Zuwanderung und Integration im Schrumpfungskontext als kommunale Chance und Herausforderung

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Transkript:

Zuwanderung und Integration im Schrumpfungskontext als kommunale Chance und Herausforderung Das Beispiel Altena (Westf.) Henning Nuissl, Susen Engel, Anna Mantel, Marie-Sophie Deuter Humboldt-Universität zu Berlin, Geographisches Institut, Angewandte Geographie & Raumplanung ARL LAG Nordost, Berlin, 14. November 2017

Inhalt (1) Fallbeispiel (2) Regenerierung Kleinstadt Zuwanderung als Forschungsthema (3) Regenerierung durch Zuwanderung Befunde (4) Fazit

(1) Fallbeispiel Kleinstadt Altena (Westf.) (Märkischer Kreis) Bevölkerung 1970: 32.000 Einwohner*innen 2015: 17.000 Einwohner*innen Infrastruktur - Schließung vieler sozialer Infrastruktureinrichtungen (Kindergärten, Schulen, Krankenhaus, Freibad - Ladenleerstände Wirtschaft 65% Arbeitsplätze im verarbeitenden Gewerbe ca. 6% Arbeitslosigkeit Fachkräftemangel in Industrie und Handwerk Märkischer Kreis gehört zu den industriestärksten Regionen in NRW Wohnungsmarkt - Leerstandquote (ca. 11%) - Niedrige Mieten (ca. 4,80/m2) 3

(1) Fallbeispiel Zuwanderungsstrategie Aufnahme von 100 zusätzlichen Geflüchteten (über die Zuweisungen hinaus) im Jahr 2015; davon 80 % Familien Erfolge Umkehr des negativen Bevölkerungstrends (steigende Geburtenrate, Reduzierung des Sterbeüberschusses) Imagegewinn: - Nationaler Integrationspreis (verliehen v. Dr. A. Merkel) - Bürgermeister Dr. Hollstein spricht vor der UN 4

(2) Regenerierung Kleinstadt Zuwanderung als Forschungsthema Zuwanderung als Beitrag zur Regenerierung kleiner, schrumpfender Städte (im ländlichen Raum) Kühn/Liebmann (Hrsg.) (2009): Regenerierung der Städte Schader Stiftung: - Integrationspotentiale in kleinen Städten und Landkreisen (2011) - Integrationspotentiale ländlicher Regionen im Strukturwandel (2013) Difu: Vielfalt in Stadt und Land (2015-2018) 5

(2) Regenerierung Kleinstadt Zuwanderung als Forschungsthema FGW-Projekt QUARTPOINT (Förderung durch Land NRW [MIWF]; Verbund: HU Berlin, Univ. Duisburg-Essen) Erkenntnisinteresse (für das Fallbeispiel Altena) Zuwanderung und Integration von Geflüchteten als Regenerierungsstrategie - Voraussetzungen - Erfolgsaussichten - Herausforderungen - Implikationen Methoden Überregionale Presseanalyse Regionale Presse- & Dokumentenanalyse 12 Interviews mit 18 Expert*innen Teilnehmende Beobachtung an Netzwerktreffen Kartierung 6

(3) Regenerierung durch Zuwanderung Befunde Voraussetzungen (Pfadabhängigkeiten) Regenerierung als kommunalpolitisches Handlungsfeld bereits etabliert Vorhandensein zivilgesellschaftlicher Strukturen (Stellwerk) Migrationsoffene Zivilgesellschaft, kein organisierter Rechtsextremismus Historie der Altenaer Revitalisierungsprojekte & -strategien 2007: Projekt: Altena eine Stadt für alle Generationen Entwicklungs- und Handlungskonzept Altena 2015 Leitbildentwurf und Szenarien für Altena 2020 Gründung des Generationenbüros Stellwerk 2008: Aufnahme in das Städtebauförderungsprogramm Stadtumbau West Lenneuferpromenade, Erlebnisaufzug Abriss von Mehrfamilienhäusern der 60er/70er Jahre Martin-Leicht-Preis für Stadt- und Regionalentwicklung (2011) Auszeichnung im Rahmen des 10- jährigen Jubiläum des Stadtumbau West als besonders gelungenes Beispiel für Stadtumbau in der Kategorie Stadtzentren (2014) 2013: Projekte im Rahmen der Regionale 2013 sowie des Städtebauförderungsprogramms Kleinere Städte und Gemeinden (in Kooperation mit Nachbargemeinden) Seit 2015: Zuwanderung Geflüchteter als jüngstes Element der kommunalen Regenerierungsstrategie 7

(3) Regenerierung durch Zuwanderung Befunde Genese eines neuen kommunalen Politikfelds bis 2015: Integration bestenfalls als randständiges Thema der Kommunalpolitik seit 2015: Integration (von Geflüchteten) als zentrale Aufgabe der lokalen Politik Schaffung administrativer Strukturen (neue Stellen, feste Ansprechpartner_innen) Erstversorgung (aktive Einbeziehung der Zivilgesellschaft) Unterbringung (dezentral, Verteilung über die gesamte Stadt) Arbeitsmarktintegration ( Altenaer Modell : aktive Einbeziehung der lokalen Wirtschaft) Gesellschaftliche Integration (u. a. Organisation von Sprachkursen ) 8

(3) Regenerierung durch Zuwanderung Befunde Probleme und Herausforderungen Knappe Ressourcen der Kommune Finanzen (und Förderdschungel) Personal Policies of Regeneration als Politics of Uncertainty Mehrebenenprobleme Asyl-/aufenthaltsrechtliche Unsicherheiten Zielkonflikte (wohlfahrtsstaatlicher [BMAS/BAMF] vs. ordnungspolitischer [BMI] Ansatz) Mehrfachstrukturen (Land, Kreis, Kommune) Diskursive Verwerfungen Instrumentalisierung von (fluchtbedingter) Migration? Willkommens- vs. Anerkennungskultur (Policies of Recognition); Koexistenz unterschiedlicher Integrationsverständnisse 9

(3) Regenerierung durch Zuwanderung Befunde Aufgaben für die Raum /Stadtplanung Lösung der Unterbringungsfrage (Leerstandsaktivierung, Standortsuche) Errichtung/Einrichtung einer Begegnungsstätte Bedarfsplanung (Kita, Schule) unter ausgeprägten (prognostischen) Unsicherheiten Koordination und Koordination der Programme, Projekte und Initiativen zur - Abmilderung des Mehrebenenproblems - Vermeidung von Parallelstrukturen Rückkehr der Entwicklungsplanung? Zwei Stadtplaner/innen eingestellt als Schnittstelle zwischen Integrations- und Stadtentwicklungspolitik 10

(4) Fazit Regenerierung durch Zuwanderung: Chance oder Herausforderung? (Fluchtbedingte) Zuwanderung = Chance für von Schrumpfung betroffene (Klein-)Städte und Regionen einerseits: Bestimmte strukturelle Voraussetzungen begünstigen die Integration in kleinen Städten und im ländlichen Raum (z.b. Wohnungsmarkt, Fachkräftemangel, Vernetzung) andererseits: Rahmensetzungen durch das Asylrecht können gerade in Kleinstädten mit ihren limitierten administrativen und finanziellen Ressourcen zuwanderungsorientierte (Regenerierungs-) Strategien entscheidend hemmen Voraussetzung für den Erfolg einer Zuwanderungsstrategie ist die Ausschöpfung kommunaler Handlungsspielräume - und da hilft vielleicht ein Verständnis von Raumplanung als Stadtentwicklungsplanung 11