Ein unfairer Start ins Leben

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Transkript:

UNICEF Innocenti Report Card 15 Ein unfairer Start ins Leben Neue UNICEF-Studie untersucht ungleiche Bildungschancen von Kindern in Industrieländern ZUSAMMENFASSUNG Bildungsgerechtigkeit ist der Schlüssel für einen fairen Start ins Leben. Jedes Kind hat ein Recht darauf, seine eigenen Talente, seine Potenziale und Interessen zu entwickeln und auszuschöpfen. Doch viele Kinder sind bereits zu Beginn ihrer Schullaufbahn benachteiligt - zum Beispiel aufgrund ihrer Herkunft oder der sozialen und wirtschaftlichen Situation ihrer Familien. Schulen und Bildungspolitik müssen ihnen gerechte Chancen eröffnen und dafür sorgen, dass diese Mädchen und Jungen nicht zurückbleiben. Die UNICEF-Report-Card 15 Die Report Card 15 des UNICEF Forschungszentrums Innocenti in Florenz untersucht, warum manche Kinder im internationalen Vergleich schlechtere Bildungschancen haben als gleichaltrige Mädchen und Jungen. Ausgewertet wurden dafür vergleichbare Daten zu Schlüsselindikatoren für die kindliche Entwicklung aus 41 Ländern der Europäischen Union (EU) und der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Für das Kindergartenalter wurden Ungleichheiten beim Zugang der Mädchen und Jungen zu frühkindlicher Förderung untersucht. Für das Grundschulalter und das Sekundarschulalter wurden Ungleichheiten bei der Lesekompetenz im Alter von 10 beziehungsweise 15 Jahren dokumentiert. Der Indikator für Ungleichheit ist dort der Leistungsabstand zwischen den zehn Prozent der besten und den zehn Prozent der schlechtesten Schülerinnen und Schüler. Gerade die Lesekompetenz am Ende der Pflichtschulzeit ist ein Schlüsselfaktor, denn sie spielt eine entscheidende Rolle für den zukünftigen Lebensweg. Anschließend wurde analysiert, in welchem Maße in den jeweiligen Ländern Faktoren wie der Berufsstand der Eltern, der Migrationshintergrund, das Geschlecht sowie die unterschiedlichen Schulformen diese Ungleichheiten beeinflussen. Bildungsungleichheit in Industrieländern Die für die Report Card 15 ausgewerteten Daten zeigen anhand einer internationalen Rangliste, dass ein Teil der Kinder in den Industrieländern gegenüber Gleichaltrigen bei der Bildung zurückbleibt:

Neun von zehn Kindern in den 41 untersuchten Industrieländern besuchen ein Jahr vor Beginn der Grundschule eine Kindertageseinrichtung. Doch immer noch besuchen insgesamt eine Millionen Kinder in 16 Ländern, für die vergleichbare Daten vorliegen, keinen Kindergarten bzw. Vorschule. Das sind fünf Prozent der Kinder in diesen Ländern. Bereits Zehnjährige weisen große Leistungsunterschiede in der Lesekompetenz auf. In den meisten Industrieländern erreichen 10 Prozent der Schüler und Schülerinnen nicht das durchschnittliche Kompetenzniveau ihrer Altersgruppe. Auch bei den 15-Jährigen gibt es große Unterschiede in der Lesekompetenz. Irland, Lettland und Spanien weisen die geringsten Ungleichheiten auf. In Bulgarien, Israel und Malta besteht die größte Kluft. Mädchen schneiden in der Lesekompetenz häufig besser ab als Jungen. Diese Kluft vergrößert sich, je älter die Kinder werden. Allerdings ist der Abstand zwischen den Geschlechtern in manchen Ländern geringer, wenn die Kompetenztests an Computern durchgeführt werden. Was sind die Ursachen von Bildungsungleichheit? Bildung und Beruf der Eltern Der familiäre Hintergrund ist in allen Ländern ein entscheidender Faktor für den Bildungserfolg von Kindern und Jugendlichen. In 16 der 29 untersuchten europäischen Länder gehen zum Beispiel Kinder aus den ärmsten Familien seltener in Kindertageseinrichtungen als Kinder aus den wohlhabendsten Familien. Der Berufsstand der Eltern hat starken Einfluss auf die Entwicklung von Schlüsselkompetenzen der Kinder. Bildung und Beruf von Müttern und Vätern ist beispielsweise für fast ein Drittel der Unterschiede in der Lesekompetenz von Kindern im Alter von 10 beziehungsweise von 15 Jahren verantwortlich. Selbst bei gleichem Leistungsniveau können sich 15-Jährige, deren Eltern ein höheres Bildungsniveau haben, eher vorstellen auf eine weiterführende Schule zu gehen als Jugendliche aus Familien mit geringerem Bildungsstand. Die soziale Herkunft bzw. das Elternhaus eines Kind, entscheiden demnach stark über seinen späteren Werdegang. Migrationshintergrund In 21 von 25 Ländern mit hohen Migrationsraten erzielen 15-jährige Schüler und Schülerinnen der ersten Generation zugewanderter Familien schwächere Leistungen in der Schule als Gleichaltrige ohne Migrationshintergrund. In 15 Ländern bestehen diese Leistungsunterschiede auch zwischen zugewanderten Kindern der zweiten Generation und Gleichaltrigen ohne Migrationshintergrund fort. In Australien und Kanada schneiden

zugewanderte Kinder der zweiten Generation hingegen besser ab als Kinder ohne Migrationshintergrund. Eine Erklärung dafür ist die unterschiedliche Migrationsgeschichte dieser Länder. Geschlecht Schon bei 10-jährigen Schülerinnen und Schülern besteht ein Leistungsgefälle zwischen den Geschlechtern. So schneiden Mädchen in der Lesekompetenz insgesamt besser ab als Jungen. Allerdings ist die Differenz in manchen Ländern geringer, wenn Erhebungen auf computerbasierten Prüfungen beruhen. In Irland schneiden 15-jährige Mädchen zwei Prozent besser ab als Jungen, in Bulgarien sind es sogar 12 Prozent. Mädchen gehen zudem insgesamt öfter auf eine weiterführende Schule als Jungen. Unterschiede zwischen Schulen In den meisten Ländern gibt es große Unterschiede in der Lesekompetenz zwischen den einzelnen Schulen. In Bulgarien, Ungarn und den Niederlanden sind beispielsweise Unterschiede im Leistungsniveau bei 15-Jährigen ausgeprägter zwischen verschiedenen Schulen, als zwischen Kindern, die in die gleiche Schule gehen. Auf der anderen Seite gibt es in Finnland, Norwegen und Island kaum Unterschiede zwischen den Schulen. Ein wichtiger Faktor, der diese Unterschiede erklärt, ist die Konzentration von Kindern aus einem ähnlichen sozialen Umfeld in der jeweiligen Schule. Das Elternhaus spielt vor allem in Ländern wie Ungarn und Luxemburg eine große Rolle, wo Kinder aus sozial schwächeren bzw. wohlhabenderen Haushalten in unterschiedliche Schulen gehen. Die Report Card unterstreicht, dass Schülerinnen und Schüler in Ländern mit größeren Leistungsunterschieden zwischen den Schulen allgemein auch die Tendenz einer größeren Diskrepanz zwischen den leistungsstärksten und leistungsschwächsten Kindern aufweisen. Wie kann Bildungsgerechtigkeit verbessert werden? Die Bildungssysteme und die Bildungspolitiken in den Industrieländern sind sehr unterschiedlich. Auch die Zusammensetzung der Bevölkerung, Faktoren wie Migration oder kulturelle Traditionen unterscheiden sich stark. Deshalb können erfolgreiche Maßnahmen für mehr Bildungsgerechtigkeit nicht ohne weiteres von einem Land auf das andere übertragen werden. Gleichwohl können die Länder voneinander lernen. Aus dem Vergleich der unterschiedlichen Länder ziehen die Forscher grundlegende Schlussfolgerungen: Ein hohes Leistungsniveau in der Bildung und mehr Chancengerechtigkeit schließen sich nicht aus. So zeigt der Vergleich der Industrieländer, dass in Ländern mit insgesamt hohem Bildungsniveau die Unterschiede in der Lesekompetenz zwischen den Kindern eher geringer sind. Die schwächeren Kinder zu fördern bedeutet also nicht, die Leistung der

stärkeren Kinder nach unten zu drücken. Verbesserte Bildungschancen für benachteiligte Kinder führen nicht - wie oft vermutet - zu einem allgemein sinkenden Bildungsniveau. Leistungsunterschiede zwischen Kindern können während der gesamten Bildungsphase unterschiedlich stark ausgeprägt sein. So liegen zum Beispiel Irland und Slowenien beim Zugang zu vorschulischer Förderung im unteren Drittel des Ländervergleichs. In der Sekundarstufe gehören sie jedoch zu den Ländern mit der geringsten Bildungskluft zwischen den Kindern. In den Niederlanden besteht die größte Chancengleichheit für Grundschulkinder; allerdings belegt das Land nur noch Platz 26 beim internationalen Vergleich der Lesekenntnisse von 15-Jährigen. Eine hohe Wirtschaftskraft eines Landes bedeutet nicht automatisch mehr Bildungsgerechtigkeit. In ärmeren Ländern wie Lettland und Litauen besuchen mehr Kinder eine Kindertageseinrichtung und weisen geringere Unterschiede beim Leseverständnis auf als in wohlhabenderen Ländern. Empfehlungen für die Politik Die UNICEF-Studie nennt Grundprinzipien, an denen sich die Politik orientieren soll: Frühkindliche Förderung für jedes Kind gewährleisten Wenn jedes Kind Zugang zu frühkindlicher Förderung hat, können die sozialen und ökonomischen Ungleichheiten verringert werden, die die Chancengleichheit von benachteiligten Kindern oftmals langfristig einschränken. Ein Mindestmaß an Kernkompetenzen für jedes Kind sicherstellen Jedes Bildungssystem muss daran gemessen werden, ob es allen Kindern die grundlegenden Fähigkeiten vermittelt, die sie benötigen, um erfolgreich an der Gesellschaft teilhaben zu können. Dies ist eine Grundvoraussetzung für ein gerechtes Bildungssystem. Soziale und ökonomische Ungleichheit reduzieren Eine Kombination von finanzieller Unterstützung und öffentlichen Dienstleistungen kann dazu beitragen, dass Kinder ihre Fähigkeiten entfalten und ihre Teilhabechancen verbessert werden. Die gemeinsame Beschulung von Kindern mit unterschiedlicher sozialer Herkunft eröffnet nicht nur Lernmöglichkeiten, sondern erhöht die Chancengleichheit. Geschlechterunterschiede bei der Bildung verringern Jungen und Mädchen müssen in allen Kernfächern gleich und angemessen gefördert werden. Dazu sollte die Mischung von weiblichen und männlichen Lehrkräften in den Blick genommen werden. Geschlechterstereotypen zum Beispiel bei der Fächerwahl - sollten überwunden werden.

Bessere Daten erheben Die Bildungsforschung muss mehr qualitativ hochwertige Informationen, die länderübergreifend und vergleichbar sind, zu Bildungsunterschieden erheben. Längsschnittuntersuchungen, die Kinder über mehrere Jahre begleiten, wären in diesem Kontext besonders wertvoll. Fokus auf Chancengleichheit setzen Politische und öffentliche Debatten sollten verfügbare internationale Untersuchungen aufgreifen. Internationale Vergleiche sollten dabei nicht nur Bildungsunterschiede zwischen den Ländern berücksichtigen, sondern auch ungleiche Bildungschancen innerhalb der jeweiligen Länder. Größere Chancengleichheit führt nicht wie oftmals angenommen zu einem geringeren Leistungsniveau. Anhang Ergebnisse für Deutschland Drei Tabellen dokumentieren die Platzierung Deutschlands im Vergleich zu den anderen Industrieländern. In der internationalen Gesamtplatzierung liegt Deutschland in den drei Dimensionen frühkindliche Förderung, Lesekompetenz in der Grundschule und Lesekompetenz in der Sekundarstufe auf Platz 23. Nach Norwegen, Griechenland und Island ist dies ein Platz im unteren Mittelfeld. Frühkindliche Förderung Platz 23 von 41 EU/OECD Ländern Lesekompetenz in der Grundschule Platz 20 von 29 EU/OECD Ländern Lesekompetenz in der Sekundarstufe Platz 23 von 38 EU/OECD Ländern Bei der Interpretation muss allerdings berücksichtigt werden, dass es in Deutschland erhebliche regionale Unterschiede gibt. Die regionale Differenzierung innerhalb Deutschlands konnte die vorliegende Studie nicht berücksichtigen. Frühkindliche Förderung In Deutschland besuchen über 95 Prozent der Kinder eine Kindertageseinrichtung. Deutschland liegt somit im internationalen Vergleich im Mittelfeld. Der Anteil der unter Vierjährigen in Kindergärten oder Krippen ist mit 33 Prozent geringer als die der über Dreijährigen mit knapp 92 Prozent. Insgesamt gehen prozentual weniger Kinder in Deutschland in eine solche Einrichtung als in Frankreich, Spanien, Belgien und Dänemark, jedoch mehr Kinder als in Polen, Österreich, der Schweiz und Großbritannien. Lesekompetenz in der Grundschule In Deutschland gibt es bereits unter Zehnjährigen eine beachtliche Kluft in der Lesefähigkeit. Mit einem Unterschied von 194 Punkten zwischen den leistungsstärksten und leistungsschwächsten Kindern liegt Deutschland bei der Diskrepanz in der Lesekompetenz

im Alter von zehn Jahren im unteren Drittel der internationalen Rangliste (Platz 21 von 31) - hinter den Niederlanden, Frankreich, Österreich und Spanien. Die Rangliste variiert von 153 Punkten in den Niederlanden bis zu 232 Punkten in Malta. Insgesamt erreichen 19 Prozent der zehnjährigen Schülerinnen und Schüler in Deutschland nicht das Grundkompetenzniveau für ihre Altersstufe. Ungleichheiten in der Lesekompetenz lassen sich laut Report Card 15 in Deutschland bereits im Grundschulalter nachweisbar darauf zurückführen, auf welche Schule ein Kind geht. Ein Grund dafür ist, dass bereits zu Beginn der Schullaufbahn die soziale Herkunft der Kinder bei der Wahl der Schule eine wichtige Rolle spielt. Die Leistungsunterschiede zwischen den Grundschulen in Deutschland sind teilweise erheblich höher als in anderen Industrieländern wie Slowenien, den Niederlanden, Italien oder Frankreich. Lesekompetenz in der Sekundarstufe Auch bei den 15-jährigen gibt es erhebliche Unterschiede in der Lesekompetenz. Deutschland liegt im internationalen Vergleich auf Platz 23 von 38 untersuchten Ländern. Mit einem Unterschied von 258 Punkten zwischen den leistungsstärksten und leistungsschwächsten Kindern liegt Deutschland im internationalen Mittelfeld. Etwa 16 Prozent der Schülerinnen und Schüler in Deutschland erreichen im Alter von 15 Jahren nicht das Grundkompetenzniveau (Stufe 2) im Lesen, das als Voraussetzung angesehen wird, damit sie effektiv und produktiv am Leben in der Gesellschaft teilhaben können. Mädchen schneiden in Deutschland im Alter von 15 Jahren im Bereich Lesekompetenz um 4,2 Prozent besser ab als Jungen. Im Grundschulalter lag der Unterschied bei 2,1. In allen in der Report Card untersuchten Ländern erzielten Mädchen bessere Leseergebnisse als Jungen. Familiärer Hintergrund und Bildungserfolg Fünfzehnjährige Schülerinnen und Schüler aus bildungsnahen Elternhäusern schneiden in Deutschland bei der Lesekompetenz mit einem Unterschied von 51 Punkten höher ab als Gleichaltrige aus Familien mit einem geringeren Bildungsstand. International variiert die Rangliste von einem geringeren Einfluss des Elternhauses (30 Punkte) in Island und Japan bis zu einem starken Einfluss (70 Punkte) in Bulgarien, Luxemburg und Ungarn. Migration und Bildungschancen in Deutschland Kinder der ersten und zweiten Generation von migrierten Menschen liegen in vielen untersuchten Länder hinter Gleichaltrigen zurück. In Deutschland erreichen 42 Prozent der zugewanderten 15-Jährigen aus der ersten Generation, ein Viertel der zugewanderten Kinder aus der zweiten Generation und 12 Prozent der Kinder ohne Migrationshintergrund nicht Stufe 2 der Lesekompetenz. Kinder der ersten und zweiten Generation von migrierten Menschen haben in Deutschland damit deutlich schlechtere Bildungschancen.

Bildungserwartung Nur jede fünfte Schülerin bzw. Schüler in Deutschland kann sich vorstellen, auf eine weiterführende Schule zu gehen, verglichen mit neun von zehn Jugendlichen in Korea. Wie in allen anderen Industrieländern gibt es dabei in Deutschland einen Zusammenhang zwischen der sozialen Herkunft und den Erwartungen der Kinder: So kann sich bei gleichem Leistungsniveau jeder vierter Jugendliche aus bildungsnahen Elternhäusern vorstellen, auf eine weiterführende Schule zu gehen, verglichen mit knapp jedem siebten Jugendlichen aus einem bildungsferneren Elternhaus. Quelle: An Unfair Start Inequality in Children s Education in Rich Countries, UNICEF Innocenti Report Card 15, Florence, October 2018