(Pflegepersonaluntergrenzen-Verordnung PpUGV) 3. September 2018

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Transkript:

Stellungnahme des Bundesverbandes Geriatrie zum Referentenentwurf einer Verordnung zur Festlegung von Pflegepersonaluntergrenzen in pflegesensitiven Krankenhausbereichen für das Jahr 2019 (Pflegepersonaluntergrenzen-Verordnung PpUGV) 3. September 2018 Der e.v. nimmt zum Referentenentwurf der Ministerialverordnung zu den Pflegepersonaluntergrenzen des Bundesgesundheitsministeriums wie folgt Stellung: Pflegepersonaluntergrenzen Erklärtes Ziel der Verordnung ist die Sicherung des Patientenschutzes und die Verbesserung der Qualität der pflegerischen Patientenversorgung. Zu diesem Zweck legt die Verordnung verbindliche Pflegepersonaluntergrenzen für die als pflegesensitiv identifizierten Bereiche Intensivmedizin, Geriatrie, Unfallchirurgie und Kardiologie fest. Für die Geriatrie sollen diese Untergrenzen in der Tagesschicht (06.00 22.00 Uhr) 1:10 und in der Nachtschicht (22:00 06:00 Uhr) 1:24 pro Station betragen. Starre Pflegepersonaluntergrenzen sind nicht geeignet, den tatsächlichen Pflegebedarf angemessen zu berücksichtigen, insbesondere angesichts regelmäßig von Patient zu Patient variierender Pflegeaufwände dies gilt auch beim Vergleich von Pflegebedarfen und resultierenden Personalaufwänden innerhalb einer Station oder Fachabteilung. Zudem besteht die Gefahr, dass über die fixen Pflegepersonaluntergrenzen hinausgehender Personaleinsatz seitens der Kostenträger, z. B. im Rahmen der nach dem Pflegepersonalstärkungsgesetz vorgesehenen Verhandlungen zum Pflegebudget, mit dem Argument des Wirtschaftlichkeitsgebots abgelehnt wird. Pflegepersonaluntergrenzen müssen zwingend als Mindestanforderungen ausgelegt werden, deren quantitative Erfüllung nicht als Begründung in Budgetverhandlungen im Sinne einer qualitativ ausreichenden Pflegepersonalbesetzung Verwendung finden kann. Auf diese Weise würde das Bestreben, durch die Einführung von Personaluntergrenzen Qualitätssicherung in der Patientenversorgung zu betreiben, einen gegenteiligen Effekt nach sich ziehen. 13347 Berlin 1

In diesem Zusammenhang fordert der e.v. die Einführung eines sich am tatsächlichen Pflegeaufwand orientierenden Pflegepersonalbemessungsinstruments zur langfristigen Sicherung eines bedarfs- und aufwandsangemessenen Pflegebudgets. Zweifelhafte Datengrundlage Laut Begründung wurden die Anhaltszahlen im Rahmen einer gutachterlichen Auswertung auf der Grundlage einer repräsentativen Stichprobenziehung der KPMG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft AG in den Krankenhäusern ermittelt. Nach Einschätzungen und Veröffentlichungen der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), die als Selbstverwaltungspartner in den vorhergehenden Verhandlungen zur Vereinbarung von Pflegepersonaluntergrenzen beteiligt war, haben die erhobenen Stichproben keine aussagekräftigen und belastbaren Ergebnisse geliefert. Es ist zu befürchten, dass grundlegende Prinzipien statistischer Erhebungen nicht beachtet und nicht erfüllt wurden. Insbesondere ist die im Verordnungsentwurf (S. 25 PpUGV) erwähnte große Schwankungsbreite zwischen den in den Krankenhäusern bestehenden Verhältniszahlen von Patienten zu Pflegekräften auch bei Stationen identischer Fachrichtungen nicht erklärbar. Fraglich ist auch, inwieweit die als Durchschnittswerte aus den gutachterlichen Auswertungen (S. 36 PpUGV) ermittelten Anteile von Pflegehilfskräften an der Gesamtzahl der Pflegekräfte geeignet sind, einen sachgerechten Beitrag zur Qualitätssicherung der pflegerischen Patientenversorgung zu leisten. Die Verordnung nunmehr auf die Grundlage dieser unzureichend ermittelten und ausgewerteten Daten zu stellen wird durch den e.v. kritisiert und abgelehnt. Verbesserung der Pflegequalität Die festgelegten Personaluntergrenzen sind eventuell dazu geeignet, unerwünschte Ereignisse zu vermeiden. Angesichts des niedrigen Personalansatzes in der Verordnung können sie in dieser Ausgestaltung jedoch nicht zur Verbesserung der Qualität der pflegerischen Patientenversorgung beitragen, was laut Verordnungsbegründung jedoch klar angestrebt wird. Es greift 13347 Berlin 2

nach unserer Ansicht zu kurz, wenn Pflegequalität nur im Sinne der Schadensvermeidung verstanden und die Pflege entsprechend ausgerichtet wird. Qualitativ hochwertige Pflege bedeutet deutlich mehr, als die bloße Vermeidung von Dekubita usw. Zudem werden auch die politisch intendierte zunehmende Akademisierung von Pflegeberufen und die selbstständige Ausübung von Heilkunde durch Pflegefachkräfte mit der bloßen Fokussierung auf Schadensvermeidung in Frage gestellt. Der e.v. lehnt die Einführung von Personaluntergrenzen in der Geriatrie mit der reinen Intention einer Schadensvermeidung weiterhin ab: Insbesondere mit Blick auf die überdurchschnittlich hohen Zeit- und Pflegeaufwände des geriatriespezifischen Pflegekonzeptes können die Pflegepersonaluntergrenzen den gesetzten Zielen der Schadensvermeidung und der Verbesserung der Pflegequalität nicht gerecht werden. Ermittlung pflegeintensiver Krankenhausbereiche anhand von Indikatoren-DRGs Aus diesem Grund ist auch der Bezug zu den in der Verordnung festgelegten Indikatoren-DRGs im Bereich der Geriatrie abzulehnen. Grundlage der genannten geriatrischen DRGs ist ausnahmslos der OPS 8-550 die geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung. Diese zeichnet sich durch einen vergleichsweise hohen Pflegeaufwand aus, der nicht nur allein aus dem pflegebedürftigerem Patientenklientel stammt, sondern insbesondere aus dem besonderen Ansatz der Aktivierend-therapeutischen Pflege. Aktivierend-therapeutische Pflege bezieht sich auf Menschen mit Unterstützungs- und Pflegebedarf sowie (Früh-)Rehabilitationsbedarf, geht über die Grundpflege hinaus und ist mit Behandlungspflege (Versorgungspflege) nicht zu vergleichen. Unter Beachtung der vorhandenen Fähigkeiten und Fertigkeiten sowie aktueller gesundheitlicher Einschränkungen stehen insbesondere das (Wieder-)Erlangen und Erhalten von Alltagskompetenz im Mittelpunkt. Ziel ist, die individuell optimal erreichbare Mobilität, Selbstständigkeit und Teilhabe in der Form, wie diese vor der aktuellen Verschlechterung bestanden haben, wieder zu erreichen. Dies beinhaltet, den alten, multimorbiden Patienten mit multiplen Funktionseinschränkungen trotz und mit seiner aktuellen oder chronifizierten Einschränkung die Möglichkeiten seines Handelns selbst erfahren zu lassen und dahingehend zu motivieren, mit pflegerischer Unterstützung Aktivitäten wieder zu erlernen und einzuüben. Aktivierend-therapeutische Pflege greift auch die 13347 Berlin 3

Arbeit der Therapeuten auf, setzt diese im interdisziplinären Behandlungskonzept fort und gibt Impulse zur Zieldefinition des Behandlungsteams. Diese Ziele sind mit der vorgegebenen Mindestpersonalbesetzung nicht erreichbar, die als Indikatoren verwendeten DRGs lassen keine sachgerechten Schlüsse auf die mit der Versorgung geriatrischer Patienten einhergehenden Pflegepersonalaufwände zu. Der e.v. hat im Jahr 2016 ein verbandsinternes Projekt mit dem Ziel der Ermittlung einer patientenbedarfsgenauen und aufwands-angemessenen Pflegepersonalausstattung initiiert. Die Ergebnisse dieses Projekts zeigen unter besonderer Berücksichtigung der geriatriespezifischen Pflege- und Zeitaufwände bei einem ermittelten Korridor einer nurseto-patient-ratio von 1:6 bis 1:8 (im Tagdienst) und 1:25 (im Nachtdienst) vor allem im Tagesdienst deutliche Abweichungen zu den in der Verordnung festgelegten Pflegepersonaluntergrenzen. Pflegepersonal-Bedarfsbemessungsinstrument Der e.v. hat sich wiederholt für die Einführung eines Instruments zur Pflegepersonalbedarfsbemessung anstelle starrer Pflegepersonaluntergrenzen ausgesprochen. Eine am Bedarf des Patienten und seinem Pflegeaufwand orientierte Versorgung macht die Einführung eines solchen Instruments erforderlich, um eine über bloße Schadensvermeidung hinausgehende hohe Versorgungsqualität gewährleisten zu können. Zugleich ermöglicht ein Pflegepersonalbedarfsbemessungsinstrument, u.a. Personal- und Patientenverlagerungseffekte zuungunsten von nicht als pflegesensitiv identifizierten Fachabteilungen als potenzieller Folge der angestrebten Pflegepersonaluntergrenzen zu verhindern. Zu diesem Zweck hat der e.v. eine geriatriespezifische Pflegepersonalregelung (PPR GER) unter besonderer Berücksichtigung der überdurchschnittlich hohen Zeitaufwände in der geriatrischen Pflege entwickelt. Bürokratieaufwand Die in der Verordnung festgelegten Übermittlungs- und Nachweispflichten führen zu einem unnötig hohen Bürokratie- und Dokumentationsaufwand für die Krankenhäuser dies gilt 13347 Berlin 4

umso mehr in Anbetracht der Tatsache, dass die Verordnung nur bis zum 31. Dezember 2019 Gültigkeit haben wird. Der Zusatznutzen dieser administrativen Aufwände für die Patienten und eine qualitätsgesicherte Versorgung ist angesichts ohnehin kontinuierlich zunehmender Dokumentations- und Übermittlungspflichten der Krankenhäuser fraglich. Nach Einschätzung des Bundesverbandes Geriatrie e.v. geht mit den beabsichtigten Melde- und Übermittlungspflichten eine Ressourcenbindung in den Krankenhäusern und beim InEK einher, die nicht im Verhältnis zu den genannten Zielen einer Verbesserung der qualitätsgesicherten Patientenversorgung stehen. Konfrontation mit Pflegepersonal-Stärkungsgesetz PpSG Die PpUGV steht nicht im Einklang mit dem Pflegepersonal-Stärkungsgesetz (PpSG) und dem im März 2018 veröffentlichten Koalitionsvertrag der Bundesregierung. So geht die im Koalitionsvertrag formulierte Absicht, verbindliche Pflegepersonalvorgaben für alle Fachabteilungen in Krankenhäusern einzuführen, deutlich über die nun mit der Verordnung als pflegesensitiv identifizierten vier Bereiche hinaus. Mit der Einfügung des 137j SGB V (Artikel 7 Nr. 12, Artikel 9 Nr. 4 Entwurf der Bundesregierung zum Gesetz zur Stärkung des Pflegepersonals PpSG) soll ein Pflegepersonalquotient das Verhältnis zwischen den Vollzeitkräften im Pflegedienst eines Krankenhauses und dem anfallenden Pflegeaufwand erfassen. Die mit der PpUGV und der Absicht zur Einführung von Pflegepersonaluntergrenzen in vier Krankenhausbereichen nun vollzogene Abweichung vom Koalitionsvertrag und dem Entwurf der Bundesregierung zum PpSG ist weder sachlich-inhaltlich noch organisatorisch nachzuvollziehen. Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft Angezweifelt wird auch der im Verordnungsentwurf angegebene Erfüllungsaufwand i. H. v. 650.000 EUR für die Wirtschaft. Dieser bezieht sich auf den Aufwand der Krankenhäuser für die Dokumentation und Auswertung sowie Übermittlung der Daten nach dieser Verordnung. 13347 Berlin 5

Angenommen die pflegesensitiven Abteilungen würden nur bei der Hälfte aller Krankenhäuser vorhanden sein, wären von den 650.000 EUR als Gesamtsumme für alle Krankenhäuser pro Krankenhaus ca. 700 EUR als zusätzliche Kosten zu veranschlagen. Die Einhaltung der in der Verordnung festgelegten Pflegepersonaluntergrenzen macht eine Umstellung der Dienstplanung, in der u.a. auch Personal zur Kompensation akuter Ausfälle berücksichtigt werden muss, erforderlich. Zudem müsste auch die tatsächliche Anwesenheit dokumentiert und nachgewiesen werden können. Dies muss beweissicher in der ggf. schriftlichen aber auch digitalen Dokumentation erfasst werden können, was eine Anpassung der von den jeweiligen Krankenhäusern verwendeten Erfassungssoftware erforderlich macht. Die veranschlagten Kosten sind dafür nicht ausreichend. Die Umsetzung führt für die Krankenhäuser zu einem weitaus höheren wirtschaftlichen Aufwand. Zusätzliche Investitionen oder Einnahmen, die diesen Aufwand ausgleichen würden, sind jedoch nicht vorgesehen. Auswirkungen von Pflegepersonaluntergrenzen für Rehabilitationseinrichtungen Die Einführung von Pflegepersonaluntergrenzen in Krankenhäusern auch wenn diese zunächst auf vier pflegesensitive Bereiche beschränkt ist wird eine deutliche Zunahme der Nachfrage nach Pflegekräften am Arbeitsmarkt nach sich ziehen. Vor dem Hintergrund der fehlenden Einbeziehung der Rehabilitation in die vom Gesetzgeber geplante Refinanzierung zusätzlicher Pflegestellen (siehe PpSG) verschärft sich die pflegerische Situation in den Rehabilitationseinrichtungen. Es findet somit nicht nur keine Förderung der Pflege in Einrichtungen der medizinischen Rehabilitation statt, vielmehr kommt es zu einer personellen und finanziellen Schwächung in diesem Versorgungszweig. Umsetzung der Verordnung Über die oben angeführten sachlich-inhaltlichen Einwände gegen die Regelungen der geplanten Verordnung hinaus zeigen sich weitere Probleme hinsichtlich der konkreten Auslegung bzw. Umsetzung der verfassten Verordnung: 13347 Berlin 6

Berechnung des prozentualen Anteils der Pflegehilfskräfte 6 Abs. 2 PpUGV Dabei ist zum einen insbesondere die Formulierung in 6 Abs. 2 PpUGV zum Anteil der Pflegehilfskräfte an der Gesamtzahl der Pflegekräfte missverständlich. Unklar ist, ob sich der prozentuale Anteil an der Gesamtzahl aller Pflegekräfte der Station oder an der Gesamtzahl der nach der Pflegeuntergrenze ermittelten Mindestbesetzung orientiert. Entsprechend unterschiedlich würde sich danach die Anzahl der Pflegehilfskräfte berechnen. Festlegung des Stationsbezuges 6 Abs. 1 PpUGV Die Pflegepersonaluntergrenzen sollen nach 6 Abs.1 PpUGV stationsbezogen ermittelt werden. Der Begriff Station ist jedoch nicht definiert und wird in den Krankenhäusern nicht einheitlich verwendet. Unklar ist, ob damit ein Bereich, eine Funktionseinheit, ein Team oder ähnliches gemeint ist. Die Beispielrechnung der Begründung des Verordnungsentwurfs zu 6 Absatz 2 auf Seite 36 lässt die Vermutung zu, dass die Pflegepersonaluntergrenze für einen Fachbereich pro Schicht anzunehmen und zu ermitteln ist. Anderenfalls würde die Rechnung keinen Sinn machen, da Stationen mit 100 Patienten zumindest in den von uns vertretenen Geriatrien nicht existieren. 13347 Berlin 7