Herstellung, Charakterisierung und Simulation semitransparenter, bifacialer kristalliner Siliziumsolarzellen



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Transkript:

Herstellung, Charakterisierung und Simulation semitransparenter, bifacialer kristalliner Siliziumsolarzellen Dissertation zur Erlangung des akademischen Grades des Doktors der Naturwissenschaften (Dr. rer. nat.) an der Universität Konstanz Fakultät für Physik vorgelegt von Ralph Kühn Konstanz, November 2000

Inhaltsverzeichnis Einleitung 1 Das Konzept der POWER-Solarzelle 8 1.1 Die Familie der POWER-Zellen 8 1.1.1 Die bifaciale POWER-Zelle 10 1.1.2 Die monofaciale POWER-Zelle 12 1.1.3 Die Rückkontakt-POWER-Zelle 12 1.2 Vergleich mit verwandten Zellkonzepten 13 1.2.1 Zellkonzepte mit Semitransparenz 13 1.2.2 Zellkonzepte für bifaciale Solarzellen 13 2 Herstellung von bifacialen POWER-Solarzellen 15 2.1 Industrienahe Prozeßschritte zur Fertigung von Siliziumsolarzellen 15 2.1.1 Mechanische Oberflächentexturierung 15 2.1.2 Ätz- und Reinigungsprozeduren 18 2.1.3 Phosphordiffusion 19 2.1.4 Siliziumnitrid-Abscheidung 20 2.1.5 Siebdruckmetallisierung 22 2.2 Herstellungsprozesse für bifaciale POWER-Solarzellen 23 2.2.1 Prozeß 1: mit Diffusionsbarriere und gerichteter PECVD-SiN-Abscheidung 24 2.2.1.1 Entwicklung eines Durchfeuerprozesses durch die Diffusionsbarriere 27 2.2.1.2 Einfluß eines Al-BSF-Rückkontaktgrids 29 2.2.1.3 Einfluß eines Hochtemperatur-Diffusionsschrittes auf ein PECVD-Nitrid 29 2.2.2 Prozeß 2: mit Diffusionsbarriere und ungerichteter LPCVD-SiN-Abscheidung 32 2.2.3 Prozeß 3: durch lokales Wegsägen des Emitters 34 2.3 Zusammenfassender Überblick über die Herstellungsprozesse 36 3 Charakterisierung von POWER-Solarzellen 37 3.1 Einleitung 37 3.2 Strom-Spannungs-Messungen 38 3.2.1 2-Dioden-Modell, Schwierigkeiten der Parameterextraktion, Meßanordnung 38 3.2.2 IV-Messungen mit verschieden reflektierenden Hintergründen 41 3.2.2.1 Frontseitige Beleuchtung: Meßergebnisse und Interpretation 42 3.2.2.2 Rückseitige Beleuchtung: Meßergebnisse und Interpretation 44 3.2.3 Temperaturabhängige IV-Messungen 46 3.3 Reflexions- und Transmissionsmessungen 48 3.3.1 Reflexionsmessungen 48 3.3.2 Lokale Reflexionsmessungen der Rückseite 49 3.3.3 Transmissionsmessungen 50 3.4 Spectral-Response-Messungen 50 3.4.1 Meßmethode zur Bestimmung der IQE bei POWER-Zellen 52 3.4.2 Einfluß eines Bias-lights und eines reflektierenden Hintergrundes 52 3.4.3 Quantenausbeuten bei frontseitiger Beleuchtung 53 3.4.4 Quantenausbeute bei rückseitiger Beleuchtung 54

3.5 LBIC-Messungen 55 3.5.1 Frontseitige LBIC-Messungen 56 3.5.2 LBIC-Messungen von der Rückseite 57 3.6 Charakterisierung unter realen Einsatzbedingungen 59 3.6.1 Meßapparatur und Meßgeometrien 59 3.6.2 Meßergebnisse 61 3.7 Zusammenfassung: Überblick und Bewertung der Herstellungsprozesse 64 3.7.1 Übersicht über erzielte Zellresultate bifacialer POWER-Zellen 64 3.7.2 Vergleich von bifacialen POWER- und konventionellen Zellen 65 3.7.3 Vergleich und Bewertung der Herstellungsprozesse für POWER-Zellen 66 3.7.4 Verbesserungsvorschläge und Potentialabschätzung 68 4 Die Problematik freiliegender pn-übergänge 71 4.1 Einleitung 71 4.2 Theorie zur Rekombination innerhalb der Raumladungszone (RLZ) 72 4.2.1 Überblick über analytische Modelle zur Rekombination in der RLZ 72 4.2.2 Einfluß des Rekombinationsstromes J 02 auf die IV-Kennlinie 75 4.2.3 Alternative Modelle zur Erklärung einer IV-Charakteristik mit Idealität n=2 77 4.3 Experimente: freiliegende pn-übergänge an unpassivierten Oberflächen 78 4.3.1 Experimenteller Ansatz 78 4.3.2 Experimentelle Resultate 78 4.3.3 Ergänzende Computersimulationen 81 4.4 Simulationen: freiliegende pn-übergänge und IV-Charakteristiken 84 4.4.1 Simulationsansatz, verwendete Parameter und Modelle 84 4.4.2 Einfluß der Oberflächenrekombinationsgeschwindigkeit ORG 85 4.4.3 Einfluß der Grunddotierung N A und der Emitterdotierung N D 89 4.4.4 Einfluß der festen Oberflächenladung Q f 92 4.5 Zusammenfassende Schlußfolgerungen für POWER-Solarzellen 100 4.5.1 Geometriebedingte Einflüsse auf die Charakteristik von POWER-Zellen 100 4.5.2 Schlußfolgerungen zur Herstellung und Design bifacialer POWER-Zellen 102 4.6 Ergänzende Simulationen zur bifacialen POWER-Zelle 104 4.6.1 Das zweidimensionale Modell der bifacialen POWER-Zelle 104 4.6.2 Variation der Minoritätsladungsträger-Lebensdauer 105 4.6.3 Variation der Basisdotierung 107 4.6.4 Variation der Beleuchtung 107 4.6.5 Variation der ORG 108 4.6.6 Zusammenfassung 109 5 Herstellung sperrender, lokal definierter pn-strukturen 110 5.1 Einleitung und Aufgabenstellung 110 5.2 Konventionelle Methoden zur Erzeugung lokaler pn-strukturen 112 5.2.1 Lokale Diffusionsbarrieren 112 5.2.2 Lokales Entfernen des Emitters 113 5.2.3 Sonstige Methoden 113 5.3 Der Al-P-Kodiffusions-Prozeß 114 5.3.1 Versuche zur Shunt-freien Überkompensierung mit Aluminium 114 5.3.2 Der Al-P-Kodiffusions-Prozeß: Prinzip, Experimente und Resultate 115 5.3.3 Charakterisierung mittels LBIC und Lock-in Thermographie 119

5.4 Al-P-Kodiffusion zur Herstellung bifacialer POWER-Zellen 123 5.5 Vergleich der Al-P-Kodiffusion mit den konventionellen Methoden 124 6 Zusammenfassung 126 7 Appendices 128 7.1 Grundlagen der numerischen Simulation von Halbleiter-Bauelementen 128 7.2 Simulationsparameter und modelle der Simulation aus Kapitel 4.4 129 7.3 Liste der Symbole 131 8 Literaturverzeichnis 132 9 Publikationen 142 Danksagung

Einleitung Die Photovoltaik sieht einer goldenen Zukunft entgegen! Dieser Ausspruch klingt angesichts der aktuellen Zahlen [Nitsch99] mehr wie ein Wunschtraum als das Resultat fundierter Studien: 1997 wurden 23.861GWh (4,69%) des in Deutschland verbrauchten Stroms durch erneuerbare Energiequellen (EEQ) (Wasser- und Windkraft, Biomasse und Sonnenenergie) bereitgestellt. Davon stammten nur 32GWh aus der Photovoltaik. Und doch: Seit die These vom anthropogen bedingten Klimawechsel zur Gewißheit geworden ist, seit bei der Weltklimakonferenz in Kyoto 1992 die Reduzierung des globalen CO 2 - Ausstoßes auf das Niveau von 1990 als internationales Ziel ausgesprochen wurde [Kyoto92], steht fest, daß der stetig wachsende Energiebedarf der Menschheit nicht durch fossile Energiequellen gedeckt werden darf. Die Kernenergie bietet nur eine von der Gesellschaft wenig akzeptierte Alternative. Es bildet sich daher zur Zeit der allgemeine Konsens heraus, daß den erneuerbaren Energiequellen in Zukunft eine immer wichtiger werdende Bedeutung zuwächst. Die politischen Rahmenbedingungen, deren Ziel in der Verdopplung des Anteils der EEQ an der gesamten Energieversorgung in Deutschland besteht, wurden mit der Verabschiedung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (= Novellierung des Stromeinspeisegesetzes) [EEG00] erheblich verbessert. Sie sehen mit 99 Pf/kWh eine, an den Gestehungskosten orientierte Vergütung von Solarstrom vor. Um die Attraktivität der Photovoltaik über die Phase einer staatlichen Subventionierung hinaus zu sichern, müssen ihre Kosten weiter reduziert werden. Neben dem Übergang zur industriellen Massenfertigung werden dabei meist zwei gängige Konzepte verfolgt: (1) die Steigerung des Wirkungsgrades der Zellen durch optimierte Herstellungssequenzen bei gleichbleibenden Herstellungskosten ( High-efficiency-Solarzellen ) oder (2) die Senkung der Kosten durch Verwendung günstigerer Substrate und Verarbeitungsprozesse ( Low-cost- Solarzellen ). Mit der Idee der POWER-Solarzelle [Willeke94/1] wird ein neuer Ansatz gewählt. Dieses neuartige Zellkonzept findet seine Berechtigung in der Erschließung weiterer, herkömmlichen Zellen verschlossener Anwendungsgebiete. Basierend auf konventioneller Silizium- Wafertechnologie erreicht man durch das Einbringen vieler, winzig kleiner Löcher, daß ein Teil des eingestrahlten Sonnenlichtes die Solarzelle ungehindert passieren kann. Durch die einzigartige Kombination einer optischen Semitransmittanz von bis zu T = 20% mit hohen Wirkungsgraden η > 10% ergeben sich interessante Einsatzmöglichkeiten insbesondere im architektonischen Bereich. Speziell die Integration der Photovoltaik in Fassaden erscheint hierbei, ein ästhetisch sehr hochwertiges Produkt vorausgesetzt, erfolgversprechend. Der Einsatz semitransparenter Solarzellen in modernen Glasfassaden oder Lichthöfen spart Kosten bei der Modulverkapselung. Gleichzeitig entfallen die Aufwendungen für zusätzliche Installationsaufbauten. In der Gesamtbilanz lassen sich somit die Kosten einer Photovoltaikanlage erheblich reduzieren. Die im Rahmen dieser Dissertation vorgestellte, bifaciale POWER-Zelle, besitzt im Vergleich zu der, von der Firma sunways AG (Konstanz) seit Juli 1999 hergestellten, monofacialen POWER-Zelle einen etwa 20% höheren Wirkungsgrad. Ihre Fähigkeit, von beiden Seiten auftreffendes Licht zur Erzeugung elektrischer Energie zu nutzen, bewirkt bei der Installation vor stark reflektierenden Hintergründen eine weitere Steigerung der Energieausbeute.

Organisation dieser Arbeit Ziel dieser Arbeit war, industriell umsetzbare Herstellungsprozesse für bifaciale POWER- Solarzellen zu entwickeln, die damit erzeugten Zellen auf ihre optischen und elektrischen Eigenschaften hin zu charakterisieren und die erhaltenen Resultate durch eine Analyse mit zweidimensionalen Computersimulationen besser zu verstehen. Kapitel 1 stellt das grundlegende Konzept der POWER-Solarzelle vor und erläutert dessen verschiedene Variationen, die bifaciale, die monofaciale und die rückkontaktierte POWER- Zelle. Die speziellen Eigenschaften der, in dieser Dissertation vorzustellenden bifacialen POWER-Zelle, ihre Bifacialität und ihre optische Semitransparenz, werden durch Vergleich mit verwandten Zellkonzepten in den Kontext des aktuellen Standes der Forschung gesetzt. In Kapitel 2 werden drei Herstellungssequenzen für bifaciale POWER-Zellen präsentiert. Bei deren Entwicklung galt ein Hauptaugenmerk der industriellen Umsetzbarkeit. Es wurden ausschließlich Prozeßschritte angewendet, die, wie zum Beispiel die Siebdruckmetallisierung, schon zur kommerziellen Fertigung von Solarzellen eingesetzt werden, oder, wie die mechanische Oberflächentexturierung, derzeit für diesen Einsatz entwickelt werden. Bei der Vorstellung der Prozeßsequenzen und deren Optimierung wird auf auftretende technologische sowie physikalische Fragestellungen eingegangen. In Kapitel 3 folgt eine eingehende Charakterisierung der auf diese Weise hergestellten Zellen. Messungen der Strom-Spannungs-Kennlinie und der spektralen Empfindlichkeit liefern Aussagen über deren elektrische Eigenschaften. Reflexions- und Transmissionsmessungen geben Daten über ihr optisches Verhalten. Zusätzlich kann durch LBIC-Messungen Aufschluß über die lokale Verteilung dieser Eigenschaften gewonnen werden, was angesichts der sehr inhomogenen Struktur der bifacialen POWER-Zelle sehr wertvoll ist. Bei einigen Meßmethoden waren aufgrund der Semitransparenz der Zellen Modifikationen notwendig. Ihrer Bifacialität Rechnung tragend, wurden die Zellen jeweils von beiden Seiten her gemessen. Die Charakterisierung unter realen Anwendungsbedingungen (sogenannte Freiluftmessungen) bestätigen die im Labor erhaltenen Ergebnisse und geben Aufschluß über das Verhalten von POWER-Zellen bei unterschiedlich reflektierenden Hintergründen. Basierend auf der Charakterisierung werden am Ende dieses Kapitels die POWER-Zellen sowohl mit konventionellen, flachen Zellen als auch die verschiedenen Herstellungsmethoden untereinander verglichen und bewertet. Ausgehend von den erreichten Wirkungsgraden von bis zu 12,4% (11% Transmittanz) werden Optimierungspotentiale erörtert und der dadurch erreichbare Wirkungsgrad bifacialer POWER-Zellen zu η= 13,8 15,1% abgeschätzt. Kapitel 4 beschäftigt sich mit einer speziellen Eigenart der POWER-Zelle: den freiliegenden pn-übergängen. Diese bewirken, daß sich die POWER-Zelle nicht nur wie eine konventionelle Zelle, die durchlöchert wurde, verhält, sondern darüber hinaus aufgrund einer gesteigerten Sättigungsstromdichte J 02 zusätzliche Problemstellungen auftreten. Diese wurden sowohl experimentell als auch mit Hilfe zweidimensionaler Computersimulationen untersucht. In Kapitel 5 wird mit dem Al-P-Kodiffusionsprozeß eine Möglichkeit vorgestellt, mit einem einzigen, einfachen Prozeßschritt sperrende p + n + -Übergänge zu erzeugen. Wie verdeutlicht werden wird, eröffnet dies den Ausblick sowohl auf weiter gesteigerte Wirkungsgrade als auch auf eine vereinfachte Umsetzung des POWER-Konzeptes in den industriellen Maßstab.

8 KAPITEL 1 DAS KONZEPT DER POWER-SOLARZELLE Kapitel 1 1 Das Konzept der POWER-Solarzelle Das Konzept der POWER-Solarzelle wurde erstmals 1994 von G. Willeke und P. Fath vorgestellt [Willeke94/1]. POWER steht hierbei als geschickt gewähltes Akronym für POlycrystalline 1 Wafer Engineering Result und bezieht sich auf die Strukturierung herkömmlicher, multikristalliner Siliziumwafer mit Hilfe von Präzisionssägen, wodurch neuartige Zellgeometrien erzeugt werden können. Im Anschluß wird zunächst das grundlegende Konzept der POWER-Solarzelle erläutert und dessen verschiedene Variationen, die bifaciale, die monofaciale und die rückkontaktierte POWER-Zelle, vorgestellt. Anschließend werden die speziellen Eigenschaften der, in dieser Dissertation vorzustellenden POWER-Zelle, ihre Bifacialität 2 und ihre optische Semitransparenz, durch Vergleich mit verwandten Zellkonzepten in den Kontext des aktuellen Standes der Forschung gestellt. 1.1 Die Familie der POWER-Zellen Das charakteristische Merkmal einer POWER-Zelle ist die makroskopische Texturierung beider Seiten der Zelle. Mit Hilfe einer konventionellen Wafersäge werden auf der Front- und Rückseite des Wafers senkrecht zueinander verlaufende Gräben eingebracht [Willeke94/3],[Fath95/1]. Da die Tiefe der Gräben größer ist als die halbe Zelldicke, entstehen an den Kreuzungspunkten der Gräben kleine Löcher. 1 Dem Akronym widersprechend wurden die meisten der im Anschluß vorgestellten Untersuchungen auf monokristallinem Cz-Silizium durchgeführt. Bei der Untersuchung spezieller Fragestellungen werden gezielt einzelne Herstellungsparameter variiert. Die Verwendung von mc-silizium würde aufgrund der von Wafer zu Wafer variierenden Materialqualität zu einer weiteren Streuung der Ergebnisse führen, die eine Auswertung der Meßresultate unnötig erschweren würde. Der Begriff POWER steht nachfolgend daher synonym für die spezielle Geometrie dieser Zelle unabhängig vom verwendeten Material. Nach der Entwicklung und Optimierung eines Herstellungsprozesses für bifaciale POWER-Zellen wurde dieser auch auf multikristallines Silizium angewendet. Die betreffenden Resultate werden in der Zusammenfassung des Kapitels 3 vorgestellt. 2 Unter der Bifacialität einer Solarzelle versteht man deren Fähigkeit, von beiden Seiten auf die Zelle auftreffendes Licht zu nutzen und in elektrische Energie umzuwandeln.

1.1 DIE FAMILIE DER POWER-SOLARZELLEN 9 Die Texturierung der Oberfläche und die daraus resultierenden Löcher führen zu mehreren, allen POWER-Zellvarianten eigenen Eigenschaften: a) Semitransparenz Ihre optische Semitransparenz unterscheidet POWER-Zellen von allen anderen, waferbasierten Solarzellen. Diese außergewöhnliche Eigenschaft eröffnet der POWER-Zelle neue, der Photovoltaik zuvor verschlossene Märkte. Insbesondere bei architektonischen Anwendungen, z.b. Solarfassaden, erweckt die POWER-Zelle als ästhetisch hochwertiges und gleichzeitig ökologisches Produkt reges Interesse. Marktanalysen der Firma sunways AG aus dem Jahre 1997 ergaben ein geschätztes Marktvolumen für semitransparente Solarzellen von mehreren Megawatt peak pro Jahr allein in Deutschland. Durch die Anzahl der Schnitte, ihre Form sowie ihre Breite kann die Transmittanz 3 zwischen T = 0 20% variiert werden. b) Verminderte Reflexion Die mechanische Strukturierung der Zelloberfläche führt zu einer verminderten Reflexion der einfallenden Sonnenstrahlung. Bei der Verwendung einer V-Textur kann die Reflexion einer Siliziumoberfläche von 36% auf unter 10% reduziert werden [Willeke92]. Abbildung 1.1: Auf dem Konzept der POWER-Zelle basierende Zellvarianten. 3 Unter der Transmittanz T wird stets die über die gesamte Zellfläche gemittelte Transmittanz verstanden, d.h. undurchsichtige Regionen wie der Zellrand oder die Busbars werden mit eingerechnet. Die Transmittanz wird also als Verhältnis von Löcherfläche zur gesamten Zellfläche definiert.

10 KAPITEL 1 DAS KONZEPT DER POWER-SOLARZELLE c) Erhöhte Einsammelwahrscheinlichkeit Bei konventionellen, flachen Zellen müssen erzeugte Ladungsträger zum Teil durch die gesamte Zelle hindurch bis zum, auf der Frontseite befindlichen Emitter diffundieren, um dort eingesammelt werden zu können. Im Gegensatz dazu sind die Distanzen bis zum nächstliegenden pn-übergang bei POWER-Zellen aufgrund der makroskopischen Textur deutlich verringert. Dies führt besonders im Falle von multikristallinem oder bandgezogenen Silizium, bei dem die Minoritätsladungsträgerdiffusionslänge kleiner als die Zelldicke ist, zu einer erhöhten Einsammelwahrscheinlichkeit und damit zu einem gesteigerten Kurzschlußstrom. Bei der Charakterisierung von POWER-Zellen (Kapitel 3) wird sich herausstellen, daß dieser Stromgewinn den durch die Semitransparenz bedingten Stromverlust vollständig ausgleichen kann. d) Gesteigertes Light-Trapping Da Silizium als indirekter Halbleiter im langwelligen Spektralbereich eine geringe Absorption aufweist, ist es wichtig, daß eingekoppeltes Licht möglichst lange Wege innerhalb der Zelle zurücklegt, bevor es wieder über eine der Oberflächen austritt. Bei der Geometrie der PO- WER-Zelle mit ihren rechtwinklig verlaufenden V-Gräben auf Front- und Rückseite, entsteht aufgrund von Totalreflexionen an den schrägen Oberflächen, ein sehr gutes, sogenanntes Light-Trapping. Die letzten drei der genannten Eigenschaften ergeben sich bei allen makroskopisch texturierten Solarzellen. Für den Fall einer V-Textur wurden sie in [Zechner99] sowohl experimentell als auch numerisch untersucht. Je nach Geometrie des Emitters und Anordnung der Metallkontakte unterscheidet man die in Abbildung 1.1 dargestellten Formen der POWER-Zelle. Nachfolgend werden die Vor- und Nachteile der einzelnen Varianten beschrieben. Besonders im Fall der in dieser Arbeit untersuchten, bifacialen POWER-Zelle soll dabei nicht nur auf konzeptionelle, sondern auch auf einige technologische Aspekte eingegangen werden. Eine detaillierte Beschreibung der Herstellung und Charakterisierung folgt in Kapitel 2 & 3. 1.1.1 Die bifaciale POWER-Zelle Die bifaciale POWER-Zelle zeichnet sich dadurch aus, daß sich auf der gesamten Zelloberfläche mit Ausnahme der, für die Kontaktierung der Basis notwendigen Rückkontaktstege, ein Emitter befindet. Dadurch ist diese Zelle in der Lage, sowohl von vorne als auch von hinten auftreffendes Licht zur Stromerzeugung zu nutzen. Die Löcher in der Zelle müssen in diesem Fall noch eine weitere Aufgabe erfüllen. Durch sie ist der rückseitige mit dem frontseitigen Emitter elektrisch verbunden. Einen Hauptvorteil der bifacialen POWER-Zelle stellt neben deren Fähigkeit, Licht beidseitig einzukoppeln, ihre stark erhöhte Einsammelwahrscheinlichkeit der generierten Ladungsträger dar. Nicht nur Front- und Rückseite sondern auch die vertikalen Bereiche der Gräben sind mit einem Emitter bedeckt, so daß erzeugte Ladungsträger selten mehr als 100µm diffundieren müssen, bevor sie von einem pn-übergang getrennt werden. Dadurch eignet sich dieser Zelltyp hervorragend für qualitativ schlechteres und damit auch kostengünstigeres, multikristallines oder bandgezogenes Silizium.

1.1 DIE FAMILIE DER POWER-SOLARZELLEN 11 Abbildung 1.2 zeigt schematisch den Aufbau der in dieser Arbeit vorzustellenden, bifacialen POWER-Zelle. Aufgrund der Vorgabe, einen industriell einsetzbaren Herstellungsprozeß zu entwickeln, mußten an der Grundidee einige Modifikationen bezüglich der Geometrie und der Kontaktierung vorgenommen werden. Für den industriellen Einsatz ist neben dem erzielten Wirkungsgrad vor allem die Robustheit des Prozesses ausschlaggebend. Bruch- und sonstige Verlustraten sowie die Streuung um einen mittleren Wirkungsgrad herum sollten möglichst gering sein. Gleichzeitig muß bei der POWER-Zelle als potentieller Bestandteil einer Architektur auch dem ästhetischen Erscheinungsbild Rechnung getragen werden. Vom ursprünglichen Konzept der POWER-Zelle abweichend, werden statt der für Reflexion und Light-Trapping vorteilhaften V-Gräben, rechtwinklige Gräben eingebracht. Bei V- Gräben führen leichte Variationen in der Zelldicke zu einem unterschiedlich starken Überlappen der front- und rückseitigen Gräben. Da Dickeschwankungen von bis zu 30µm bei der Waferherstellung kaum zu vermeiden sind, kommt es aufgrund der verschieden großen Löcher zu einer lokal differierenden Transmittanz. Dies steht mit dem ästhetischen Anspruch der POWER-Zelle nicht in Einklang. Deshalb wurde zu rechtwinkligen Gräben übergegangen. Gleichzeitig können mit rechtwinkligen Gräben größere Löcher erzeugt werden. Um eine gewünschte Transmittanz zu erhalten, müssen weniger Löcher gesägt werden. Dies vereinfacht den Sägeprozeß und vermindert das Bruchrisiko. Zur Kontaktierung von POWER-Zellen steht industriell einsetzbar derzeit nur die Siebdruckmetallisierung zur Verfügung 4. Die 100 300µm breiten Kontakte werden auf Stege gedruckt. Dabei muß insbesondere bei den Rückkontakten auf eine sehr akkurate Justierung geachtet werden. Ein über den Rand eines Rückkontaktsteges hinausreichender Kontakt berührt den rückseitigen Emitter und führt damit unweigerlich zu einem Kurzschluß. rückseitiger Emitter SiN-ARC Rückkontakt frontseitiger Emitter Rückkontaktsteg Frontkontakt freiliegender pn-übergang n + p Abbildung 1.2: Schema der in dieser Arbeit vorgestellten, bifacialen POWER-Zelle (von der Rückseite betrachtet). Aus technologischen Gründen wurde zu rechtwinkligen Gräben übergegangen. Die Vergrößerung zeigt einen der, die Charakteristik dieses Zelltyps stark beeinflussenden, freiliegenden pn-übergänge. 4 Die für höchste Wirkungsgrade entwickelte buried contact Metallisierung [Green88] bietet sich genauso wie photolithographische Methoden aufgrund ihrer komplexeren, kostenintensiveren Prozeßsequenz für POWER- Zellen (bei denen die Kontaktierung nicht den bzgl. des Wirkungsgrades hauptsächlich limitierenden Faktor darstellt) nicht an. Die derzeit in der Entwicklung befindliche Rollendruckmetallisierung [Huster00] stellt hingegen eine für POWER-Zellen sehr interessante alternative Art der Kontaktierung dar. Sie ist speziell auf die Metallisierung makroskopisch texturierter Solarzellen ausgelegt und liefert im Labormaßstab schon sehr beachtliche Ergebnisse.

12 KAPITEL 1 DAS KONZEPT DER POWER-SOLARZELLE In Abbildung 1.2 ist eine wichtige Eigenschaft von POWER-Zellen vergrößert dargestellt: der freiliegende pn-übergang. Während bei konventionellen Solarzellen die Raumladungszone nur an den Kanten der Zelle an die Oberfläche stößt, tritt dies bei bifacialen POWER-Zellen beidseitig von jedem Rückkontaktfinger auf. Wie in den späteren Kapiteln eingehend dargelegt werden wird, besitzt dieser stark verlängerte, freiliegende pn-übergang einen erheblichen Einfluß auf die IV-Charakteristik von POWER-Zellen. 1.1.2 Die monofaciale POWER-Zelle Die monofaciale POWER-Zelle verzichtet auf einen rückseitigen Emitter. Einbußen im Wirkungsgrad werden durch eine vereinfachte Herstellungssequenz gerechtfertigt. Eine detaillierte Beschreibung der Herstellung und Charakterisierung monofacialer POWER- Zellen findet sich bei [Boueke00]. Der Wegfall des Emitters auf der Rückseite verringert die Einsammelwahrscheinlichkeit und damit die Kurzschlußstromdichte J SC. Im Vergleich zu bifacialen POWER-Zellen ist J SC um bis zu 15% geringer (24,1 26,0mA/cm² [Boueke00] statt 26,8 27,7mA/cm², Transmittanz jeweils auf T = 20% normiert). Bei monofacialen POWER-Zellen werden weite Bereiche der rückseitigen Oberfläche nicht passiviert, was dort eine erhöhte Rekombination bewirkt. Insbesondere die Regionen der freiliegenden pn-übergänge werden nicht geschützt, was sich besonders negativ auf den Füllfaktor FF und die offene Klemmspannung V OC auswirkt (vgl. dazu Kapitel 4). V OC liegt um durchschnittlich 15 20mV unterhalb der von bifacialen POWER-Zellen erreichten Werte (563 575mV [Boueke00] statt 577 598mV, bezogen auf Silizium mit ρ = 1Ωcm). Ein wichtiger Vorteil monofacialer POWER-Zellen ist ihre einfachere Herstellung. Die elektrische Isolation von Emitter- und Basiskontaktierung erfolgt automatisch bei der Texturierung der Zellrückseite und erfordert keine zusätzlichen Prozeßschritte. Des weiteren gestaltet sich die Kontaktierung der Basis weniger kritisch. Während bei bifacialen Zellen die zu kontaktierenden Rückkontaktstege nur wenig breiter als der Kontakt selbst sind und damit eine präzise Justierung während des Siebdruckes nötig ist, führt bei monofacialen Zellen eine geringfügige Fehljustierung nicht direkt zum Kurzschluß der Zelle. Aufgrund ihres unkritischeren Herstellungsprozesses wurden monofaciale POWER-Zellen als erste vom Labor- in den industriellen Maßstab überführt. Sie werden seit 1999 von der Firma sunways AG (Konstanz) produziert. In dieser Studie wird gezeigt, daß bifaciale Zellen vom Konzept her ein höheres Wirkungsgradpotential besitzen und dieses schon durch einen nur geringfügig komplexeren Prozeß ausschöpfen können. 1.1.3 Die Rückkontakt-POWER-Zelle Bei der Rückkontakt-POWER-Zelle sind sowohl Basis- als auch Emitterkontakt auf der Rückseite der Zelle positioniert. Ähnlich wie bei der bifacialen POWER-Zelle dienen die Löcher auch hier zur elektrischen Verbindung des frontseitigen Emitters zum rückseitigen Emitterkontakt.

1.1 DIE FAMILIE DER POWER-SOLARZELLEN 13 Die Verlegung des Emitterkontaktes auf die Zellrückseite bewirkt zwei deutliche Vorteile dieses Zellkonzeptes. Zum einen werden Abschattungsverluste durch das Kontaktgrid auf der Frontseite vermieden, wodurch sich eine Stromsteigerung von mehreren Prozent erzielen läßt. Zum anderen wird dadurch, daß beide Kontakte auf der gleichen Seite liegen, die Verschaltung im Modul wesentlich vereinfacht, wodurch eine Kostenreduktion von bis zu 20% erreicht werden kann [Gee97]. Die Rückkontakt-POWER-Zelle wird derzeit von A.Kress an der Universität Konstanz untersucht. Ergebnisse bezüglich der Entwicklung und Charakterisierung dieses Zelltyps finden sich in [Kress97], [Kress99]. 1.2 Vergleich mit verwandten Zellkonzepten 1.2.1 Zellkonzepte mit Semitransparenz Viele Siliziumdünnschicht-Solarzellen besitzen eine gewisse Semitransparenz aufgrund der schlechten Absorption von Silizium im langwelligen Spektralbereich. Da aufgrund dieses meist unbeabsichtigten Effektes nur rotes Licht transmittiert wird, sind diese Zellen für die meisten, die Semitransmittanz nutzenden Anwendungen ungeeignet. Die einzigen bisher bekannten Solarzellen, die einen Teil des auftreffenden Lichtes wellenlängenunabhängig durchlassen, werden von Sanyo [Takeoka93] und ASE Photonics [ASE99] hergestellt. Diese sogenannten see-through Solarzellen basieren auf dünnen Schichten amorphen Siliziums, in die durch chemisches Ätzen oder mit dem Laser Löcher 5 eingebracht wurden. Es kann eine sehr hohe Transmittanz von über 50% eingestellt werden. Leider erreichen diese Zellen nur bescheidene Wirkungsgrade von 1 4%. Die in dieser Studie vorgestellten semitransparenten POWER-Zellen können hingegen mit Wirkungsgraden von mehr als 12% aufwarten. 1.2.2 Zellkonzepte für bifaciale Solarzellen Bifaciale Solarzellen liefern bei gleicher Sonneneinstrahlung einen wesentlich höheren Leistungsertrag. Je nach Art der Montage (Winkel zur Sonne und zum Hintergrund), Eigenschaften des eingestrahlten Lichtes (direkte oder diffuse Strahlung) und Beschaffenheit der Umgebung (mehr oder weniger stark reflektierende Hintergründe) kann im Vergleich zu monofacialen Zellen eine Steigerung der Energieausbeute von 21 37% [Chieng93], anderen Berechnungen zufolge sogar bis zu 59% [Luque84], erzielt werden. Dabei wirkt sich die Bifacialität bei stark reflektierenden Hintergründen wie Schnee oder Wüstensand besonders positiv aus. Die Anwendungen bifacialer Zellen sind vielfältig und reichen von speziellen, terrestrischen Einsatzgebieten (z.b. Schallschutzmauern [Nordmann95]) über Konzentratoranwendungen (z.b. Solardachziegel mit integrierten, statischen Konzentratoren [Bowden93]) bis hin zu Weltraumapplikationen. 5 Ein kurzer Überblick über andere Zellkonzepte mit Löchern, bei denen diese aber nur zur Wirkungsgradsteigerung dienen, findet sich in [Boueke00, S.13]

14 KAPITEL 1 DAS KONZEPT DER POWER-SOLARZELLE Bei den meisten Konzepten bifacialer Solarzellen werden höchste Wirkungsgrade anvisiert. Rekordwirkungsgrade von 20,1% auf der Frontseite und 17,2% auf der Rückseite [Hübner97/1] bzw. bei etwas geringerer Bifacialität 6 von 21,9% auf der Front- und 13,9% auf der Rückseite [Zhou97] werden berichtet. Diese Zellen besitzen nur auf einer Seite einen ladungsträgersammelnden pn-übergang, zu dem die generierten Ladungsträger durch die gesamte Zelle hindurch hindiffundieren müssen. Sie werden daher auf hochwertigem Fz- Silizium mit sehr großen Minoritätsladungsträgerdiffusionslängen und einer ausgezeichneten Oberflächenpassivierung, meist thermisches Oxid, hergestellt. An diesen Zellen lassen sich die grundlegenden Eigenschaften bifacialer Zellen wie deren temperaturabhängiges Verhalten [Hübner97/2] oder den Einfluß unterschiedlicher Basisdotierungen [Moehlecke95] studieren. Für die meisten Anwendungen sind diese Zellen aufgrund der hochwertigen Substrate und der aufwendigen Prozessierung zu teuer. Sie werden deshalb einzig von der Firma Sunpower (Kalifornien) in kleinen Stückzahlen für Spezialanwendungen produziert. Um bifaciale Zellen auch auf kostengünstigem Silizium mit Diffusionslängen kürzer als die Zelldicke realisieren zu können, müssen beide Zellseiten mit einem Emitter versehen werden. Diesen Weg geht zum Beispiel [Warabisako92], indem er zusätzlich zur Frontseite auch Teile der Rückseite mit Emitter bedeckt und mit einem separaten Grid kontaktiert. Mit dieser Triodenstruktur ergeben sich auf multikristallinem Silizium beachtliche Wirkungsgrade von bis zu 16,8%. Allerdings ist die Abschattung durch die zwei Grids auf der Rückseite sehr hoch, so daß der Wirkungsgrad von dieser Seite nur sehr klein ( 2%) ist. Auch die in [Gee93] vorgeschlagene EWT-Solarzelle [Emitter Wrap Through] kann in einer bifacialen Variante hergestellt werden. Bei diesem Konzept wird der frontseitige Emitter durch lasergebohrte Löcher in der Zelle mit dem rückseitigen, dort kontaktierten Emitter verbunden. Die im folgenden näher vorzustellende, bifaciale POWER-Zelle verbindet die beiden außergewöhnlichen Eigenschaften, Semitransparenz und Bifacialität, in einem industriell umsetzbaren Konzept. 6 Der Begriff der Bifacialität bezieht sich auf das Verhältnis von frontseitigem zu rückseitigem Wirkungsgrad. Er wird auf S. 46 definiert.

2.1 INDUSTRIENAHE PROZEßSCHRITTE ZUR FERTIGUNG VON SILIZIUMSOLARZELLEN 15 Kapitel 2 2 Herstellung von bifacialen POWER-Solarzellen Das vorliegende Kapitel stellt Prozeßabläufe zur Herstellung bifacialer POWER-Solarzellen vor, die innerhalb dieser Arbeit entwickelt wurden. Dazu werden einleitend die Schritte erläutert, die nötig sind, um aus einem Siliziumwafer eine Solarzelle herzustellen. Da bei der Entwicklung der vorgestellten Prozesse stets auf die industrielle Umsetzbarkeit geachtet wurde, werden nur solche Herstellungsmethoden beschrieben, die schon heute in der industriellen Solarzellenfertigung zum Einsatz kommen bzw. die zur Zeit für diesen Einsatz entwickelt werden. Diese Methoden werden auf ihre Eignung für die Herstellung von POWER-Zellen hin untersucht und bewertet. In Kapitel 2.2 werden die im Rahmen dieser Dissertation entwickelten Herstellungssequenzen für bifaciale POWER-Zellen vorgestellt. Drei unterschiedliche Methoden führen zu Wirkungsgraden von 11,9 12,4%. Die einzelnen Prozeßsequenzen werden detailliert dargestellt 7, auftretende physikalische wie auch technologische Probleme erörtert. Anschließend an die in Kapitel 3 vorgestellte eingehende Charakterisierung der verschiedenartig hergestellten Zellen, werden deren jeweilige Vor- und Nachteile verglichen. 2.1 Industrienahe Prozeßschritte zur Fertigung von Siliziumsolarzellen Im Folgenden werden die einzelnen Prozeßschritte erklärt, die in den in Kapitel 2.2 beschriebenen Herstellungssequenzen für bifaciale POWER-Zellen zum Einsatz kommen. Dabei wird jeweils das Herstellungs- und Wirkungsprinzip nur knapp erläutert, für Details wird auf die angegebenen Quellen verwiesen. Anschließend wird auf Besonderheiten dieser Schritte bei der Herstellung von POWER-Solarzellen eingegangen. 2.1.1 Mechanische Oberflächentexturierung Die Geometrie der POWER-Zelle ist das Resultat einer extremen Form der mechanischen Oberflächentexturierung, die ursprünglich zur Strukturierung multikristallinen Siliziums entwickelt wurde. Bevor auf deren technische Realisierung eingegangen wird, folgt zunächst eine Darstellung der Vorteile der Oberflächentexturierung. 7 Aufgrund von Kooperationen mit Industriepartnern und deren Interesse an der Geheimhaltung spezieller Prozeßdaten können teilweise keine präzisen Prozeßparameter vorgestellt werden. Auch bei der Erörterung einiger technologischer Probleme mußte auf letzte Details verzichtet werden.

16 KAPITEL 2 HERSTELLUNG VON BIFACIALEN POWER-SOLARZELLEN Im Vergleich zu flachen Zellen bieten Zellen, deren Oberfläche mit V-Gräben texturiert wurde, mehrere Vorteile 8. Die Reflexion reduziert sich, da reflektiertes Licht erneut auf die Zelle trifft und sich damit die Chance der Einkopplung erhöht [Nussbaumer92], [Fath94/1]. Da das Licht von der senkrechten Einfallsrichtung weg gebrochen wird, erhöht sich der optische Weg des Lichtes innerhalb der Solarzelle (sogenanntes light-trapping, unterstützt durch Totalreflexionen an der Zellrückseite) und erhöht damit die Absorption im infraroten Spektralbereich. Im Falle einer makroskopischen Texturierung verringert sich zudem der Weg vom Bulk 9 hin zum an der Oberfläche liegenden Emitter. Damit können insbesondere in Material mit kurzen Diffusionslängen die Ladungsträger effizienter eingesammelt werden. Bei POWER-Zellen kommt mit der optischen Semitransparenz ein neuer Aspekt der Oberflächentexturierung hinzu. Die Tatsache, daß bei diesem Zelltyp sehr viele, tiefe Gräben eingebracht werden müssen (bis zu 50% des Wafermaterials werden abgetragen) erfordert eine zugleich schnelle und präzise, wie auch kostengünstige Art der Oberflächenstrukturierung. Teure photolithographische Methoden, wie sie zur Texturierung von hocheffizienten Solarzellen häufig eingesetzt werden, oder energie- und zeitintensive Verfahren wie das, z.b. bei buried-contact Solarzellen [Green88] eingesetzte Laser-Abtragen sind für die industrielle Fertigung von POWER-Zellen nicht vorstellbar. Damit wird die mechanische Oberflächenstrukturierung zur Schlüsseltechnologie für die Herstellung von POWER-Zellen und soll im folgenden vorgestellt werden. Weitergehende Informationen zur Entwicklung und dem aktuellen Stand dieser Technologie finden sich u.a. bei [Fath98], [Boueke00], [Gerhards00] und [Gerhards01]. Erste Untersuchungen zur mechanischen Strukturierung von Siliziumwafern wurden schon 1990 [Nunoi90] vorgestellt. An der Universität Konstanz wurde dieses Verfahren weiter untersucht und verbessert [Willeke92], [Fath94/1]. Derzeit werden Maschinen entwickelt, die einen ökonomischen, industriellen Einsatz der mechanischen Oberflächentexturierung erlauben [Gerhards00]. Abbildung 2.1: Hochpräzisionssäge, die zur Texturierung der POWER- Zellen verwendet wurde. 8 Eine kurze Zusammenfassung der Vorteile der Oberflächentexturierung findet sich auch bei [Fath94/1] 9 Unter dem Bulk wird im folgenden das Kristallvolumen verstanden.

2.1 INDUSTRIENAHE PROZEßSCHRITTE ZUR FERTIGUNG VON SILIZIUMSOLARZELLEN 17 Für die Strukturierung der in dieser Arbeit vorgestellten POWER-Zellen wurden konventionelle Hochpräzisionssägen verwendet. Abbildung 2.1 zeigt ein Foto einer solchen Säge. Mit schnellrotierenden Hochfrequenzspindeln ausgerüstet, erlauben sie Drehzahlen bis zu 40000 U/min. Diese hohen Drehzahlen sind nötig, um bei den großen Vorschubgeschwindigkeiten von bis zu 100mm/s die auf den Wafer wirkenden Kräfte gering zu halten. Die Positioniergenauigkeit wird vom Hersteller in allen drei Raumrichtungen mit 0,5µm angegeben. Während des Sägevorganges wird über eine Düse Wasser auf den Wafer gesprüht, das gleichzeitig den Sägestaub wegspült und das Sägeblatt kühlt. Besondere Anforderungen werden an die Vakuumansaugung, mit der der Wafer auf dem Auflagetisch ( Chuck ) gehalten wird, gestellt (vgl. [Boueke00], S.22). Wegen der Löcher kann bei POWER-Zellen das Vakuum nur in den nicht-texturierten Rand- und Busbarbereichen angreifen. Trotzdem muß der Wafer zuverlässig gehalten werden, da ein Verrutschen nicht nur den Wafer sondern auch das teure Werkzeug selbst beschädigen kann. Die im Rahmen dieser Arbeit hergestellten POWER-Zellen wurden meist mit einem einzelnen Sägeblatt strukturiert. Dies erlaubt eine hohe Flexibilität für die Geometrie der Zelle, d.h. Abstand und Tiefe der gesägten Gräben können einfach variiert werden. Während der Entwicklung des Herstellungsprozesses wurde diese Geometrie mehrfach modifiziert. Der Einzelblattbetrieb eignet sich wegen der langen Strukturierungsdauer (10 60min/wafer) nicht für den industriellen Einsatz. Zu diesem Zweck wurde das Multiblattverfahren entwikkelt 10. Auf einen breiten Flansch werden, durch Abstandsscheiben voneinander getrennt, mehrere Sägeblätter montiert (vgl. Abbildung 2.2). Im Prinzip kann ein Flansch mit genügend Sägeblättern bestückt werden, so daß ein Wafer in einem einzigen Durchgang komplett strukturiert werden kann. Gleichzeitig bleibt die Flexibilität bzgl. der gesägten Geometrie erhalten und defekte Sägeblätter können einzeln ausgewechselt werden. Leider sind die Kosten für die Sägeblätter und Abstandsscheiben, an die beide sehr hohe Anforderungen bezüglich einer homogenen Dicke gestellt werden, sehr hoch, so daß dieses Verfahren für den industriellen Einsatz zu teuer wird. Abbildung 2.2: Multiflansch mit elf montierten Sägeblättern zur schnelleren Strukturierung Abbildung 2.3: Strukturierungswalze zur Oberflächentexturierung im Industriemaßstab. 10 Die Entwicklung des Multiblatt- und des Walzenstrukturierungsverfahrens wurde hauptsächlich von Christoph Marckmann, Ansgar Fischer und Christoph Gerhards durchgeführt.

18 KAPITEL 2 HERSTELLUNG VON BIFACIALEN POWER-SOLARZELLEN Deshalb wurde ein neues Werkzeug, die profilierte Strukturierungswalze (Abbildung 2.3), entwickelt. In einen Metallgrundkörper wird die gewünschte Sägegeometrie mittels feinmechanischer Methoden übertragen. Auf diesen wird dann die eigentliche Abriebschicht, bestehend aus in eine Nickelmatrix eingebetteten Diamandkörnern, galvanisch aufgebracht. Die Abriebschicht hat in Untersuchungen [Fath98] eine hohe Haltbarkeit bewiesen und kann bis zu fünf mal neu aufgetragen werden. Dieses Werkzeug erlaubt erstmals die mechanische Oberflächenstrukturierung im industriellen Maßstab [Fath00] und wird derzeit für die industrielle Produktion monofacialer POWER- Zellen eingesetzt. 2.1.2 Ätz- und Reinigungsprozeduren Sowohl das Zertrennen eines Siliziumkristalls in einzelne Wafer wie auch die mechanische Texturierung erzeugen innerhalb einer oberflächennahen Region eine Schicht, den sogenannten Sägeschaden, in der Versetzungen und andere Defekte elektronisch aktive Störstellen bilden. Diese reduzieren über Shockley-Read-Hall-Rekombination die Lebensdauer der Minoritätsladungsträger, was gerade in diesem Bereich, in dem sich später der pn-übergang befinden wird, sehr negativ auf die Zellcharakteristik wirkt (vgl. Kap. 4.3, S. 78 ff). Sie müssen vor der Weiterprozessierung der Wafer vollständig entfernt werden. Untersuchungen an der Universität Konstanz ergaben, daß der durch die mechanische Oberflächentexturierung induzierte Schaden etwa 3µm tief reicht [Fath94/2]. In der Regel wird der Sägeschaden in einer alkalischen Lösung, z.b. etwa 20%iger NaOH oder KOH, abgeätzt. Da diese Lösungen in verschiedenen Kristallrichtungen unterschiedlich schnell ätzen, werden einzelne Kristallite in multikristallinem Material stärker geätzt als andere. Deshalb kommt es zur Stufenbildung, was bei der Metallisierung zu Schwierigkeiten führen kann. Dies läßt sich durch den Einsatz isotrop ätzender, saurer Ätzlösungen, z.b. einer Mischung aus Flußsäure (HF, 50%), Salpetersäure (HNO 3, 65%) und Essigsäure (CH 3 COOH, 100%) im Volumenverhältnis 3:43:7, verhindern. Während Hochtemperaturschritten wie der Phosphordiffusion bei 800-1000 C können metallische Verunreinigungen weit in den Bulk hinein diffundieren und dort als elektronische Störstellen wirken. Deshalb müssen die Wafer vor diesen Prozessen gründlichst gereinigt werden. Dies geschieht im Labormaßstab mit Hilfe der IMEC-Reinigungssequenz [Meuris92]. Die Siliziumoberfläche wird in einer Lösung aus H 2 O 2 und H 2 SO 4 etwa 3nm aufoxidiert. Dieses Oxid wird anschließend in Flußsäure abgeätzt, wobei sich metallische Verunreinigungen in der HF lösen. In der industriellen Fertigung werden das Ätzen des Sägeschadens und die Waferreinigung in einer einzigen, kurzen Prozeßsequenz ausgeführt. Zuerst wird der Sägeschaden in einer alkalischen Lösung entfernt. In einem zweiten Schritt neutralisiert eine Salzsäurelösung die Waferoberfläche, wobei die Chlorionen gleichzeitig reinigend wirken, da sie mit etwaigen Metallatomen lösliche Salze bilden. Abschließend werden restliche Verunreinigungen in einer Flußsäurelösung entfernt.

2.1 INDUSTRIENAHE PROZEßSCHRITTE ZUR FERTIGUNG VON SILIZIUMSOLARZELLEN 19 2.1.3 Phosphordiffusion Zur räumlichen Trennung der durch Photonen erzeugten Ladungsträgerpaare in einer Solarzelle wird ein pn-übergang benötigt. Dieser wird bei Siliziumsolarzellen in der Regel durch Eindiffusion von Dotieratomen erzeugt. Wegen der höheren Beweglichkeit der Elektronen gegenüber den Löchern in Silizium verwendet man als Ausgangsmaterial, welches später auch den Absorber der Solarzelle bildet, meist schwach (ca. N A 1x10 16 cm -3 spezifischer Widerstand ρ = 0,5 2Ωcm) mit chemisch dreiwertigem Bor p-dotiertes Silizium. Bor besitzt in Silizium einen kleinen Segregationskoeffizienten, so daß die p-dotierung sehr homogen ist. In dieses Ausgangsmaterial wird chemisch fünfwertiges Phosphor zur n-dotierung eindiffundiert und somit ein pn-übergang gebildet. Die Phosphordiffusion kann technologisch unterschiedlich realisiert sein. Für die Herstellung der im folgenden vorgestellten POWER-Zellen wurde sie in einem Diffusionsofen ( Gasphasendiffusion ) durchgeführt. Dabei wird ein Trägergas durch flüssiges POCl 3 geführt und in das 800-950 C heiße Quarzrohr des Ofens geleitet. Das POCl 3 verbindet sich mit dem zusätzlich eingeleiteten Sauerstoff zu Phosphorpentoxid (4 POCl 3 + 3 O 2 2 P 2 O 5 + 6 Cl 2 ), das mit der Siliziumoberfläche zu einem Phosphorsilikatglas (SiO 2 :P) reagiert. Dieses dient dann als Diffusionsquelle. Das ebenfalls freiwerdende Chlor ist für seine reinigende Wirkung in der Halbleitertechnologie bekannt [Ronen72], denn Chlor bildet mit vielen metallischen Verunreinigungen flüchtige Verbindungen. Die resultierende Phosphorkonzentration an der Waferoberfläche hängt hauptsächlich von der Diffusionstemperatur ab. Die Eindringtiefe und damit die Dicke des Emitters läßt sich durch die Temperatur und Dauer der Diffusion steuern. Für die Herstellung der vorzustellenden POWER-Zellen wurde die Diffusionstemperatur und dauer so gewählt, daß sich ein Emitter mit einem Schichtwiderstand von 28 35Ω/sqr und einer hohen Dotierungskonzentration N D > 10 20 cm -3 an der Oberfläche ergibt. Diese starke Dotierung ist nötig, um einerseits hohe Kontaktwiderstände mit den im Siebdruckverfahren aufgebrachten Emitterkontakten zu vermeiden und andererseits die Shuntbildung beim Feuern der Kontakte zu verhindern (vgl. dazu auch Kapitel 2.1.5). Sie führt jedoch zu einer reduzierten Quantenausbeute im kurzwelligen Spektralbereich und vermindert damit den photogenerierten Strom der Zellen 11. Die Gasphasendiffusion bietet für die Herstellung von bifacialen Zellen den Vorteil, daß der Emitter direkt auf beiden Seiten der Zelle eindiffundiert wird. Um eine Kontaktierung der Basis zu ermöglichen, müssen dabei Bereiche vor der Diffusion geschützt oder nachträglich der Emitter wieder lokal entfernt werden. Einen insbesondere für multikristalline POWER-Zellen sehr willkommenen Nebeneffekt der starken Phosphordiffusion bildet deren Getterwirkung. Unter Gettern versteht man in der Halbleitertechnologie das Entfernen von (meist metallischen) Verunreinigungen aus dem aktiven Bereich eines Bauelements, durch das vor allem in qualitativ minderwertigem Silizium die Diffusionslänge drastisch gesteigert werden kann [Narayanan86]. 11 Eine Studie zum Einfluß der Emitterdotierung auf die Zellcharakteristik findet sich z.b. in [Kühn97], Kap.4.3

20 KAPITEL 2 HERSTELLUNG VON BIFACIALEN POWER-SOLARZELLEN 2.1.4 Siliziumnitrid-Abscheidung Siliziumnitrid besitzt mehrere, für die Herstellung von POWER-Zellen sehr wichtige Eigenschaften: i) Antireflexschicht (ARC) In der richtigen Dicke d = λ 0 /4n 1 70nm (λ 0 ist die Wellenlänge, bei der die Reflexion minimal sein soll, n 1 ist der Brechungsindex von SiN) abgeschieden, wirkt Siliziumnitrid als hervorragende Antireflexschicht. Die Gesamtreflexion des Siliziumwafers kann dadurch von 36% auf unter 10% gesenkt werden (vgl. z.b. [Green82]). Um eine optimale Antireflexwirkung zu erreichen, sollte die Dicke der ARC über alle Bereiche der Zelle homogen sein. Diese Anforderung kann, wie später dargestellt wird, bei stark strukturierten Oberflächen je nach Methode der Abscheidung nicht erfüllt sein. ii) Oberflächen- und Bulkpassivierung Siliziumnitrid weist eine sehr gute Passivierung der Oberfläche auf (vgl. z.b. [Aberle99]). Dies ist bei POWER-Zellen besonders wichtig, da ihre Oberfläche im Vergleich zu flachen Zellen aufgrund der makroskopischen Texturierung um den Faktor 2 3 vergrößert ist. PECVD-Nitrid kann wegen dessen hohen Wasserstoffgehaltes von 15 20at% [Spiegel95] zusätzlich auch zur Passivierung des Bulks verwendet werden [Michiels90]. iii) Diffusionsbarriere Wegen des sehr kleinen Diffusionskoeffizienten von Phosphor in Siliziumnitrid, kann dieses als Diffusionsbarriere benutzt werden. Es wird bei der Herstellung von bifacialen POWER- Zellen dafür eingesetzt, um die Bereiche der Rückkontaktstege vor einer Diffusion zu schützen. Für die Herstellung der bifacialen POWER-Zellen wurde sowohl PECVD- (Plasma Enhanced Chemical Vapor Deposition) als auch LPCVD-Siliziumnitrid (Low Pressure CVD) verwendet. Da sich die in Kapitel 2.2 vorgestellten Herstellungssequenzen 1 und 2 vor allem in der Art der Nitridabscheidung unterscheiden, sollen beide Techniken hier kurz vorgestellt werden. PECVD-Nitrid Kern eines Plasmareaktors 12 zur Abscheidung von PECVD-Siliziumnitrid sind zwei Elektroden, zwischen denen mittels eines Generators ein Plasma, bestehend aus einem Gasgemisch aus Silan (SiH 4 ) und wahlweise Stickstoff (N 2 ), Ammoniak (NH 3 ) und Stickstoffdioxid (NO 2 ) unterhalten wird. Das Plasma liefert einen Teil der Anregungsenergie der chemischen Reaktionen (vgl. Tabelle 2.1), wodurch die Prozeßtemperaturen auf unter 400 C reduziert werden können. Die genauen Reaktionsprodukte hängen stark von den gewählten Prozeßparametern bei der Abscheidung ab. Einstellbar sind die Flüsse der verschiedenen Prozeßgase, der Re- 12 Der verwendete Reaktor generiert das Plasma bei niedrigen Frequenzen (50 khz). Dadurch kommt es durch ein erhöhtes Ionenbombardement zu einem oberflächlichen Plasmaschaden. Die in Kapitel 2.2.1.3, S. 29 vorgestellten Untersuchungen der passivierenden Eigenschaften beziehen sich speziell auf dieses PECVD-Nitrid. Bei höheren Frequenzen oder mit Hilfe eines räumlich abgekoppelten Plasmas ( Remote-PECVD ) abgeschiedenes Nitrid weist eine bessere Oberflächenpassivierung auf [Aberle99], stand aber im Rahmen dieser Arbeit nicht zur Verfügung.

2.1 INDUSTRIENAHE PROZEßSCHRITTE ZUR FERTIGUNG VON SILIZIUMSOLARZELLEN 21 Tabelle 2.1: Vergleich der Eigenschaften sowie der für POWER-Zellen wichtigen Vor- und Nachteile von LPCVD- und PECVD-Siliziumnitriden (z.t. aus [Sze83], [Pan85]). LPCVD PECVD Prozeßtemperatur [ C] 700 900 250 400 Zusammensetzung Si 3 N 4 (H) SiN x H y Chemische Reaktionen 3 SiCl 2 H 2 + 4 NH 3 SiH 4 + 4N 2 O SiO 2 + 4N 2 +2H 2 O Si 3 N 4 + 12 H 2 SiH 4 + NH 3 SiN x H y + z H 2 SiH 4 + N 2 SiN x H y + z H 2 Abscheidung beidseitig einseitig Si/N-Quotient 0,75 0,8 1,2 Atom % Wasserstoff 4 8 15 39 Brechungsindex 2,0 1,8 2,5 Dichte [g/cm 3 ] 2,9 3,1 2,4 2,8 Bandlücke [ev] 5 4 5 Vorteile - sehr gute Homogenität der abgeschiedenen Schichten - sehr gute Oberflächenpassivierung - beidseitige Abscheidung vorteilhaft für ARC auf bifacialen Zellen Nachteile - niedrige Abscheideraten lange Prozeßdauer - keine Bulkpassivierung 13 - geringe Prozeßtemperatur - reich an Wasserstoff und Oxidladungen gute passivierende Eigenschaften von Oberfläche und Bulk - einseitige Abscheidung für die gezielte Belegung mit einer Diffusionsbarriere vorteilhaft. - Probleme bei Homogenität der Schicht insbesondere bei texturierten Oberflächen - Risiko eines Plasmaschadens an der Oberfläche aktordruck, die Temperatur der unteren Elektrode (bis maximal 400 C), die eingekoppelte Plasmaleistung und die Abscheidezeit. Details zu dem in dieser Arbeit benutzten Plasmareaktors finden sich bei [Spiegel95]. Der hohe Anteil an Wasserstoff in den PECVD-Nitridschichten kann durch den nachfolgenden, kurzen Feuerschritt bei der Siebdruckmetallisierung in die Zelle teilweise eindiffundiert werden [Lenkheit97]. Dort sättigt der Wasserstoff Fehlstellen ab und führt damit zu einer zusätzlichen Bulkpassivierung. 13 Zur Zeit wird von T.Pernau ein Prozeß entwickelt, bei dem gleichzeitig mit der LPCVD-Abscheidung eine Wasserstoffpassivierung durchgeführt wird [Pernau00].

22 KAPITEL 2 HERSTELLUNG VON BIFACIALEN POWER-SOLARZELLEN Da die Wafer auf der Elektrode flach aufliegen müssen, findet die Nitridabscheidung nur auf einer Seite statt. Dies ist vorteilhaft, wenn (wie in Prozeß 1 und 2, Kap. 2.2) nur auf der Rückseite eine Diffusionsbarriere aufgebracht werden soll. Für die beidseitige Abscheidung einer Antireflexschicht sind jedoch zwei Prozeßschritte nötig. LPCVD-Nitrid Im Gegensatz zur PECVD-Abscheidung wird beim LPCVD-Verfahren die gesamte Anregungsenergie für die chemische Reaktion thermisch zur Verfügung gestellt. Ein LPCVD-Ofen besteht aus einem Quarzglasrohr, das in einem Dreizonenofen auf Temperaturen zwischen 700 C und 900 C geheizt wird. Durch dieses Rohr werden die Prozeßgase Dichlorsilan (oder Silan) und Ammoniak geleitet, wobei der Druck innerhalb des Rohres typischerweise bei 30 bis 250Pa liegt [Sze83]. Während es beim PECVD-Verfahren aufgrund von Inhomogenitäten im elektrischen Feld zu unterschiedlich schneller Abscheidung auf flachen und auf strukturierten Bereichen von PO- WER-Zellen kommt, erlaubt die LPCVD-Abscheidung ein sehr homogene Dicke der Nitridschicht unabhängig von der Oberflächenstruktur der Zelle. Dies ist insbesondere bei Antireflexionsschichten sehr wichtig. Des weiteren werden alle Oberflächen des Wafers beschichtet, d.h. Front- und Rückseite einer bifacialen Zelle erhalten in nur einem Schritt eine Antireflexund Oberflächenpassivierungsschicht. 2.1.5 Siebdruckmetallisierung Die Siebdruckmetallisierung stellt die in der industriellen Solarzellenfertigung am häufigsten verwendete Art der Herstellung der Metallkontakte dar. Es soll an dieser Stelle nur kurz das Prinzip der Siebdruckmetallisierung und zwei Problematiken, die bei ihrer Anwendung auf POWER-Zellen auftreten, dargestellt werden. Eine detaillierte Beschreibung der Siebdrucktechnologie findet sich beispielsweise in [demoor96], die Charakterisierung von Siebdruckkontakten stellt [Tölle97] vor. Beim Siebdruck wird eine metallhaltige Paste durch ein Sieb hindurch, mit dem beliebige, bis zu 80µm feine Muster und Strukturen vorgegeben werden können, auf die Oberfläche der Solarzelle aufgebracht. Anschließend wird die Paste zunächst bei 150 C getrocknet und dann bei 700-900 C gefeuert. Bei dem hier verwendeten Durchfeuerprozeß ätzt sich dabei die in der Paste enthaltene Glasfritte durch die zuvor auf der Zelloberfläche abgeschiedene Siliziumnitridschicht hindurch und ermöglicht einen elektrischen Kontakt zur Zelle. Wie schon in Kapitel 2.1.3 erklärt, können im Siebdruckverfahren bisher nur Emitter mit einer hohen Dotierung an der Oberfläche (N D > 10 20 cm -3 ) und einer gewissen Mindesttiefe kontaktiert werden. Die beim Feuern der Kontakte gewählten Temperaturrampen und Maximaltemperaturen müssen exakt auf die verwendete Paste (chemische Zusammensetzung), das jeweilige Siliziumnitrid (Dicke, Dichte), den Emitter (Dotierung, Tiefe) und sogar den Wafer (optische und thermische Eigenschaften) selbst abgestimmt werden. Ist die Energiezufuhr zu hoch (zu hohe Temperaturen oder zu lange Dauern), ätzen sich die Glasfritte durch den Emitter hindurch, schädigen die Raumladungszone oder führen im schlimmsten Fall zu Kurzschlüssen. Bei zu geringer Energiezufuhr kann das Siliziumnitrid nicht durchfeuert werden, es kommt kein bzw. nur ein ungenügender elektrischer Kontakt zustande.