Über den Funktionsweehsel der Spaltöffnungen

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Transkript:

Über den Funktionsweehsel der Spaltöffnungen in der Gleitzone der Nepenthes-Kannen von Dr. O. Bobisut. Aus dem botanischen Institute der k. k. Universität Graz. (Mit 1 Tafel.) (Vorgelegt in der Sitzung am 3. Februar 1910.) Nach K. Göbel 1 zerfällt das Innere der Nepenthes- Schläuche in zwei Zonen, welche man leicht schon mit bloßem Auge unterscheiden kann: in die Drüsenzone und in die Gleitzone. Übrigens gibt es auch Arten, bei welchen eine solche Differenzierung des Schlauchinnern in zwei Zonen nicht vorkommt, sondern das ganze Schlauchinnere mit den charakteristischen Drüsen besetzt ist. (Nepenthes ampiülaria und Hockeri.)»Die beiden Zonen sind nicht nur daran zu erkennen, daß die zahlreichen Drüsen der Drüsenzone als dunklere Punkte hervortreten, sondern auch an der verschiedenen Färbung. Die Gleitzone hat einen weißlichen, von einem VVachsüberzug herrührenden Schimmer, welcher der Drüsenzone fehlt«. Sie besitzt keine Drüsen»wohl aber eine Anzahl kleiner, halbmondförmiger Zellen, die etwas über die anderen vorspringen. Es ist nicht mit Sicherheit zu sagen, was die Funktion dieser Gebilde sein mag. Mit der Wachsausscheidung, als deren Sitz man sie betrachtet hat, haben sie nichts zu tun. Möglicherweise stehen sie mit dem Gasaustausch in Beziehung, wenigstens wird Luft unter den halbmondförmig vorspringenden Zellen festgehalten.«1 K. Göbel, Pflanzenbiologische Schilderungen, II. T., p. 107

4 O. Bobisut, Eine andere Ansicht hat Haberlandt 1 geäußert; er bringt sie nämlich mit dem Insektenfang in Beziehung.»Ahnungslos stürzt das kleine Insekt von dem gerippten, glatten Kragen hinein in die Kanne, wo es in der von eigenen Drüsen ausgeschiedenen, etwas schleimigen Flüssigkeit ertrinkt. Seine Rettungsversuche scheitern an der Glattheit der wachsüberzogenen Innenwände im oberen Teile der Kanne, wo kleine halbmondförmige Zellen mit ihren nach unten gekehrten Konkavitäten zwar das Herabkriechen eines kleinen Insekts erleichtern, das sich mit seinen Krallen daran festklammern kann, wogegen sie beim Emporklettern keine Stützpunkte abgeben.«bei der mikroskopischen Untersuchung, die Herr Hofrat Prof. Dr. Haberlandt vorgenommen hat, zeigte sich, daß die in Rede stehenden halbmondförmigen Zellen nichts anderes als die Schließzellen ganz merkwürdig metamorphosierter Spaltöffnungsapparate sind; er hat darüber bereits in der 4. Auflage seiner physiologischen Pflanzenanatomie, p. 432, kurz berichtet. Auf seine Anregung hin habe ich diese Spaltöffnungen bei Nepenthes Rafflesiana genauer untersucht und teile im nachstehenden das Ergebnis mit. beziehen sich Die Untersuchungen zunächst auf Kannen der im Gewächshause des botanischen Gartens zu Graz gezogenen Exemplare. Die meisten Spaltöffnungen der Gleitzone sind bei dieser Art vollkommen metamorphosiert, doch zeigt eine geringe Anzahl verschiedene Stufen der Umbildung. Das erste Stadium kennzeichnet sich dadurch, daß die Schließzellen funktionsunfähig geworden sind und daß daher ein Öffnen und Schließen der Spalte unmöglich ist. Dazu tritt noch bei deutlicher Differenzierung beider Schließzellen fast immer eine von den normalen Verhältnissen abweichende Lagerung derselben. Die als»halbmondförmig«bezeichnete Schließzelle befindet sich nicht mehr seitlich neben ihrer Schwesterzelle, sondern kommt nahezu ausnahmslos über derselben zu liegen. Es lassen sich verschiedene Grade dieses Emporrückens der einen Schließzelle beobachten. Im extremsten Falle, der der häufigste ist, liegt die obere Zelle in ihrer ganzen Höhe über der unteren, 1 Haberlandt, Eine botanische Tropenreise, Leipzig, 1893, p. 227.

Spaltöffnungen der Nepenthes-Kannen. 5 so daß der ganz asymmetrisch gewordene Apparat auf dem Querschnitt ein höchst sonderbares Aussehen darbietet. Fig. 1 zeigt den allerdings sehr seltenen Fall, in dem noch beide Schließzellen nebeneinander gelagert sind. Dabei kommt es jedoch schon zu einem merklichen Überragen der rechten über die linke Schließzelle. In Fig. 2 a ist ein Apparat abgebildet, bei welchem die Eisodialöffnung sehr weit und der Vorhof normal ausgebildet ist. Bei Einstellung auf die Zentralspalte sieht man, daß sie sehr eng ist (Fig. 2b), der kaum mehr differenzierte Hinterhof ist geschlossen. Die Querschnittsansicht in Fig. 3 zeigt einen der seltenen Fälle, in welchen beide Schließzellen deutlich erkennbar nebeneinander lagern. Der Vorhof ist noch normal entwickelt, jedoch die Zentralspalte und der Hinterhof kommen nicht mehr zur Ausbildung. Die Cuticularhörnchen sind in allen diesen Fällen deutlich ausgeprägt, das der nach oben zu liegenden Schließzelle jedoch bedeutend stärker entwickelt als das der unteren. Die Bauchwände der Schließzellen sind stets cutinisiert. Ist auch ein Hinterhof schwach angedeutet, so erstreckt sich die Cutinisierung auch auf diesen. Dazu kommt noch bei den meisten Stadien dieser ersten Umbildungserscheinungen ein schon merklicher Unterschied in der Querschnittsgröße der beiden Schließzellen. In Fig. 3 sind die beiden Zellen an Größe einander noch annähernd gleich. In der Querschnittsansicht Fig. 4 wird der Größenunterschied schon deutlicher; die tieferliegende Schließzelle nimmt an Größe mehr und mehr zu, während die obere an Größe auch auf den letzten Stufen der Umbildung annähernd dieselbe bleibt. Auf den weiteren Stufen der Metamorphose zeigt sich, daß die tieferliegende Schließzelle immer mehr und mehr den Charakter einer solchen aufgibt. Es wurde bereits erwähnt, daß die untere Schließzelle auf dem Querschnitte größer wird; zugleich mit dieser Erscheinung macht sich ein auffallendes Kleinerwerden ihres Cuticularhörnchens geltend (Fig. 6 und 7). Schließlich ist dasselbe nur mehr als äußerst kleiner spitzer Cuticularvorsprung zu erkennen (Fig. 7), um schließlich ganz zu verschwinden (Fig. 8 und 9). Die so rückgebildete Schließzelle ist dann kaum mehr von den benachbarten Epidermiszellen zu unterscheiden.

6 0. Bobisut, Neben diesen Umgestaltungen der tiefer liegenden bemerkt man jedoch auch Gestaltsveränderungen der oberen Schließzelle. Im medianen Querschnitt bleibt, wie bereits erwähnt, das Lumen dieser Zellen annähernd gleich groß. Die Länge der schlauchförmig gekrümmten Zellen wird jedoch größer; weiterhin nimmt man auch in vielen Fällen eine schwach keulenförmige Verdickung ihrer sich immer mehr und mehr abrundenden Enden wahr. (Fig. 10.) Die abgerundeten Enden ragen auch, wie auf Oberflächenschnitten deutlich sichtbar ist, ganz beträchtlich über das Niveau der benachbarten Epidermiszellen empor. Was die Ausbildung des Cuticularhörnchens, respektive der Cuticularleiste auf dieser Stufe der Umbildung betrifft, so tritt ein stetiges Breiterwerden derselben ein; als scharf zugeschliffene Leiste ragt sie ziemlich weit über die untere Schließzelle vor. Ferner läßt sich auch leicht konstatieren, daß sich unter den umgebildeten Spaltöffnungen, und zwar in allen Stadien der Metamorphose gar keine Atemhöhle mehr befindet, sondern daß hier eine Epidermiszelle oder auch ein bis zwei Parenchymzellen der Kannenwand ganz lückenlos an den Spaltöffnungsapparat grenzen. Ob der in Fig. 7 dargestellte kleine Interzellularraum zwischen den beiden Schließzellen und einer Epidermiszelle als Rest einer inneren Atemhöhle zu deuten wäre, bleibt dahingestellt. Was schließlich den Inhalt der beiden Schließzellen betrifft, so zeichnet sich derselbe stets durch einen wohl entwickelten Protoplasten mit typischem Zellkern aus. Auch konnte ich in sehr vielen Fällen das Auftreten von Stärke in beiden Schließzellen feststellen. Das Vorkommen dieser Apparate beschränkt sich nur auf die»gleitzone«. Die Apparate sind hier gleichmäßig verteilt und stets so orientiert, daß die konvexe Rückenseite der halbmondförmig gekrümmten oberen Schließzelle nach oben, d. h. dem Kannenrande, ihre konkave mit der scharfen Cuticularleiste versehene Bauchwand dagegen nach unten, d. h. dem Kannenboden zugekehrt ist. (Fig. 12.) Die einen opalisierenden Glanz aufweisende Wachsausscheidung ist ein Körnerüberzug, welcher die Gleitzone in ihrer ganzen Ausdehnung bedeckt. Bemerkenswert ist, daß derselbe

Spaltöffnungen der Nepenlhes-Kannen. 7 dort, wo die untere Schließzelle noch eine, wenn auch schwache Cuticularleiste besitzt, diese gänzlich umgibt. (Fig. 4, 5, 6 und 7.) Die Unebenheit, die durch die Leiste bedingt wird, erscheint so gänzlich ausgeglichen. An Kannen von Nepenthes Rafflesiana, die Herr Hofrat Prof. Haberlandt aus dem Berggarten von Tjibodas auf Java mitgebracht hatte, konnte ich trotz sorgfältiger Untersuchung die vorstehend beschriebenen Übergangsstufen der Metamorphose des Spaltöffnungsapparates nicht auffinden. Es war ausnahmslos nur die letzte Stufe der Umwandlung, wie sie in den Figuren 8 und 9 dargestellt ist, zu beobachten. Daraus scheint hervorzugehen, daß an dem Grazer Exemplar infolge der veränderten Lebensbedingungen teilweise Rückschläge in der Ausbildung des umgewandelten Spaltöffnungsapparates aufgetreten sind. Es fragt sich nun, was für eine Funktion diesen metamorphosierten Spaltöffnungen zukommt. Mit dem Gasaustausch können sie aus verschiedenen Gründen nicht in Beziehung gebracht werden. Vor allem besitzen sie keine inneren Atemhöhlen und stellen überhaupt keine Spaltöffnungen mehr dar. Das Parenchym der Kanneninnenseite besitzt überdies nur ein schwach ausgebildetes Interzellularsystem und ist chlorophyllos. Mit dem Assimilationsgaswechsel hätten also diese Spaltöffnungen, selbst wenn sie funktionsfähig wären, kaum etwas zu tun. Dazu ist zu bemerken, daß die chlorophyllführende Außenseite der Kanne eine große Anzahl normal ausgebildeter Spaltöffnungen (Fig. 12) besitzt, die dem Gaswechsel der Kannenwände vollkommen genügen dürften. Da auch sonst eine rein physiologische Funktion der metamorphosierten Spaltöffnungen nicht ausfindig zu machen ist, so wird ihre Bedeutung wohl auf ökologischem Gebiete zu suchen sein. Vor allem ist daran festzuhalten, daß sie eine Eigentümlichkeit der»gleitzone«sind. Eine solche Gleitzone besitzen, wie Göbel 1 gezeigt hat, auch die Schläuche der Sarracenia -Arten; sie besteht»aus Zellen mit dachziegelig 1 Göbel, Pflanzenbiologische Schilderungen, II. Teil, p. 88.

8 O. Bobisut, angeordneten, nach unten gerichteten Vorsprüngen, welche einem Insektenfuße keinen Halt geben«. Dazu wäre ergänzend zu bemerken, daß allerdings an der Schlauchwand emporkriechende, also auf der Flucht begriffene Insekten an den nach abwärts gerichteten Vorsprüngen keinen Halt finden können, daß aber abwärts kriechende Insekten sich an den Vorsprüngen leicht festklammern können. Als eine analoge Einrichtung sind nun, wie schon Haberland t betont hat, die metamorphosierten Spaltöffnungen der Nepentkes-Kannen aufzufassen. Die nach abwärts gekehrten scharfkantigen Cuticularleisten der oberen Schließzellen entsprechen den nach abwärts gerichteten Vorsprüngen der Gleitzone in den Sarracenia- Schläuchen. Beim Emporkriechen können die nach abwärts gerichteten Cuticularleisten der oberen halbmondförmigen Schließzelle keine Stützpunkte abgeben. Die kleinen Leistchen der unteren rückgebildeten Schließzelle könnten allerdings ein Anklammern ermöglichen. Gewöhnlich wird aber ihre Ausbildung ganz unterdrückt. Ist die Rückbildung jedoch noch nicht soweit gediehen, was nur vereinzelt vorkommt, so verdecken die hier angehäuften Wachskörnchen ringsum die schwache Cuticularleiste und es kommt hier eine kontinuierliche glatte Fläche zustande. Ein Abwärtskriechen der Insekten wird aber möglich sein, da sich dieselben dabei an den Cuticularleisten der oberen Schließzellen wie an Klammern festhalten können. Haberlandt hat deshalb diese Zellen direkt als»klammerzellen«bezeichnet. Um festzustellen, in welcher Weise die Beschaffenheit der Gleitzone unabhängig vom Wachsüberzuge das Auf- und Abwärtskriechen von Insekten beeinflußt, stellte ich folgenden Versuch an. Nach Entleerung der Kanne wurde der Wachsüberzug der Gleitzone durch Behandlung mit Chloroform oder Äther gelöst und nach vollständiger Verdampfung des Lösungsmittels brachte ich kleine Ameisen und andere Tierchen (Asseln, Käfer, Blattläuse) in die Kanne. Trotz wiederholter sichtlicher Anstrengungen war es den Versuchstieren nicht möglich, den Rand der Kanne zu erklimmen. Gewöhnlich glitten die Tiere, kaum daß sie den unteren Rand der Gleitzone erreicht hatten, auch schon ab und stürzten in den bauchigen unteren

Spaltöffnungen der Xepeitthes-Kannen. 9 Teil der Kanne hinunter. Daraus geht deutlich hervor, daß die emporkriechenden Insekten an den nach abwärts gerichteten Cuticularleisten der oberen Schließzellen keinen Halt finden. Allein auch ein Abwärtskriechen der Tiere vom Kannenrande aus war unmöglich. Kaum hatten sie ein kurzes Stück der Gleitzone betreten, so glitten sie aus und stürzten in den Bauchteil der Kanne ab. Natürlich beweist dieser Versuch nicht, daß die oberen Schließzellen mit ihren scharfen Cuticularleisten zum Anklammern untauglich sind. Vielleicht konnten nur die zu den Versuchen benutzten, bei uns einheimischen Insekten davon keinen Gebrauch machen. Nur Versuche mit Tieren, die in den natürlichen Verbreitungsgebieten der Nepenthes- Arten zu Hause sind, könnten darüber Aufschluß geben.

10 O. Bobisut, Spaltöffnungen der Nepenthes-Kannen. Erklärung der Abbildungen. Fig. 1. Oberflächenansicht einer teilweise umgebildeten Spaltöffnung von Xcpcnthes Rafflesiana. (Beide Schließzellen, deutlich ausgebildet, liegen in der Oberflächenansicht noch nebeneinander.) Fig. 2 a. Spaltöffnungsapparate bei hoher Einstellung mit weiter Eisodialöffnung. Fig. 2b. Derselbe Apparat bei Einstellung auf die Zentralspalte. Fig. 3. Querschnittsansicht eines teilweise umgebildeten Apparates, die Schließzellen liegen noch nebeneinander. Fig. 4. Querschnittsansicht einer stärker umgebildeten Spaltöffnung. Cuticularhörnchen der unteren Schließzelle noch deutlich ausgebildet. Zentralspalte und Hinterhof sind noch angedeutet. Fig. 5. Desgleichen; Cuticularhörnchen der unteren Schließzelle schwächer ausgebildet; Zentralspalte und Hinterhof nicht mehr vorhanden. Fig. 6 und 7. Desgleichen; Cuticularhörnchen der unteren Schließzelle nur noch schwach angedeutet. Fig. 8 und 9. Vollständig umgebildete Spaltöffnungen; die untere Schließzelle ist von den ihr benachbarten Epidermiszellen kaum mehr zu unterscheiden. Fig. 10. Oberflächenansicht einer Partie aus der Gleitzone von Nepenthes Rafflesiana. Fig. 11. Oberflächenansicht einer vollständig umgebildeten Spaltöffnung; Cuticularleiste der halbmondförmigen Zelle sehr breit. Fig. 12. Querschnitt durch das Mittelstück einer normalen Spaltöffnung der Kannenaußenseite von Nepenthes Rafflesiana.

BobiSUt fo. Spalt Öffnungen den Nepentheskarmen : a v K.A O-Bobisul.rirl. 1-ith.AnM.vrtLB.iiiri»v;u-tl\ \ '; -n Sit7JiiuislKMM('hl(Ml.kais.Akad.(l.\Viss,niath.-iu'iturvv.iaasso ( Bd- CHX. Abt.1.1910