4.3.1 Mechanische Eigenschaften von Polyethylenfolien



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Transkript:

Kapitel 4: Charakterisierung der photochemischen Folienalterung 59 4.3 Zugprüfungen nach DIN 53 504 4.3.1 Mechanische Eigenschaften von Polyethylenfolien Für die mechanischen Eigenschaften von Kunststoffen spielen neben den von außen einwirkenden Faktoren, wie Temperatur und umgebende Medien, die Molekularstruktur, die Zeit und die Größe der Belastung eine entscheidende Rolle. Des weiteren wird das mechanische Verhalten eines Polymers grundlegend vom Kristallisationsgrad der Probe beeinflusst. Die Bedeutung von Kristallinität und Molekulargewicht auf die Spannbreite von Eigenschaften wird in Abbildung 4.19 am Beispiel von Polyethylen demonstriert. Abbildung 4.19: Einfluss der Molmasse auf Struktur und Konsistenz von Polyethylen [83] Bei Raumtemperatur bestimmen die kristallinen Bereiche die Festigkeits- bzw. Steifigkeitseigenschaften von Polyethylen, während die amorphen Bereiche für das zähe, zeitabhängige Verhalten verantwortlich sind. Der Haupteffekt der Kristallite in der Probe beruht dabei auf ihrer Wirkung als Vernetzungsstellen in der Polymermatrix. Die für den Anwender von Gewächshausfolien wichtigste Eigenschaft, die mechanische Stabilität, lässt sich durch die beiden Kenngrößen Reißfestigkeit und Reißdehnung ausreichend charakterisieren. Dazu wird der Prüfkörper in eine Zug-Dehnungsmaschine eingespannt (siehe Abbildung 4.20) und mit konstanter Geschwindigkeit solange gedehnt bis er reißt. Die Spannung σ und die resultierende Dehnung ε werden währenddessen kontinuierlich gemessen. Polymere wie Polyethylen zeigen unter Zugbeanspruchung ein Verhalten, wie es in Abbildung 4.21 dargestellt ist. Bei Erreichen der Streckgrenze (Punkt C) ist eine Einschnürung am Probenkörper zu beobachten. Diese Einschnü rung verlängert sich bei weiterer Zugbe-

60 Zugprüfungen nach DIN 53 504 anspruchung, das Polymer fließt. Im linearen Bereich zwischen dem Ursprung A und dem Punkt B gilt das Hookesche Gesetz. Die Zugspannung ist der Dehnung proportional. Die Polymerproben nehmen bei Entlastung wieder ihre ursprüngliche Form an, sie sind elastisch. e = (L-L 0 )/L 0 s = E e L 0 L Abbildung 4.20: Dehnung des Prüfkörpers; ε = Dehnung, σ = Spannung und E = E-Modul Oberhalb der Elastizitätsgrenze B führen innere Umlagerungen zu einer bleibenden Formveränderung. Erhöht man die Spannung σ weiter, so wächst die Dehnung deutlich stärker als die Spannung und erreicht im Punkt C ein lokales Maximum. Der Punkt C wird als Fließpunkt bezeichnet. Bei zähen Materialien brechen oberhalb des Fließpunktes die van-der-waals-bindungen, d.h. die Kettensegmente rutschen voneinander ab, und das Material beginnt zu fließen. Die Zugdehnung ε D ist die höchste Dehnung, die das Material gerade noch aushält; bei noch höherer Dehnung reißt oder bricht das Material im Punkt E. σ E nennt man deshalb auch Reißfestigkeit und analog bezeichnet man ε E als Reiß- oder auch Bruchdehnung. Der E-Modul ist die Steigung σ/ε im anfänglichen elastischen Teil des Experiments. Bei Zugversuchen hängt er teilweise von der Zeit und der Dehnungsgeschwindigkeit dε/dt ab. Aufgrund der Abhängigkeit des E-Moduls von der Dehnungsgeschwindigkeit wird diese genormt. Alle Zugversuche wurden nach DIN 53 504 mit einer Dehnungsgeschwindigkeit von 100 mm/min durchgeführt. Wegen der unkomplizierten Messmethode wird die Veränderung der Zugfestigkeit bei Alterungsprozessen oft als Schädigungskriterium benutzt.

Kapitel 4: Charakterisierung der photochemischen Folienalterung 61 Abbildung 4.21: Prinzipdarstellung eines Zug-Dehnungs-Diagramms mit charakteristischen Punkten; mit ε R = Reißdehnung in % Nicht alle mechanischen Eigenschaften der Folien werden durch die Photoalterung im gleichen Ausmaß beeinflusst. So reagiert die Reißdehnung im Vergleich zur Reißfestigkeit und zum E-Modul besonders empfindlich auf Degradationsprozesse im Polymermaterial (84). Daher wurden für Vergleiche verschieden stabilisierter Folien hauptsächlich die Reißdehnungswerte herangezogen. Da bedingt durch die Herstellung der Folien eine mehr oder weniger ausgeprägte Anisotropie der Reißdehnungswerte in Längs- und Querrichtung der Folienbahn zu erwarten ist, wurden Probenkörper sowohl parallel als auch senkrecht zur Maschinenrichtung ausgestanzt und Zugprüfungen unterworfen. Im Rahmen ihrer Standardabweichungen lagen die Reißdehnungsmittelwerte der in Längs- und Querrichtung der Folienbahn ausgestanzten Probenkörper im gleichen Wertebereich. Daher wurden in allen folgenden Untersuchungen die Probenkörper immer parallel zur Maschinenrichtung ausgestanzt (siehe auch Abschnitt 3.3.10). 4.3.2 Zugprüfungen an Modellfolien Variation des Stabilisatortyps Abbildung 4.22 und Abbildung 4.23 zeigen die prozentuale Abnahme der Reißdehnungswerte nach ADF-Test bzw. säurefreier Bewitterung am Beispiel der Folien M-2 bis M-10.

62 Zugprüfungen nach DIN 53 504 Bei allen untersuchten Folien förderte die Anwesenheit von Säure den Abbau der mechanischen Festigkeit in unterschiedlich starkem Maße. Legt man, wie in der Literatur oft üblich, einen Festigkeitsverlust von 50 % als Ausfallkriterium zu Grunde [85], so bewirkte die Anwesenheit von saurem Niederschlag bei Folie M-2 (grüne Kurve) eine Verkürzung der Lebensdauer um ca. 22 Tage. 110 100 verbliebende Reißdehnung in % 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 Bewitterungsdauer in Tagen Folie M-2 Folie M-4 Folie M-6 Folie M-8 Folie M-10 Abbildung 4.22: Relative Abnahme der prozentualen Reißdehnung (bezogen auf die unbewitterte Folie) im Verlauf des ADF-Tests 110 100 verbliebende Reißdehnung in % 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 Bewitterungsdauer in Tagen Folie M-2 Folie M-4 Folie M-6 Folie M-8 Folie M-10 Abbildung 4.23: Relative Abnahme der prozentualen Reißdehnung (bezogen auf die unbewitterte Folie) im Verlauf der säurefreien Bewitterung

Kapitel 4: Charakterisierung der photochemischen Folienalterung 63 In Abbildung 4.24 wird die Lebensdauer (auf der Basis von 50 % Reißdehnungsverlust) unterschiedlich stabilisierter PE-Folien verglichen. Dabei ist jeweils die Lebensdauer nach saurer Belastung (ADF-Test; rote Balken) der Lebensdauer nach säurefreier Bewitterung (blaue Balken) gegenübergestellt. Abbildung 4.24: Lebensdauer (auf der Basis von 50 % Reißdehnungsverlust) unstabilisierter PE-LD-Folien sowie unterschiedlich HALS -stabilisierter PE-Folien im ADF-Test bzw. in der säurefreien Bewitterung; zur Probenbezeichnung vgl. Tabelle 3-1 Abbildung 4.24 zeigt, dass für die mit 0,2 % HALS stabilisierten Folien zum Teil nur sehr geringe bzw. keine Unterschiede in der Lebensdauer zwischen ADF-Test und säurefreier Bewitterung detektiert werden können. Einzig bei der mit 0,2 % Chimassorb 119 stabilisierten Folie wird eine zusätzliche deutliche Verringerung der Lebensdauer durch die saure Bewitterung beobachtet. Für die mit 0,4 % HALS stabilisierten Folien ist jedoch ein deutlicher Einfluss saurer Niederschläge auf die Lebensdauer der Folien zu erkennen. Je nach verwendeten Lichtschutzmittel ist dieser zusätzliche Einfluss unterschiedlich stark ausgeprägt. Bei den mit Tinuvin 622 und Chimassorb 119 stabilisierten Folien M-2 und M-8 ergeben sich z.b. Verkürzungen der Lebensdauer um 29 % durch Säurebelastung. Wesentlich geringere Unterschiede in der Lebensdauer zwischen ADF-Test und säurefreier Bewitterung ergeben sich bei der Verwendung von Cyasorb UV 3346 (Verkürzung der Lebensdauer um 4 %) bzw. Hostavin N 30 (Verkürzung der Lebensdauer um 11 %) als Lichtschutzmittel. Die Lebensdauer der unstabilisierten Folie liegt mit ca. 30 Tagen deutlich

64 Zugprüfungen nach DIN 53 504 niedriger als bei den mit HALS stabilisierten Folien. Eine zusätzliche Verringerung der Lebensdauer durch saure Bewitterung konnte nicht festgestellt werden. Variation des Stabilisatorgehaltes Abbildung 4.25 zeigt die Reißdehnungsmittelwerte der Folien M-11 bis M-17 nach 84 Tagen künstlicher Bewitterung mit Säurebeanspruchung (rote Balken) und ohne Säurebeanspruchung (blaue Balken). Für die Folien M-11 (0 % Stabilisator) und M-12 (0,1 % Stabilisator) konnten keine Reißdehnungswerte ermittelt werden, da das Folienmaterial bereits so spröde war, dass bei Beginn der Zugbelastung der Materialbruch sofort eintrat. Trotz steigenden Gehaltes an Hostavin N 30, beschleunigt die Anwesenheit von Säure den Abbau der mechanischen Festigkeit. Die Reißdehnungswerte nach Säurebeanspruchung liegen jeweils etwas niedriger als die Reißdehnungswerte ohne Säurebeanspruchung. Ab einem Stabilisatorgehalt von 0,6 % verändern sich die Reißdehnungswerte jedoch nur noch geringfügig. Die Zugprüfungen haben gezeigt, dass für eine zuverlässige Bewertung des Säureeinflusses auf die mechanische Festigkeit der Modellfolien mindestens 84 Bewitterungstage erforderlich sind. Bei komplett mit allen Additiven ausgerüsteten Gewächshausfolien (kommerzielle Folien) ist mit noch längeren Bewitterungszeiten zu rechnen.

Kapitel 4: Charakterisierung der photochemischen Folienalterung 65 4.3.3 Zugprüfungen an kommerziellen Folien In Abbildung 4.26 werden die Reißdehnungswerte der Modellfolie M-10 mit denen der kommerziellen Folie T-2 verglichen. Beide Folien enthalten Hostavin N 30 in unterschiedlicher Konzentration. Die kommerzielle Folie T-2 enthält zudem zusätzlich zwei UV-Absorber auf Benzophenon- und Benzotriazolbasis. Bei der kommerziellen Folie T-2 ist nach 84 Bewitterungstagen noch keine signifikante Abnahme in der Reißdehnung zu verzeichnen, unabhängig davon, ob mit oder ohne Säurebeanspruchung bewittert wurde. 700 650 600 550 500 Reißdehnung in % 450 400 350 300 250 200 150 100 50 0 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 Bewitterungsdauer in Tagen Folie M-10_ADF-Test Folie M-10_säurefrei Folie T-2_ADF-Test Folie T-2_säurefrei Abbildung 4.26: Reißdehnungswerte der Folien M -10 und T-2 im Verlauf der künstlichen Bewitterung 700 650 600 550 Reißdehnung in % 500 450 400 350 300 250 200 150 100 50 0 0 20 40 60 80 100 120 Bewitterungsdauer in Tagen Folie M-6_ADF-Test Folie M-6_säurefrei Folie T-6_ADF-Test Folie T-6_säurefrei Abbildung 4.27: Reißdehnungswerte der Folien M -6 und T-6 im Verlauf der künstlichen Bewitterung

66 Zugprüfungen nach DIN 53 504 In Abbildung 4.27 werden die Reißdehnungswerte der Modellfolie M-6 mit denen der kommerziellen Folie T-6 verglichen. Beide Folien sind mit Cyasorb UV 3529 als HALS ausgerüstet. Die kommerzielle Folie T-6 enthält zudem einen UV-Absorber auf Triazinbasis Bei der kommerziellen Folie T-6 zeigt sich sogar eine Verbesserung der Reißdehnungswerte im Verlauf der künstlichen Bewitterung. Amin et al. [86] führen die anfängliche Verbesserung der mechanischen Festigkeit auf Vernetzungsreaktionen und Nachkristallisation zurück. Im späteren Verlauf der Bewitterung nimmt die mechanische Festigkeit aufgrund von vermehrt auftretenden Kettenspaltungen jedoch wieder ab. Die künstliche Bewitterung der Folie T-6 wurde nach 118 Tagen abgebrochen, ohne dass ein deutlicher Einbruch in den Reißdehnungswerten zu erkennen war. 4.3.4 Zugprüfungen an freibewitterten Polyethylenfolien Abbildung 4.28 zeigt die Reißdehnungsmittelwerte der freibewitterten Modellfolien (grüne Balken) im Vergleich zu den Reißdehnungsmittelwerten der unbewitterten Folien (schwarze Balken), nach 21 Tagen ADF-Test (gelbe Balken) sowie nach 42 Tagen ADF- Test (orange Balken). 650 600 550 Reißdehnung in % 500 450 400 350 300 M-1 M-3 M-5 M-7 M-9 Foliennummer unbewittert 21d ADF-Test Jacksonville 2002 42d ADF-Test Abbildung 4.28: Reißdehnungsmittelwerte der Modellfolien M-1 bis M-9 nach verschiedenen Bewitterungsverfahren

Kapitel 4: Charakterisierung der photochemischen Folienalterung 67 Die Reißdehnungsmittelwerte und damit die mechanische Festigkeit der freibewitterten Modellfolien hat im Vergleich zu den unbewitterten Folien jeweils deutlich abgenommen. Vergleicht man die Reißdehnungsmittelwerte der freibewitterten Folien mit denen der künstlich bewitterten Folien, fällt auf, dass die mechanische Festigkeit der in Jacksonville bewitterten Folien jeweils zwischen den Werten für 21 Tage und 42 Tage ADF-Test liegt. Einzig Folie M-9 bildet eine Ausnahme, wobei die Festigkeitsänderungen jedoch sehr gering sind. Bei den Modellfolien reichen somit 42 Tage künstliche Bewitterung aus, um die gleichen bzw. etwas größere Verluste an mechanischer Festigkeit zu erzielen wie nach 14 Wochen (98 Tage) Freibewitterung. Damit ergibt sich für den ADF-Test in Bezug auf die mechanischen Eigenschaften der Modellfolien ein Beschleunigungsfaktor von mindestens 2 gegenüber der Freilandalterung. In Abbildung 4.29 werden die Reißdehnungsmittelwerte der unbewitterten Folien T-2 und T-3 (graue Balken) mit den Reißdehnungswerten der freibewitterten Folien (orange Balken) verglichen. 600 500 Reißdehnung in % * * * 400 300 200 * * * * * unbewittert JAX 2002 Stabw Stabw Stabw JAX Stabw JAX 100 0 T-2 T-3 Foliennummer Abb. 4.29: Reißdehnungsmittelwerte der kommerziellen Folien T-2 und T-3 in verschiedenen Bewitterungsstadien; die gestrichelten Linien geben die jeweilige Standardabweichung um den Mittelwert an Im Rahmen ihrer Standardabweichungen liegen die Reißdehnungsmittelwerte der unbewitterten Folien und der in Jacksonville freibewitterten Folien T-2 und T-3 im selben Wertebereich. 14 Wochen Freibewitterung in Jacksonville reichen somit nicht aus, um Verluste in der mechanischen Festigkeit der kommerziellen Folien zu erzielen. Eine Korrelation zu den Ergebnissen des ADF-Tests war deshalb nicht möglich.

68 Bestimmung der Kristallinität 4.3.5 Bestimmung der Kristallinität Wie bereits diskutiert wurde, wird das mechanische Verhalten eines Polymers grundlegend von der Kristallinität des Polymers beeinflusst. Anhand des Kristallisationsgrades α kann die Kristallinität eines Kunststoffes durch verschiedene Analyseverfahren charakterisiert werden. Der Kristallisationsgrad α eines Polymers wird durch das prozentuale Verhältnis von kristallinen zu amorphen Regionen im Polymer bestimmt (siehe Abb. 4.30). Die kristallinen Regionen bestehen aus parallel geordneten Ketten, die Lamellen bilden. In diesen kristallinen Bereichen bildet sich beim Polyethylen ein stabiles, orthorhombisches Kristallgitter aus. Die kristallinen Bereiche werden durch amorphe Regionen unterbrochen, in denen sich die ungeordneten Moleküle sowie die aus den Kristalllamellen herausragenden Moleküle befinden [87]. Abbildung 4.30: Schema der Kristallstruktur von Polyethylen [88] Eine Möglichkeit zur Bestimmung des Kristallisationsgrades α sind Schmelzenthalpiemessungen mittels dynamischer Differenzkalorimetrie (DSC). Teilkristalline Polymere bleiben beim Erwärmen bis zum Schmelzen ihrer kristallinen Bereiche fest. Der Schmelzprozess äußert sich als endothermer Peak in der DSC-Kurve (siehe Abb. 4.31). Als Schmelzpunkt wird die Temperatur beim Schmelzen der letzten Kristallite bezeichnet, das ist die Temperatur T m am Minimum des Peaks. Die Fläche darüber entspricht der Schmelzenthalpie der Probe. Die Ermittlung des Kristallisationsgrades α beruht auf der Proportionalität der gemessenen spezifischen Schmelzenthalpie H s und der Menge der vorhandenen Kristallite

Kapitel 4: Charakterisierung der photochemischen Folienalterung 69 (siehe Gleichung 2). Die spezifische Schmelzenthalpie H k von vollständig kristallinem Polyethylen beträgt 290 J/g [89] α = H H s k 100 % (2) 0-2000 Wärmefluss in mw -4000-6000 -8000 Flächeninhalt entspricht DH s -10000-12000 Folie M-9 unbewittert, 2. Heizkurve T m = 108,7 C 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 110 120 130 Temperatur in C Abbildung 4.31: Auswertung einer DSC-Schmelzkurve Der erste Aufheizvorgang einer DSC-Messung liefert Informationen über die thermische Vorgeschichte einer Probe. In Abbildung 4.32 sind die ersten Aufheizkurven der Folie M-9 (0,2 % Hostavin N 30) in verschiedenen Bewitterungsstadien dargestellt. -2000 1. Heizkurven -4000 Wärmefluss in mw -6000-8000 M-9 unbewittert M-9 nach 42d ADF-Test -10000 M-9 nach 84d ADF-Test M-9 42d säurefrei M-9 84d säurefrei -12000 Temperpeak 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 110 120 130 Temperatur in C Abbildung 4.32: Erste Aufheizkurven der Folie M -9 in verschiedenen Bewitterungsstadien

70 Bestimmung der Kristallinität Neben dem Schmelzpeak bei 107 C findet man einen zweiten endothermen Peak bei 78-81 C. Dieser zusätzlich auftretende Temperpeak ist auf die Entstehung von Kristalliten anderer Größe durch Lagern bzw. Tempern der Probe bei entsprechender Temperatur zurückzuführen. Die Schmelzwärme des Temperpeaks nimmt mit zunehmender Bewitterungsdauer zu. Man bezeichnet diesen Effekt auch als Memory-Effekt des Polyethylens (90). Ein Säureeinfluss auf die Größe des Temperpeaks wird nicht beobachtet. Um Unterschiede durch ungleiche thermische Vorgeschichte auszuschließen, wurden die Polyethylenproben einmal vollständig aufgeschmolzen, anschließend mit konstanter Kühlrate auf -50 C abgekühlt und ein zweites Mal vermessen. Der zweite Aufheizvorgang liefert dann miteinander vergleichbare werkstoffspezifische Kennwerte, wie z.b. die Schmelztemperatur T m und die Schmelzenthalpie H s. Zur Bestimmung der jeweiligen Kristallisationsgrade wurden jeweils die zweiten Heizkurven einer DSC-Messung ausgewertet. Für die Polyethylenfolien M-9 (0,2 % Hostavin N 30) und T-3 (1,2 % Hostavin N 30) wurden in verschiedenen Bewitterungsstadien DSC-Messungen durchgeführt. Tabelle 4-3 fasst die ermittelten Schmelzenthalpien sowie die daraus berechneten Kristallisationsgrade zusammen. Folie/Bewitterungsstadium Schmelzenthalpie in [J/g] Kristallisationsgrad a M-9 unbewittert 220,6 76 M-9 nach 42 d ADF-Test 219,4 76 M-9 nach 84 d ADF-Test 228,8 79 M-9 nach 42 d Bewitterung 224,0 79 M-9 nach 84 d Bewitterung 223,3 77 M-9 JAX 2002 226,4 78 T-3 unbewittert 198,9 69 T-3 nach 42 d ADF-Test 202,2 70 T-3 nach 84 d ADF-Test 198,1 68 T-3 nach 42 d Bewitterung 203,8 70 T-3 nach 84 d Bewitterung 202,3 70 T-3 JAX 2002 197,9 68 Tabelle 4-3: aus DSC-Messungen berechnete Kristallisationsgrade der Folien M -9 und T-3 in verschiedenen Bewitterungsstadien Für die Modellfolie M-9 wurden mit 76-79 % deutlich höhere Kristallisationsgrade gefunden als für die kommerzielle Folie T-3 mit Kristallisationsgraden zwischen 68-70 %. Ein

Kapitel 4: Charakterisierung der photochemischen Folienalterung 71 systematischer Zusammenhang zwischen der Art der Bewitterung und dem Kristallisationsgrad α konnte bei beiden Folien nicht detektiert werden. Eine weitere Möglichkeit zur Bestimmung des Kristallisationsgrades der Folien sind IR- Messungen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die verschiedenen Analysemethoden zur Bestimmung des Kristallisationsgrades nur bedingt die gleichen Resultate liefern, da sie verschiedene Eigenschaften des Polymers messen. So wird durch IR-Messungen nicht direkt das Verhältnis kristallin/amorph bestimmt, sondern das Verhältnis der trans/gauche-konformation, aber beide Verhältnisse verhalten sich meist proportional zueinander. Zur Bestimmung des kristallinen Anteils wird der Quotient der Extinktionen einer kristallinen Bande zu einer kristallinitätsunabhängigen bzw. amorphen Bande gebildet [91]. Abbildung 4.33 zeigt einen Ausschnitt aus dem IR-Spektrum von Polyethylen, in dem eine kristalline Bande bei 1894 cm -1, und eine amorphe Bande bei 1303 cm -1 gekennzeichnet sind. Die Bande bei 1894 cm -1 ist dabei charakteristisch für die trans-konfiguration der Kohlenstoffkette, während die Bande bei 1303 cm -1 absorbierenden Methylengruppen, die wenigstens eine benachbarte gauche-bindung aufweisen, zugeordnet wird. 1,0 0,9 0,8 0,7 amorphe Bande bei 1303 cm -1 Extinktion 0,6 0,5 0,4 0,3 kristalline Bande bei 1894 cm -1 0,2 0,1 0,0 2000 1900 1800 1700 1600 1500 1400 1300 1200 Wellenzahl in cm -1 Abbildung 4.33: IR-Spektrum von Polyethylen mit amorpher und kristalliner Bande

72 Bestimmung der Kristallinität Um die Änderung des Kristallisationsgrades α im Verlauf der Bewitterung verfolgen zu können, wur den die Extinktionsintensitäten der beiden Banden nach folgender Formel ausgewertet [92] : x = E k 1 Ea 1,233 E + k 1 Ea 100 mit x = amorpher Anteil in % E k = Extinktionsintensität bei 1894 cm -1 E a = Extinktionsintensität bei 1303 cm -1 Der Kristallisationsgrad α ergibt sich dann zu α = 100 % x, wobei zu berücksichtigen ist, dass eventuell vorhandene zwischenkristalline Schichten zum kristallinen Anteil hinzugezählt werden. Abbildung 4.34 und Abbildung 4.35 geben einen Überblick über die aus IR-Messungen berechneten Kristallisationsgrade der Modellfolien M-1 bis M-9 (jeweils 0,2 % Stabilisatorgehalt) in verschiedenen Bewitterungsstadien. Kristallisationsgrad in % 60 58 56 54 52 50 48 46 44 M-1 säurefrei M-1 nach ADF M-3 säurefrei M-3 nach ADF M-5 säurefrei M-5 nach ADF 42 40 38 0 7 14 21 28 35 42 49 56 63 70 77 84 Bewitterungsdauer in Tagen Abbildung 4.34: aus IR-Messungen berechnete Kristallisationsgrade der Modellfolien M-1 bis M-5 im Verlauf des ADF-Tests bzw. der säurefreien Bewitterung

Kapitel 4: Charakterisierung der photochemischen Folienalterung 73 Kristallisationsgrad in % 60 58 56 54 52 50 48 46 44 42 40 38 M-7 säurefrei M-7 nach ADF M-9 säurefrei M-9 nach ADF 0 7 14 21 28 35 42 49 56 63 70 77 84 Bewitterungsdauer in Tagen Abbildung 4.35: aus IR-Messungen berechnete Kristallisationsgrade der Modellfolien M-7 und M-9 im Verlauf des ADF-Tests bzw. der säurefreien Bewitterung Der Kristallisationsgrad der untersuchten Modellfolien nimmt im Verlauf des ADF-Tests stärker ab als im Verlauf der säurefreien Bewitterung, d.h. die Säurebeanspruchung während der künstlichen Bewitterung hat einen zusätzlichen negativen Effekt auf die Kristallinität des Folienmaterials. Am deutlichsten tritt dieser Effekt bei der mit Hostavin N 30 stabilisierten Folie M-9 auf (vgl. Abb. 4.35). Die anfängliche Zunahme des Kristallisationsgrades in den ersten 6-8 Tagen des ADF- Tests bei den Folien M-1 und M-3 sowie nach ca. 14 Tagen bei Folie M-7 ist vermutlich auf eine Nachkristallisation zurückzuführen. Durch die Bildung von sauerstoffhaltigen Gruppen wie z.b. Carbonyl- und Hydroxylgruppen in den amorphen Regionen des Polymers kommt es zunächst zur Bildung neuer intermolekularer polarer Bindungen, die den Ordnungszustand des Polymers erhöhen [93], [94] (siehe Abb. 4.36). kristalline Phase amorphe Phase Zeit Abbildung 4.36: schematische Darstellung der Nachkristallisation

74 Bestimmung der Kristallinität Bei fortschreitender Bewitterung gewinnen jedoch die Kettenspaltungsreaktionen (Norrish I-Reaktion) immer mehr an Bedeutung und der Kristallisationsgrad der Polyethylenfolien nimmt allmählich ab. Abbildung 4.37 zeigt die Änderung des Kristallisationsgrades der kommerziellen Folien T-2, T-3 und T-6 im Verlauf der künstlichen Bewitterung. Kristallisationsgrad in % 56 55 54 53 52 51 50 49 T-2 nach ADF T-2 säurefrei T-3 nach ADF T-3 säurefrei T-6 nach ADF T-6 säurefrei 48 47 46 0 21 42 63 84 105 126 Bewitterungsdauer in Tagen Abbildung 4.37: aus IR-Messungen berechnete Kristallisationsgrade der kommerziellen Folien T-2, T-3 und T-6 im Verlauf des ADF-Tests bzw. der säurefreien Bewitterung Während bei den Folien T-2 und T-3 kein systematischer Zusammenhang zwischen Art und Dauer der Bewitterung und dem Kristallisationsgrad zu erkennen ist, beobachtet man bei der Folie T-6 eine kontinuierliche Zunahme des Kristallisationsgrades mit der Bewitterungsdauer. Dieser Befund steht im Einklang mit der bei Folie T-6 beobachteten Verbesserung der Reißdehnungswerte und damit der mechanischen Festigkeit.