Plasma gelöst. Nach dem Henry-Gesetz kann die Konzentration des physikalisch gelösten Kohlendioxid errechnet werden: CO 2 -Konzentration in der Lösung = α pco 2 α Löslichkeitskoeffizient von Kohlendioxid in mmol/l/mm Hg. Tab..5. Anteil der verschiedenen CO 2 -Formen im arteriellen und gemischtvenösen Blut (mmol/l) Arteriell Hb 95% O 2 -Sättigung Gemischtvenös Hb 70% O 2 -Sättigung Vollblut pco 2 (mm Hg) 40 46 (kpa) 5, 6,1 Gesamtkohlendioxid (mmol/l) 21,5 2, (ml/dl) 48,0 52,0 Plasma (mmol/l) gelöster Sauerstoff 1,2 1,4 Kohlensäure (H 2 CO ) 0,0017 0,002 Bikarbonat (HCO ) 24,4 26,2 Carbamatkohlendioxid vernachlässigbar vernachlässigbar Gesamt 25,6 27,6 Erythrozyten (Fraktion von 1 l Blut) gelöstes Kohlendioxid 0,44 0,51 Bikarbonat 5,88 5,92 Carbamatkohlendioxid 1,10 1,70 Plasma (Fraktion von 1 l Blut) gelöstes Kohlendioxid 0,66 0,76 Bikarbonat 1,42 14,41

66 Kapitel Blutgase. Abb..4. Chemische Reaktionen im Erythrozyten beim Gasaustausch im Gewebe (oben) und in der Lunge (unten). (Mod. nach Schmidt et al. 2005) Die Löslichkeit von Kohlendioxid hängt von der Körpertemperatur ab: Mit abfallender Temperatur nimmt die Löslichkeit zu und umgekehrt. Bei einer Temperatur von 7 C beträgt die Löslichkeit von Kohlendioxid 0,008 mmol/l/mm Hg. Umwandlung von Kohlendioxid in Bikarbonat Nur ein geringer Anteil des im Plasma befindlichen Kohlendioxids wird dort sehr langsam hydratisiert, weil hierfür kein Enzym zur Verfügung steht. Der größte Teil diffundiert vielmehr aus dem Plasma in die Erythrozyten. Dort erfolgt unter der enorm beschleunigenden Wirkung der Karboanhydrase, eines Enzyms, das sich in den Erythrozyten und im Endothel befindet, die Reaktion mit Wasser zu Kohlensäure (Hydratation), die sofort in Bikarbonationen (Hydrogenkarbonat) und Protonen dissoziiert. CO 2 + H 2 O H 2 CO HCO + H + Durch diese Reaktion nimmt die Konzentration von Bikarbonat im Erythrozyten zu, und es entsteht ein Konzentrationsgefälle zwischen Erythrozyt und Plasma. Das negativ geladene Bikarbonation kann aber den Erythrozyten nur verlassen und in das Plasma diffundieren, wenn das elektrische Ladungsgleichgewicht erhalten bleibt und ein Anion aus dem Plasma in den Erythrozyten übertritt (Kationen können die Membran nicht passieren). Ein solches Anion ist das Cl -Ion; dieses Ion diffundiert im Austausch gegen Bikarbonat in den Erythrozyten, ein Vorgang, der als Chloridshift oder Hamburger-Verschiebung bezeichnet wird. Wie aus der obigen Gleichung ersichtlich ist, entstehen bei der Bikarbonatbildung laufend H + -Ionen. Sie werden von Hämoglobin abgepuffert, sodass der ph- Wert sich nicht wesentlich ändert. Im Gewebe wird die Pufferung durch die gleichzeitige Abgabe von Sauerstoff aus dem Hb-Molekül begünstigt, denn desoxygeniertes Hämoglobin weist eine geringere Azidität auf als oxygeniertes, sodass zusätzlich H + -Ionen aufgenommen und auch mehr Bikarbonationen aus Kohlendioxid gebildet werden können. Carbamatkohlendioxid Ein sehr geringer Teil des gelösten Kohlendioxids (5%) reagiert direkt mit Aminogruppen des Hämoglobins zu Carbamat bzw. Carbaminohämoglobin: Hb NH 2 + CO 2 = Hb NHCOO + H +

.2 Kohlendioxid 67 Karboanhydrase ist bei dieser Reaktion nicht erforderlich. Wie bei Bikarbonat kann desoxygeniertes Hämoglobin mehr Kohlendioxid binden als oxygeniertes; entsprechend ist der Carbamat-CO 2 -Anteil im venösen Blut höher als im arteriellen (Haldane-Effekt)..2. CO 2 -Bindungskurve des Blutes Die CO 2 -Bindungskurve beschreibt die Beziehung zwischen dem CO 2 -Gehalt aller Formen, also dem gesamten CO 2 -Gehalt und dem CO 2 -Partialdruck des Blutes (. Abb..5). Im Gegensatz zur O 2 -Bindungskurve weist diese Kurve keine Sättigungscharakteristik auf, nähert sich also keinem Maximalwert. Je höher der CO 2 -Partialdruck, desto mehr Kohlendioxid wird in Form von Bikarbonat gebunden. Im Gegensatz zur S-förmigen O 2 -Bindungskurve besteht im physiologischen Bereich im Wesentlichen eine lineare Beziehung zwischen pco 2 und CO 2 -Bindung. Auch verläuft die CO 2 -Bindungskurve im oxygenierten bzw. arteriellen Blut anders als im desoxygenierten bzw. venösen Blut, denn, wie bereits dargelegt, vermag desoxygeniertes Hämoglobin als schwächere Säure mehr Kohlendioxid zu binden als das oxygenierte Hämoglobin. Dieses Phänomen, nämlich die Abhängigkeit der CO 2 -Bindung vom Oxygenierungsgrad des Hämoglobins, wird als Haldane-Effekt bezeichnet. Bedeutung des Haldane-Effekts. Der Haldane-Effekt fördert nicht nur die Aufnahme von Kohlendioxid aus den Geweben in das Blut, sondern auch die Abgabe aus dem Blut in die Alveolen. Im Gewebe wird dem zunächst vollständig oxygenierten Kapillarblut fortlaufend Sauerstoff entnommen, und es entsteht zunehmend mehr desoxygeniertes Hämoglobin. Entsprechend nimmt die CO 2 -Bindungsfähigkeit des Blutes und die CO 2 -Aufnahme in die Gewebekapillaren zu. Umgekehrt in der Lunge: Hier wird ständig Sauerstoff aufgenommen, die Oxygenierung des Hämoglobins nimmt fortlaufend zu und die CO 2 -Bindungsfähigkeit des Blutes entsprechend ab; der pco 2 steigt an, und die Diffusion von Kohlendioxid in die Alveolen nimmt zu. Andere Einflüsse auf die CO 2 -Bindungskurve. Abgesehen vom Haldane-Effekt wird die CO 2 -Bindungskurve noch durch andere Faktoren beeinflusst. Hierzu gehören v. a. der ph-wert und die Körpertemperatur:. Abb..5. CO 2 -Bindungskurven für oxygeniertes und desoxygeniertes Blut. Die Kurve zwischen den Punkten a (arterielles Blut) und v (venöses Blut) ist die effektive CO 2 -Bindungskurve; sie bestimmt den Gasaustausch. (Mod. nach Schmidt et al. 2005)

68 Kapitel Blutgase > Erniedrigung des ph-werts und Anstieg der Körpertemperatur verschieben die CO 2 -Bindungskurve nach zum Anstieg des pco 2. Wie stark der pco 2 hierbei an- Hypoventilation. Eine ungenügende Ventilation führt rechts: Die CO 2 -Bindung nimmt ab. Umgekehrt steigern ph-wert-anstieg und Abfall der Körpertemperawechsel ab. Da die CO 2 -Produktion der einzige Faktor steigt, hängt direkt von der CO 2 -Produktion im Stofftur die Bindungsfähigkeit. ist, der den pco 2 direkt erhöht, verläuft der CO 2 -Anstieg nicht etwa spiegelbildlich zum steilen Abfall des pco 2 bei Hyperventilation und unveränderter Stoffwechselaktivität, sondern viel langsamer. Klinisch ist.2.4 Diffusion von Kohlendioxid durch Membranen Folgendes wichtig: Von großer Bedeutung ist die Diffusionsfähigkeit von Kohlendioxid: Während die verschiedenen Membranen für H + -Ionen undurchlässig sind, kann Kohlendioxid diese Membranen ungehindert passieren. Daher wird die intrazelluläre H +- Ionenkonzentration nur wenig von extrazellulären Veränderungen des ph-werts beeinflusst, reagiert aber auf Veränderungen des pco 2 : Kohlendioxid diffundiert durch die Membranen in die Zellen, wird dort hydratisiert und ionisiert und produziert H-Ionen. Hierdurch ändert sich auch der intrazelluläre ph-wert..2.5 CO 2 -Speicher Der Körper enthält ca. 120 l Kohlendioxid und Bikarbonat etwa das 120-Fache des O 2 -Vorrats. Das Kohlendioxid befindet sich in verschiedenen Kompartimenten des Organismus: 4 rasches Kompartiment: zirkulierendes Blutvolumen, Gehirn, Niere und andere gut durchblutete Organe, 4 mittleres Kompartiment: Skelettmuskeln (in Ruhe) und andere Gewebe mit mäßiger Durchblutung, 4 langsames Kompartiment: Knochen, Fett und andere Gewebe mit großer CO 2 -Kapazität. Jedes Kompartiment besitzt seine eigene Zeitkonstante; hierbei puffern die mittleren und langsamen Kompartimente Veränderungen im raschen Kompartiment. Ändert sich daher die Atmung, so ändert sich die CO 2 - Konzentration nur langsam: Erst nach 20 0 min wird ein neuer Gleichgewichtszustand erreicht. Demgegenüber werden die O 2 -Speicher bei O 2 -Mangel sehr rasch entleert. Hyperventilation. Bei Hyperventilation nimmt die CO 2 -Konzentration in allen Kompartimenten ab, am raschesten im schnellen Kompartiment, erkennbar am Abfall des arteriellen pco 2. Wie rasch der pco 2 sich ändert, hängt v. a. von der Größe der Ventilation und der Kapazität der CO 2 -Speicher ab. > Bei unveränderter Stoffwechselaktivität bzw. CO 2 -Produktion und Atemstillstand steigt der arterielle pco 2 um 6 mm Hg/min an. Dieser Verlauf beruht auf der CO 2 -Produktion und der Kapazität der CO 2 -Speicher. Bei Hypoventilation ist die Geschwindigkeit des pco 2 -Anstiegs geringer. Bei schrittweiser Reduktion der Atmung ist der pco 2 -Anstieg hingegen rascher, wenn der vorausgegangene pco 2 nur für kurze Zeit aufrecht erhalten wurde. Im Vergleich zu dem eher langsamen pco 2 -Anstieg bei Atemstillstand oder Hypoventilation fällt der po 2 in der gleichen Situation wesentlich rascher ab, sodass auch das Pulsoxymeter bei Atmung von Raumluft eine akute Hypoventilation meist rascher anzeigt als das Kapnometer. CO 2 -Insufflation bei Laparoskopie. Entgegen häufig geäußerten Befürchtungen steigt der arterielle pco 2 trotz Insufflation größerer Mengen von Kohlendioxid in die Bauchhöhle nicht wesentlich an vorausgesetzt, der Patient wird ausreichend beatmet! Literatur Andrews T, Waterman H (2008) What factors influence arterial blood gas sampling patterns? Nurs Crit care 1 (): 12 17 Malley WJ (2005) Clinical blood gases text and e-book package, 2nd edn. Elsevier, München Matthys H, Seeger W (Hrsg) (2008) Klinische Pneumologie. Springer, Berlin Heidelberg New York Rowe KJ, Arrowsmith JE (2007) Interpretation of measurements of arterial blood gases. Surgery 25 (9): 75 79 Schmidt RF, Lang F (2007) Physiologie des Menschen, 0. Aufl. Springer, Berlin Heidelberg New York Schmidt RF, Thews G, Lang F (2005) Physiologie des Menschen, 29. Aufl. Springer, Berlin Heidelberg New York Singer D (2008) Kapilläre Blutgasanalyse in der Pädiatrie. Padiat Prax 71 (4): 60 62 Smith A, Taylor C (2008) Analysis of blood gases and acid-base balance. Surgery 26 ():86 90 Tan S, Campbell M (2008) Acid-base physiology and blood gas interpretation in the neonate. Paediat Child Health 18 4: 172 177

http://www.springer.com/978--540-88811-6