Seminar: Relativsätze im Spracherwerb Dozentin: Prof. Dr. Petra Schulz WS 2011/2012 Referent: Pljevaljcic Sascha Datum: 15.11.2011
Gliederung Bisherige RS-Forschung RS-Fehler im Spracherwerb Faktoren, die das Verstehen von RS- Strukturen beeinflussen Korpus Ergebnisse Fazit Literaturverzeichnis 2
Bisherige RS-Forschung Letzten 20 Jahre : zahlreiche Untersuchungen zum Erwerb von Relativsätzen (RS) vor allem im EN Oft wird mit Imitations- und Verstehenstests gearbeitet Untersuchungen für die spontane RS- Produktion im DE gibt es nicht 3
RS-Fehler im Spracherwerb Die Referenzidentität des Pronomens mit einem Matrixelement wird durch Kongruenz in Genus und Numerus markiert (falls möglich) Wenn Fehler hinsichtlich der morphologischen Markierungen für Genus, Numerus und Kasus zu finden sind, heißt das nicht, dass das Kind die notwendigen relationalen Bezüge zum MS und im NS nicht herstellt. Wenn das Kind Pronomen verwendet, meint es immer das Richtige (den richtigen referentiellen Bezug), auch wenn diese morphologische Fehler beinhalten. 4
Es ist denkbar, dass ein Kind korrekte Bezüge in RS herstellt, sie jedoch nicht adäquat markiert. In Tests jedoch, wenn es zum Erkennen der referentiellen Bezüge und grammatischen Funktionen ausschließlich auf morphologische Markierungen angewiesen ist, kann das Kind komplett versagen. richtige Interpretation der Fehler + richtige Aufgabenstellung zur Erhebung von Daten 5
Beispiel eines schlechten RS Der Bär beißt den Igel, der den Vogel streift. Ohne Kontext und pragmatischen Zusammenhang Aufgabe testet von Kindern mehr als nur ihre grammatische Fähigkeiten. Es wird nur ein Teilaspekt der grammatischen Kompetenz analysiert (grammatisch-strukturelle Analysefähigkeit) 6
Faktoren, die das Verstehen von RS-Strukturen beeinflussen Die Funktion des Pronomens im Nebensatz (S<O) Bei jüngeren Kindern die Strategie, das erste Nomen im Satz als Subjekt für Matrix- und RS zu interpretieren Bei älteren Kindern die Position des RS (final < initial) 7
Schon ab etwa 3 Jahren produzieren Kinder ihre ersten spontanen RS (anders als die Verstehenstests vermuten lassen) RS treten später als Komplement- und Adverbialsätze auf Noch 5- und 6jährige Kinder produzieren fehlerhafte RS-Konstruktionen 8
Korpus Insgesamt: 97 RS 96: restriktiv; 1: appositiv 16 freie RS (kein explizites Bezugselement im MS und werden durch ein w-pronomen eingeleitet) Rothweiler, Monika: Der Erwerb von Nebensätzen im Deutschen Eine Pilotstudie. Max Niemeyer Verlag. Tübingen. 1993. 9
Ergebnisse Wenige Fehler bei der Wahl des Lexems (doder w-) w-relativa häufiger als d-relativa Unterscheidung und Analyse von Genus- und Kasusfehlern Genusfehler treten bei d-pronomen auf Eindeutiger Genusfehler: und jetzt möchte i den andern buch da oben den de mi kan tante helga mir geschenkt hat (=das) Sowohl Bezugselement als auch Pronomen sind fehlerhaft korrekte Genuskongruenz Rothweiler, Monika: Der Erwerb von Nebensätzen im Deutschen Eine Pilotstudie. Max Niemeyer Verlag. Tübingen. 1993. 10
Handelt es sich hierbei auch um eine korrekte Genuskongruenz? ich spiel nie mehr mit die ( ) radia (=Claudia) ( ) der in mein kinergarten (is) Rothweiler, Monika: Der Erwerb von Nebensätzen im Deutschen Eine Pilotstudie. Max Niemeyer Verlag. Tübingen. 1993. 11
Aufschlussreicher ist die Untersuchung von Kasusfehlern Nur einmal wird die Akkusativform gewählt, ansonsten die kasusunmarkierte Nominativform. Warum fast ausschließlich Nominativ? 12
A) Beeinflussung durch die Position: die erste Position im Satz, die Subjektposition, ist im unmarkierten Fall mit einer Nominativ-NP besetzt B) Relativpronomen wird in Genus+Numerus von einem Element im MS bestimmt. Die Kasusmarkierung jedoch wird von einem RS-Element gefordert C) Ersetzung schwieriger Formen durch wo 13
Für welches andere Relativpronomen wird das wo ersetzt? gib mir den stift wo rot oben is Rothweiler, Monika: Der Erwerb von Nebensätzen im Deutschen Eine Pilotstudie. Max Niemeyer Verlag. Tübingen. 1993. 14
Ergebnisse Kinder vermeiden eindeutige Kasusmarkierungen und bevorzugen Nominativformen oder generalisierende Pronomen. Dies führt jedoch nicht zur Annahme, dass Kinder eine Art Subjektstrategie verfolgen, in der hauptsächlich RS mit Subjektpronomen produziert werden. Die Daten zeigen, dass nur in einem Drittel der RS das Relativpronomen Subjekt ist! Rothweiler, Monika: Der Erwerb von Nebensätzen im Deutschen Eine Pilotstudie. Max Niemeyer Verlag. Tübingen. 1993. 15
Ergebnisse Als Kasusfehler tritt nur Nominativ anstelle von Akk. und Dat. auf d-pronomen sind überwiegend Subjekte wo wird häufig für eine schwer markierte Form ersetzt (Präposition + d- Relativum) Rothweiler, Monika: Der Erwerb von Nebensätzen im Deutschen Eine Pilotstudie. Max Niemeyer Verlag. Tübingen. 1993. 16
Zusammenhänge a) Die Abfolge MS < NBS überwiegt eindeutig (82%) b) Alle linksversetzten RS sind generalisierend und werden mit einem w-lexem eingeleitet c) Mit nachgestelltem NS treten generalisierende Sätze sowohl als freie RS als auch als RS mit Bezugselement auf d) Bezugsphrase für RS: Subjekt 39x und Akk.Obj. 34x e) Syntaktische Funktion der Relativphrase: 33 von 97 RS ist das Pronomen das Subjekt des RS 17
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Freie RS Freie RS werden unter dem Aspekt betrachtet, dass ihnen der Bezugsausdruck im MS fehlt Haben Bezugs- und Relativpronomen in ihrem jeweiligen Satz dieselbe grammatische Funktion, dann sind als syntaktische Varianten freie RS erlaubt Bsp.: sollch dir zeing was der so hat? 19
Wird der RS mit dem kasusneutralen was eingeleitet, sind auch freie RS in Objektrolle mit Subjektrelativpronomen und umgekehrt möglich was der opa immer trinkt das ist boullion haste dat gehört wat der gemacht hat? nur wer aufn rotes feld kommt der darf sich ne karte ziehn ich mach da wo ich besser geh (=wo es besser geht) was der opa immer trinkt is boullion haste gehört wat der gemacht hat? nur wer aufn rotes feld kommt darf sich ne karte ziehn ich mach es wo es besser geht Frage: Welche Gemeinsamkeiten haben das Bezugspronomen und das Relativpronomen in den jeweiligen Sätzen in der ersten Tabelle? 20
Kann man in folgendem Satz das Bezugspronomen weglassen? de soldaten haben wat womit mer de gewehrs mit ganz macht Rothweiler, Monika: Der Erwerb von Nebensätzen im Deutschen Eine Pilotstudie. Max Niemeyer Verlag. Tübingen. 1993. 21
Eindeutig freie RS-Konstruktionen sind die Ausnahme; deswegen können keine weiterreichenden Schlüsse gezogen werden. Oft sind die Konstruktionen unvollständig (MS unvollständig/fehlt) Die Freie-RS-Konstruktion ist also eine spät erworbene Form, deren Produktion Kindern erhebliche Schwierigkeiten bereitet. 22
Fazit RS treten deutlich später und seltener auf als Komplement- und Adverbialsätze RS-Konstruktionen sind insgesamt nicht fehlerhafter als andere NBS-Konstruktionen Es überwiegt eindeutig die Abfolge MS < RS Relativphrasen haben keine Dativ- und Genitivobjekte als grammatische Funktion im NS Kinder haben keine Schwierigkeiten, eine Kongruenzbeziehung zwischen Bezugsausdruck und Relativum herzustellen: Numerus-und Genusfehler gibt es kaum Kasusmarkierungen und kontexte treten kaum auf, da Kinder komplexe morphologische Markierungen umgehen und andere Einleiter wählen (z.b. wo ) Freie RS werden aufgrund ihrer komplexen Ableitung spät erworben 23
Brandt, Diessel, Tomasello (S. 329) Kritik an Rothweilers Ergebnissen und deren Aussagekraft, da ihre Daten nur ein paar dutzend verbfinale RS beinhalten mit Kindern ab dem Alter von 2;9. Die Daten seien demnach nicht ausreichend um den frühen deutschen RS-Erwerb zu beschreiben. 24
Literaturverzeichnis Rothweiler, Monika: Der Erwerb von Nebensätzen im Deutschen Eine Pilotstudie. Max Niemeyer Verlag. Tübingen. 1993. Brandt Silke, Diessel Holger, Tomasello Michael: The acquisition of German relativ clauses: a case study. Cambridge University Press. 2008. 25