Gender Mainstreaming ist (für) uns wichtig
Gender Mainstreaming ist eine Strategie zur Sicherstellung der gleichberechtigten Teilhabe von Frauen und Männern am öffentlichen Leben. Damit soll der im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland verankerte Gleichheitsgrundsatz in die Realität des täglichen Lebens umgesetzt werden. Wörtlich übersetzt bedeutet gender Geschlecht, jedoch nicht im biologischen Sinn - dies ist mit dem Begriff sex definiert - sondern im sozialen Kontext. Gender bezeichnet die gesellschaftlich, sozial und kulturell geprägten Geschlechterrollen in unserer Gesellschaft. Mainstream bedeutet Hauptströmung und meint die Handlungs- und Einstellungsmuster, die zum selbstverständlichen Repertoire einer Organisation, einer Verwaltung oder eines Unternehmens gehören. Gender Mainstreaming ist eine prozessorientierte Strategie, mit der die Gleichstellung von Frauen und Männern in allen Lebensbereichen erreicht werden soll. Dabei sind beispielsweise die Bereiche Bildung, Einkommen, Mobilität, Teilhabe am politischen und gesellschaftlichen Leben und damit auch die Kinder- und Jugendarbeit gemeint. Gender Mainstreaming besteht in der Reorganisation, Verbesserung, Entwicklung und Evaluation in allen Politik- und Arbeitsbereichen einer Organisation (gleich welcher Größe und Ausrichtung). Gender Mainstreaming ist also viel mehr als der altbekannte Ruf nach Gleichberechtigung für Frauen sondern geht viel weiter: Beide Geschlechter sollen in ihren Besonderheiten und Unterschieden gleichberechtigt Eingang finden in alle Lebensbereiche. Damit bekommt das soziale Geschlecht Bedeutung und wird in seiner jeweiligen Besonderheit gewürdigt: Gender Mainstreaming als Element der Wertschätzung. Jugendverbände sind Teil der Gesellschaft und der Sozialstruktur unseres Landes, manche sagen gar sie seien Spiegel der Gesellschaft. Und sie sind noch mehr: Jugendverbände bieten Räume in denen Kinder und Jugendliche sozialisiert werden, in denen Kinder und Jugendliche ihr Wertekonzept ausbilden, in denen sie maßgeblich geprägt werden von ihren Gruppenleitenden, die Meinungstragende und Vorbilder sind. Macht man sich dies bewusst, ist leicht einzusehen, warum gerade Jugendverbände sich Gender Mainstreaming zu Eigen machen sollen. Überspitzt kann man sagen, dass das Bild, welches die Männer der Zukunft von Frauen haben werden und umgekehrt, heute u. a. in Jugendverbänden geprägt wird. Wenn also beide Geschlechter an allen Prozessen gesellschaftlicher Ordnung gleichermaßen partizipieren sollen, sind Jugendverbände der Ort, wo der Grundstein dazu gelegt werden muss. Die Johanniter-Jugend muss sich als anerkannter Träger der Jugendhilfe schon alleine aufgrund gesetzlicher Vorgaben 1 sowie der Maßgaben des Kinder- und Jugendplanes des Bundes damit beschäftigen, wie sie die Gleichstellung von Mädchen und Jungen bzw. Frauen und Männern fördern kann. Formal gibt es dazu in unserem Leitbild und der Jugendordnung bereits einige Aussagen. In Artikel 2 der Jugendordnung (JO) wird beispielsweise folgendes als Aufgabe der JJ bezeichnet: Die Förderung der individuellen Entwicklung junger Menschen und die Erziehung zur Achtung vor anderen Menschen: Die JJ will Kinder und Jugendliche in ihrer individuellen und sozialen Entwicklung fördern und dazu beitragen, Benachteiligungen zu vermeiden und abzubauen. 1 9 SGB VIII: Bei der Ausgestaltung der Leistungen und der Erfüllung der Aufgaben sind ( ) 3. die unterschiedlichen Lebenslagen von Mädchen und Jungen zu berücksichtigen, Benachteiligungen abzubauen und die Gleichberechtigung von Mädchen und Jungen zu fördern.
Achtung, individuelle Entwicklung, Vermeidung und Abbau von Benachteiligung: Hier ist auch das Geschlecht gemeint. Eine weitere Aufgabe unserer JJ ist gemäß Jugendordnung die Befähigung zu gesellschaftlicher Mitverantwortung [in Kirche, Staat und Gesellschaft]. Hier finden wir die oben bereits ausgeführte Verpflichtung wieder, unseren Jugendverband als Teil der Sozialstruktur ernst zu nehmen. Ganz ähnlich wie in der Jugendordnung erklären wir im ersten Satz unseres Leitbildes, dass wir Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen unabhängig von Nationalität, Geschlecht, politischer und religiöser Weltanschauung...eine lebendige Gemeinschaft [bieten], die in vielfältigen Aktivitäten konkret umgesetzt und damit erfahrbar wird. Das bedeutet, dass Mädchen und Jungen bzw. Frauen und Männer bei uns gleich viel Wert sind, die gleichen Zugangsmöglichkeiten und gleiche Chancen, Rechte und Pflichten haben. Auch Demokratie und deren praktisches Erleben ist uns laut Leitbild wichtig. Ein Leitbild beschreibt naturgemäß einen Soll-Zustand, beinhaltet also Ziele. Um diese Ziele zu erreichen, werden Maßnahmen getroffen, die ebenso wie der Grad der Zielerreichung regelmäßig überprüft werden sollten. Ein oberflächlicher Blick auf willkürlich ausgewählte Faktoren ergibt für die JJ folgendes Bild: Ebene/Veranstaltung Anzahl Mädchen/Frauen Anzahl Jungen/Männer Landesjugendleitungen 22 25 Landesjugend-Dezernenten/Dezernentinnen 4 5 Hauptamtliche in der BG 0 2 Fachausbilder/Fachausbilderinnen 12 9 Kongress 2003 37 23 Bundespfingstzeltlager 2004 504 516 Summer School 2004 33 34 DEKT 2005 95 85 Hieraus lassen sich bereits eine Fülle von Annahmen formulieren, wie beispielsweise die Feststellung, dass unsere Veranstaltungen auch ohne besondere Aktivität im Bereich Gender Mainstreaming für Jungen und Mädchen gleichermaßen interessant zu sein scheinen. Auch die relative Ausgewogenheit unserer Führungskräfte könnte dieses Bild vermitteln. Anhand dieser Daten kann man jedoch nicht in letzter Konsequenz darstellen, dass Mitsprache, Mittel und Interessenvertretung zwischen den Geschlechtern in der Johanniter- Jugend paritätisch verteilt wären. Insbesondere Fragen zum Mitteleinsatz gemessen am Gesamthaushalt bleiben unbeantwortet, ebenso fehlt ein Blick in die Standorte. Jede JJ-lerin und jeder JJ-ler wird Verbände kennen, in denen nur oder überwiegend ein Geschlecht in der Leitungsebene vertreten ist. Die Frage, woran dies liegt, bleibt offen. Insofern ist dieser Blick, der sich vor allem auf eine summarische Auswertung beschränkt, ohne große Aussagekraft hinsichtlich des Ziels der Geschlechtergerechtigkeit. Momentan wissen wir weder inwieweit wir dies Ziel bereits erreicht haben, noch haben wir spezielle Maßnahmen entwickelt oder getroffen. Genau das halten wir aus den genannten Gründen jedoch für sehr wichtig, und meinen, dass die Einführung von Gender Mainstreaming dafür die geeignete Strategie ist. Sie ermöglicht nämlich sowohl eine genaue Analyse der Situation im Verband als auch die darauf
aufbauende Entwicklung und Umsetzung von Maßnahmen. Gender Mainstreaming dient uns also dazu, die in Leitbild und Jugendordnung ausgedrückte Gleichstellung von Mädchen und Jungen bzw. Frauen und Männern zu überprüfen, und darüber hinaus eine tatsächliche Gleichberechtigung der Geschlechter im Jugendverband zu erreichen. Im Sinne der demokratischen Struktur unseres Verbandes ist für uns dabei entscheidend, dass Gender Mainstreaming zum einen eine Querschnittsaufgabe ist, d. h. dass alle Mitglieder beteiligt sind. Zum anderen ist die Einbeziehung aller Ebenen notwendig, wobei die Leitungskräfte in besonderem Maße verantwortlich sind. Außerdem ist es uns mit Hilfe von Gender Mainstreaming möglich, unseren Verband auf verschiedenen Ebenen zu überprüfen und ggf. zu verändern: sowohl unsere Strukturen und Leitungsgremien als auch unsere Angebote, Projekte und Veranstaltungen. Kurz und gut: wir wollen nicht nur sagen, dass Mädchen und Jungen bzw. Frauen und Männer bei uns gleichberechtigt sind, sondern auch dementsprechend handeln! Die folgenden Ziele sollen uns als Johanniter-Jugend dabei leiten Gender Mainstreaming in unserer Verbandskultur zu implementieren. Dabei ist uns besonders wichtig, dass alle Funktionstragenden, egal welcher Ebene, für die Umsetzung von Gender Mainstreaming Verantwortung tragen. Außerdem darf keine Maßnahme oder Regelung eine Benachteiligung eines der Geschlechter bedeuten oder eines stärker als das Andere verpflichten. 1. In der JJ wird eine Kultur der Offenheit, Ehrlichkeit, Gleichberechtigung und des gegenseitigen Respekts gelebt. 2. Frauen und Männer, Mädchen und Jungen partizipieren im gleichen Maße an den Entscheidungen, üben im gleichen Maße Einfluss aus und haben gleichen Zugang zu Informationen und Ressourcen. Damit meinen wir auch, dass vorhandene informelle Kommunikationswege benannt und Entscheidungen transparent gemacht werden. 3. Unsere ehren- und hauptamtlichen Funktionstragenden haben Genderkompetenz und arbeiten gleichberechtigt zusammen. Ehren- und hauptamtliche Funktionstragende agieren gleichberechtigt und partnerschaftlich. Damit meinen wir insbesondere - Unsere Gremien und Arbeitsgruppen sind geschlechterbewusst besetzt. - Die Ausschreibungen von Ämtern und Stellen sind geschlechtergerecht. - Unsere Mitarbeitenden achten bei der Besetzung von ehren- und hauptamtlichen Stellen auf Chancengleichheit. - Bei der Gestaltung von Arbeitsbedingungen wird auf die individuellen Bedürfnisse von Frauen und Männern gleichermaßen Rücksicht genommen. - Ehren- und hauptamtliche Funktionstragende agieren gleichberechtigt und partnerschaftlich.
4. Unsere Angebote und Projekte berücksichtigen die Bedürfnisse von Jungen und Mädchen, Frauen und Männern und sind geschlechterbewusst gestaltet. Damit meinen wir insbesondere - Die Johanniter-Jugend fördert mit ihren Angeboten und Projekten die Chancengleichheit von Männern und Frauen, Jungen und Mädchen. - Jungen und Mädchen, Frauen und Männer erhalten in unserem Verband die gleiche Aufmerksamkeit und die gleichen Ressourcen. - In unsere Angebote beziehen wir die Bedürfnisse von Jungen und Mädchen, Frauen und Männern in gleichem Maße ein. - Unsere Angebote und Projekte geben Jungen und Mädchen, Frauen und Männern gleiche Beteiligungsmöglichkeiten. - Mit unseren Angeboten und Projekten helfen wir bei der kritischen Auseinandersetzung mit der eigenen Rolle und dem Umgang mit den daraus resultierenden Veränderungen. Erarbeitet im Auftrag der Bundesjugendleitung von der AG Gender Mainstreaming in der Johanniter-Jugend unter Berücksichtigung der Beschlüsse der aej, August 2005. Mitglieder der AG: Marcus Blanck Maike Hering Stephanie Lindemann Daniel Schierholz Fabian Schmidt Daniela Taubenheim