Unfalluntersuchungsstelle Bahnen und Schiffe UUS Service d enquête sur les accidents des transports publics SEA Servizio d inchiesta sugli infortuni dei trasporti pubblici SII 14. Februar 2011 Reg. Nr.: 10050502 Schlussbericht der Unfalluntersuchungsstelle Bahnen und Schiffe über die Kollision zwischen einem Tanklastwagen und einem Zug der AAR bus + bahn (Wynental- und Surentalbahn) vom Mittwoch, 05. Mai 2010 in Unterentfelden, Erlifeldstrasse Unfalluntersuchungsstelle Bahnen und Schiffe UUS Monbijoustrasse 51A 3003 Bern Tel. +41 31 322 54 30 Fax +41 31 323 00 76 info@uus.admin.ch www.uus.admin.ch
Dieser Bericht wurde ausschliesslich zum Zweck der Verhütung von Unfällen beim Betrieb von Eisenbahnen, Seilbahnen und Schiffen erstellt. Die rechtliche Würdigung der Umstände und Ursachen von Unfällen ist nicht Gegenstand der vorliegenden Untersuchung gemäss Art. 25 der Verordnung über die Meldung und Untersuchung von Unfällen und schweren Vorfällen beim Betrieb öffentlicher Verkehrsmittel (VUU, SR 742.161). 0 ALLGEMEINES 0.1 Kurzdarstellung Am Mittwoch, 05. Mai 2010 um ca. 15.28 Uhr kollidierte Zug 544 der WSB ca. 340m nach der Haltestelle Distelberg in Fahrtrichtung Unterentfelden auf der mit Lichtsignalen gesicherten Kreuzung mit einem von der Hauptstrasse rechts in die Erlifeldstrasse abbiegenden Tanklastwagen. Es gab keine verletzten Personen; es entstand jedoch grosser Sachschaden am Rollmaterial der WSB, der Lichtsignalanlage der Strasse und am LKW. Haltestelle Distelberg Aarau Kreuzung Hauptstrasse/Erlifeldstrasse Seite 2 von 13
0.2 Untersuchung Die Untersuchungsstelle UUS wurde gleichentags um 16:04Uhr durch die Meldestelle REGA über das Ereignis informiert. Der Untersuchungsleiter im Nebenamt, Ulrich Baumann, nahm unverzüglich mit den verantwortlichen Personen von Bahn und Polizei Kontakt auf. Da die Unfallsituation für alle klar war, rückte er nicht sofort an den Unfallort aus. Der Untersuchungsbericht der UUS fasst die Ergebnisse der durchgeführten Untersuchungen zusammen. 1. FESTGESTELLTE TATSACHEN 1.1 Vorgeschichte Nach einer Kurzpause übernahm der Lokführer den Zug im Bahnhof Aarau. Alle Systeme funktionierten einwandfrei. Die Fahrt bis zur Abfahrt von der Haltestelle Distelberg um 15:27 Uhr verlief ohne besondere Vorkommnisse. 1.2 Verlauf der Fahrt Nach dem Fahrgastwechsel an der Haltestelle Distelberg fuhr der Lokführer Richtung Unterentfelden ab. Ca. 30 bis 50 m vor dem Zug fuhr auf der parallel zum Bahngleis laufenden Hauptstrasse ein Tanklastwagen in gleicher Richtung. Bei der Kreuzung Hauptstrasse/Erlifeldstrasse bog der LKW unmittelbar vor dem Zug nach rechts ab. Der Zug war noch ca. 35 m von der Kreuzung entfernt und fuhr mit einer Geschwindigkeit von 47,8 km/h. Der Lokführer betätigte das Signalhorn und leitete sofort die Schnellbremsung ein (Anlage 1). Trotzdem wurde der LKW am hinteren Teil erfasst. Die Wucht des Aufpralls stiess den LKW seitwärts weg. Dadurch wurde er gedreht und zwischen Zug und dem Mast der Strassensignalanlage eingeklemmt. Der Zug kam erst ungefähr in der Mitte der Strassenkreuzung zum Stillstand. Durch die Wucht der Kollision wurde er rechts ca. 10 cm aus dem Gleis gehoben. Verletzt wurde niemand. Am LKW, an der Signalanlage und am Fahrzeug der WSB gab es Sachschaden. Gemäss Zeugenaussagen funktionierte die Signalanlage auf Seite Erlifeldstrasse normal. Bild 1 Gelber Pfeil: Fahrtrichtung des Zugs WSB 544 Roter Pfeil: Fahrtrichtung des LKW Seite 3 von 13
Bild 2 Bild 3 Der eingeklemmte LKW Schäden an der Komp. der WSB 1.3 Personenschäden Bei der Kollision wurde niemand verletzt. 1.4 Sachschäden am Rollmaterial und an der Infrastruktur des Bahnunternehmens Rollmaterial An der Komposition Nr. 29 der WSB entstand ein Schaden von ca. Fr. 80'000. Infrastruktur An der Infrastrukturanlage der WSB entstand nur geringer Schaden. 1.5 Sachschäden Dritter Der am Unfall beteiligte LKW wurde im hinteren Teil stark beschädigt. Die Strassen-Lichtsignalanlage wurde erheblich beschädigt, Schaden ca. Fr. 70'000.- 1.6 Beteiligte Personen Lokpersonal Lokführer WSB; Ausweis Nr., Kat. C, ausgestellt am Zugbegleiter Zug 544 WSB verkehrte ohne Zugbegleitung. Reisende Ca. 40 50 Personen, Personalien nicht ermittelt. Dritte LKW Chauffeur Seite 4 von 13
1.7 Schienenfahrzeuge Eigentümer: Wynental- und Suhrentalbahn AAR bus+bahn, Postfach 4331, 5001 Aarau Zugskomposition: ABe 4/8 Nr. 29 Zugsgewicht: Bremsgewicht: Zugreihe / Bremsverhältnis: Ausgeschaltete Bremsapparate: 1.8 Strassenfahrzeuge 57 Tonnen 63 Tonnen 110% keine Folgendes Strassenfahrzeug war am Ereignis beteiligt: / MAN 26.464 (Tanklastwagen) Halter: Transporte AG, 5033 Buchs AG 1.9 Wetter, Schienenzustand Tag; bedeckt, regnerisch; Schienen nass 1.10 Bahnsicherungssysteme Die Strecke Aarau Schöftland ist mit ZSL 90 ausgerüstet. Das Triebfahrzeug ist ebenfalls mit dem Sicherheitssystem ZSL 90 ausgerüstet. Die Bahnsicherungssysteme haben normal funktioniert. Die Strassenkreuzung ist mit einer Blinklichtanlage ausgerüstet. 1.11 Zug- und Rangierfunk Das Triebfahrzeug ist mit dem Zugfunk Telecar 9 AEG ausgerüstet. Die Funkgespräche werden aufgezeichnet. Die Funkgespräche sind für den Unfallablauf nicht relevant. 1.12 Bahnanlagen Die Kollision ereignete sich auf dem einspurigen Streckengleis beim Bahnübergang Erlifeldstrasse (mit Lichtsignalanlage gesichert) zwischen den Haltestellen Distelberg und Unterentfelden Post. Das Streckengleis verläuft (in Fahrtrichtung) rechts parallel zur Hauptstrasse. Für die Bahn hat es keine speziellen Signale, der freie Fahrweg wird dem Lokführer über den Linienleiter angezeigt. Mindestens 1 Minute vor Durchfahrt des Zugs werden die Strassensignale über einen Gleisisolierungsabschnitt so geschaltet, dass von der Hauptstrasse das Abbiegen Richtung Gleise mittels Rotlicht untersagt wird. Falls ein Defekt an der Signalanlage auftritt wird der Zug automatisch über ZSL 90 gestoppt. Seite 5 von 13
Bild 4 Signalisation bei Durchfahrt eines Zugs 1.13 Fahrdatenschreiber Der Triebzug ABe 4/8 Nr. 29 ist mit einer elektronischen Geschwindigkeitsmessanlage Hasler Teloc 2200 ausgerüstet. Die Fahrdaten werden elektronisch aufgezeichnet. Sie wurden durch die Verkehrsunternehmung ausgelesen und durch die Verkehrsunternehmung zusammen mit der UUS ausgewertet. Die Auswertung der Fahrdaten ergab, dass der Lokführer unmittelbar vor dem Ereignis mit einer Geschwindigkeit von 48 km/h gefahren ist und somit die vorgeschriebene Geschwindigkeit von 55 km/h für diesen Streckenabschnitt eingehalten hat. Der Lokführer hat die Schnellbremsung korrekt eingeleitet. Der Anhalteweg betrug 43 m (verkürzt infolge der Kollision). 1.14 Befunde an den Bahnfahrzeugen Das Fahrzeug Nr. 29 konnte vom Untersuchungsleiter nicht mehr visuell begutachtet werden, da es sich schon in Reparatur befand. Anlässlich der Besichtigung der Unfallstelle am 20.07.10 durch den Untersuchungsleiter wurden dafür verschiedene Fahrzeuge sowie ein Teil der Infrastruktur der WSB visuell kontrolliert. Die Kontrolle führte zu keinen Beanstandungen. 1.15 Medizinische Feststellungen 1.16 Feuer In Bezug auf medizinische Beschwerden der am Unfall beteiligten Personen ist nichts bekannt. Durch die Polizei wurde beim Lokführer und beim Chauffeur ein Atemlufttest durchgeführt. Die Befunde bei beiden Personen waren negativ (0,0 ). Beim Ereignis trat kein Feuer auf. 1.17 Besondere Untersuchungen Das richtige Funktionieren der Anlage wurde durch den Spezialisten des Departements Bau des Kt. Aargau am Unfalltag überprüft. Die Ergebnisse zeigen, dass die Anlage fehlerlos funktioniert hat (Anlagen 2a c). Die Auswertung der Computer- Aufzeichnungen zeigt, dass zur Unfallzeit für den Zug der WSB freie Fahrt und für den LKW Halt signalisiert waren. Seite 6 von 13
1.18 Information über Organisation und Verfahren Beim Zug 544 handelt es sich um einen regelmässig verkehrenden, im amtlichen Kursbuch aufgeführten Reisezug von Aarau (planmässige Abfahrt um 15:24Uhr) nach Schöftland (planmässige Ankunft um 15:44 Uhr). 1.19 Verschiedenes Das Ereignis wird seitens der Strafverfolgungsbehörden durch die Kantonspolizei Aargau untersucht. Bei den Untersuchungen des Ereignisses durch die UUS ist beim Lokführer kein Verstoss gegen arbeitsrechtliche Bestimmungen festgestellt worden. Der Chauffeur des LKW kann sich gemäss eigenen Aussagen nicht an das rote Signal der Lichtsignalanlage für Rechtsabbieger erinnern. 2. BEURTEILUNG 2.1 Technisches Auf Grund der Fahrdatenaufzeichnung kann festgehalten werden, dass die Bremsen des Schienenfahrzeugs richtig funktioniert haben. Der Ereignisspeicher-Rechner der Lok Be 29 (Anlage 4) zeigt für die Unfallzeit keine Aufzeichnung auf. Daraus folgt, dass für den Zug freie Fahrt über die Kreuzung eingestellt war. Die Lichtsignalanlage hat zur Unfallzeit die Phasen korrekt angezeigt. 2.2 Betriebliches Der Lokführer des Zugs 544 hat sich korrekt verhalten: bei Erkennen der Gefahr hat er ein Achtungssignal abgegeben und die Schnellbremsung eingeleitet. 2.3 Strassenseitig Das Andreaskreuz über den Lichtsignalen auf der rechten Strassenseite ist genau in der Mitte der Signale für geradeaus und linksabbiegen angeordnet (Siehe Bild 1). Es gibt auch keinen Pfeil der präzisiert, für welches Signal das Andreaskreuz gilt. 3. Schlussfolgerungen 3.1 Befunde Die Reaktion des Lokführers war korrekt, nach Erkennen der Gefahr hat er sofort einen Achtungspfiff abgegeben und die nötige Schnellbremsung eingeleitet. Die Aussage eines Zeugen, dass die Lichtsignalanlage normal funktioniert hat, und die Tatsache, dass der Zug nicht über den Linienleiter (ZSL 90) gestoppt wurde, lässt den Schluss zu, dass der Chauffeur des LKW das Lichtsignal nicht beachtet hat. Falls ein Defekt an der Signalanlage auftritt wird der Zug automatisch über ZSL 90 gestoppt. 3.2 Ursache Die Kollision ist darauf zurückzuführen, dass der LKW-Chauffeur unmittelbar vor dem herannahenden Zug von der Hauptstrasse in die Erlifeldstrasse abgebogen ist. Seite 7 von 13
4. SICHERHEITSEMPFEHLUNGEN Offensichtlich lassen die Strassenverhältnisse der Hauptstrasse Richtung Unterentfelden bei der Kreuzung Hauptstrasse/Erlifeldstrasse keine vollkommene Trennung der Fahrspuren zu. Das Lichtsignal hat aber für alle drei Fahrrichtungen eine eigene Anzeige. Dies kann vor allem für Rechtsabbieger zu Missverständnissen führen. Es ist deshalb in Zusammenarbeit mit dem Kanton Aargau zu prüfen, ob für die Rechtsabbieger eine separate, getrennte Spur eingerichtet werden kann. Zudem ist zu prüfen, ob das Andreaskreuz über den Lichtsignalen an der rechten Strassenseite besser platziert werden oder durch ein Zusatzsignal verständlicher gemacht werden kann. 14. Februar 2011 Untersuchungsstelle Bahnen und Schiffe Fotos: Nr. 2 + 3 Nr. 1 + 4 (WSB) (UUS) Seite 8 von 13
Anlage 1 Geschwindigkeitsaufzeichnung von ABe 4/8 Nr. 29 Haltestelle Distelberg V max. A = Pfeife B = Notbremse E = Führerstand 2 Seite 9 von 13
Auszug aus dem Untersuchungsbericht des Baudepartements des Kt. Aargau (Bericht) Anlage 2a Seite 10 von 13
Auszug aus dem Untersuchungsbericht des Baudepartements des Kt. Aargau (Situationsplan) Anlage 2b Seite 11 von 13
Auszug aus dem Untersuchungsbericht des Baudepartements des Kt. Aargau (Signalzeiten-Diagramm) Anlage 2c Dunkle Linie = freie Fahrt (Grünphase) Punktierte Linie = Fahrzeug hat sich angemeldet, Ampel steht auf rot 15 = abbiege Spur des LKW 561 = Spur des WSB Seite 12 von 13
Anlage 4 Ereignisspeicher Rechner der Lok Be 29 Seite 13 von 13