Radikalismus. Umgang mit radikalen Personen und Gruppen

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Transkript:

Radikalismus Umgang mit radikalen Personen und Gruppen

Inhaltsverzeichnis 04 Elf Merkmale problematischer Gruppen 10 Ansprache von radikalen Personen 11 Rund um Ihre Lokalität 13 Umgang mit den Medien 15 Sie geben Auskunft - Der Ablauf eines Interviews 16 FAQ - Fragen zu Extremismus und Radikalisierung 19 Kontakte - Kerngruppe Extremismus & Gewaltprävention

Liebe Leserin, lieber Leser Wie soll ein Sportverein reagieren, wenn die eigenen Fans die Flagge einer militanten Antifa-Gruppe schwenken? Was tut ein Kulturverein, wenn sich ein Mitglied bewundernd über eine terroristische Organisation äussert? Was ist zu empfehlen, wenn ein Kollege oder eine Kollegin rechtsradikale Gedanken verbreitet? Dieser Leitfaden zum Umgang mit radikalen Personen und Gruppen will dazu einige Hinweise geben und Kontakte zu den Fachleuten der Extremismus- und Gewaltprävention vermitteln. Er ist ein Hilfsmittel, das Sie beim Erkennen von Radikalisierungstendenzen unterstützt, ganz unabhängig davon, ob es sich um religiöse Sekten, um Linksoder Rechtsextremismus oder um islamistischen Extremismus handelt. Radikalismus verunsichert. Die Winterthurer Fachstelle Extremismus und Gewaltprävention wird mit vielen Fragen konfrontiert; oft kommen sie von Vereinen und Organisationen, die stark für das Thema sensibilisiert sind. Aber sie sind unsicher, wie sie ihre Wahrnehmungen einordnen und wie sie adäquat reagieren sollen. Wir möchten die Winterthurerinnen und Winterthurer zu Zivilcourage ermutigen: Sprechen wir Personen in unserem Umfeld an, wenn sie gegen Rechtsstaat und Demokratie Stellung beziehen oder gar Gewalt befürworten. Es lohnt sich, früh das Gespräch zu suchen. Es kann entscheidend sein, dass das Umfeld auf eine radikale Äusserung reagiert. Es lohnt sich, eine klare Haltung zu vertreten: Diskriminierungen oder Gewaltaufrufe sind in keiner Weise zu tolerieren. Was ich aber ebenso sehr betonen möchte: Die Gedanken sind frei. Meinungs- und Religionsfreiheit sind hohe Werte, die es zu schützen gilt. Winterthur ist vielfältig und bleibt lebendig dank dem Austausch verschiedener Ansichten, Meinungen und Ideen. Und dank dem Engagement vieler Vereine und Organisationen. Wir wünschen uns in Winterthur Vereine und Organisationen, die ihre Kontakte und ihren Zusammenhalt nutzen und für ein friedliches Zusammenleben einstehen. Toleranz endet dort, wo Diskriminierung oder gar Gewaltbereitschaft beginnt. Stadtrat Nicolas Galladé Vorsteher Departement Soziales

04 11 Merkmale problematischer Gruppen 1 Diskriminierung Diskriminierung von Menschen nach Herkunft, Aussehen, Geschlecht, Weltanschauung, Religion oder sexueller Orientierung. 2 Drohungen Die Gruppe setzt Drohbotschaften ein, um die Mitglieder auf Linie zu halten, etwa indem Aussteigern ein schlimmes Schicksal angekündigt wird.

05 3 Allheilmittel und Paradies Die Gruppe macht Versprechungen und bietet Methoden an, die angeblich alle möglichen Leiden und Probleme beheben soll. 4 Verschwörungstheorien Die Gruppe greift zu Verschwörungs theorien, wenn die Welt sich nicht so präsentiert, wie sie es nach der Lehre der Gruppe tun müsste.

06 5 Weltherrschaftspläne und Absolutheitsanspruch Die Gruppe strebt die Ablösung der gegen wärtigen Gesellschaftsordnung durch eine Welt unter ihrer Herrschaft und nach ihren Regeln an. Der Einsatz von Gewalt ist eine Option. 6 Überwachung und Kontrolle Die Gruppe kontrolliert ihre Mitglieder, sei es durch die enge Führung, durch gegenseitige Bespitzelung oder gar durch einen internen Geheimdienst.

07 7 Love bombing Interessenten werden mit Komplimenten und Zuneigung überschüttet, so dass der Eindruck entsteht, die bestmöglichen Freunde gefunden zu haben. Oder sie werden als Auserwählte und besonders Talentierte dargestellt. Mit der Zeit muss die Zuwendung verdient werden. 8 Schwarz-Weiss-Denken Die Gruppe lehrt, dass nur die Menschen gerettet werden, die der Gemeinschaft folgen.

08 9 Meidung von Aussteigern Menschen, die der Gruppe den Rücken gekehrt haben, gelten als Abtrünnige und Ver räter. Den Mitgliedern wird jeglicher Kontakt zu ehemaligen Anhängern strikte verboten. 10 Doppelgesicht Die Gruppe präsentiert sich gegen aussen komplett anders als gegen innen. Die Selbstdarstellung in der Werbung hat mit der inneren Realität wenig gemein.

09 11 Tradiertes Rollenbild Die Gruppe sieht für Frauen und Männer tradierte Rollen vor. Männer und Frauen werden prinzipiell nicht gleichberechtigt behandelt. Wenn bei einer Gruppierung eines dieser Merkmale vorliegt, ist Vorsicht geboten. Je mehr Merkmale zutreffen, desto problematischer ist die Gruppierung. Illustration: Julien Duc

10 Ansprache von radikalen Personen Was können wir tun? Es ist sinnvoll, in jeder Organisation Personen zu haben, die sich um Verdachtsfälle von Radikalisierung oder Extremismus kümmern. Personen, die radikales Gedankengut verbreiten oder die Leitlinien verletzen, sollen nicht geschont, sondern mit ihrem Verhalten konfrontiert werden. Hierfür dient folgender Gesprächsleitfaden: Wenn Sie von einem Verdachtsfall erfahren: Erster Schritt - Überblick gewinnen Falls die Beobachtungen nicht selbst gemacht wurden, mit der meldenden Person sprechen und sie behutsam befragen. Ermutigen, dass es im Sinne aller ist, Verdachtsfälle anzusprechen. Zuversicht vermitteln, dass die Situation angegangen und vertraulich behandelt wird. Genau nachfragen, was das Verhalten und die Äusserungen der Person betrifft. Alles exakt wissen: Wo hat wer was wann gemacht? Wie oft? Wer war dabei? Wenn nötig ein Protokoll anfertigen Wichtig ist, dass Meldungen vertraulich behandelt werden und meldende Personen geschützt werden. Falls von der verdächtigten Person bedrohliches oder strafbares Verhalten ausgeht, informieren Sie die Polizei, bei hoher Dringlichkeit via Notrufnummer 117. Zweiter Schritt - Gesprächsvorbereitung Organisieren Sie Unterstützung. Fragen Sie sich: Wer hilft mir? Benötigen wir Unterstützung, zum z. B. durch den Brückenbauer oder die Fachstelle Extremismus und Gewaltprävention FSEG? (Alle Kontakte finden Sie auf Seite 19) Braucht es für das Gespräch eine Übersetzung? Eine solche können Sie über die Fachstelle Integrationsförderung engagieren. Wie ist das Gespräch zeitlich zu organisieren? Ausserhalb der Öffnungs-/Betriebszeiten? An einem neutralen, öffentlichen Ort? Welcher Raum ist zu organisieren? Gibt es in der Vereinslokalität einen Ort, an dem vertrauliche Gespräche geführt werden können? Ist ein Protokoll nötig? Wer schreibt mit?

11 Dritter Schritt - Gespräch durchführen Holen Sie die Person einzeln zum Gespräch oder vereinbaren Sie einen Termin. Legen Sie den beigefügten Gesprächsbogen vor sich hin und führen Sie das Gespräch entsprechend. Seien Sie klar und unbeirrt in der Sache und ruhig im Ton! Machen Sie klar, dass radikale Ideologien oder Äusserungen nicht toleriert werden. Nehmen Sie die Person in die Verantwortung! Versuchen Sie, die Person als Kooperationspartner gegen Extremismus und Gewalt zu gewinnen. Seien Sie auf Rechtfertigungsstrategien vorbereitet! Bedenken Sie die Privatsphäre und den Persönlichkeitsschutz. Achten Sie darauf, dass die Person nicht das Gesicht verliert. Geben Sie nie bekannt, wer die Meldung gemacht hat. Vierter Schritt - Erfolgskontrolle War das Gespräch erfolgreich? Wer überprüft die vereinbarten Regeln und Massnahmen (Verantwortlichkeit)? Wann wird die Situation nochmals beurteilt? Wann findet ein nächstes Gespräch oder eine Bilanz statt? Braucht es weiterführende Massnahmen oder die Verständigung des Brückenbauers oder der FSEG? Falls Sie strafbare Handlungen oder konkrete Bedrohungen aufdecken, ist zwingend die Zusammenarbeit mit der Polizei zu suchen. Der Brückenbauer der Stadtpolizei Winterthur ist in dieser Hinsicht eine niederschwellige Anlaufstelle. Beispiele: Drohungen Gewalt Unterstützung terroristischer Organisationen

12 Rund um Ihre Lokalität Flyer Bücher Medien Stellen Sie sicher, dass in Ihren Lokalitäten nur schriftliche Unterlagen ausgelegt werden, die dem Zweck Ihres Vereines dienen. Entfernen Sie regelmässig Unterlagen, Flyer, Bücher etc., die sie nicht verstehen, kennen oder einordnen können. Kommunikation und Öffentlichkeit Distanzieren Sie sich von Gewalt und Extremismus. Vermeiden Sie Wörter und Texte, die zweideutig ausgelegt werden könnten. Rufen Sie zum Kontaktaufbau und der Kontaktpflege über die Grenzen ihrer Organisation hinaus auf; mit Nachbarn und Nachbarinnen, Bekannten, Kollegen und Kolleginnen oder Freunden und Freundinnen. Integration und sozialer Austausch Suchen Sie den Kontakt zur näheren Nachbarschaft. Bauen Sie soziale Beziehungen auf und pflegen Sie diese. Vernetzen Sie sich mit anderen Akteuren im Quartier (Quartier- und Kulturvereine, Jugendarbeit, Gewerbe, Schule). Werden Sie Mitglied des Interkulturellen Forums Winterthur (www.interkulturellesforum.ch). Pflegen Sie den Austausch mit der Fachstelle Integrationsförderung. Identifikation mit Winterthur Zeigen Sie Ihre Verbundenheit mit Winterthur und der hier lebenden Bevölkerung, vermitteln Sie in Ihrer Organisation das Gefühl der Zugehörigkeit zur Gesellschaft. Unterstützen und erlauben Sie interkulturelle Freundschaften, Beziehungen und Ehen. Internet und Social Media Unterhalten Sie eine Homepage oder einen Social-Media-Auftritt? Kontrollieren Sie regelmässig Kommentare, Posts und Links auf Ihren Kommunikationskanälen. Entfernen, blockieren oder löschen Sie fragwürdige Inhalte, die Ihnen oder der Gesellschaft schaden könnten. Schalten Sie bei besonders schlimmen Beiträgen die Polizei ein.

13 Umgang mit Medien Tipps für die Medienarbeit von Vereinen, Organisationen und Interessengruppen bei Anfragen im Zusammenhang mit Radikalismus Wer ist verantwortlich? Klären Sie grundsätzlich, wer Medienanfragen beantwortet. Informieren Sie Ihre Mitglieder über die Zuständigkeit und die Erreichbarkeit (Telefonnummer, E-Mail). Keine spontanen Interviews Holen Sie Informationen ein und vereinbaren Sie einen Rückruf oder einen Interviewtermin. (Siehe Seite 15: Sie geben Auskunft Der Ablauf eines Interviews). Fakten klären Was wissen Sie? Was ist Sache (wer, was, wann, wo, warum)? Was liegt in Ihrer Zuständigkeit, was nicht? Bestimmen Sie die Hauptbotschaften. Bereiten Sie einige Sätze vor, in denen Ihre wichtigste Information klar und deutlich zum Ausdruck kommt. Tipp: Überlegen Sie, wie die Schlagzeile im «20 Minuten» am besten lauten sollte. Eine Medienanfrage ist immer auch eine Chance, die eigene Organisation, ihre Grundsätze und ihr Handeln bekannt zu machen. Wo liegt die Grenze Ihrer Auskünfte? Legen Sie fest, worüber Sie nichts sagen. Sprechen Sie nur zu Themen, die in Ihrer Verantwortung liegen. Sprechen Sie nicht über Drittpersonen (ausser, es wurde mit ihnen vorher abgesprochen). Äussern Sie keine Vermutungen oder Verdächtigungen.

14 «Nichts» sagen schwieriger als man denkt. Nutzen Sie heikle Fragen, um Ihre Hauptbotschaften zu vermitteln. Zum Beispiel so: «Zu dieser konkreten Person kann ich Ihnen nichts sagen. Grundsätzlich ist es so, dass wir». «Das kann ich so nicht bestätigen. Was ich Ihnen hingegen sagen kann, ist» Als Alternative: «Dazu kann ich Ihnen nichts sagen. Wenden Sie sich an die dafür zuständige Stelle (Person, Behörde).» Wenn Medien übergriffig werden Gewisse (Boulevard-) Journalisten und Journalistinnen kennen keine Grenzen. Schützen Sie bei Bedarf frühzeitig Ihr Privatleben (keine privaten Fotos auf Facebook, Wohnadresse nicht öffentlich machen u.ä.). Informieren Sie Ihnen wichtige Personen über eine schwierige Situation mit Medien, suchen Sie evtl. Unterstützung bei Kommunikations- Profis. Medienschaffende dürfen von Privatgrundstücken und -räumen jederzeit weggewiesen werden. Ihre Rechte Recht am eigenen Zitat (Gegenlesen vor Veröffentlichung): Verlangen Sie, dass der Journalist/die Journalistin Ihnen Ihre Aussagen vor der Veröffentlichung sendet und bestätigen (oder ändern) Sie diese. Aber: Was gesagt wurde, kann nicht im Nachhinein geändert werden! Recht am eigenen Bild: Sie dürfen Medien verbieten, ein Foto von Ihnen zu veröffentlichen. Das müssen Sie aber von Anfang an deutlich sagen oder besser: per E-Mail schreiben.

Sie geben Auskunft Der Ablauf eines Interviews 15 Vor einem Interview Bevor Sie Fragen von Journalisten und Journalistinnen beantworten, sind diese Informationen hilfreich: 1. Welche Zeitung, TV-Station oder welches Radio fragt? 2. Name, E-Mail und Telefon des Journalisten oder der Journalistin. 3. Was sind die Fragen? Verlangen Sie detaillierte Fragen. Lassen Sie sich nicht auf ein unvorbereitetes Gespräch ein. 4. Welche Informationen hat der Journalist oder die Journalistin zum Thema und mit wem spricht er/sie sonst noch? Finden Sie heraus, was er/sie weiss oder vermutet. Manchmal gehen Journalisten oder Journalistinnen von falschen Annahmen aus. 5. Bis wann braucht der Journalist oder die Journalistin die Antworten? Versuchen Sie, etwas Zeit zu gewinnen. 6. Wann soll der Bericht veröffentlicht werden? Während des Interviews 1. Sprechen Sie nur über Themen, die in Ihrer Zuständigkeit liegen. 2. Grundsätze und Haltungen Ihrer Organisation können Sie immer kommunizieren. 3. Lassen Sie sich nicht zu Aussagen provozieren, die Sie nachher bereuen. Denn: gesagt ist gesagt. 4. Bei Radio- oder Fernsehinterviews: Nehmen Sie wenn möglich eine Vertrauensperson mit, welche die Aufnahme anhört/anschaut und Sie unterstützt. Bei Pannen oder Fehlern während der Aufnahme dürfen Sie immer sofort eine Korrektur (zweite Aufnahme) verlangen. Nach dem Interview 1. Verlangen Sie Zitate vor der Veröffentlichung zum Gegenlesen/ Prüfen (Recht am eigenen Zitat). 2. Sie haben das Recht, Fotos von Ihnen vor der Veröffentlichung zu sehen und allenfalls abzulehnen. Sie dürfen Medien sogar verbieten, ein Bild von Ihnen zu veröffentlichen (Recht am eigenen Bild). 3. Informieren Sie wichtige Personen über die zu erwartenden Medienberichte und über die Hauptbotschaften Ihrer Organisation. Wichtige Personen können sein: Mitglieder, Familienangehörige, Partnerorganisationen, weitere Interessierte.

16 FAQ Fragen zu Extremismus und Radikalisierung Welche Eigenschaften kennzeichnen extremistische Haltungen? Ich vermute, dass sich eine Person radikalisiert. Woran erkenne ich, dass sie sich einer extremen Gruppierung angeschlossen hat? Folgende Merkmale können auf Ideologisierungen oder Radikalisierungen hinweisen, müssen aber nicht: Die Betroffenen verändern ihre Lebensweise (z. B. Hobbys, Sportaktivitäten, Schlafund Essgewohnheiten). Sie äussern sich abschätzig gegenüber ihrer Vergangenheit. Das äussere Erscheinungsbild wird abrupt verändert (z. B. Aussehen, Kleidung). Die Person bricht mit Freunden und Cliquen aus der früheren Zeit den Kontakt ab und trifft sich mit gleichdenkenden Personen in neuen Gruppierungen. Weiter macht sie/er gewaltverherrlichende Aussagen. Die Betroffenen haben starre, absolute Ideen, wie die Weltordnung wiederhergestellt werden soll. Oft geben sie offen rassistische und/oder antisemitische Äusserungen von sich. Anders denkende Menschen werden abgewertet und als Feindbild stilisiert. Die Demokratie und ihre Institutionen werden nicht anerkannt. Gewalt wird als Option verstanden, um eine Weltordnung nach eigenen Vorstellungen zu gestalten. Im Sozialverhalten wird gegen ungeschriebene Normen und Gesetze verstossen (z. B. Kontaktverweigerung, Verweigerung der Zusammenarbeit mit bestimmten Personen, Rückzug aus Gruppenaktivitäten). Gewalt wird als geeignetes Mittel gesehen, um die eigenen Ideen durchzusetzen. Wichtig ist die Abklärung der konkreten Situation und des Umfelds. Grund zur Beunruhigung besteht in der Regel erst, wenn mehrere Anzeichen zusammenkommen (siehe auch S. 4, Merkmale problematischer Gruppen).

17 Eine Person provoziert mit radikalen Äusserungen. Wie können wir darauf reagieren? In jedem Fall ist es wichtig, auf solche Äusserungen zu reagieren. Ergründen Sie im Gespräch das Motiv für die Äusserungen. Nutzen Sie dazu den Gesprächsleitfaden. Erklären Sie in einem ernsthaften Gespräch, dass Diskriminierungen und die Verbreitung von radikalen Gedanken in keiner Weise toleriert werden. Führen Sie das Gespräch zu zweit. Holen Sie, falls erforderlich, Unterstützung bei den Fachleuten zu Extremismus und Gewaltprävention. Beeinflusst das Internet die Radikalisierung von Personen? Die Nutzung des Internets ist heute ein selbstverständlicher Teil unseres Lebens. Der digitale Raum wird auch deshalb gezielt für extremistische Propaganda genutzt. Die Propaganda wird über soziale Medien wie Facebook und Twitter, aber auch über Messenger (WhatsApp, Telegram), Videos und Online-Spiele verbreitet. Das Internet wirkt in den meisten Fällen jedoch nur als «Beschleuniger» oder «Ermöglicher». Reine Online-Radikalisierungen bleiben die Ausnahme. In der Regel ist für Radikalisierungen die Verbindung zwischen Online- und Offline-Kontakten zentral. Welche Unterstützung können Sie von der Stadt Winterthur erwarten? Die Kerngruppe Extremismus und Gewaltprävention unterstützt beratend, damit Sie Ihre Aktivitäten konfliktfrei durchführen können. Um dieses Ziel zu erreichen, ist die Kerngruppe interdisziplinär zusammengesetzt und arbeitet mit präventiven, integrativen und polizeilichen Mitteln. Wichtig ist, dass Sie selber in aller Regel die Führung in der Zusammenarbeit innehaben. Wenden Sie sich mit Ihren Anliegen frühzeitig und aktiv an die Kerngruppe, um Unterstützung zu erhalten.

18 Definitionen Extremistische Aktivitäten «Bestrebungen von Organisationen, welche die demokratischen und rechtsstaatlichen Grundlagen ablehnen und zum Erreichen ihrer Ziele Gewalttaten verüben, fördern oder befürworten.» (Art. 19 Abs. 2 Ziff. e des Bundesgesetzes über den Nachrichtendienst). Radikalisierung «Radikalisierung ist ein Prozess, bei dem eine Person immer extremere politische, soziale oder religiöse Bestrebungen annimmt, allenfalls bis hin zum Einsatz von extremer Gewalt, um ihre Ziele zu erreichen.» Quelle: Nordic Council of Ministers (2017). The Nordic Safe Cities Guide, Seite 11

Kontakte Kerngruppe Extremismus und Gewaltprävention 19 Bei weiterführenden Fragen können Sie gerne mit einer der untenstehenden Stellen Kontakt aufnehmen: Für Beratung bei Radikalisierungsfragen und Projekte im Bereich der Extremismus- und Gewaltprävention Fachstelle Extremismus und Gewaltprävention Tösstalstrasse 53 8403 Winterthur T +41 52 267 23 23 fseg@win.ch stadt.winterthur.ch/fseg Für Fragen bezüglich Integration und für die Organisation von Übersetzungen Fachstelle Integrationsförderung Pionierstrasse 7 8403 Winterthur T +41 52 267 36 91 integration@win.ch stadt.winterthur.ch/integration Für Fragen zum Thema Polizei, Rechtsstaat und Gesetze und für die Zusammenarbeit mit der Polizei Brückenbauer Stadtpolizei Winterthur Interkulturelle Angelegenheiten Obertor 15 8403 Winterthur T +41 52 267 58 96 brueckenbauer@win.ch stadt.winterthur.ch/stapo Impressum und Beilage Quellenangaben Merkmale problematischer Gruppierungen: www.relinfo.ch, frei adaptiert für die Winterthurer Bedürfnisse. Ansprache von radikalen Personen: Farsta-Methode, frei adaptiert für die Winterthurer Bedürfnisse. Grafik & Illustration: Julien Duc, julienduc.ch Beilage Gesprächsbogen «Ansprache von radikalen Personen» Der Gesprächsbogen kann bei der Fachstelle Extremismus und Gewaltprävention bezogen werden: www.stadt.winterthur.ch/fseg 2018 Stadt Winterthur