Klimawandel Auswirkungen auf den Geschiebehaushalt und Folgen für die Wasserkraft. Visp, Energie-Apéros 2016, 15. März 2016 Marco Cortesi, Alpiq, SHS

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Transkript:

Klimawandel Auswirkungen auf den Geschiebehaushalt und Folgen für die Wasserkraft Visp, Energie-Apéros 2016, 15. März 2016 Marco Cortesi, Alpiq, SHS

1. Einleitung 2. Auswirkungen auf Wasserkraft 3. Beispiel Electra-Massa 4. Haut Glacier d Arolla 5. Schlussfolgerungen 2

1. Einleitung Warum verändert sich der Geschiebehaushalt? CH2011 (2011), Swiss Climate Change Scenarios CH2011 Zunahme der Geschiebeangebots: Abnahme des Gletschervolumens sowie der vergletscherten Oberfläche des Grossen Aletschgletschers (Quelle: VAW, Alpiq Suisse SA) 1. Rückgang der Vergletscherung Die nach der Eisschmelze freigelegten Moränen und Schuttablagerungen führen zu erhöhten Geschiebefrachten 2. Degradierung Permafrost (Destabilisierung) Vermehrte Rutsch-, Sturz- und Murgangprozesse führen zu mehr Geschiebe in Wildbächen und Gebirgsflüssen 3

1. Einleitung Warum verändert sich der Geschiebehaushalt? Gletschervorfeld Oberaletschgletscher, Bild: Marco Cortesi CH2011 (2011), Swiss Climate Change Scenarios CH2011 Zunahme des Transportkapazität: 1. Rückgang der Vergletscherung Zunahme der Spitzenabflüsse in Einzugsgebieten mit hoher Vergletscherung 2. Zunahme von extremen Niederschlagsereignissen intensivere Niederschläge (z.b. durch Gewitter) führen zu erhörter Transportkapazitäten 4

2. Auswirkungen auf Wasserkraft Wie wirkt sich das Geschiebe auf den Betrieb aus? Stauraumverlandung: Eintrag von Sedimenten und Geschiebe führt zu Verlandung des Stauraums Volumenverlust/Desoptimierung für die Nutzung zur Stromproduktion oder Ausfall der Anlage Fassungsbecken Clusanfe, Bild: HYDRO Exploitation SA Abrasion: Geraten die Feinsedimente (Schwebestoffe) im Wasser durch die Druckleitung in die Turbinen, können diese «abgenutzt» werden Verringerung Wirkungsgrad bis Ausfall der Maschinen Peltonturbine Electra-Massa SA Unwetterschäden: Führen die Niederschläge zu extremen Hochwasser können die Anlagen (z.b. Wasserfassungen, Entlastungsorgane) beschädigt oder sogar zerstört werden Ausfall der Anlage Wasserfassung Grande Pente, Bild: HYDRO Exploitation SA 5

2. Auswirkungen auf Wasserkraft Welche «Gegenmassnahmen» gibt es? Spülungen: gezielte Entleerung der Staubecken mit hohen Abflüssen für die Mobilisierung des Geschiebes Geschiebeumleitung: Umleitung des Geschiebes durch Bypass-Systeme (z. B. Geschiebeumleitstollen oder Ausschlagen von Wasserfassungen) Mechanische Aushebung: Ausgraben des Geschiebes mit schwerem Gerät Spülung Electra-Massa SA, Bild: HYDRO Exploitation SA Setzungsbecken: Vorschalten von Entsander/ Entkieser bei den Wasserfassungen oder Staumauern Ziele der Massnahmen: Gewährleistung der Sicherheit Maximierung der Verfügbarkeit Minimierung der Wasserverluste Staubecken Sera, Bild: HYDRO Exploitation SA 6

3. Beispiel Electra-Massa Rahmenbedingungen im Aletschgebiet Kennzahlen: Einzugsgebiet: 198 km 2 Vergletscherung: 65% Jahresabfluss 2015: 524 mio m 3 Jahresproduktion 2015: 660 GWh 7

05.1971 05.1973 05.1975 05.1977 05.1979 05.1981 05.1983 05.1985 05.1987 05.1989 05.1991 05.1993 05.1995 05.1997 05.1999 05.2001 05.2003 05.2005 05.2007 05.2009 05.2011 05.2013 05.2015 mg/l 3. Beispiel Electra-Massa Feststoffkonzentration 4500 4000 3500 3000 2500 2000 1500 1000 500 0 Datum Probe Feststoffkonzentration im Wasser mit einigen 100 mg/l bis 4000 mg/l (bis zu 800 t/h). Hoher Quarzanteil (sehr abrasiv) Erhöhung Wasserfassung um 40 m Geringerer Feststoffgehalt im Bereich der Seeoberfläche Rund 20% weniger Feststoffe im Turbinenweg 8

3. Beispiel Electra-Massa Verlandung Bathymetrie Gebidem 2015, HYDRO Exploitation SA Differenz Bathymetrie 2015 Lidar 2010 Gebidem Stausee, HYDRO Exploitation SA Verlandungsrate von rund 140 000 m 3 /a Seereinigung durch jährlich wiederkehrende Spülung! 9

3. Beispiel Electra-Massa Auswirkungen auf die Anlagen Mögliche Auswirkungen auf den Betrieb: Funktionsstörungen der Betriebsorgane Bildung von Sedimentablagerungen bei Grundablass Stauraumverlandung Zunahme der Wasserverluste durch Spülvorgänge Zunahme Abrasion Einschränkungen auf Verfügbarkeit der Turbinen (durch Zunahme der Erosion) Unterwasseraufnahme Grundablass Gebidem Staumauer, HYDRO Exploitation SA Spülungen Verlust von Wasser für die Seespülung Nahaufnahme Schaufelrad Peltonturbine, HYDRO Exploitation SA 10

3. Beispiel Electra-Massa Wie sieht die Zukunft aus? Jahresabfluss Aletsch, VAW 2011 Modellierung Aletschgletscher, VAW 2011 Abflusszunahme bis Mitte des Jahrhunderts Sukzessive Abnahme der mit Eis bedeckten Fläche Voraussetzungen für eine Veränderung des Geschiebehaushalts sind gegeben! 11

3. Beispiel Electra-Massa Forschungsprojekt NFP 70 Wie verändert sich der Geschiebeeintrag in Zukunft? Gegenstand der aktuellen Forschung im Rahmen des NFP 70 bzw. Swiss Competence Center for Energy Research Supply of Electricity (SCCER-SoE): «Potential for future hydropower plants in Switzerland: a systematic analysis in the periglacial environment (PHP)» (Boes, Funk, Ehrbar, Delaney) Verlandungsrate Schweizer Stauseen, Daniel Ehrbar, VAW 2016 Wie wirken sich diese Veränderungen auf den Betrieb der Anlage aus? 12

4. Haut-Glacier d Arolla Geschiebemanagement im Val d Arolla «Automatische» Wasserfassungen (Tyrolerwerhr): Die Wasserfassungen werden in Abhängigkeit des «gefassten» Geschiebes regelmässig gespült in Gewissen Perioden des Jahres und an einigen Standorten mehrmals täglich. 13

4. Haut-Glacier d Arolla Forschungsprojekt NFP70 NFP 70: Optimizing Environmental Flow Releases under Future Hydropower Operation (HydroEnv) (Stuart Lane & Chrystelle Gabbud & UNIL) Wie verändern sich die Prozesse im Gletschervorfeld? Welche Geschiebemengen können mobilisiert werden? Wie ist der zeitliche Ablauf dieser Vorgänge? Für ALPIQ: Auswirkungen auf Betrieb? Ansicht Haut-Glacier d Arolla, S. Lane, UNIL (2016) 14

4. Haut-Glacier d Arolla Transportkapazität Transportkapazität : Gewässer können Geschiebe schneller Transportieren als Gletscher, zudem führt die durch die Gletscherschmelze bedingte Abflusszunahme zu einer höheren Transportkapazität der Gewässer S. Lane, UNIL (2016) 15

4. Haut-Glacier d Arolla Konnektivität Transportkapazität eff. Transport Geschiebeangebot stimmt nicht zwingend mit lokaler hoher Transportkapazität überein: «Konnektivität» Topographische Eigenschaften der freigelegten Fläche und Rückzugsrate der Gletscher beeinflussen tatsächlichen Geschiebetransport massgeblich S. Lane UNIL (2016) 16

4. Haut-Glacier d Arolla Extremereignisse Micheletti, Lane, UNIL (2016) Temperatur und Niederschlag: Micheletti, Lane, UNIL (2016) Zunahme der Geschiebefracht korreliert teilweise mit zunehmender Temperatur und auch mit Frequenz von Extremereignissen (Starkniederschläge). S. Lane, UNIL (2016) 17

5. Schlussfolgerungen Geschiebe-Prozesse sind (teilweise) bekannt: die Wasserkraft ist bereits an viele Prozesse «angepasst» und die Vorgänge werden bereits stark vom Betrieb berücksichtig. Klimainduzierte Veränderungen betreffen vor allem Einzugsgebiete mit grosser Vergletscherung. Einzelne Gebiete sind von Änderungen stark betroffen. Die Auswirkung auf die Wasserkraftwerke muss in diesen Gebieten weiter abgeklärt werden. Umwelteinwirkungen: Geschiebedefizite aufgrund von Wasserkraftwerken zur Zeit Gegenstand der Renaturierung der Gewässer, Klimaeinflüsse müssen berücksichtigt werden. Betrieb der Anlagen muss sich fortlaufend an die sich verändernden Rahmenbedingungen anpassen. 18

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Marco Cortesi, Alpiq Suisse SA marco.cortesi@alpiq.com +41 21 341 23 03