Erbunwürdigkeit, Vermächtnisunwürdigkeit, Pflichtteilsunwürdigkeit, 2339 ff. BGB

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Transkript:

Martin Fries 1

Enterbung o Enterbt ist, wer ausdrücklich von der Erbfolge ausgenommen wurde ( 1938 BGB) und wer in einer Verfügung von Todes wegen übergangen wurde o Eltern, Ehegatten und Abkömmlinge haben im Fall der Enterbung ein Pflichtteilsrecht als eine Art gesetzliches Mindestpartizipationsrecht, 2303 ff. BGB Pflichtteilsentziehung, 2333 BGB o Die Entziehung des Pflichtteils steht unter hohen Voraussetzungen und kommt nur bei Kapitaldelikten und der Verletzung von Unterhaltspflichten in Betracht o Beispiel: Versagung persönlicher Pflege ohne verwerfliche Gesinnung rechtfertigt nicht die Entziehung des Pflichtteils, OLG Frankfurt am Main v. 29. Oktober 2013, 15 U 61/12, https://openjur.de/u/661732.html Erbunwürdigkeit, Vermächtnisunwürdigkeit, Pflichtteilsunwürdigkeit, 2339 ff. BGB o Die Voraussetzungen für eine Erbunwürdigkeit sind extrem hoch und sind nur in Ausnahmefällen verwirklicht, insb. bei Kapitaldelikten und Testamentsdelikten, 2339 Abs. 1 BGB o Grenzfall: Erwünschte Sterbehilfe nach neun Jahren Bettlägerigkeit ohne Kommunikation mit der Außenwelt, BGH v. 11. März 2015, IV ZR 400/14, https://lexetius.com/2015,572 2

Pflichtteilsergänzung: Geschenke aus den zehn Jahren vor dem Tod des Erblassers werden teilweise wieder in den Nachlass zurückgerechnet, 2325 BGB o Ähnlich 2287 f. BGB für Schenkungen, die den Vertragserben benachteiligen, hier aber keine Zehnjahresregelung Telos: Der Pflichtteilsanspruch soll nicht durch Schenkungen des Erblassers unterminiert werden Bis Ende 2009 galt eine pauschale Zehnjahresregelung: o Alle Geschenke innerhalb des Zehnjahreszeitraums wurden voll berücksichtigt o Alle länger zurück liegenden Geschenke wurden nicht berücksichtigt (so auch heute noch) 3

Hat ein Pflichtteilsberechtigter eine Zuwendung erhalten, die vom Wert her hinter dem Pflichtteil zurückbleibt, so kann er den Rest auffüllen, sog. Zusatzpflichtteil oder Pflichtteilsrestanspruch gemäß 2305, 2307 Abs. 1 S. 2 BGB Beispiel: Die einzige Tochter einer geschiedenen Erblasserin erhält vermächtnisweise einen Oldtimer im Wert von 100.000 ; der gesamte Nachlass ist 300.000 wert o Entweder Ausschlagen des Vermächtnisses und Pflichtteilsanspruch in Höhe von 150.000 o Oder Annahme des Vermächtnisses und Pflichtteilsrestanspruch in Höhe von 50.000 4

Erste Stufe, 2314, 260 Abs. 1 BGB: o Auskunft über den Nachlassbestand à Nachlassverzeichnis o Auskunft über den Wert des Nachlasses à Preisschild an jede einzelne Position im Nachlassverzeichnis Zweite Stufe, 260 Abs. 2 BGB: o Eidesstattliche Versicherung der Richtigkeit der auf erster Stufe gemachten Angaben o Falsche eidesstattliche Versicherung ist strafbar nach 156 StGB Dritte Stufe, 2303 BGB: o Leistungsklage auf Auszahlung des Pflichtteils o Der Pflichtteilsanspruch ist immer ein reiner Geldanspruch! 5

Endet die Zugewinngemeinschaft weder durch Güterstandswechsel noch durch Scheidung, sondern durch den Tod eines Ehegatten, kann der überlebende Ehegatte einen pauschalen Zugewinnausgleich durch Erhöhung des Erbteils um ein Viertel wählen, 1371 Abs. 1 BGB Zweck: Vereinfachung zugunsten des vom Todesfall betroffenen überlebenden Ehegatten Grundannahme: Der Mehrverdiener stirbt zuerst o Historisch dürfte in der Regel der Mann mehr verdient haben und als erster verstorben sein Kritik an der Pauschalierung: o Wenn der Wenigerverdiener zuerst stirbt, wird der Nachlass zu Lasten der anderen Erben noch geschmälert, während er eigentlich um die Hälfte des ehelichen Zugewinns bereichert werden müsste o Hinterlässt der Verstorbene ein oder zwei Kinder, so erhält der überlebende Ehegatte nicht mehr als im Falle der Gütertrennung, nämlich die Hälfte der Erbschaft, vgl. 1931 Abs. 1 und 4 BGB Martin Fries 6

Wer als Ehegatte enterbt wird, kann nach 2303 BGB die Hälfte des gesetzlichen Erbteils als Pflichtteil verlangen (sog. kleiner Pflichtteil) und zusätzlich den errechneten Zugewinn ausgleichen lassen Streitig ist, ob der enterbte Ehegatte stattdessen auch den gesetzlichen Erbteil zunächst um den pauschalen Zugewinnausgleich nach 1371 Abs. 1 BGB erhöhen und erst anschließend die in 2303 BGB vorgesehene Halbierung vornehmen kann (sog. großer Pflichtteil) o Pro großer Pflichtteil (MM): Wortlaut des 1371 Abs. 2 BGB: Der Pflichtteil berechnet sich nur in dem Falle nach dem nicht erhöhten gesetzlichen Erbteil, dass der überlebende Ehegatte den berechneten Zugewinnausgleich verlangt, das kann er, muss er aber nicht o Contra großer Pflichtteil (hm): Wortlaut des 1371 Abs. 2 BGB: Der Pflichtteil bestimmt sich im Falle, dass der Ehegatte nicht Erbe wird, nach dem nicht erhöhten gesetzlichen Erbteil Der große Pflichtteil ist vor allem bei einem großen Nachlass und geringem Zugewinn des Erblassers attraktiv o Beispiel: Erblasserin hinterlässt neben ihrem Gatten und einer Tochter 1 Mio. und hat während der Ehe 10.000 mehr verdient als der überlebende Ehegatte Martin Fries 7

8

Schenkung auf den Todesfall im Zweipersonenverhältnis: 2301 BGB o 2301 BGB verweist nach hm auf die notarielle Form des 2276 BGB o Gemäß 2301 Abs. 2 BGB Heilung durch lebzeitigen Vollzug möglich, das aber schwierig, wenn das Vermögensopfer doch erst nach dem Tod (Überlebensbedingung!) erfolgen soll o Im Bonifatiusfall hat das RG einen lebzeitigen Vollzug nach 2301 Abs. 2 BGB abgelehnt, weil der Wille des Berechtigten im Moment der Botenhandlung nicht mehr vorhanden gewesen sei (obgleich der Erblasser zuvor alles getan hatte, um den Vollzug zu bewirken) Ø Schenkung von Wertpapieren zu Lebzeiten auf den Weg gebracht, Vollmacht gilt auch postmortal nach 130 Abs. 2 BGB, dann übergeben, aber schuldrechtliches Geschäft formbedürftig nach 2301 BGB à RG: Vermögen kondizierbar (zweifelhaft) In Dreiecksverhältnissen ist 331 BGB lex specialis, z.b. bei Lebensversicherungen o Deckungsverhältnis Erblasser und Versprechender: Versicherungsvertrag o.ä. o Valutaverhältnis Erblasser an Begünstigter: Schenkung nach 516 BGB, Formmangel heilbar nach 518 Abs. 2 BGB, auch noch nach dem Tode o Entscheidend ist, ob das Valutaverhältnis wirksam ist, sonst bereicherungsrechtliche Rückforderung (Leistungskondiktion) Ø Versprechender leitet Schenkungsangebot im Todesfall an den Begünstigten weiter, 130 Abs. 2, 153 BGB, und verzichtet nach 151 BGB auf den Zugang der Annahme Ø Heilung des Formmangels nach 518 Abs. 2 BGB Ø Die Leistung der Versicherung fällt nie in den Nachlass! 9

Martin Fries 10