Dr. Michael Kilchling Kriminologie II 7

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Transkript:

Dr. Michael Kilchling Kriminologie II 7 Michael Kilchling Vorlesung Kriminologie II SS 2009 1

1.4. Umweltkriminalität Fragestellungen: Besonderheiten des Umweltstrafrechts Umfang und Entwicklung der Umweltkriminalität Strafverfolgungspraxis im Umweltstrafrecht Umwelt als kriminogener Sektor Schnittstellen zur Organisierten und zur Wirtschaftskriminalität Michael Kilchling Vorlesung Kriminologie II SS 2009 2

Besonderheiten des Umweltstrafrechts Verwaltungsakzessorisches Strafrecht Der Tatbestand ist häufig nicht vollständig Beispiel: 324 StGB (Gewässerverunreinigung): " wer unbefugt..." Erforderlich ist: Verwaltungsentscheidung (Befugnis/Erlaubnis etc.) Konsequenz: behördliche Genehmigung lässt Tatbestandsmäßigkeit entfallen; ansonsten relevant für Prüfung der Rechtswidrigkeit Entscheidend ist formelle, nicht materielle Richtigkeit des Verwaltungsakts Michael Kilchling Vorlesung Kriminologie II SS 2009 3

Bereiche der Umweltkriminalität Kernbereich seit 1980 als eigener 29. Abschnitt im StGB: Gewässerverunreinigung ( 324) Bodenverunreinigung ( 324a) Luftverunreinigung ( 325) Lärm, Erschütterungen etc. ( 325a) Gefährliche Abfälle ( 326) Betreiben von Anlagen ( 327) Umgang mit radioaktiven Stoffen ( 328) Gefährdung schutzbedürftiger Gebiete ( 329) Schwere Gefährdung durch Freisetzen von Gift ( 330a) Michael Kilchling Vorlesung Kriminologie II SS 2009 4

Entwicklung und Umfang der polizeilich registrierten Umweltdelikte Probleme bei der Bestimmung des Umfangs: Umweltkriminalität ist opferlose Kriminalität Umweltkriminalität ist Kontrollkriminalität Keine Zahlen zu Dunkelfeld verfügbar Auch die statistische Erfassung des Hellfeldes erscheint, zumindest in Teilbereichen, wenig zuverlässig Michael Kilchling Vorlesung Kriminologie II SS 2009 5

Entwicklung und Umfang der polizeilich registrierten Umweltdelikte 45.000 40.000 35.000 30.000 25.000 20.000 15.000 10.000 5.000 0 1987 1989 1991 1993 1995 1997 1999 2001 2003 2005 2007 Michael Kilchling Vorlesung Kriminologie II SS 2009 6

Entwicklung und Umfang der polizeilich registrierten Umweltdelikte Michael Kilchling Vorlesung Kriminologie II SS 2009 7

Entwicklung und Umfang der polizeilich registrierten Umweltdelikte Michael Kilchling Vorlesung Kriminologie II SS 2009 8

Entwicklung und Umfang der polizeilich registrierten Umweltdelikte Michael Kilchling Vorlesung Kriminologie II SS 2009 9

Entwicklung und Umfang der polizeilich registrierten Umweltdelikte Michael Kilchling Vorlesung Kriminologie II SS 2009 10

Strafverfolgungspraxis im Umweltstrafrecht Quelle: Zweiter Periodischer Sicherheitsbericht 2006, S. 276 Michael Kilchling Vorlesung Kriminologie II SS 2009 11

Strafverfolgungspraxis im Umweltstrafrecht Michael Kilchling Vorlesung Kriminologie II SS 2009 12

Umwelt als kriminogener Sektor Hohe Kosten für legales Handeln Begrenzte Kontrolle und Kontrollierbarkeit Wegfall der Grenzkontrollen innerhalb der EU Mangelnde Kontrollkapazitäten und -möglichkeiten Beispiel Nordsee: Ca. 50.000 Fangschiffe auf einer Fläche von 1x10 6 km 2 Ca. 20.500 Kontrollen durch EU-Behörden in 1990 Kontrollwahrscheinlichkeit pro Fangschiff: 1 Inspektion in zwei Jahren Beispiel Grenzstatistik 1999 des US Drug Control Office: Ca. 76 Mio. Flugpassagiere und Crew-Mitglieder Ca. 395 Mio. Einreisen auf dem Landweg Ca. 200.000 Schiffe, 900.000 Flugzeuge, 135 Mio. Fahrzeuge u. 16 Mio. Frachtcontainer Hohe Geschäftsvolumina Michael Kilchling Vorlesung Kriminologie II SS 2009 13

Umwelt als kriminogener Sektor Michael Kilchling Vorlesung Kriminologie II SS 2009 14

Umwelt als kriminogener Sektor Organisierte Umweltkriminalität: Abfallkriminalität Illegales Deponieren Illegaler Transport Vermischung und vorschriftswidrige Entsorgung toxischer und anderer gefährlicher Abfälle Illegaler Handel mit radioaktiven Substanzen Illegaler Handel mit bedrohten Tierarten Illegaler Handel mit tropischen Hölzern Illegaler Handel mit ozonschädigenden Substanzen Illegale, quotenwidrige Fischerei Michael Kilchling Vorlesung Kriminologie II SS 2009 15

Umwelt als kriminogener Sektor Was macht den Umweltbereich anfällig/attraktiv für die Organisierte Kriminalität? Stark regulierter Bereich Unterschiedliche nationale Regelungsstandards Zahlreiche Genehmigungsvorbehalte Begrenze Kontrollierbarkeit und Kontrolle Knappheit legaler Ressourcen Ausreichende Verfügbarkeit kostengünstiger Transportkapazitäten Hohe Nachfrage Privatisierung/Outsourcing Hohe Gewinnspannen Michael Kilchling Vorlesung Kriminologie II SS 2009 16

Umwelt als kriminogener Sektor Gewinnspannen: Illegale Entsorgung von toxischem Müll Beispiel New York (1995): Preis für fachgerechte Entsorgung ca. $ 570,- pro Fass, Kosten für illegale Entsorgung ca. $ 40,- Beispiel OECD (frühe 1990er Jahre): Preis für fachgerechte Entsorgung je nach Müllkategorie zwischen $ 100,- und $ 2.000,- Kosten für Entsorgung in Afrika zwischen $ 2,50 u. 50,- Michael Kilchling Vorlesung Kriminologie II SS 2009 17

Umwelt als kriminogener Sektor Gewinnspannen: Illegaler Handel mit bedrohten Tierarten Weltweites Handelsvolumen p.a. 350 Mio. Tiere u. Pflanzen Weltweiter Umsatz p.a. $ 159 Mrd. (nur Tiere), davon ca. 25 % illegal (2002) Illegaler Handel mit geschützten tropischen Hölzern Geschätzter Umsatz weltweit $ 17-25,5 Mrd., davon ca. 60-70 % illegalen Ursprungs (2002) Michael Kilchling Vorlesung Kriminologie II SS 2009 18

Umweltkriminalität Wirtschaftskriminalität Organisierte Kriminalität WK UK Michael Kilchling Vorlesung Kriminologie II SS 2009 19

Umweltkriminalität Wirtschaftskriminalität Organisierte Kriminalität UK OK Michael Kilchling Vorlesung Kriminologie II SS 2009 20

Umweltkriminalität Wirtschaftskriminalität Organisierte Kriminalität OK UK WK Michael Kilchling Vorlesung Kriminologie II SS 2009 21

Umweltkriminalität Wirtschaftskriminalität Organisierte Kriminalität Michael Kilchling Vorlesung Kriminologie II SS 2009 22

Umweltkriminalität Wirtschaftskriminalität Organisierte Kriminalität Michael Kilchling Vorlesung Kriminologie II SS 2009 23

1.5. Menschenhandel Deliktsbereiche: Frauenhandel Handel mit Arbeitskräften Kinderhandel und internationale Adoption Schleusung von Immigranten Organhandel Michael Kilchling Vorlesung Kriminologie II SS 2009 24

Menschenhandel als politisches und strafrechtliches Problem UN: Konvention zur Bekämpfung Transnationaler Organisierter Kriminalität 2000, Zusatzprotokoll über Menschenhandel EU: Rahmenbeschluss vom 19. Juli 2002 zur Bekämpfung des Menschenhandels (2002/629/JI), ABl. L 203, S. 1-4 Europarat: Konvention gegen Menschenhandel vom 16.5.2005 Europarat, Kommissar für Menschenrechte, Berliner Erklärung vom November 2004 (zum Schutz der Opfer von Menschenhandel)» Menschenhandel ist strafwürdiges Unrecht» Opfer von Menschenhandel sind besonders schutzwürdig EU: Beschluss der Kommission vom 17. Oktober 2007 über die Einsetzung der Sachverständigengruppe für Menschenhandel (2007/675/EG), ABl. L 277, S. 29-32 Michael Kilchling Vorlesung Kriminologie II SS 2009 25

Die Entstehung des Problems Historische Vorläufer: Internationales Abkommen über Verwaltungsmaßregeln zur Gewährung wirksamen Schutzes gegen den Mädchenhandel (Paris 1904) Internationale Konvention zur Bekämpfung des Mädchenhandels (Paris 1910) Internationale Übereinkunft zur Unterdrückung des Frauen- und Kinderhandels (Genf 1921) Internationales Abkommen über die Unterdrückung des Handels mit volljährigen Frauen (Genf 1933) Konvention zur Unterdrückung des Menschenhandels und der Ausnutzung der Prostitution anderer (1949) Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (1979) Michael Kilchling Vorlesung Kriminologie II SS 2009 26

Einflussfaktoren Prostitutionsabolitionismus Anti-Diskriminierungsbewegung Kampf gegen organisierte und transnationale Kriminalität Immigrationskontrolle Gewalt gegen Frauen Michael Kilchling Vorlesung Kriminologie II SS 2009 27

Reform des Menschenhandelsstrafrechts Vormals Sexualdelikt ( 180b, 181 a.f. StGB ) Geändert im Rahmen der Prostitutionsreform 2005 Neukategorisierung als Straftat gegen die persönliche Freiheit und inhaltliche Erweiterung:» Sexuelle Ausbeutung, 232 StGB» Ausbeutung durch Arbeit allgemein, 233 Michael Kilchling Vorlesung Kriminologie II SS 2009 28

Reform des Menschenhandelsstrafrechts 232: Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung (1) Wer eine andere Person unter Ausnutzung einer Zwangslage oder der Hilflosigkeit, die mit ihrem Aufenthalt in einem fremden Land verbunden ist, zur Aufnahme oder Fortsetzung der Prostitution oder dazu bringt, sexuelle Handlungen, durch die sie ausgebeutet wird, an oder vor dem Täter oder einem Dritten vorzunehmen oder von dem Täter oder einem Dritten an sich vornehmen zu lassen, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft. Michael Kilchling Vorlesung Kriminologie II SS 2009 29

Reform des Menschenhandelsstrafrechts 233: Menschenhandel zum Zwecke der Ausbeutung der Arbeitskraft (1) Wer eine andere Person unter Ausnutzung einer Zwangslage oder der Hilflosigkeit, die mit ihrem Aufenthalt in einem fremden Land verbunden ist, in Sklaverei, Leibeigenschaft oder Schuldknechtschaft oder zur Aufnahme oder Fortsetzung einer Beschäftigung bei ihm oder einem Dritten zu Arbeitsbedingungen, die in einem auffälligen Missverhältnis zu den Arbeitsbedingungen anderer Arbeitnehmerinnen oder Arbeitnehmer stehen, welche die gleiche oder eine vergleichbare Tätigkeit ausüben, bringt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft. Michael Kilchling Vorlesung Kriminologie II SS 2009 30

Rechtspolitische Diskussion Skandinavisches Modell: Bestrafung der Kunden Vorreiter: Schweden» Gesetz zum Verbot des Kaufs sexueller Dienstleistungen von 1999» Strafrahmen: Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu 6 Monaten» Ähnlich in Norwegen und Island (seit 2009)» In Finnland nur strafbar, wenn die Prostituierte Oper von Menschenhandel ist» Praxis: ansteigende Verurteiltenzahlen, aber auf niedrigem Niveau (1999: 11; 2006: 108)» www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,515779, 00.html Michael Kilchling Vorlesung Kriminologie II SS 2009 31

Menschenhandel Häufigkeit (PKS) 1200 1000 800 600 400 200 0 1987 1989 1991 1993 1995 1997 1999 2001 2003 2005 2007 Michael Kilchling Vorlesung Kriminologie II SS 2009 32

Schätzungen Dunkelfeldproblematik Existiert auch hier Ausfall der Anzeigeerstatter(innen) US Justizministerium: 600.000-800.000 Opfer von Menschenhandel weltweit ILO: 2,4 Millionen Opfer weltweit Europol: 200.000 500.000 Opfer in Westeuropa SZ 10. 3. 2005: 200.000 Zwangsprostituierte in Deutschland ILO: Gewinne weltweit ca. 32 Mrd. US-$ BKA: Durchschnittlicher Zuhälterverdienst ca. 9.000 mtl. Michael Kilchling Vorlesung Kriminologie II SS 2009 33

Bedingungen des Menschenhandels Globalisierung der Schattenökonomie Migration» Kehrseite der Globalisierung» Armut, Bürgerkriege, Umweltprobleme» Push-Faktoren Reduzierung legaler Immigration Starke Nachfrage in Europa und Nordamerika» nach billiger Arbeit, nach sexuellen 'Dienstleistungen'» Pull-Faktor Michael Kilchling Vorlesung Kriminologie II SS 2009 34

Merkmale des Menschenhandels Lagebericht Menschenhandel 2007 (BKA) 689 Opfer gem. 232 (95 % weiblich, 12 % minderjährig, 57 % unter 21 J.) Herkunft der Opfer» 70,9 % Zentral- und Osteuropa» 27 % Deutschland Anwerben der Opfer» 25 % Täuschung über den Aufenthaltszweck (Prostitution)» 16 % Gewalt» Etwas mehr als ein Drittel: einverstanden oder mutmaßlich informiert 664 Tatverdächtige und 195 Verurteilte 78 % der Tatverdächtigen Männer Michael Kilchling Vorlesung Kriminologie II SS 2009 35

Merkmale des Menschenhandels Quelle: BKA, Lagebild Menschenhandel 2007 Michael Kilchling Vorlesung Kriminologie II SS 2009 36

Merkmale des Menschenhandels Quelle: BKA, Lagebild Menschenhandel 2007 Michael Kilchling Vorlesung Kriminologie II SS 2009 37

Abschiebeschutz? BKA verweist auf zentrale Bedeutung des Personenbeweises in Form von belastenden Aussagen durch die Opfer Opferbetreuung in Kombination mit Abschiebeschutz betroffener Opfer gelten hierfür als besonders wichtig Der ehemalige allgemeine vorläufige Abschiebeschutz (allgemeine vierwöchige 'Bedenkfrist') wurde durch das Zuwanderungsgesetz 2004 (BGBl. 2004, S. 1950) hinfällig Allerdings enthalten die neuen 25 und 60a AufenthG gegenüber der früheren Rechtslage ( 55 Abs. 3 AuslG) einen wesentlich verbesserten Aufenthaltsstatus einschließlich Abschiebeschutz speziell für Opferzeugen im Bereich Menschenhandel sofern sie sich zu einer Aussage entschließen Michael Kilchling Vorlesung Kriminologie II SS 2009 38

Abschiebeschutz? 25 AufenthG: Aufenthalt aus humanitären Gründen (4a) Einem Ausländer, der Opfer einer Straftat nach den 232, 233 oder 233a des Strafgesetzbuches wurde, kann [ ] für einen vorübergehenden Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn 1. seine vorübergehende Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen dieser Straftat von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre, 2. er jede Verbindung zu den Personen, die beschuldigt werden, die Straftat begangen zu haben, abgebrochen hat und 3. er seine Bereitschaft erklärt hat, in dem Strafverfahren wegen der Straftat als Zeuge auszusagen. Michael Kilchling Vorlesung Kriminologie II SS 2009 39

Abschiebeschutz? 60a AufenthG: Vorübergehende Aussetzung der Abschiebung (Duldung) (2) [ ] 2 Die Abschiebung eines Ausländers ist auch auszusetzen, wenn seine vorübergehende Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen eines Verbrechens von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre. 3 Einem Ausländer kann eine Duldung erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Michael Kilchling Vorlesung Kriminologie II SS 2009 40

Abschiebeschutz? 72 AufenthG: Beteiligungserfordernisse (4) 1 Ein Ausländer, gegen den öffentliche Klage erhoben oder ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet ist, darf nur im Einvernehmen mit der zuständigen Staatsanwaltschaft ausgewiesen und abgeschoben werden. 2 Ein Ausländer, der zu schützende Person im Sinne des Zeugenschutz-Harmonisierungsgesetzes ist, darf nur im Einvernehmen mit der Zeugenschutzdienststelle ausgewiesen oder abgeschoben werden. Michael Kilchling Vorlesung Kriminologie II SS 2009 41

Kinderhandel Erscheinungsformen:» Kinderarbeit» Kinderprostitution» Kinderpornographie» Illegaler Adoptionsmarkt Rechtlicher Bezug:» Kindesentziehung und Kinderhandel ( 235, 236 StGB)» Illegale Adoptionsvermittlung ( 14 AdVermG) Internationaler Rahmen:» UN Kinderrechtskonvention 1989» Haager Übereinkommen über den Schutz von Kindern und die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der internationalen Adoption 1993 Michael Kilchling Vorlesung Kriminologie II SS 2009 42