Aktuelle Entscheidungen des BVerwG zum Telekommunikationsrecht

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Transkript:

Workshop zum Telekommunikationsrecht am 28. Juni 2018 Aktuelle Entscheidungen des BVerwG zum Telekommunikationsrecht Carsten Hahn Richter am BVerwG

Gliederung I. Entgeltregulierung 1. Vorläufige Entgeltgenehmigung zur Ermöglichung eines Konsolidierungsverfahrens Urteil vom 31. Januar 2017 6 C 2.16 2. Rechtsschutz des regulierten Unternehmens im Rahmen von 35 Abs. 5 Satz 2 u. 3 TKG Urteil vom 29. März 2017 6 C 1.16 3. Punktuelle Beurteilungsspielräume der BNetzA bei der Genehmigung von Entgelten Urteil vom 17. August 2016 6 C 50.15 4. Privatrechtsgestaltende Wirkung einer Entgeltgenehmigung Urteil vom 17. August 2016 6 C 24.15 Exkurs: Hinweis auf Urteil vom 30. Mai 2018-6 C 4.17 (Vorgaben zur Entgeltberechnung in der Regulierungsverfügung unzulässig) II. Standardangebotsprüfung Rechtsschutz der Nachfrager im Standardangebotüberprüfungsverfahren Urteil vom 24. Februar 2016 6 C 62.14

Urteil vom 31. Januar 2017 BVerwG 6 C 2.16 BVerwGE 157, 249 1. Der Grundsatz der richtlinienkonformen Auslegung verlangt von den nationalen Gerichten über eine Gesetzesauslegung im engeren Sinne entsprechend dem Verständnis in der nationalen Methodenlehre hinaus auch, das nationale Recht, wo dies nötig und nach der nationalen Methodenlehre möglich ist, richtlinienkonform fortzubilden. 2. Eine - für eine Analogie erforderliche - planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes liegt auch dann vor, wenn das ausdrücklich angestrebte Ziel einer richtlinienkonformen Umsetzung durch die Regelung nicht erreicht worden ist und ausgeschlossen werden kann, dass der Gesetzgeber die Regelung in gleicher Weise erlassen hätte, wenn ihm bekannt gewesen wäre, dass sie nicht richtlinienkonform ist (wie BGH, Urteile vom 07.05.2014 - IV ZR 76/11 Rn. 23 - BGHZ 201, 101, u.a.). 3. Der aus Art. 7 Abs. 3 der Richtlinie 2002/21/EG (Rahmenrichtlinie) folgenden Verpflichtung der Bundesnetzagentur zur Durchführung des unionsweiten Konsolidierungsverfahrens vor der endgültigen Entscheidung über die Genehmigung beantragter Entgelte konnte jedenfalls bis zu dem Urteil des EuGH vom 14.01.2016 - C-395/ 14 - im Rahmen einer richtlinienkonformen Auslegung des 13 Abs. 1 Satz 1 TKG im dargelegten Sinne Rechnung getragen werden. 4. Die Bundesnetzagentur darf auf der Grundlage des 130 TKG eine vorläufige Entgeltgenehmigung erlassen, um im Interesse des Wettbewerbs und der Nutzer die Zeit bis zum Abschluss eines Konsolidierungsverfahrens zu überbrücken, das sie in Bezug auf die beabsichtigte endgültige Entgeltgenehmigung bereits eingeleitet hat.

12 TKG - Konsultations- und Konsolidierungsverfahren (Fassung bis 9.5.2012) (1) Die Bundesnetzagentur gibt den interessierten Parteien Gelegenheit, innerhalb einer festgesetzten Frist zu dem Entwurf der Ergebnisse nach den 10 und 11 Stellung zu nehmen. (...) (2) Wenn 10 Abs. 3 und 11 Abs. 3 eine Vorlage nach dieser Norm vorsehen, gilt folgendes Verfahren: 1. Nach Durchführung des Verfahrens nach Absatz 1 stellt die Bundesnetz agentur den Entwurf der Ergebnisse nach den 10 und 11 mit einer Begründung der Kommission und gleichzeitig den nationalen Regulierungsbehörden der anderen Mitgliedstaaten zur Verfügung und unterrichtet hiervon die Kommission und die übrigen nationalen Regulierungsbehörden. Vor Ablauf eines Monats oder vor Ablauf einer nach Absatz 1 bestimmten längeren Frist darf die Bundesnetzagentur Ergebnisse nach den 10 und 11 nicht festlegen. 2. Die Bundesnetzagentur hat den Stellungnahmen der Kommission und der anderen nationalen Regulierungsbehörden nach Nummer 1 weitestgehend Rechnung zu tragen. Den sich daraus ergebenden Entwurf übermittelt sie der Kommission. (...)

13 TKG - Rechtsfolgen der Marktanalyse (Fassung bis 9.5.2012) (1) Soweit die Bundesnetzagentur auf Grund einer Marktanalyse nach 11 Verpflichtungen nach den 19, 20, 21, 24, 30, 39, 40, 41 Abs. 1 oder 42 Abs. 4 Satz 3 auferlegt, ändert, beibehält oder widerruft (Regulierungsverfügung), gilt das Verfahren nach 12 Abs. 1, 2 Nr. 1, 2 und 4 entsprechend, sofern die Maßnahme Auswirkungen auf den Handel zwischen den Mitgliedstaaten hat. (...)

EuGH, Urteil vom 14.01.2016 - C-395/14, Vodafone Art. 7 Abs. 3 der Richtlinie 2002/21/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste (Rahmenrichtlinie) ist dahin auszulegen, dass eine nationale Regulierungsbehörde, wenn sie einen als Betreiber mit beträchtlicher Marktmacht eingestuften Betreiber verpflichtet hat, Mobilfunkterminierungsleistungen zu erbringen, und die hierfür verlangten Entgelte nach Durchführung des in dieser Bestimmung vorgesehenen Verfahrens der Genehmigungspflicht unterworfen hat, verpflichtet ist, dieses Verfahren vor jeder Genehmigung solcher Entgelte dieses Betreibers erneut durchzuführen, sofern die letztgenannte Genehmigung Auswirkungen auf den Handel zwischen Mitgliedstaaten im Sinne dieser Bestimmung haben kann.

Urteil vom 29. März 2017 BVerwG 6 C 1.16 BVerwGE 158, 301 1. Die durch das Bundesverfassungsgericht angeordnete befristete Fortgeltung der verfassungswidrig gewordenen Regelung in 35 Abs. 5 Satz 2 und 3 TKG ist mit Unionsrecht vereinbar. 2. Im Anwendungsbereich des 35 Abs. 5 Satz 2 und 3 TKG kann das regulierte Unternehmen Rechtsschutz gegen zu niedrig festgesetzte Entgelte für abgelaufene Genehmigungszeiträume im Hauptsacheverfahren ohne vorhergehenden Erfolg im Eilverfahren nur im Rahmen einer Fortsetzungsfeststellungsklage erhalten. 3. Das Anbieterinteresse des regulierten Unternehmens ist in der Abwägung, die die Bundesnetzagentur im Rahmen ihres Beurteilungsspielraums betreffend die Auswahl der Methode für die Berechnung des Anlagevermögens als Grundlage für die Ermittlung von Zinsen und Abschreibungen vorzunehmen hat, stets und inhaltlich unverkürzt zu berücksichtigen

35 TKG - Verfahren der Entgeltgenehmigung (...) (5) Beinhalten Entgeltgenehmigungen die vollständige oder teilweise Genehmigung eines vertraglich bereits vereinbarten Entgelts, so wirken sie zurück auf den Zeitpunkt der erstmaligen Leistungsbereitstellung durch das Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht. Das Gericht kann im Verfahren nach 123 der Verwaltungsgerichtsordnung die vorläufige Zahlung eines beantragten höheren Entgelts anordnen, wenn überwiegend wahrscheinlich ist, dass der Anspruch auf die Genehmigung des höheren Entgelts besteht; der Darlegung eines Anordnungsrundes bedarf es nicht. Verpflichtet das Gericht die Bundesnetzagentur zur Erteilung einer Genehmigung für ein höheres Entgelt, so entfaltet diese Genehmigung die Rückwirkung nach Satz 1 nur, wenn eine Anordnung nach Satz 2 ergangen ist. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach 123 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtordnung kann nur bis zum Ablauf von zwei Monaten nach Klageerhebung gestellt und begründet werden. (...)

BVerfG, Beschluss vom 22.11.2016 1 BvL 6/14 u.a. BVerfGE 143, 216 Leitsatz: Eine Beschränkung des Rechtsschutzes, den ein reguliertes Telekommunikationsunternehmen mit Wirkung für die Vergangenheit gegen Entgeltentscheidungen der Bundesnetzagentur erhalten kann, auf den im Eilverfahren erlangten Rechtsschutz ist mit Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG nur vereinbar, solange und soweit sie erforderlich ist, um den Wettbewerb zu fördern. Entscheidungsformel: 35 Abs. 5 Satz 2 und 3 TKG ist mit Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG nicht mehr vereinbar. Das bisherige Recht ist bis zu einer Neuregelung weiter anwendbar. Der Gesetzgeber ist verpflichtet, eine Neuregelung spätestens bis zum 31. Juli 2018 zu treffen. Vorgehend: Aussetzungs- und Vorlagebeschlüsse des BVerwG vom 26.02.2014 6 C 3.13, vom 10.12.2014-6 C 16.13 und 6 C 18.13 sowie vom 25.02.2015 6 C 33.13.

Richtlinie 2002/21/EG (Rahmenrichtlinie) Art. 4 - Rechtsbehelf (1) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass es auf nationaler Ebene wirksame Verfahren gibt, nach denen jeder Nutzer oder Anbieter elektronischer Kommunikationsnetze und/oder -dienste, der von einer Entscheidung einer nationalen Regulierungsbehörde betroffen ist, bei einer von den beteiligten Parteien unabhängigen Beschwerdestelle einen Rechtsbehelf gegen diese Entscheidung einlegen kann. Diese Stelle, die auch ein Gericht sein kann, muss über angemessenen Sachverstand verfügen, um ihrer Aufgabe wirksam gerecht zu werden. Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass den Umständen des Falles angemessen Rechnung getragen wird und wirksame Einspruchsmöglichkeiten gegeben sind. Bis zum Abschluss eines Beschwerdeverfahrens bleibt die Entscheidung der nationalen Regulierungsbehörde wirksam, sofern nicht nach Maßgabe des nationalen Rechts einstweilige Maßnahmen erlassen. ( )

Punktuelle Beurteilungsspielräume der BNetzA bei der Genehmigung von Entgelten nach 31 ff. TKG Regulierungsbehördliche Letztentscheidungsrechte nicht umfassend (insb. kein Regulierungsermessen), sondern nur für abgrenzbare Teilaspekte im Rahmen der Ermittlung der genehmigungsfähigen Entgelte. Anknüpfungspunkt für eingeschränkte gerichtliche Überprüfung im Unionsrecht (vgl. z.b. EuGH, Urt. v. 24.04.2008 - C-55/06, Arcor) oder in gesetzlicher Maßstabsnorm, sofern Gesetzesbegriff in besonderer Weise durch das Erfordernis einer Abwägung (insb. der gegenläufigen Regulierungsziele) bzw. durch ökonomische Wertungen und Prognosen geprägt ist. Beispiele: Auswahl der Methode für die Berechnung des Anlagevermögens als Grundlage für die Ermittlung von Zinsen und Abschreibungen (BVerwG, Urt. v. 25.09.2013-6 C 13.12 BVerwGE 148, 48, Rn. 18 und v. 29.03.2017 6 C 1.16 BVerwGE 158, 301 Rn. 14, 31) Ermittlung der angemessenen Verzinsung des eingesetzten Kapitals gemäß 32 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 TKG (BVerwG, Urt. v. 17.08.2016 6 C 50.15 BVerwGE 156, 75 Rn. 32 ff.). Entscheidungen im Rahmen der Vergleichsmarktbetrachtung ( 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 TKG), welche Märkte als Vergleichsbasis herangezogen werden sowie ob und ggf. in welcher Höhe Abschläge vom bzw. Zuschläge auf das Vergleichsentgelt anzusetzen sind (BVerwG, Beschl. v. 10.12.2014-6 C 18.13 - BVerwGE 151, 56 Rn. 30 ff. und v. 25.02.2015-6 C 37.13 - BVerwGE 151, 268 Rn. 41).

Gerichtliches Prüfprogramm bei regulierungsbehördlichen Beurteilungsspielräumen im Rahmen der 31 ff. TKG Allgemeine Maßstäbe: Hat die Behörde die gültigen Verfahrensbestimmungen eingehalten? Ist die Behörde von einem richtigen Verständnis des anzuwendenden Gesetzesbegriffs ausgegangen? Hat die Behörde den erheblichen Sachverhalt vollständig und zutreffend ermittelt? Hat sich die Behörde bei der eigentlichen Beurteilung an allgemeingültige Wertungsmaßstäbe gehalten, insbesondere das Willkürverbot nicht verletzt? Abwägungsbezogene Maßstäbe: Sofern Unionsrecht oder Gesetzesbegriff Abwägung widerstreitender Regulierungsziele und sonstiger Belange erfordert: Hat eine Abwägung überhaupt stattgefunden (Abwägungsausfall)? Ist in die Abwägung an Belangen eingestellt worden, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden musste (Abwägungsdefizit)? Ist die Bedeutung der betroffenen Belange verkannt worden (Abwägungsfehleinschätzung)? Steht der Ausgleich zwischen ihnen zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis (Abwägungsdisproportionalität)? Da für die gerichtliche Kontrolle die Begründung der Behördenentscheidung maßgeblich ist: Hat die BNetzA im Hinblick auf die Kriterien, die in den relevanten Rechtsnormen hervorgehoben oder angelegt sind, plausibel und erschöpfend argumentiert?

Urteil vom 17.08.2016 BVerwG 6 C 50.15 BVerwGE 156, 75 Der Bundesnetzagentur kommt bei der Ermittlung der Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung im Rahmen der telekommunikationsrechtlichen Entgeltgenehmigung ein Beurteilungsspielraum für den abgrenzbaren Teilbereich der Bestimmung der angemessenen Verzinsung des eingesetzten Kapitals zu.

32 TKG - Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung (1) Die Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung ergeben sich aus den langfristigen zusätzlichen Kosten der Leistungsbereitstellung und einem angemessenen Zuschlag für leistungsmengenneutrale Gemeinkosten, einschließlich einer angemessenen Verzinsung des eingesetzten Kapitals, soweit diese Kosten jeweils für die Leistungsbereitstellung notwendig sind. 79 bleibt unberührt. (2) (...) (3) Bei der Festlegung der angemessenen Verzinsung des eingesetzten Kapitals berücksichtigt die Bundesnetzagentur insbesondere 1. die Kapitalstruktur des regulierten Unternehmens, 2. die Verhältnisse auf den nationalen und internationalen Kapitalmärkten und die Bewertung des regulierten Unternehmens auf diesen Märkten, 3. die Erfordernisse hinsichtlich der Rendite für das eingesetzte Kapital, wobei auch die leistungsspezifischen Risiken des eingesetzten Kapitals gewürdigt werden sollen. Das kann auch etwaige spezifische Risiken im Zusammenhang mit der Errichtung von Netzen der nächsten Generation im Sinne des 30 Absatz 3 umfassen, 4. die langfristige Stabilität der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, auch im Hinblick auf die Wettbewerbssituation auf den Telekommunikationsmärkten.

Urteil vom 17.08.2016 BVerwG 6 C 24.15 BVerwGE 156, 759 Die in 37 Abs. 2 TKG angeordnete privatrechtsgestaltende Wirkung einer telekommunikationsrechtlichen Entgeltgenehmigung modifiziert die zwischen den Zusammenschaltungspartnern vereinbarte Höhe der Entgelte. Sie begründet aber nicht die Entgeltlichkeit der Dienstleistungen, sondern setzt vielmehr eine entsprechende Entgeltabrede oder ersatzweise eine Anordnung der Bundesnetzagentur nach 25 TKG voraus (wie BGH, Urteil vom 26. Juni 2014 - III ZR 299/13 - NVwZ 2015, 310).

37 TKG - Abweichung von genehmigten Entgelten (1) Ein Betreiber eines öffentlichen Telekommunikationsnetzes, der über beträchtliche Marktmacht verfügt, darf keine anderen als die von der Bundesnetzagentur genehmigten Entgelte verlangen. (2) Verträge über Dienstleistungen, die andere als die genehmigten Entgelte enthalten, werden mit der Maßgabe wirksam, dass das genehmigte Entgelt an die Stelle des vereinbarten Entgelts tritt. (3) Eine vertragliche oder gesetzliche Verpflichtung zur Erbringung der Leistung bleibt unabhängig vom Vorliegen einer Entgeltgenehmigung bestehen. Die Bundesnetzagentur kann die Werbung für ein Rechtsgeschäft, den Abschluss, die Vorbereitung und die Anbahnung eines Rechtsgeschäfts untersagen, das ein anderes als das genehmigte oder ein nicht genehmigtes, aber genehmigungsbedürftiges Entgelt enthält.

25 TKG Anordnungen durch die Bundesnetzagentur (1) Kommt eine Zugangsvereinbarung nach 22 oder eine Vereinbarung über Zugangsleistungen nach 18 ganz oder teilweise nicht zustande und liegen die nach diesem Gesetz erforderlichen Voraussetzungen für eine Verpflichtung zur Zugangsgewährung vor, ordnet die Bundesnetzagentur nach Anhörung der Beteiligten innerhalb einer Frist von zehn Wochen ab Anrufung durch einen der an der zu schließenden Zugangsvereinbarung Beteiligten den Zugang an. In besonders zu begründenden Fällen kann die Bundesnetzagentur innerhalb der in Satz 1 genannten Frist das Verfahren auf höchstens vier Monate verlängern. (2) Eine Anordnung ist nur zulässig, soweit und solange die Beteiligten keine Zugangs- oder Zusammenschaltungsvereinbarung treffen. (...) (5) Gegenstand einer Anordnung können alle Bedingungen einer Zugangsvereinbarung sowie die Entgelte sein. Die Bundesnetzagentur darf die Anordnung mit Bedingungen, einschließlich Vertragsstrafen, in Bezug auf Chancengleichheit, Billigkeit und Rechtzeitigkeit verknüpfen. Hinsichtlich der festzulegenden Entgelte gelten die 27 bis 38. (...)

Urteil vom 30.05.2018 BVerwG 6 C 4.17 Pressemitteilung des BVerwG Nr. 37/2018 vom 31.05.2018: Die BNetzA ist nicht befugt, in einer telekommunikationsrechtlichen Regulierungsverfügung, mit der sie die Entgelte für Zugangsleistungen eines marktbeherrschenden Unternehmens der Genehmigungspflicht unterwirft, zugleich Methoden und Maßstäbe der Entgeltberechnung mit bindender Wirkung für nachfolgende Entgeltgenehmigungsverfahren festzulegen. ( ) Anders als die Auferlegung der Entgeltgenehmigungspflicht ( 30 Abs. 1 Satz 1 TKG) können verbindliche Regelungen, die Methoden und Maßstäbe der Entgeltberechnung zum Gegenstand haben, nicht auf 13 Abs. 1 Satz 1 TKG als der für Regulierungsverfügungen einschlägigen Rechtsgrundlage gestützt werden. ( ) Die die Entgeltberechnung betreffenden Regelungen in der angefochtenen Regulierungsverfügung sind überdies auch deshalb rechtswidrig, weil die Bundesnetzagentur sie nicht zum Gegenstand einer isolierten Teilentscheidung machen durfte. ( )

Urteil vom 24.02.2016 BVerwG 6 C 62.14 BVerwGE 154, 173 Die in 23 Abs. 2 bis 4 TKG enthaltenen Bestimmungen über das Standardangebotüberprüfungsverfahren sind auch den rechtlichen Interessen der zugangsberechtigten Wettbewerber des regulierten Unternehmens, die die durch das Standardangebot zu regelnden Leistungen in Anspruch nehmen oder in Anspruch nehmen wollen, zu dienen bestimmt.

23 TKG - Standardangebot (1) Die Bundesnetzagentur kann einen Betreiber eines öffentlichen Telekommunikationsnetzes, der über beträchtliche Marktmacht verfügt, verpflichten, in der Regel innerhalb von drei Monaten ein Standardangebot für die Zugangsleistung zu veröffentlichen, für die eine allgemeine Nachfrage besteht. (2) Soweit ein Betreiber eines öffentlichen Telekommunikationsnetzes mit beträchtlicher Marktmacht kein oder ein nach Absatz 1 unzureichendes Standardangebot vorlegt, ermittelt die Bundesnetzagentur, für welche Zugangsleistungen eine allgemeine Nachfrage besteht. Zu diesem Zweck gibt die Bundesnetzagentur tatsächlichen oder potentiellen Nachfragern nach solchen Leistungen Gelegenheit zur Stellungnahme. Im Anschluss daran gibt sie dem Betreiber mit beträchtlicher Marktmacht Gelegenheit zur Stellungnahme dazu, welche der ermittelten Leistungen nach seiner Ansicht Bestandteil eines Standardangebots werden sollen. (3) Die Bundesnetzagentur soll innerhalb einer Frist von vier Monaten unter Berücksichtigung der Stellungnahmen nach Absatz 2 die Zugangsleistungen festlegen, die der Betreiber mit beträchtlicher Marktmacht als Standardangebot anbieten muss. Die Bundesnetzagentur fordert den Betreiber auf, innerhalb einer bestimmten Frist ein entsprechendes Standardangebot mit Bereitstellungs- und Nutzungsbedingungen einschließlich der Entgelte vorzulegen. Sie kann diese Aufforderung verbinden mit bestimmten Vorgaben für einzelne Bedingungen, einschließlich Vertragsstrafen, insbesondere in Bezug auf Chancengleichheit, Billigkeit und Rechtzeitigkeit. Dieses Standardangebot muss so umfassend sein, dass es von den einzelnen Nachfragern ohne weitere Verhandlungen angenommen werden kann. Die vorgenannten Sätze gelten auch für den Fall, dass der Betreiber mit beträchtlicher Marktmacht ein unzureichendes Standardangebot vorgelegt hat. (4) Die Bundesnetzagentur prüft die vorgelegten Standardangebote und nimmt Veränderungen vor, soweit Vorgaben für einzelne Bedingungen, einschließlich Vertragsstrafen, insbesondere in Bezug auf Chancengleichheit, Billigkeit und Rechtzeitigkeit nicht umgesetzt wurden. Die Bundesnetzagentur versieht Standardangebote in der Regel mit einer Mindestlaufzeit. Der Betreiber mit beträchtlicher Marktmacht muss beabsichtigte Änderungen oder eine Einstellung des Standardangebots drei Monate vor Ablauf der Mindestlaufzeit gegenüber der Bundesnetzagentur anzeigen. Die Entscheidungen nach Absatz 3 und 4 Satz 1 und 2 können nur insgesamt angegriffen werden. Für die Regulierung der Entgelte gelten die 27 bis 37. ( ) (8) Der Betreiber ist verpflichtet, das Standardangebot in seine Allgemeinen Geschäftsbedingungen aufzunehmen.

Standardangebotüberprüfungsverfahren ( 23 Abs. 2 bis 4 TKG) 1. Verfahrensstufe ( 23 Abs. 2 und 3 TKG): Prüfprogramm: - Hat das regulierte Unternehmen ein Standardangebot vorgelegt? - Enthält das Angebot alle Zugangsleistungen, für die allgemeine Nachfrage besteht? - Ist das Angebot inhaltlich auch ansonsten umfassend ausgestaltet, so dass es ohne weitere Verhandlungen angenommen werden kann? - Keine Beanstandungen in Bezug auf Chancengleichheit, Billigkeit und Rechtzeitigkeit? Erste Teilentscheidung: - Falls kein Standardangebot vorgelegt: Aufforderung unter Fristsetzung zur erstmaligen Vorlage; Benennung der Zugangsleistungen, für die eine allgemeine Nachfrage besteht; ggf. inhaltliche Vorgaben für einzelne Bestimmungen. - Falls vorgelegtes Standardangebot wegen fehlender Einbeziehung allgemein nachgefragter Zugangsleistungen oder in Bezug auf einzelne Vertragsbestimmungen unzureichend: Aufforderung zur Vornahme entsprechender Änderungen und zur Vorlage des geänderten Angebots binnen bestimmter Frist. 2. Verfahrensstufe ( 23 Abs. 4 Satz 1 TKG): Prüfprogramm: Inhaltliche Vorgaben aus der ersten Teilentscheidung zutreffend umgesetzt? è Keine erneute Überprüfung von Bestimmungen, die auf der 1. Verfahrensstufe nicht beanstandet wurden. è Anträge eines Zugangsberechtigten können sich nur auf die Umsetzung von bereits auf der 1. Stufe beantragten Änderungen des Standardangebots beziehen. Zweite Teilentscheidung: Ggf. unmittelbare Änderungen an den vertraglichen Regelungen des Standardangebots.

Workshop zum Telekommunikationsrecht am 28. Juni 2018 Aktuelle Entscheidungen des BVerwG zum Telekommunikationsrecht Carsten Hahn Richter am BVerwG