Reihe COMDAT Medienforschung präsentiert Evaluationsinstrumente im JP:PR News-Service Folge 3: Quantitative Medienresonanzanalysen von Dr. Katja Brickwedde-Stümpel und Dr. Edith Wienand Nachdem wir in der letzten Ausgabe des JP:PR News-Service den theoretischen und methodischen Grundstock zum Thema Inhaltsanalyse gelegt haben, werden heute verschiedene Typen von Analysen vorgestellt, die das Ziel haben, Medienresonanz quantitativ zu erfassen. Im Mittelpunkt der Ausführungen stehen folgende Fragen: Was versteht man unter quantitativer Medienresonanzanalyse? Welche Typen quantitativer Medienresonanzanalyse gibt es? Was bringt eine quantitative Medienresonanzanalyse? Wie wird eine quantitative Medienresonanzanalyse durchgeführt? Und: Was kostet sie? Bei der Medienresonanzanalyse handelt es sich meist um ein computergestütztes, inhaltsanalytisches Verfahren, das ermittelt, wie Medien auf ein bestimmtes Ereignis reagieren und welche Resonanz mit Medienarbeit erzielt wird. Damit ist die Medienresonanzanalyse ein Mittel der Erfolgskontrolle: Sie macht durch methodische Messung und Dokumentation der veröffentlichten Meinung Medienberichterstattung überschaubar und transparent, indem sie Medieninhalte auf die wesentlichen Kernaussagen konzentriert. Nicht zuletzt bietet sie die Möglichkeit, die Ergebnisse der Medienarbeit zu dokumentieren und in die künftige Kommunikationsplanung einzubeziehen. Medienresonanzanalysen können damit wenn sie die Kommunikationsarbeit systematisch begleiten Optimierungsmöglichkeiten aufzeigen. Prominente Möglichkeiten, um Medienresonanz quantitativ zu ermitteln sind: die Durchführung einer Anzeigen-Äquivalenzanalyse das Sammeln und Auswerten von Clipppings Anzeigen-Äquivalenzanalyse Hinter der Anzeigen-Äquivalenzanalyse steckt eine einfache Idee: Werbeanzeigen kosten Geld Medienpräsenz durch PR ist kostenlos. Werbeanzeigen gelten als manipulativ redaktionelle Beiträge eher als objektive Wahrheit. Bei der Anzeigen-Äquivalenzanalyse wird daher der "Werbegegenwert" ermittelt. Die Fläche des Artikels wird hierbei erfasst und in den für das jeweilige Medium geltenden Anzeigenpreis umgerechnet. Man erhält so eine Aussage darüber, was eine vergleichbar große Anzeige gekostet hätte.
Die Äquivalenzanalyse soll damit den PR-Erfolg durch eine fiktive Kostenrechnung sichtbar machen und ist daher ein häufig eingesetztes Instrument, um die Kosten, die für PR entstehen, zu rechtfertigen bzw. die gesparten Kosten herauszustellen. Die folgende Grafik zeigt, wie die Ausweisung des Anzeigenpreisäquivalenz-Wertes aussehen kann: Abbildung 1: Anzeigenpreis-Äquivalent 4,0 20 20 Anzeigenpreis-Äquivalent 20-20 im Vergleich 3,8 3,5 3,3 3,4 3,1 3,1 Mio. Euro 3,0 2,5 2,1 2,1 2,5 2,8 2,7 2,7 2,7 2,5 2,4 2,2 2,1 2,1 2,2 2,9 2,4 2,3 2,8 2,0 1,5 0,1 0,5 0 Jan Feb März April Mai Juni Juli Aug Sept Okt Nov Dez Summe in 20: 29,9 Mio. Euro; Summe in 20: 33,1 Mio. Verschiedene Faktoren beeinflussen den Anzeigenäquivalenz-Wert: die Anzahl der Artikel die Auflagenstärke des Mediums die Größe des Artikels Wenn also für einen Monat ein hoher Anzeigenäquivalenz-Wert erreicht wird (wie in der Abbildung im September), kann das bedeuten, dass besonders viele Artikel zum Unternehmen erschienen sind oder dass die Artikel besonders umfangreich waren oder dass ein sehr auflagenstarkes Medium Artikel veröffentlicht hat. Ein direkter Schluss vom Äquivalenz-Wert der Publikationen auf das quantitative Medieninteresse ist daher nicht immer möglich. Sinn und Zweck der Äquivalenzanalyse sind in Fachkreisen umstritten. Die Befürworter sehen in ihr eine einfache, schnelle und vor allem quantifizierbare Methode für den Erfolgsnachweis. Kritiker merken dagegen an, dass redaktionelle Berichte nicht nur eine größere Aufmerksamkeit, sondern insbesondere eine größere Glaubwürdigkeit besitzen als erkennbare Werbung und daher die Berechnung der Fläche keine Aussagekraft über den Impact des Artikels besitzt. Die Forschungen zu dieser Thematik sind noch nicht abgeschlossen, so stellt sich generell die Frage, ob und wenn ja, wie Rezipienten zwischen redaktionellem Text, redaktioneller Anzeige und herkömmlicher Webeanzeige unterschei-
den: Untersuchungen haben etwa gezeigt (Baerns/Lamm 1987, Hoepfner 1997), dass Testpersonen einerseits Anzeigen häufig nicht als Werbung erkennen, dass andererseits redaktionell gestaltete Anzeigen weniger Kaufanreiz auslösen als klassische Anzeigen. Clippings Der einfachste Weg, Medienresonanz quantitativ zu erfassen, ist das Sammeln und Zählen von Clippings, also Medienbeiträgen zu einem bestimmten Ereignis. Die Erkenntnis, die daraus gezogen werden kann, ist: Je höher die Anzahl der Clippings, desto größer die Resonanz. Die Sammlung der Clippings erfolgt professionell durch sogenannte Ausschnittdienste. Das sind externe Agenturen, die tagtäglich die Medienlandschaft nach vorgegebenen Stichworten (z. B. Firmenname, Messe etc.) beobachten und die Artikel sammeln. Der angebotene Grundservice liefert neben der Bereitstellung von Presseausschnitten, Fernsehsowie Hörfunkaufzeichnungen 1 auch Informationen über Medium, Autor, Erscheinungstag und Auflage. Mit Hilfe der Clippings lässt sich gut der Bekanntheitsgrad eines Unternehmens messen (da durch die Abdruckquote und die Reichweite der Medien, in denen die Artikel erschienen sind, erste Rückschlüsse auf vermutete Kontakte gemessen werden können). Clippings können auch dazu genutzt werden, einen internen Pressespiegel zu erstellen, in dem die wichtigsten Artikel für Geschäftsleitung und Kollegen zusammenstellt werden. So erhalten auch diese einen Eindruck von der Außendarstellung des Unternehmens. Der klassische Fall einer Medienresonanzanalyse ist die Evaluierung der Medienresonanz auf eine Pressekonferenz. Die Analyse dient dann der Bestimmung der durch die Realisierung der PR-Maßnahmen erzielten kommunikativen Wirkungen. Medienresonanzanalysen können jedoch auch eingesetzt werden, um zu ermitteln, wie die Medienresonanz auf eine Krise ausfällt. Besonders fruchtbar sind Resonanzanalysen dann, wenn sie auf Dauer durchgeführt werden, da so Trends und Tendenzen in der Medienlandschaft deutlich werden. Wenn man über das Sammeln der Clippings hinaus eine formale Analyse durchführt, kann das bereits wichtige Hinweise auf den Charakter der Berichterstattung geben. Anhand eines Beispiels wird vorgeführt, welche Einsichten aus einer vergleichsweise einfachen quantitativen Resonanzanalyse gezogen werden können. Empirische Herangehensweise Die Analyse der Clippings die Codierung ordnet die einzelnen Informationen eines Artikels einem zuvor festgelegten, übergeordneten Kategoriensystem zu, d. h. die Informationen werden in Codes überführt (vgl. dazu ausführliche Ausführungen in Teil 1 der Medienresonanz-Folge). 1 Zu bedenken ist, dass Analysen von Hörfunk und Fernsehen aufwendiger und damit teuerer sind als Analysen von Print- oder Onlineangeboten. Daher werden sie von den wenigsten Firmen eingesetzt. Die Bedeutung der elektronischen Medien für PR und die Häufigkeit der Analyse ihrer Berichterstattung divergieren noch erheblich voneinander.
Bei der quantitativen Resonanzanalyse, um die es hier geht, werden nur die formalen Daten des Artikels aufgenommen. Zu diesen gehören: Angaben zum Medium (Name, Art der Publikation Tagespresse, Nachrichtenmagazine, Wirtschaftspresse, Fachpresse etc. Auflage bzw. Reichweite) Autor des Artikels Rubrik/Ressort Platzierung Umfang/Größe des Artikels, Zeilenzahl Bildanteil Darstellungsform (Interview, Kurzmeldungen, Reportage etc.) Erkenntnisgewinn: Auf einer zunächst rein quantitativen Ebene können Medienresonanzanalysen Antworten auf folgende Fragen liefern: Wie groß ist die Zahl der veröffentlichten Artikel? Welche Medien/Journalisten bestimmen die Berichterstattung? Wie viele Leser/Zuschauer werden erreicht? Wie häufig taucht ein Unternehmen/eine Person/ein Produkt/ein Event in den Medien auf? In welchen Medien taucht es auf? In welcher Breite taucht es in bestimmten Medien auf? Ausgehend von rein formalen Angaben wird so ein erster Überblick über die Reaktionen in der Presselandschaft, also über den Erfolg der Kommunikationsarbeit gegeben. Ein solcher Fall eines Unternehmens wird nun präsentiert. Beispiel: Im Folgenden wird beispielhaft vorgestellt, welche Ergebnisse eine permanente, quantitative Resonanzanalyse liefern kann. Ergebnisse: Die erste Grafik zeigt, wie viele Artikel in den Jahren 20 und 20 zu den Produkten des Unternehmens und zum Unternehmen selbst erschienen sind. Im Einzelnen wird etwa sichtbar: Im Januar 20 sind insgesamt 393 Artikel erschienen, die sich mit dem Unternehmen und seinen Produkten beschäftigen. Ein Vergleich mit dem gleichen Monat des Vorjahres zeigt eine starke Zunahme: Dort waren nur 268 Artikel publiziert worden. Über das Jahr gesehen waren insbesondere die Monate Juli und September sehr pressewirksam. Ein Vergleich der Daten mit den Events des Jahres kann Hinweise darauf geben, was die
Aufmerksamkeit gefesselt hat. Häufig sind Anlässe wie Pressekonferenzen, die Präsentation von Quartalszahlen oder Messen Anreize für die vermehrte Berichterstattung. Abbildung 2: Printmedien Anzahl Artikel Printmedien Anzahl Artikel Januar - Dezember 20/20 600 538 543 500 400 Anzahl Artikel 393 368 355 427 363 333 326 328 407 391 379 434 462 417 414 354 381 354 343 322 300 268 252 200 100 0 Jan Jan Feb Feb Mrz Mrz Apr Apr Mai Mai Jun Jun Jul Jul Aug Aug Sep Sep Okt Okt Nov Nov Dez Dez Monat Unternehmen Produkt Wenn zusätzlich noch die Reichweiten unter Berücksichtigung der Auflage und der Nennhäufigkeit ausgewiesen werden, ergibt sich folgendes Bild: Abbildung 3:Printmedien Reichweite Printmedien Reichweite Januar - Dezember 20/20 400 350 341 298 300 Reichweite (in 250 Mio.) 200 237 176 238 209 271 232 206 210 214 162 227 266 213 271 265 243 236 215 223 217 208 183 150 100 50 0 Jan Jan Feb Feb Mrz Mrz Apr Apr Mai Mai Jun Jun Jul Jul Aug Aug Sep Sep Okt Okt Nov Nov Dez Dez Monat Unternehmen Produkt Die Angaben zur Reichweite, wurden hier für jeden Monat ermittelt und mit dem Monat des Vorjahres verglichen: Während die Reichweite im Januar 20 "nur" bei 176 Mio. lag, liegt sie im Januar 20 bei 237 Mio. Dieser Unterschied kann sich sowohl aus einem verringerten Presseinteresse (wie viele Artikel sind erschienen), als auch aus der Tatsa-
che, dass andere, auflagenschwächere Medien berichten (wo sind die Artikel erschienen), ergeben: Eine Nennung in der Bildzeitung mit einer Auflage von 3,8 Mio. Exemplaren erreicht ungleich mehr Leser als eine in der Frankfurter Rundschau mit einer verbreiteten Auflage von etwa 180.000. Warum die Darstellung der Reichweite zusätzlichen Erkenntnisgewinn bringt, zeigt konkret der Vergleich der Artikelanzahl (Abbildung 2) und der Reichweite (Abbildung 3) im Monat Juli: Es sind zwar sehr viele Artikel erschienen, die Reichweite war jedoch relativ niedriger, weil die Artikel nicht in auflagenstarken Medien erschienen sind. Die nächste Grafik zeigt, welche überregionalen Tageszeitungen im Jahr 20 besonders intensiv über das Unternehmen und seine Produkte berichteten: Die Bildzeitung erreichte auch wegen ihrer großen Reichweite die meisten Leser mit Unternehmens- und Produktinformationen. Auch die großen überregionalen Tageszeitungen FAZ, Süddeutsche Zeitung, Welt und Frankfurter Rundschau sind unter den Top Ten Organen für das Jahr 20. Daneben spielen die Wirtschaftsmedien Handelsblatt und Financial Times eine wichtige Rolle. Abbildung 4: Top Tageszeitungen überregional Top Tageszeitungen überregional Januar - Dezember 20 250 235 200 Reichweite (in 150 Mio.) 100 100 50 49 37 32 15 9 2 0 Organe Da auch die Journalisten als Urheber der Artikel in der Datenerhebung aufgenommen wurden, ist es möglich, darzustellen, welche Journalisten im Jahr 20 intensiv über das Unternehmen und seine Produkte berichtet haben.
Tabelle 1: Top Journalisten 20 Autor Top-Publikation Reichweite/Mio. Leser Anzahl Artikel Frank Boris Schmidt Frankfurter Allgemeine Zeitung 10,2 10 Stefan Winter Hannoversche Allgemeine Zeitung 12,6 8 Joachim R. Walther Bild 28,5 3 Axel Sülwald Bild 19 2 Es zeigt sich, dass Frank Boris Schmidt von der FAZ 20 am häufigsten über das Unternehmen berichtet hat, Joachim R. Walther von der Bild-Zeitung jedoch die meisten Leser mit seinen Beiträgen erreichte. Fazit: Dieses Beispiel macht deutlich, was eine quantitative Medienresonanzanalyse leisten kann, es zeigt jedoch auch, wo ihre Grenzen liegen: Es werden keine Aussagen über Inhalte gemacht, es wird nur ein rein quantitativer gleichwohl instruktiver Überblick vermittelt. Gerade die Berücksichtigung der Reichweite offenbart zudem die relevanten, manchmal immensen Unterschiede zwischen Artikelquantität und tatsächlich erreichten Lesern. Ideal ist es, wenn diese Daten um inhaltliche Kennwerte erweitert werden, denn die Aussagekraft von Artikelanzahl, Reichweite und Werbeäquivalent hat ihre Grenzen vor allem wenn eine Organisation durch Negativschlagzeilen auf sich aufmerksam macht. Und in der Regel wird das Ziel, eine möglichst umfangreiche Berichterstattung zu erzielen, gerade dann erreicht, wenn Probleme und Skandale das Unternehmen erschüttern und nicht, wenn dort eitel Sonnenschein herrscht. Das Mediengeschäft wird massiv von den "bad news" und weniger von den "good news" beherrscht und eine Kommunikationsarbeit, die nach dem Motto "Hauptsache medienpräsent" ausgerichtet ist, kann fatale, irreparable Folgen haben. Aufbauend auf diesen quantitativen Ergebnissen, kann daher eine tiefergehende qualitative Analyse zusätzlich beispielsweise die spannende Fragen nach Bewertungstendenzen beantworten und damit Entscheidungshilfen für die strategische Ausrichtung der Kommunikationsarbeit bieten. Gibt es Medien oder Journalisten, die besonders gut oder besonders schlecht berichten? Gibt es bestimmte Unternehmensbereiche oder themen, die besonders in der Kritik stehen oder die besonders gelobt werden? Kosten: Die Höhe des einzusetzenden Budgets ist von verschiedenen Faktoren abhängig: Entwicklung des Codierbuches/Kategoriensystems Laufende Codierkosten (Schulung der Codierer, Codierung etc.) Umfang des Materials (Anzahl der Clippings, Zeilenlängen)
Intensität der Codierung (d. h. Umfang der erhobenen Merkmale) Detailliertheit der Auswertung Medienanalysen kosten zwischen 4.500 Euro (einfache Analyse) und 40.000 Euro (komplexe Analysen mit sehr hoher Clippingzahl). Im nächsten Ausgaben des JP:PR News-Service stellen wir ein Beispiel für eine detaillierte, tiefenscharfe Resonanzanalyse vor, die die qualitativen Fragen nach Bewertungen und Images in den Mittelpunkt stellt.