II. 14 Betreuungsrecht

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Transkript:

II. 14 Betreuungsrecht Sinn & Zweck 1. Betreuung dient dazu, Rechtshandlungen im Namen des Betreuten zu ermöglichen, die dieser selbst nicht mehr vornehmen kann, und wird zeitlich und sachlich für entsprechende Aufgabenkreise beschränkt. 2. Die Betreuung wurde durch das am 1. Januar 1992 in Kraft getretene Betreuungsgesetz geschaffen. 3. Rechtliche Betreuung ist keine soziale, pflegerische oder gesundheitliche Betreuung. 4. Die rechtliche Betreuung ist an die Stelle der früheren Vormundschaft über Volljährige und der Gebrechlichkeitspflegschaft getreten und geht über sie deutlich hinaus. 5. Die Betreuung ist im Wesentlichen in den 1896 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) geregelt. 6. Mit dem Betreuungsrecht wurde die frühere Entmündigung abgeschafft. 7. Durch die Einrichtung einer Betreuung wird die Geschäfts-, Ehe- und Testierfähigkeit des Betroffenen nicht unmittelbar beeinträchtigt. 8. Zum Schutz der Betroffenen ist es allerdings möglich, einen Einwilligungsvorbehalt anzuordnen, so dass bestimmte Erklärungen des Betreuten im Rechtsverkehr der Zustimmung seines Betreuers bedürfen. Das Wahlrecht ist nur bei Anordnung der Betreuung in sämtlichen Angelegenheiten unter Umständen ausgeschlossen. 1

II. 14 Betreuungsrecht Anordnung einer Betreuung 1. gemäß 1896 BGB auf eigenen Antrag des Betroffenen oder aber von Amts wegen, eine Anregung ist von jeder beliebigen Person möglich 2. Entscheidung: Betreuungsgericht. (Amtsgericht) Prüfung des Betreuungsgerichts, ob die engen Voraussetzungen des 1896 BGB in Verbindung mit 278 und 280 FamFG vorliegen: 1. Der Betroffene ist volljährig. 2. Der Betroffene kann seine Angelegenheit ganz oder teilweise nicht mehr besorgen. 3. Ursache dafür ist eine psychische Erkrankung oder eine körperliche, geistige oder seelische Behinderung. 4. Die Bestellung eines Betreuers ist erforderlich, weil ansonsten wichtige Aufgaben unerledigt bleiben würden. 5. Andere Möglichkeiten der Hilfe, z. B. Nachbarn oder soziale Dienste, stehen hierfür nicht zur Verfügung. 6. Der Betroffene hat keinen Bevollmächtigten, der die Aufgaben für ihn erledigen kann. 7. Der Betroffene ist mit der Betreuerbestellung einverstanden. Sollte der Betroffene krankheitsbedingt nicht mehr in der Lage sein, seinen Willen frei zu bestimmen, ist eine Betreuerbestellung auch gegen dessen geäußerten Willen möglich. 2

II. 14 Betreuungsrecht Anordnung einer Betreuung Im Gesetz zum familienrechtlichen Verfahren FamFG werden zwei weitere Voraussetzungen genannt: 1. Es liegt mindestens ein ärztliches Attest vor. Sofern die Betreuerbestellung gegen den geäußerten Willen des Betroffenen vorgenommen werden soll, muss ein Sachverständigengutachten vorliegen ( 280 FamFG). 2. Der Betreute wurde zuvor persönlich vom Richter angehört ( 278 Abs 1 FamFG). 3

Betreuungsrecht Anordnung einer Betreuung / Bestellung eines Betreuers Krankheit oder Behinderung 1. Psychische Krankheit 2. Geistige Behinderung 3. Seelische Behinderung 4. Körperliche Behinderung Unfähigkeit zur Besorgung eigener Angelegenheiten 1. Medizinische Angelegenheiten 2. Finanzielle Angelegenheiten 3. Behördenangelegenheiten 4. Wohnungsangelegenheiten Erforderlichkeit der Betreuung nicht bei: 1. Ausreichender anderweitiger Hilfe 2. Vorsorgevollmacht Bsp.: Bsp.: Bsp.: 4

Betreuungsrecht Wohl des Betroffenen Persönliche Betreuung Keine bloße Verwaltung des Betreuten Wünsche des Betreuten sind weitestgehend zu berücksichtigen Besprechungspflicht von wichtigen Angelegenheiten vor einer Entscheidung Bsp.: Bsp.: Bsp.: 5

Betreuungsrecht Umfang der Betreuung Aufenthaltsbestimmung Vermögensverwaltung Gesundheitsfürsorge Unterbringung Behörden und Versicherungsangelegenheiten Nur für diese Aufgabenbereiche darf ein Betreuer bestellt werden ( 1896 Abs. 2 S. 1 BGB). Dabei können jedoch diese Aufgabenkreise weiter eingegrenzt und sogar auf einzelne Maßnahmen beschränkt werden. Beispiel Die 70jährige Rentnerin Maria Müller wird infolge eines Sturzes ins Krankenhaus eingeliefert. Sie hat einen Oberschenkelhalsfraktur erlitten und ist aufgrund ihres Altes und des Schocks des Unfalls verwirrt und nicht ansprechbar. Für die anstehende Operationkann sie daher keine wirksame Einwilligung erteilen. Wie muss vorgegangen werden? 6

Betreuungsrecht Umfang der Betreuung Aufenthaltsbestimmung Vermögensverwaltung Gesundheitsfürsorge Unterbringung Behörden und Versicherungsangelegenheiten Die 70jährige Rentnerin Maria Müller wird infolge eines Sturzes ins Krankenhaus eingeliefert. Sie hat einen Oberschenkelhalsfraktur erlitten und ist aufgrund ihres Altes und des Schocks des Unfalls verwirrt und nicht ansprechbar. Für die anstehende Operationkann sie daher keine wirksame Einwilligung erteilen. Wie muss vorgegangen werden? Antwort: 7

II. 14 Betreuungsrecht Pflichten des Betreuers Die Pflichten des Betreuers ergeben sich aus 1901 BGB. Bei Pflichtverletzungen ist eine zivilrechtliche Haftung des Betreuers gegeben. Das Wohl des Betreuten ist nach 1901 und 1906 BGB der Maßstab des Handelns des Betreuers. Um dem Grundrecht auf Selbstbestimmung in verfassungsgemäßer Weise gerecht zu werden, hat ein Betreuer folgende Grundsätze zu beachten: 1. Betreuer sollen immer nur für Betreute entscheiden, wenn diese nicht selbst entscheiden können. Gegen den Willen eines einwilligungsfähigen Betreuten, der Art, Bedeutung und Tragweite einer Entscheidung erfassen kann, darf ein Betreuer nicht handeln. 2. Betreuer müssen im Grundsatz so entscheiden, wie der Betreute selbst entscheiden würde, wenn er selbst entscheiden könnte. 3. Ein Betreuer darf aber natürlich keine Straftat begehen, auch wenn der Betreute diese mit freiem Willen beginge. Fraglich ist, ob der Betreuer auch verpflichtet ist, Straftaten des Betreuten zu verhindern. 4. Gegen den Willen des nicht zur freien Willensbildung fähigen Betreuten, also des juristisch nicht entscheidungsfähigen Betreuten, darf im Grundsatz nur gehandelt werden, wenn eine erhebliche Gefahr für den Betreuten nicht anders abgewendet werden kann. 5. Ein Handeln gegen den Willen des nicht entscheidungsfähigen Betreuten ist nicht statthaft, wenn der Betreute dem mit mutmaßlichem Willen nicht zustimmt. Ein Handeln gegen den Willen des nicht entscheidungsfähigen Betreuten aufgrund nicht bestehender erheblicher Selbstgefährdung ist nur erlaubt, wenn sicher ist, dass der Betreute dem im Nachhinein zustimmen wird. 8