VERBAND DER CHEMISCHEN INDUSTRIE e.v.

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Transkript:

VERBAND DER CHEMISCHEN INDUSTRIE e.v. Ausführungen von Herrn Kurt Bock, Präsident des Verbandes der Chemischen Industrie (VCI), am 12. Juli 2018 auf der Halbjahrespressekonferenz in Frankfurt (Es gilt das gesprochene Wort) I. Wirtschaftliche Lage der Branche Sehr geehrte Damen und Herren, unsere Branche kann 2018 bislang eine erfreuliche Bilanz vorweisen. Der Aufschwung im deutschen Chemiegeschäft hat sich in der ersten Jahreshälfte fortgesetzt. Die aktuelle Geschäftslage wird überwiegend positiv bewertet. Aber die Entwicklung ist offensichtlich: Das Tempo des Wachstums hat nachgelassen. Gleichzeitig haben die konjunkturellen Risiken zugenommen, der Gegenwind wird stärker. Die inländische Industriekonjunktur hat nach dem rasanten Aufschwung des Vorjahres im ersten Halbjahr an Dynamik eingebüßt. Gleiches gilt für die europäischen Nachbarländer. In Übersee profitierten die Unternehmen zwar weiterhin von einer robusten Nachfrage aus China, einer Belebung der Wirtschaft in den USA sowie einer Stabilisierung in Brasilien, Russland und anderen Schwellenländern. Doch auch hier fielen die Zuwächse zuletzt niedriger aus. Kommen wir zu den konkreten Zahlen: Produktion Die Produktion der chemisch-pharmazeutischen Industrie in Deutschland stieg im ersten Halbjahr 2018 insgesamt um 5 Prozent. Rechnet man das Grafik 1: Entwicklung Produktion Mainzer Landstraße 55 60329 Frankfurt E-Mail: presse@vci.de Internet: www.vci.de/presse Telefon +49 69 2556-1496 Telefax +49 69 2556-1613

boomende Pharmageschäft heraus, legte die Mengenentwicklung um 2 Prozent zu. Die Kapazitäten waren insgesamt mit rund 84 Prozent gut ausgelastet. Entwicklung der Sparten Die einzelnen Sparten unserer Branche haben unterschiedlich zu dieser Entwicklung beigetragen. Die Basischemie konnte ihre Produktion insgesamt nur leicht ausweiten: Grafik 2: Entwicklung Produktion Sparten Die Produktion von anorganischen Grundstoffen stieg im ersten Halbjahr um 0,5 Prozent. Die Polymerproduktion, zu der neben den Kunststoffen auch die Chemiefasern zählen, legte mit einem Plus von 1,5 Prozent etwas kräftiger zu. Auch die Produktion von petrochemischen Grundstoffen verbuchte einen Zuwachs von 1,5 Prozent. Hier scheint nach mehrjähriger Talfahrt die Trendwende geschafft. Wenngleich die internationale Wettbewerbsfähigkeit wegen der steigenden Ölpreise allmählich erneut unter Druck gerät. Die Industriekonjunktur in Deutschland und Europa belebte vor allem das Geschäft mit Fein- und Spezialchemikalien. Deren Produktion stieg im bisherigen Jahresverlauf um 4,5 Prozent. Die Hersteller von Seifen, Wasch- und Reinigungsmitteln oder Kosmetika profitierten weiterhin von der Kauflaune der Verbraucher. Sie konnten ihre Produktion nach dem sehr guten Vorjahr im ersten Halbjahr 2018 noch einmal um 1 Prozent ausweiten. Die Pharma-Nachfrage legte vor allem im Ausland kräftig zu. Die Hersteller erzielten nach unserer Schätzung auf Basis der amtlichen Statistik ein Produktionsplus von 11,5 Prozent. 2

Erzeugerpreise Die Erzeugerpreise für chemische Produkte stiegen im bisherigen Jahresverlauf um 1 Prozent. Angesichts gut ausgelasteter Kapazitäten und wachsender Nachfrage konnten die Chemieunternehmen steigende Rohstoffkosten teilweise an die Kunden weitergeben und Preiserhöhungen durchsetzen. Grafik 3: Entwicklung Erzeugerpreise Rohöl kostete im ersten Halbjahr mit durchschnittlich 70 Dollar pro Barrel rund 34 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. In den vergangenen Wochen kostete ein Fass Rohöl sogar deutlich über 70 Dollar. Naphtha, der wichtigste Rohstoff unserer Branche, verteuerte sich im ersten Halbjahr ebenfalls kräftig (+20 Prozent) auf über 500 Euro je Tonne. Umsatz Ein positives Mengengeschäft mit anziehenden Erzeugerpreisen führte im ersten Halbjahr zu einem kräftigen Umsatzplus in der chemischpharmazeutischen Industrie. Die Erlöse der Branche stiegen insgesamt um 5,5 Prozent auf 100,4 Milliarden Euro. Grafik 4: Kennzahlen Chemie 1. Halbjahr Der Inlandsumsatz legte um 3,5 Prozent auf 36,6 Milliarden Euro zu. Ein zunehmender Importdruck (+5 Prozent) dämpft den Absatz an inländische Kunden. Der Auslandsumsatz erhöhte sich im ersten Halbjahr sogar um 6,5 Prozent auf 63,8 Milliarden Euro. Besonders das Europageschäft verlief positiv (+7,5 Prozent). Aber auch die Verkäufe nach Nordamerika (+4,5 Prozent) und Asien (+5 Prozent) konnten zulegen. Nach längerer Durststrecke zogen nun auch die Ausfuhren nach Lateinamerika an (+4,5 Prozent). Beschäftigung Die Zahl der Mitarbeiter in der Branche stieg in den ersten sechs Monaten um 0,5 Prozent auf 455.200 Mitarbeiter. Dieser weitere Zuwachs hängt aus unserer Sicht weniger mit der wirtschaftlichen Lage der Branche zusammen, sondern hat strukturelle Gründe. Die Unternehmen suchen und 3

stellen vor allem Fachkräfte ein, die die Digitalisierung voranbringen können. Das betrifft Betriebs- und Produktionsprozesse, die Vernetzung mit Kunden und die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle. Ausblick Gesamtjahr 2018 Trotz der guten Halbjahresbilanz haben sich die Geschäftserwartungen der Chemieunternehmen zuletzt etwas eingetrübt. Die Unternehmen blicken derzeit weniger optimistisch in die Zukunft als noch zu Jahresbeginn. Zahlreiche Risikofaktoren drücken auf die Stimmung: Die Risiken für die weitere Entwicklung liegen vor allem in den möglichen Folgen eines globalen Handelskrieges zwischen den USA, China und der EU mit einer Spirale sprunghaft steigender Zölle sowie der Gefahr eines harten Brexits. Die Verunsicherung in der Branche und bei Investoren ist groß, ob sich die EU und Großbritannien rechtzeitig auf ein Austrittsabkommen einigen. Nur dann tritt die für die Unternehmen so wichtige Übergangsphase in Kraft, um sich an die vereinbarten Bedingungen anpassen zu können. Gleichzeitig steigen die Unsicherheit und die Volatilität an den Märkten. Besonders kritisch beobachtet die Branche die jüngste Ölpreisentwicklung. Kräftig steigende Ölpreise drücken auf die Gewinnmargen, entziehen den Konsumenten Kaufkraft und belasten die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Chemie. Wegen dieser sich häufenden Risiken erwarten wir, dass sich der Aufwärtstrend im deutschen Chemiegeschäft in der zweiten Jahreshälfte weiter abschwächen wird. Der wirtschaftliche Aufschwung in Europa, Nordamerika und Asien hat bereits im ersten Halbjahr an Dynamik eingebüßt. Das Exportgeschäft könnte daher Gegenwind erhalten. Gleiches gilt für unsere Industriekunden in Deutschland, sodass auch das Inlandsgeschäft an Kraft verlieren dürfte. Hinzu kommt, dass die fehlende industriepolitische Perspektive der Bundesregierung, zum Beispiel zu Unternehmensteuern und Forschungsförderung, diesen Risiken keine positiven Impulse für die Wirtschaft entgegensetzt. 4

Prognose Gesamtjahr 2018 In Zahlen heißt das für die Prognose: Für das Gesamtjahr 2018 rechnen wir für unsere Branche unverändert mit einem Anstieg der Produktion von 3,5 Prozent. Bei einem höheren Preisniveau von 1,0 Prozent sollte der Umsatz um 4,5 Prozent auf über 204 Milliarden Euro steigen. Im Inland erwarten wir dabei ein Plus von 3,5 Prozent, der Auslandsumsatz dürfte um 5 Prozent zulegen. Grafik 5: Prognosen 2018 zu BIP, Industrie- u. Chemieproduktion Dass wir nach einem guten ersten Halbjahr die Prognose nicht nach oben korrigieren, zeigt unsere gedämpften Erwartungen für die zweite Jahreshälfte. II. Rahmenbedingungen für Innovationen Meine Damen und Herren, Innovationsfähigkeit ist eine Voraussetzung für Wohlstand, Zusammenhalt der Gesellschaft und Wahrung der hohen Sozialstandards in Deutschland. An neuen Produkten, Verfahren und Technologien hängt die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands auf den internationalen Märkten. Damit müssen wir die hiesigen Kostennachteile am Standort kompensieren. Wir brauchen mehr Innovationstempo, um in einer Welt im Wandel Beschäftigung durch neue hochwertige Arbeitsplätze zu sichern. Es ist daher eine politische Pflicht, die Rahmenbedingungen für mehr Innovationsfähigkeit der Unternehmen zu überprüfen und zu verbessern. Genauso wie bei Migration und Integration oder demografischem Wandel geht es auch bei Innovationsfähigkeit um die Zukunft unseres Landes. Das scheint bei den politischen Prioritäten in Berlin aber immer mehr in den Hintergrund zu rücken. Dabei ist es höchste Zeit, die Weichen auf mehr Innovation zu stellen. Durch die Globalisierung hat der weltweite Wettbewerb besonders in der Chemie stark zugenommen: China und viele Länder in Südostasien stärken konsequent Forschung und Innovation. Dabei unterstützt der Staat 5

die Unternehmen intensiv mit dem Ziel, Technologieführerschaft zu erreichen und weltweite Standards zu setzen. Nach dem aktuellen 5-Jahresplan will China bis zum Jahr 2020 seine FuE- Aufwendungen auf 2,5 Prozent des BIP erhöhen. Zukunftstechnologien wie Elektromobilität, digitale Vernetzung, künstliche Intelligenz, Gene-Editing und Biotechnologie stehen im Zentrum dieser Innovationsoffensive. Allein 2017 investierte China über 220 Milliarden Euro in Forschung und Entwicklung. Eine Auswirkung zeigt sich bereits in der Statistik des Europäischen Patentamtes: China belegte 2017 im Nationenranking der Erstanmeldungen von Patenten nun bereits den fünften Platz vor der Schweiz. Südkorea gibt mittlerweile 4,3 Prozent seines Bruttoinlandsproduktes für Forschung und Entwicklung (FuE) aus. Auch Japan liegt mit einem FuE- Anteil am BIP von 3,6 Prozent deutlich über dem deutschen Niveau. Deutschland investiert derzeit knapp 3 Prozent des Volkseinkommens in Forschung und Entwicklung. Vor dem Hintergrund des globalen Trends teilen Politik, Wissenschaft und Wirtschaft in Deutschland eine gemeinsame Sicht: Der Anteil der gesamtwirtschaftlichen Investitionen für FuE am BIP muss deutlich steigen. Damit Deutschland seine Qualität als Standort für Wissenschaft und Forschung in der Welt halten kann, soll die FuE-Intensität bis 2025 auf 3,5 Prozent steigen. So lautet das Ziel, das die Bundesregierung im Koalitionsvertrag ausgegeben hat. Dabei geht es nicht um eine belanglose Zahlenspielerei. Diese Messlatte bedeutet eine echte Kraftanstrengung für die Wirtschaft: Schließlich bringt sie zwei Drittel aller finanziellen Mittel auf. Die chemisch-pharmazeutische Industrie trägt das 3,5-Prozent-Ziel mit. Für unsere Branche heißt das konkret: Bis 2025 müssen die unternehmensinternen FuE-Aufwendungen im Vergleich zu 2015 jährlich um mehr als 4 Prozent steigen. Dabei ist ein reales Wachstum des BIP in Deutschland von 1,8 und eine Inflationsrate von 1 Prozent pro Jahr unterstellt. Aus unserer Sicht lässt sich das 3,5-Prozent-Ziel nur mit mehr politischem Mut zu attraktiveren Rahmenbedingungen und mehr konkretem Engagement des Staates erreichen. Dazu gehören eine Erhöhung des Budgets für die Programme der Projektförderung und bessere Bedingungen für Start-ups ebenso wie ein Innovations-Check bei 6

Gesetzesvorhaben und eine Qualitätsoffensive der Schulbildung in den MINT-Fächern. Einen besonderen Stellenwert sowohl für die Wissenschaft wie die Industrie hat in diesem Zusammenhang die Einführung einer steuerlichen Forschungsförderung für alle Unternehmen. Ich weiß, diese Forderung des VCI stellt für Sie alles andere als eine Breaking News dar. Aber sie war zu keinem Zeitpunkt mehr berechtigt als jetzt: Die Steuerexperten der Bundesregierung gingen im Herbst 2017 von insgesamt knapp 500 Milliarden Euro mehr Steuereinnahmen in der neuen Legislaturperiode (2018-2021) für Bund, Länder und Gemeinden aus. Mit der jüngsten Steuerschätzung im Mai dieses Jahres sollten auch die letzten haushaltspolitischen Bedenken vom Tisch sein: Weitere 47 Milliarden Euro steuerliche Mehreinnahmen kommen bis 2021 hinzu die bisher im Rahmen des Koalitionsvertrags noch nicht verplant wurden. Grafik 6: Steuereinnahmen letzte und Schätzung für aktuelle Legislaturperiode Sie bieten den notwendigen Spielraum zur Finanzierung der steuerlichen FuE-Förderung. Ein Finanzierungsvorbehalt lässt sich nicht mehr aufrichtig vertreten. Diese Steuermehreinnahmen sollten auch für die Zukunftssicherung des Produktionsstandortes genutzt werden. Wir fragen uns: Wenn nicht jetzt, wann dann wäre ein geeigneter Zeitpunkt, um eine steuerliche Forschungsförderung einzuführen, die 10 Prozent dieser Mehreinnahmen ausmacht? Gleichzeitig belegt unser Nachbar Österreich, wie wirksam dieses Instrument ist: Bis Ende letzten Jahres bestand in Österreich eine steuerliche Förderung für die gesamten FuE-Ausgaben in Höhe von 12 Prozent. Seit 2018 werden sogar 14 Prozent der FuE-Kosten als Barauszahlung oder Steuergutschrift und zwar für alle Unternehmen erstattet. Diese Bedingungen machen die Alpenrepublik als Standort für forschungsintensive Projekte hochinteressant, wie Investitionsentscheidungen auch von deutschen Großunternehmen zeigen. Über die Hälfte der industriellen Forschungsausgaben in Österreich stammt heute von ausländischen Konzernen. Gleichzeitig ist die Zahl der Beschäftigten in der Forschung signifikant gestiegen. Ergänzt werden die steuerlichen Anreize durch eine große Bandbreite an Direktförderungen sowie bürokratischen Erleichterungen für Start-ups und 7

innovationstreibende Unternehmen. Der Maßnahmenmix zeigt Erfolg: Der FuE-Anteil am BIP Österreichs lag im letzten Jahr bei 3,14 Prozent. Damit belegt die Alpenrepublik einen der vorderen Plätze innerhalb der Europäischen Union noch vor Deutschland. Meine Damen und Herren, dieses Beispiel zeigt einmal mehr: Eine steuerliche Förderung von Forschung und Entwicklung ist ein weltweit erprobtes Erfolgsrezept nicht nur in Österreich, sondern in fast allen Industrienationen und insgesamt 34 Ländern. Es gibt keinen plausiblen Grund, diese Maßnahme mit hoher gesamtgesellschaftlicher Rendite für unser Land weiter auf die lange Bank zu schieben. Wir fordern die Bundesregierung auf, spätestens im Herbst endlich einen konkreten Gesetzentwurf dafür vorzulegen. Die Glaubwürdigkeit politischen Handelns steht hier auf dem Spiel nicht nur innerhalb unserer Branche. Grafik 7: Landkarte Nationen mit steuerlicher FuE-Förderung Kontakt: VCI-Pressestelle Telefon: 069 2556-1496 E-Mail: presse@vci.de 8