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Transkript:

Stellungnahme des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft e. V. zum Regierungsentwurf für ein Zweites Gesetz zur Modernisierung des Kostenrechts Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e. V. Wilhelmstraße 43 / 43 G, 10117 Berlin Postfach 08 02 64, 10002 Berlin Tel.: +49 30 2020-5338 Fax: +49 30 2020-6338 60, avenue de Cortenbergh B - 1000 Brüssel Tel.: +32 2 28247-30 Fax: +32 2 28247-39 Ansprechpartner: Thomas Lämmrich Gabriele Hillmer-Möbius Unfall- und Rechtsschutzversicherung, Assistance, Kriminalitätsbekämpfung E-Mail: t. laemmrich@gdv.de g.hillmer-moebius@gdv.de www.gdv.de

Zusammenfassung Die deutsche Versicherungswirtschaft befürwortet die Grundzüge und Zielrichtung des Regierungsentwurfs für ein Zweites Gesetz zur Modernisierung des Kostenrechts. Eine Anpassung der Rechtsanwaltsgebühren an die Einkommensentwicklungen in anderen Berufen ist im Grundsatz gerechtfertigt. Gerade die geplanten Maßnahmen zur Erhöhung der anwaltlichen Gebühren im sozialrechtlichen Bereich sind nachvollziehbar, denn im Gegensatz zu den mit Einführung des RVG 2004 im Übrigen deutlich angestiegenen Gebühren haben sich in diese im sozialrechtlichen Bereich nicht entsprechend erhöht. Die Versicherungswirtschaft weist in diesen Zusammenhang aber ausdrücklich darauf hin, dass der oftmals geltend gemachte Umsatz- und Einkommensrückgang auf Seiten der Anwaltschaft auf Gründe wie ständig wachsende Zulassungszahlen oder rückläufige Eingangszahlen bei den Gerichten zurückzuführen ist und durch Gebührenerhöhungen nicht gelöst werden kann. Die geplanten Änderungen, gerade auch die nochmalige Erhöhung der Gerichtskosten durch den Regierungsentwurf, werden in der Gesamtwirkung eine deutliche Verteuerung des Rechtsstaates bewirken und zu einer erheblichen Erschwer für den Rechtssuchenden bei der Wahrnehmung seiner rechtlichen Interessen führen. Für die Kunden der Rechtsschutzversicherungen wird sich dies wiederum in erhöhten Schadenzahlungen ihrer Versicherer und dadurch steigenden Versicherungsprämien niederschlagen. Bedauerlich ist aus Sicht der Versicherungswirtschaft, dass insbesondere im Bereich der strukturellen Änderungen im RVG bei Straf- und Ordnungswidrigkeitenverfahren die in der Begründung des Regierungsentwurfs bezweckte Entlastung der Gerichte nicht zu erwarten ist. Es ist an dieser Stelle erforderlich, wirksame Anreizlösungen zu schaffen (siehe nachstehende Spiegelstriche). Zudem sollten Gebührentatbestände verbraucherfreundlicher bzw. zur Vermeidung von Rechtstreitigkeiten deutlicher gefasst werden. Wir schlagen daher insbesondere vor: - Voller Gebührenanspruch nur bei endgültiger Einstellung des Strafverfahrens. Demgegenüber Reduktion der Gebühren bei anschließendem Ordnungswidrigkeitenverfahren (s.u. zu Ziff. 2.1.3.2). - Zusatzgebühr bei frühzeitigen Einspruchsrücknahmen und Einstellungen nur, wenn noch kein Termin stattgefunden hat (s.u. zu Ziff. 2.3.1). - Regelungen für Masseschäden, um Rechtsmissbrauch zu vermeiden (s.u. zu Ziffer 2.3.2). - Begrenzung des Gebührenwerts für Mietminderungsansprüche auf den Jahresbetrag der Mietminderung (s.u. zu Ziff. 2.3.3). - Begrenzung des Vergleichsmehrwerts bei Kündigungsschutzklagen auf höchstens die Hälfte des Verfahrensstreitwertes (s.u. zu Ziff. 2.3.5). Seite 2 / 10

1. Einleitung Die Versicherungswirtschaft befürwortet die Grundzüge und die Zielrichtung des Regierungsentwurfs für ein Zweites Gesetz zur Modernisierung des Kostenrechts, gibt jedoch auch zu bedenken, dass generell Erhöhungen im Bereich der Rechtsverfolgungskosten die rechtliche Interessenwahrnehmung der Rechtssuchenden und damit den Zugang zum Recht erschweren. 2. Gesetzentwurf Der Gesetzentwurf beinhaltet eine Vielzahl von Regelungen, die den Gedanken einer Modernisierung des gesamten Kostenrechts aufgreifen. Im Rahmen dieser Stellungnahme wird nur Bezug auf diejenigen Änderungen genommen, die aus Sicht der Rechtsschutzversicherung besondere Bedeutung haben: 2.1 Generelle Anmerkungen 2.1.1 Änderung des Gerichtskostengesetzes / Artikel 3 Der durch den Regierungsentwurf geplante weitere Anstieg der Gerichtskosten nach Artikel 3 ist insbesondere in Anbetracht der veranschlagten Mehreinnahmen für die Länder sowie der parallel laufenden Änderungen des Prozesskostenhilfe- und Beratungshilferechts, die eine weitere finanzielle Erleichterung für die Länder darstellen, nicht nachvollziehbar. 2.1.2 Änderung des Justizvergütungs- und entschädigungsgesetzes / Artikel 7 Artikel 7 des Regierungsentwurfs beinhaltet deutliche Erhöhungen im Bereich der Gebühren für Sachverständige. Nach Schätzung der von uns befragten Rechtsschutzversicherer könnten die geplanten Erhöhungen für Sachverständigenexpertisen zu Mehrkosten von bis zu 60 % (z. B. in den Bereichen Diagrammscheibenauswertung, Kraftfahrzeugunfallursachen, Mieten und Pachten) führen. Die Kostensteigerungen im Bereich gutachterlicher Stellungnahmen werden sich jedoch insbesondere bei sozialrechtlichen Streitigkeiten auswirken und somit neben den Erhöhungen im RVG eine erhebliche Hürde für den Zugang zum Recht gerade bei Rechtssuchenden mit unterdurchschnittlichen Einkommen darstellen. Seite 3 / 10

2.1.3 Änderung des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes / Artikel 8 Artikel 8 des Regierungsentwurfs beinhaltet Änderungen im Bereich der anwaltlichen Vergütung. Der Kostenmehraufwand aufgrund von Gebührensteigerungen ist in Teilbereichen für den Rechtssuchenden erheblich. 2.1.3.1 Nr. 4; Nr. 1005 bis 1007 VV RVG - Nr. 9; Anfügung der Vorbemerkung 2.4 bis 2.6 VV RVG Nr. 34; 3104 VV RVG; - Nr. 35; 3106 VV RVG Änderungen in sozialrechtlichen Streitigkeiten Wir begrüßen ausdrücklich die geplanten Änderungen im sozialrechtlichen Bereich, da auch aus Sicht der Versicherungswirtschaft ein Bedarf für eine angemessene Anhebung der anwaltlichen Gebühren besteht. Allerdings besteht ein Spannungsverhältnis zwischen den Interessen der Anwaltschaft und dem Rechtssuchenden, der das Kostenrisiko eines Rechtsstreits zu tragen hat und nicht durch dieses abgeschreckt werden soll. Gerade bei sozialrechtlichen Streitigkeiten muss auch einkommensschwächeren Klägern die Möglichkeit der Verfolgung ihrer Rechtsansprüche gegeben werden, so dass eine Gebührensteigerung nur sehr zurückhaltend erfolgen sollte. Bedenken begegnen der Regelung in Nr. 1006 Abs. 2 2 VV RVG, nach der die Höhe der Einigungsgebühr geschätzt werden soll, wenn die Einigung nur einen Teil der Angelegenheit betrifft. Der Regelungsinhalt von Nr. 1006 Abs. 2 VV RVG sollte dergestalt angepasst werden, dass sich der Gebührenrahmen der sonst anfallenden Einigungsgebühr halbiert: Betrifft die Einigung oder Erledigung nur einen Teil der Angelegenheit, so entsteht die Gebühr nach Absatz 1 zur Hälfte. Es steht zu befürchten, dass die vorgesehene Schätzung der Gebührenhöhe aufgrund unterschiedlicher Bewertungen der Parteien zu vermehrten Auseinandersetzungen und damit zu einer Belastung der Gerichte durch Gebührenstreitigkeiten (wie Festsetzungen, Erinnerungen, Beschwerden, Gebührenklagen) führen wird. Seite 4 / 10

2.1.3.2 Nr. 102; Nr. 4141 VV RVG Erweiterung des Anwendungsbereichs der zusätzlichen Gebühr für die anwaltliche Mitwirkung Die Gebühr nach Nr. 4141 VV RVG soll künftig auch dann entstehen, wenn das strafrechtliche Ermittlungsverfahren eingestellt und die Angelegenheit nach 43 OWiG an die Verwaltungsbehörde weitergegeben wird. Zur Begründung wird ausgeführt, dass der Anreiz erhöht werden soll, das Verfahren ohne Hauptverhandlung zu erledigen. Ob das mit der Änderung angestrebte Ziel, die Gerichte zu entlasten, erreicht werden kann, erscheint fraglich. Während auf der einen Seite zwar eine strafrechtliche Hauptverhandlung vermieden würde, kann Folge sein, dass auf der anderen Seite ein weiteres Verfahren im Bereich der Ordnungswidrigkeiten geführt wird. Wir schlagen daher vor, dass die Gebühr nur dann anfällt, wenn keine Gebühren nach Teil 5 Abschnitt 1 Unterabschnitt 3 VV RVG entstehen. In Nr. 4141 Abs. 2 VV RVG sollte daher wie folgt ergänzt werden: oder wenn Gebühren nach Teil 5 Abschnitt 1 Unterabschnitt 3 VV RVG anfallen. Eine andere Alternative könnte die Halbierung der Gebühr nach Nr. 5115 VV RVG sein, falls sich dem Strafverfahren doch ein Bußgeldverfahren anschließt. Es wird sichergestellt, dass das gesetzgeberische Ziel der Entlastung der Gerichte gebührenrechtlich gefördert wird. Eine endgültige Einstellung des Verfahrens bereits bei der strafrechtlichen Bewertung würde honoriert und die Gebühren bei einer Weiterführung der Angelegenheit im Ordnungswidrigkeitenverfahren entsprechend reduziert. Wenn in der Strafsache eine Hauptverhandlung stattfindet, wird gleichzeitig die Ordnungswidrigkeit mit erledigt. Das gesamte Verfahren vor der Verwaltungsbehörde und vor dem Amtsgericht wegen des Bußgeldvorwurfs entfällt entsprechend. Wird hingegen die Strafsache eingestellt und die Akte an die Verwaltungsbehörde wegen der Bußgeldsache abgegeben, entsteht abermals Verwaltungsaufwand, so dass die öffentliche Hand erneut belastet wird. Der Anreiz, eine strafrechtliche Hauptverhandlung zu vermeiden, wirkt sich somit zu Lasten eines weiteren Verwaltungsverfahrens im Bereich Seite 5 / 10

der Ordnungswidrigkeiten aus, an welches sich nochmals eine Hauptverhandlung anschließen könnte. 2.3. Notwendige Ergänzungen Zur Vermeidung von Streitigkeiten über die Auslegung einiger Regelungen im Gebührenrecht, zur Vereinheitlichung bestimmter Gebührenkonstellationen, aber auch zur Vermeidung von durch den Gesetzgeber nicht intendierten Gebührenanhäufungen regen wir an, einige weitere Passagen im RVG zu ändern bzw. zu ergänzen. Dadurch kann das Kostenrecht vereinfacht und eine Entlastung der Gerichte erreicht werden. 2.3.1 Zusätzliche Gebühr für die anwaltliche Mitwirkung nach bereits durchgeführter Hauptverhandlung, Nr. 4141 und 5115 VV RVG Wir regen zur Förderung frühzeitiger Einspruchsrücknahmen bzw. Einstellungen an, die Zusatzgebühr in den Fällen, in denen bereits ein Termin stattgefunden hat, nicht entstehen zu lassen. Zumindest aber sollten diese Gebühren deutlich geringer anfallen, da das Gericht bereits mit der Sache befasst war. Maximal sollte hier eine Erledigungsgebühr in halber Höhe entstehen. In Nr. 4141 und 5115 VV RVG sollte daher jeweils am Ende in Absatz 3 eingefügt werden: Rahmenmitte. Wird der Einspruch erst nach einer bereits stattgefundenen Hauptverhandlung zurückgenommen, entsteht die Gebühr zur Hälfte. Um einen entscheidenden Schritt zur Entlastung der Gerichte und Verwaltungsbehörden zu machen, ist eine Änderung bei der anwaltlichen Mitwirkung nach bereits durchgeführter Hauptverhandlung angezeigt. 2.3.2 Regelung zu Masseschäden Der Problematik von Masseschäden, gerade im Bereich von Kapitalanlagestreitigkeiten, sollte mit dem vorliegenden Gesetzentwurf ebenfalls Abhilfe geschaffen werden. Denn hier entstehen für Rechtssuchende durch häufig getrennt geführte Klageverfahren gegen unterschiedliche Gegner zu Beginn des Rechtsstreits kaum abzuschätzende Gebühren. Gleichzeitig werden die Gerichte durch eine Vielzahl von Verfahren belastet. Die vom Gesetzgeber mit dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz (KapMuG) geschaffenen Regelungen nehmen sich zwar der Problematik Seite 6 / 10

von Masseverfahren an und sollen geschädigten Anlegern die Durchsetzung ihrer Forderungen erleichtern. Das KapMuG konzentriert sich jedoch auf die Verbesserung der prozessualen Bewältigung von Masseschäden und setzt daher nur bei der Effizienzsteigerung an, ohne jedoch im Hinblick auf die Besonderheiten solcher Verfahren eine Vielzahl von gleichartig Betroffenen sowie häufig mehrere in Betracht kommende Gegner - einen gebührenrechtlichen Rahmen für den Rechtssuchenden zu schaffen. 2.3.2.1 Masseschäden mit mehreren Anspruchsgegnern In 16 RVG sollte als Nr. 14 eingefügt werden: das Vorgehen gegen mehrere Schuldner aus einem Lebenssachverhalt. Bei einer Inanspruchnahme mehrerer Gegner aus einem Lebenssachverhalt (auch aus unterschiedlichen Anspruchsgrundlagen) würde eine gesetzliche Klarstellung bewirken, dass im Sinne einer Gesamtschuldnerschaft abzurechnen ist, da nur eine Angelegenheit vorliegt. 2.3.2.2 Masseschäden mit mehreren Anspruchsstellern In Verfahren, bei denen Anwaltskanzleien eine Vielzahl von Anspruchsstellern in gleichgelagerten Fällen vertreten, so etwa bei Streitigkeiten aus Kapitalanlageverträgen, besteht derzeit das Problem, dass die Rechtssuchenden und damit in der Konsequenz auch Rechtsschutzversicherer einer erheblichen Gebührenlast ausgesetzt sind (so auch BGH IV ZB 59/11 v. 11.09.12 mit Hinweis auf Rechtsmissbrauch). Es sollte eine Gebührenregelung eingeführt werden, die neben der Addition der Gegenstandswerte auch eine analoge Anwendung der Erhöhungsgebühr nach Nr. 1008 VV RVG vorsieht. Es sollten diejenigen Anwälte gebührenrechtlich profitieren, die eine gemeinsame Klage für mehrere Kläger erheben. In Anbetracht dessen, dass sich die Streitschriften regelmäßig nur in wenigen Bereichen - wie im Datum des Erwerbs der Kapitalanlage und im Namen des Mandanten - unterscheiden, ist eine getrennte Abrechnung nach Gegenstandswerten und Verfahren nicht gerechtfertigt. Das Prinzip der Quersubventionierung im Seite 7 / 10

RVG (Ausgleich für nicht kostendeckende Mandate) wird hier ausgehebelt. Die Gerichte werden zudem mit einer Vielzahl von Gerichtsverfahren belastet. 2.3.3 Klarstellung in 41 Abs. 5 GKG Für den Tatbestand des 41 Abs. 5 GKG ist aufgrund der sehr unterschiedlichen Rechtsprechung Klarstellungsbedarf geboten; so ist beispielsweise die Spruchpraxis von KG Berlin (vgl. Beschl. v. 04.08.2011-8 W 48/11 - mit Hinweis auf eine planwidrige Regelungslücke) und LG Berlin - vgl. JurBüro 2011, 528) widersprüchlich. Es sollte gesetzlich festgeschrieben werden, dass Mietminderungsansprüche auf den Jahresbetrag der Mietminderung für den Gebührenwert begrenzt sind. In 41 Abs. 5 Satz 1 GKG sollte daher nach dem Wort Mieters die Worte auf Mietminderung oder eingefügt werden. Mit der Änderung des GKG 2004 sollte dem Mieter aus Sicht des Gesetzgebers eigentlich die Möglichkeit eingeräumt werden, seine Rechte bei Mietminderungsstreitigkeiten mit einem überschaubaren Kostenrisiko zu verfolgen. Eine entsprechende gesetzliche Regelung entspräche daher dieser Intention, würde unnötige Gerichtsverfahren über die Gesetzesauslegung vermeiden und die finanzielle Belastung der Mieter in allen Gerichtsbezirken gleichstellen. Damit einher ginge eine Waffengleichheit gegenüber dem Vermieter bei Streitigkeiten um Mieterhöhungen. 2.3.4 Erweiterung des 9 ZPO Sinnvoll ist auch eine Ergänzung des 9 ZPO in der Form, dass die Höchstgrenze von 3 1/2 Jahren zur Bemessung des anzusetzenden Wertes auch dann gilt, wenn anstelle von wiederkehrenden Leistungen ein kapitalisierender Betrag geltend gemacht wird. 9 Satz 2 ZPO sollte wie folgt ergänzt werden: Die Sätze 1 und 2 finden auch Anwendung, wenn eine Abfindung als Kapital verlangt wird ( 843 Abs. 3 BGB). Seite 8 / 10

Es darf sich für den Rechtssuchenden nicht nachteilig auswirken, wenn aus sachgerechten Einzelfallerwägungen anstelle der vom Gesetzgeber geschützten wiederkehrenden Leistungen ein kapitalisierender Betrag gefordert wird. Diese ungewollte Regelungslücke in 9 ZPO sollte geschlossen werden. Ansprüche nach 843 Abs. 3 BGB sollten die Ausnahme sein. Problematisch ist ferner, dass der Schutzzweck des 9 ZPO zugunsten einer Gebührenoptimierung umgangen werden könnte (so etwa ausdrücklich Enders, JurBüro 2012, 393 [396]). 2.3.5 Ergänzung des 42 Abs. 3 GKG (zukünftig 42 Abs. 2 GKG) Die Anwendung des 42 Abs. 3 GKG erweist sich gerade im Bereich des Arbeitsrechts als problematisch. Der Grundgedanke für die Begrenzung des Streitwertes für Kündigungsschutzklagen entspringt dem Schutzbedürfnis des Rechtssuchenden wie auch die Kostenregelung für die erste Instanz, nach der jede Partei seine eigenen Kosten zu tragen hat. Arbeitnehmer sollen dadurch zu Beginn eines Verfahrens die vermutlich anfallenden Kosten abschätzen können. Jedoch enden Kündigungsschutzklagen ganz überwiegend durch gerichtlichen Vergleich. Die sich dann tatsächlich ergebenden Anwaltskosten liegen regelmäßig erheblich oberhalb der vermuteten Kosten. Dies liegt an den Vergleichsmehrwerten, die das Vierteljahreseinkommen als Maßstab für die Streitwertbegrenzung häufig um ein Vielfaches übersteigen. Nicht selten muss der Arbeitnehmer die im Vergleich erzielte Abfindung in die Anwaltsgebühren investieren. Darüber hinaus ist die Fülle von unterschiedlichen Entscheidungen, insbesondere von Streitwertbeschwerden, fast unüberschaubar und von Landesarbeitsgericht zu Landesarbeitsgericht sehr unterschiedlich. Am Ende von Satz 1 des heutigen 42 Abs. 3 GKG sollte daher angefügt werden: ein Vergleichsmehrwert ist insgesamt auf höchstens 1/2 des Verfahrensstreitwerts begrenzt. Seite 9 / 10

Durch die Begrenzung des Streitwertes kann der Arbeitnehmer zu Beginn einer Angelegenheit die Kosten verlässlich abschätzen. Die Abwehr der Kündigung des Arbeitsverhältnisses steht im Vordergrund. Demgegenüber betreffen Vergleichsmehrwerte nur einzelne Punkte - insbesondere Abwicklungsmodalitäten - aus dem Arbeitsverhältnis als solchem. Die Arbeitsgerichte würden zudem um Streitwertauseinandersetzungen entlastet. Berlin, den 07.12.2012 Seite 10 / 10