Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen. Beschluss

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Geschrieben von: Christian Schlender Freitag, den 10. August 2007 um 17:15 Uhr - Aktualisiert Freitag, den 30. April 2010 um 16:07 Uhr

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Transkript:

Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen Az.: L 6 AS 727/14 B Az.: S 23 AS 4998/12 SG Dortmund In dem Beschwerdeverfahren Beschluss Klägerin und Beschwerdeführerin Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt Lars Schulte-Bräucker, Kalthofer Straße 27, 58640 Iserlohn gegen Jobcenter Märkischer Kreis - Widerspruchs- und Klagestelle -, vertreten durch den Geschäftsführer, Friedrichstraße 59-61, 58636 Iserlohn, Gz.: 498-35502BG00XXXXX K-P- 35502-00XXX/13 Beklagter hat der 6. Senat des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen in Essen am 08.08.2014 durch die Richterin am Landessozialgericht Schimm als Vorsitzende sowie die Richter am Landessozialgericht Köhler und Schäfer ohne mündliche Verhandlung beschlossen: Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Dortmund 26.02.2014 geändert. Der Klägerin wird für das Klageverfahren S 23 AS 4998/12 Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt Lars Schulte-Bräucker In Iserlohn beigeordnet. Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

- 2 - Gründe: I. Die Klägerin wendet sich mit ihrem Überprüfungsbegehren gem. 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) gegen die bestandskräftige Bewilligung einer Mietkaution in Höhe von 1479 Euro auf Darlehensbasis nebst ratenweiser monatlicher Aufrechnung in Höhe von 37,40 Euro ab September 2012 mit ihren Regelleistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) durch Bescheid des Beklagten vom 02.08.2012. Die 19XX geborene Klägerin, alleinerziehende Mutter dreier minderjähriger Kinder, beantragte nach Bestandskraft der Entscheidung die Überprüfung des Darlehens- und Aufrechnungsbescheides vom 02.08.2012 wegen Rechtswidrigkeit der konkreten Aufrechnung ab September 2012. Den Antrag lehnte der Beklagte durch Bescheid vom 25.09.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.11.2012 ab. Der Bevollmächtigte habe nicht vorgebracht, was für die Unrichtigkeit der Entscheidung spreche. Es ergäben sich auch keine Erkenntnisse, die dafür sprächen, dass die Entscheidung falsch sei. Mit ihrer am 07.12.2012 beim Sozialgericht (SG) Dortmund erhobenen Klage rügt die Klägerin die zugleich mit der Bewilligung des insoweit nicht beanstandeten Mietkautionsdarlehens verfügte Aufrechnung in Höhe von 37,40 Euro pro Kalendermonat. Dies sei im Hinblick auf das Zusammenleben in einer Bedarfsgemeinschaft mit drei minderjährigen Kindern rechtsfehlerhaft. Den gleichzeitig gestellten Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) und Beiordnung ihres Bevollmächtigten hat das SG durch Beschluss vom 26.02.2014 abgelehnt. Die Aufrechnung zur Tilgung des Kautionsdarlehens erfolge bezogen auf die Regelbedarfe der Klägerin nach 42 a Abs. 1 SGB II zu Recht. Ein Ermessen stehe dem Beklagten nach der gesetzlichen Regelung nicht zu. Die Begrenzung der Aufrechnung auf 10 % der Regelleistung für die Klägerin sei schließlich auch im Hinblick auf die Bedarfsgemeinschaft mit den drei minderjährigen Kindern nicht zu beanstanden.

- 3 - Mit der nach Zustellung vorn 10.03.2014 am 10.04.2014 dagegen erhobenen Beschwerde beanstandet die Klägerin, dass die Betroffenen durch diese Art der Bewilligung auf lange Sicht nur Leistungen unterhalb des Existenzminimums erhielten ( Hinweise auf Münder, SGB ll, 5. Aufl. 2013, 42 a Rn. 17; Hölzer, Info also 2011, 163; Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB ll 42a Rn. 30). Im Übrigen hält die Klägerin es für verfassungswidrig, die Mietkaution aus dem Regelsatz abzuziehen, da die Kaution im Regelbedarf für die Existenzsicherung nicht enthalten sei bzw. die Mietkaution bei der Berechnung der Regelsätze nicht erwähnt werde. Der Beklagte hält die angefochtene Entscheidung des SG für zutreffend. Wegen des Sach- und Streitstands im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten Bezug genommen. II. Die zulässige Beschwerde der Klägerin ist begründet. Das SG hat PKH zu Unrecht abgelehnt. Voraussetzung für die Gewährung von PKH ist nach 73 a Abs. 1 S. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i. V. m. 114 der Zivilprozessordnung (ZPO) u. a., dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Eine hinreichende Erfolgsaussicht besteht, wenn das Gericht nach vorläufiger Prüfung den Standpunkt des Antragstellers auf Grund der Sachverhaltsschilderung und der vorliegenden Unterlagen für zutreffend oder doch für vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl. 2012, 73a Rz. 7a; st. Rspr. des erkennenden Senats, z.b. Beschlüsse vorn 23.03.2010 - L 6 B 141/09 AS sowie vom 24.04.2014 - L 6 AS 2145/12 8). Der Erfolg braucht nicht sicher zu sein, muss aber nach den bisherigen Umständen eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich haben. Dabei dürfen die Anforderungen an die Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung nicht überspannt werden. Die Prüfung der Erfolgsaussicht darf nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung in das Nebenverfahren der PKH vorzuverlagern (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer aao 73a Rz. 7). Das PKH-Verfahren will den Rechtsschutz, den der Rechtsstaatsgrundsatz erfordert, nicht selbst bieten, sondern zugänglich machen.

- 4 - Es besteht nicht nur eine weit entfernte Möglichkeit, dass die Klägerin mit ihrem Klagebegehren durchdringt. Die Klage hat vielmehr hinreichende Aussicht auf Erfolg. Entgegen der vom SG geäußerten Auffassung sind die Erfolgsaussichten der Klage nämlich von der Beantwortung durchaus komplexer Rechtsfragen abhängig, die - jedenfalls soweit 42a SGB II von entscheidungserheblicher Bedeutung ist - dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben müssen. Die Aufrechnung als selbständig zu überprüfende Verfügung ist zum einen im Hinblick auf den zeitlichen Umfang nicht unproblematisch. Jedenfalls erscheint die in 42 a Abs. 2 SGB II zwingend vorgesehene umgehende Rückführung eines Darlehens im Wege der Aufrechnung in Höhe von 10 v. H. der Regelleistung bei einer voraussichtlichen Dauer von hier mehr als drei Jahren verfassungsrechtlich nicht unbedenklich (vgl. dazu Senatsurteil vom 30.01.2014 L 6 AS 1154/13-juris Rn. 20 ff. 28, 29). Zum anderen verfügt die Klägerin nur über Mittel in Höhe des Regelbedarfs, welcher das soziokulturelle Existenzminimum abdecken soll. Das sind Mittel/Ansprüche, die auf der Grundlage der verfassungsrechtlichen Existenzsicherungspflicht des Staates darauf zielen, ein menschenwürdiges Leben sicherzustellen (vgl. Bundesverfassungsgericht - BverfG- Beschluss vorn 12.05.2005-1 BvR 596/05 Juris Rn. 26, 29; s. auch LSG Sachsen- Anhalt Beschluss vom 01.11.2013-L 2 AS 841/13 B ER). Jede Minderung dieser Mittel stellt bereits grundsätzlich einen erheblichen Eingriff dar (vgl. auch Beschluss des Senats vom 31.03.2011-L 6 B 86/09 AS). Dies gilt auch bei monatlicher zehnprozentiger Aufrechnung gem. 42a SGB II. Da auch die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen erfüllt sind, war der Klägerin vorliegend Prozesskostenhilfe zu bewilligen. Im Prozesskostenhilfe-Beschwerdeverfahren sind außergerichtliche Kosten gemäß 127 Abs. 4 ZPO nicht zu erstatten.

- 5 - Der Beschluss ist nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar ( 177 SGG). Schimm Köhler Schäfer