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Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Beschluß vom TaBV 59/03 (Rechtsbeschwerde beim BAG - 1 ABR 25/04 - )

Transkript:

Kein Verwertungsverbot bei später Auswertung offener Videoüberwachung Verfasser Prof. Dr. Tim Jesgarzewski FOM Hochschule für Oekonomie & Management Bremen KCW KompetenzCentrum für Wirtschaftsrecht Hamburg Prof. Dr. Jesgarzewski & Kollegen Rechtsanwälte Lange Str. 3, 27711 Osterholz-Scharmbeck Tel. 04791 96590-10 Fax 04791 96590-11 tim.jesgarzewski@drjesgarzewski.de Klassifizierung Rechtsprechung; Arbeitsrecht Stichworte Videoüberwachung, Kündigungsschutzklage, Verwertungsverbot Abstrakt Die Speicherung von Bildsequenzen aus einer rechtmäßigen offenen Videoüberwachung, die vorsätzliche Handlungen eines Arbeitnehmers zulasten des Eigentums des Arbeitgebers zeigen, wird nicht durch bloßen Zeitablauf unverhältnismäßig, solange die Ahndung der Pflichtverletzung durch den Arbeitgeber arbeitsrechtlich möglich ist. Solche Bildsequenzen unterliegen daher auch keinem Verwertungsverbot im Rahmen einer arbeitsgerichtlichen Auseinandersetzung.. Seite 1

I. Einleitung Arbeitgeber haben ein Interesse daran, ihr Eigentum zu schützen. Das gilt insbesondere dahingehend, dass Einbruchs- oder Diebstahlssicherung gegen Unternehmensfremde erfolgen sollte. Gegenüber den eigenen Mitarbeitern sollte zwar grundsätzlich großes Vertrauen herrschen. Leider kommt es aber auch dort zu Vermögensdelikten. Hier reagieren Arbeitgeber nicht selten mit Videoüberwachungen oder anderen technischen Einrichtungen, die einen größeren Schutz bewirken sollen. Werden Arbeitnehmer bei der Verrichtung ihrer Tätigkeit per Videoaufnahme überwacht, liegt darin jedoch ein Eingriff in ihr Recht am eigenen Bild als Ausprägung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts nach Art. 2 I GG. Die Rechtspositionen der Arbeitsvertragsparteien müssen folglich zu einem angemessenen Ausgleich gebracht werden. II. Sachstand Hierzu trifft das Bundesdatenschutzgesetz die Regelung, dass die Erhebung und Verarbeitung personenbezogener Daten im Arbeitsrecht nur für die dort genannten Zwecke und nach den dort gemachten Vorgaben zulässig ist. Nach 32 BDSG galt das Folgende: Datenerhebung, -verarbeitung und -nutzung für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses (1) Personenbezogene Daten eines Beschäftigten dürfen für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, wenn dies für die Entscheidung über die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses oder nach Begründung des Beschäftigungsverhältnisses für dessen Durchführung oder Beendigung erforderlich ist. Zur Aufdeckung von Straftaten dürfen personenbezogene Daten eines Beschäftigten nur dann erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, wenn zu dokumentierende tatsächliche Anhaltspunkte den Verdacht begründen, dass der Betroffene im Beschäftigungsverhältnis eine Straftat begangen hat, die Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung zur Aufdeckung erforderlich ist und das schutzwürdige Interesse des Beschäftigten an dem Ausschluss der Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung nicht überwiegt, insbesondere Art und Ausmaß im Hinblick auf den Anlass nicht unverhältnismäßig sind. Seite 2

(2) Absatz 1 ist auch anzuwenden, wenn personenbezogene Daten erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, ohne dass sie automatisiert verarbeitet oder in oder aus einer nicht automatisierten Datei verarbeitet, genutzt oder für die Verarbeitung oder Nutzung in einer solchen Datei erhoben werden. (3) Die Beteiligungsrechte der Interessenvertretungen der Beschäftigten bleiben unberührt. Im Zuge der europarechtlichen Vorgaben wurde das BSGD angepasst und lautet nunmehr in 26 I BDSG wie folgt: Datenverarbeitung für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses Personenbezogene Daten von Beschäftigten dürfen für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses verarbeitet werden, wenn dies für die Entscheidung über die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses oder nach Begründung des Beschäftigungsverhältnisses für dessen Durchführung oder Beendigung oder zur Ausübung oder Erfüllung der sich aus einem Gesetz oder einem Tarifvertrag, einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung (Kollektivvereinbarung) ergebenden Rechte und Pflichten der Interessenvertretung der Beschäftigten erforderlich ist. 2Zur Aufdeckung von Straftaten dürfen personenbezogene Daten von Beschäftigten nur dann verarbeitet werden, wenn zu dokumentierende tatsächliche Anhaltspunkte den Verdacht begründen, dass die betroffene Person im Beschäftigungsverhältnis eine Straftat begangen hat, die Verarbeitung zur Aufdeckung erforderlich ist und das schutzwürdige Interesse der oder des Beschäftigten an dem Ausschluss der Verarbeitung nicht überwiegt, insbesondere Art und Ausmaß im Hinblick auf den Anlass nicht unverhältnismäßig sind. Fraglich ist daher, ob es danach zulässig sein kann, gespeicherte Bilder aus einer offenen Videoüberwachung erst nach langer Zeit auszuwerten und diese im Rahmen einer gerichtlichen Auseinandersetzung auch zu verwerten. Seite 3

III. Entscheidung des Gerichts Vor diesem Hintergrund hatte das Bundesarbeitsgericht über den folgenden Fall zu entscheiden (BAG, Urteil vom 23. August 2018-2 AZR 133/18): Die klagende Arbeitnehmerin war bei dem Beklagten in einem Tabak- und Zeitschriftenhandel einschließlich angeschlossener Lottoannahmestelle tätig. Im Ladenlokal war durch den Arbeitgeber eine offene Videoüberwachung installiert worden. Durch die offene Videoüberwachungsanlage sollte Eigentum des Arbeitgebers vor Straftaten von Kunden als und Arbeitnehmern geschützt werden. Im 3. Quartal 2016 hat der Arbeitgeber einen Fehlbestand bei den Tabakwaren festgestellt. Anschließend hat er im August 2016 eine Auswertung der Videoaufzeichnungen vorgenommen. In diesen habe sich gezeigt, dass die Klägerin an zwei Tagen im Februar 2016 vereinnahmte Gelder nicht in die Registrierkasse gelegt habe. Der Beklagte hat daraufhin der Klägerin das bestehende Arbeitsverhältnis außerordentlich aus wichtigem Grund gekündigt. Die Klägerin begehrt mit der von ihr erhobenen Kündigungsschutzklage die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses. Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben (Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 20. Dezember 2017-2 Sa 192/17). Sie waren der Ansicht, dass die Videobilder einem Verwertungsverbot unterliegen. Der Beklagte hätte die Bildsequenzen unverzüglich löschen müssen. Der Zeitpunkt der Verpflichtung zum Löschen habe jedenfalls deutlich vor dem 1. August 2016 gelegen, so dass diese im gegenständlichen Verfahren nicht verwertbar wären. Das Bundesarbeitsgericht hat das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen. Das Landesarbeitsgericht sei rechtsfehlerhaft von einem Verwertungsverbot ausgegangen. Das Bundesarbeitsgericht musste in Ermangelung eines bereits vollständig aufgeklärten Sachverhaltes zwar noch hypothetisch formulieren. Seine revisionsrechtlichen Ausführungen lassen jedoch klar erkennen, dass kein Verwertungsverbot anzunehmen ist. Sollte es sich um eine rechtmäßige offene Videoüberwachung gehandelt haben, wäre die Verarbeitung und Nutzung der einschlägigen Bildsequenzen nach 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG af zulässig gewesen. Eine Verletzung des durch Art. 2 Abs. 1 ivm. Art. 1 Abs. 1 GG geschützten allgemeinen Persönlichkeitsrecht der Klägerin habe aufgrund der Offenheit der Überwachung und des legitimen Aufnahmezwecks nicht vorgelegen. Der Beklagte habe das Bildmaterial auch nicht sofort auswerten müssen. Mit der Auswertung dürfe solange gewartet werden, bis der Arbeitgeber einen dafür berechtigten Anlass erkennen kann. Seite 4

Aus beiden vorgenannten Feststellungen leitet der 2. Senat ab, dass kein Verwertungsverbot der Aufnahmen im gegenständlichen Rechtsstreit bestehe. Da das Gericht nach den bisherigen Feststellungen nicht beurteilen konnte, ob die offene Videoüberwachung rechtmäßig erfolgt ist, war die Sache zur weiteren Sachaufklärung an das Landesarbeitsgericht zurück zu verweisen. Von großer praktischer Bedeutung ist der abschließende Hinweis des Gerichts zur neuen Rechtslage: Sollte die Videoüberwachung rechtmäßig erfolgt sein, stünden auch die Vorschriften der seit dem 25. Mai 2018 geltenden Datenschutz-Grundverordnung einer gerichtlichen Verwertung der erhobenen personenbezogenen Daten der Klägerin nicht entgegen. IV. Fazit Nur ausnahmsweise unterliegen Beweisangebote im arbeitsgerichtlichen Verfahren einem Verwertungsverbot. Weder im Arbeitsgerichtsgesetz, noch in der Zivilprozessordnung sind Verwertungsverbote ausdrücklich geregelt. Sie müssen deshalb jeweils im Einzelfall von den Arbeitsgerichten festgestellt werden. Der Maßstab hierfür ist eine umfassende Interessenabwägung der (grund-)gesetzlich geschützten Positionen der Parteien. Das gilt genauso für die Verwertung von technisch gewonnen Überwachungsergebnissen wie für detektivische Ermittlungsberichte. Das Bundesarbeitsgericht hat in der Vergangenheit mehrfach die revisionsrechtlichen Grenzen hierzu neu justiert. Insbesondere für die auch hier in Rede stehenden datenschutzrechtlichen Implikationen bei technischen Überwachungen wird so für eine zunehmende Klarheit gesorgt (siehe zuletzt zum Einsatz sog. Keylogger BAG, Urteil vom 27.07.2017 2 AZR 681/16 sowie zur verdeckten Videoüberwachung BAG, Urteil vom 20.10.2016 2 AZR 395/15). Die vorliegende Entscheidung reiht sich nahtlos in diese Linie ein. Inhaltlich ist der Maßstab für das Vorliegen eines Verwertungsverbotes auf zwei Ebenen festzulegen. Zunächst ist zu fragen, ob die Überwachung als solche rechtmäßig ist. Im Falle einer rechtswidrigen Datenerhebung ist eine umfassende Interessenabwägung durchzuführen. Ein Automatismus im Sinne eines stets gegeben Verwertungsverbots bei rechtswidrig erlangten Beweismitteln existiert folglich nicht. Liegt eine rechtmäßige Datenerhebung vor, steht einer gerichtlichen Verwertung der Ergebnisse nichts im Wege. Im Falle technischer Überwachungen sind hierfür insbesondere die datenschutzrechtlichen Vorgaben und die betriebsverfassungsrechtlichen Zustimmungserfordernisse nach 87 I Nr. 6 BetrVG zu beachten. Seite 5

Bei einer rechtswidrigen Überwachung liegen die Dinge anders. Im Wege einer umfassenden Interessenabwägung ist zu prüfen, wie das Verwertungsinteresse und die Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts im Einzelfall zu gewichten sind. Ist der Eingriff in die Rechte des Betroffenen nur gering, aber das Verwertungsinteresse für die Aufrechterhaltung der Funktionstüchtigkeit der Rechtspflege dagegen höher ausgeprägt, kann eine Verwertung erfolgen. Das ist dann der Fall, wenn die Art und Weise der Beweisbeschaffung als gerechtfertigt erscheint. Vorliegend hat das Bundesarbeitsgericht nun für weitere Klarheit gesorgt, indem es die zeitlichen Vorgaben an eine Auswertung präzisiert hat. Technische Überwachungsergebnisse sind auszuwerten, wenn es einen Anlass dafür gibt. Eine anlasslose permanente und zeitnahe Überwachung ist nicht erforderlich. Diese Ausführungen überzeugen. Sie finden außerhalb der datenschutzrechtlichen Fragestellungen in 626 II BGB eine erhebliche Stütze. Mit dieser Regelung hat der Gesetzgeber ganz bewusst eine zeitliche Vorgabe für den Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung gemacht. Diese knüpft jedoch gerade an das Vorliegen von Kenntnis der entsprechenden Umstände an. Vorliegend können die Dinge nicht anders liegen. Liegt eine rechtmäßige Datenerhebung vor, können diese solange eingesehen und auch verwertet werden, wie sich die Möglichkeit arbeitsrechtlicher Sanktionen bietet. Dies ist wie ausgeführt oftmals die Grenze des 626 II BGB. Obwohl das Urteil noch die Rechtslage vor Inkrafttreten der DSGVO betrifft, entfalten seine Begründungsstränge auch für die Zukunft Wirkung. Arbeitgeber sind weiter gut beraten, bei der Datenerhebung auf die gesetzlichen Vorgaben zu achten. Für Betriebsräte ergibt sich daraus ein weiterer Grund, im Rahmen von Betriebsvereinbarungen Automatismen für Datenlöschungen nach bestimmten Zeiträumen durchzusetzen. Arbeitgeber sollten das mit im Blick haben. Der Einsatz von Videoüberwachungen, aber auch von sonstigen technischen Anlagen oder auch nur auswertungsfähigen EDV-Systemen greift individualrechtlich in die Persönlichkeitsrechte der Arbeitnehmer ein. Kollektivrechtlich unterliegen solche Maßnahmen dem Zustimmungserfordernis des Betriebsrats. Werden beide Vorgaben beachtet, steht einer nachgelagerten Datenauswertung in gerichtlichen Auseinandersetzungen nichts im Wege. Seite 6