Es gilt das gesprochene Wort! Annelie Buntenbach Geschäftsführender Bundesvorstand des Deutschen Gewerkschaftsbundes

Ähnliche Dokumente
DGB Index Gute Arbeit Arbeitshetze, Arbeitsintensivierung, Entgrenzung

Supplementband. Arbeitshetze, Arbeitsintensivierung, Entgrenzung Mehrbeanspruchungen und Belastungskumulationen

Arbeitsqualität aus Sicht von jungen Beschäftigten. 4. Sonderauswertung des DGB-Index Gute Arbeit

Arbeiten trotz Krankheit

des DGB Bezirk Nordrhein-Westfalen

Es gilt das gesprochene Wort! Annelie Buntenbach Geschäftsführender Bundesvorstand des Deutschen Gewerkschaftsbundes

Detlef Wetzel Zweiter Vorsitzender der IG Metall. Pressekonferenz Gute Arbeit gut in Rente Ergebnisse einer Betriebsrätebefragung der IG Metall

Gute Arbeit. Für guten Arbeits- und Gesundheitsschutz

Stressfaktor ständige Erreichbarkeit Schutz der Arbeitnehmer und Pflichten der Arbeitgeber

60+40 DIGITALE ARBEIT. Arbeitshetze und Arbeitsintensivierung bei digitaler Arbeit 60%

Gute Arbeit. Für guten Arbeits- und Gesundheitsschutz

Es gilt das gesprochene Wort! Annelie Buntenbach Geschäftsführender Bundesvorstand des Deutschen Gewerkschaftsbundes

Pressekonferenz. DGB Index Gute Arbeit. Berlin, 27. März 2012

ANPACKEN: dgb.de/rente

Arbeitshetze Arbeitsintensivierung Entgrenzung

Gute Arbeit. DGB-Index. Die wichtigsten Ergebnisse. Pressekonferenz am Mittwoch, 28. November 2007

DGB-Index Gute Arbeit

Die Renten steigen jedes Jahr wo ist das Problem? Rente muss für ein gutes Leben reichen. Was passiert, wenn nichts passiert?

Rente muss für ein gutes Leben reichen

DIGITALE ARBEIT. Arbeitshetze und Arbeitsintensivierung bei digitaler Arbeit 60%

Auswertung der DGB-Sylt-Umfrage

Gute Arbeit gegen psychische Belastung Personalversammlung Hochschule Bremen am

Gesunde Arbeit, gute Rente was das Rentenpaket bringt und was noch zu tun ist. Frankfurt, 24. Juli 2014

Schöne Insel gute Arbeit? Auswertung der Pendlerbefragung August 2012

Arbeitsmarkt Perspektive der Arbeitnehmer. Stories für Journalisten

Inhalt. Alterssicherung. DGB begrüßt Rentenpaket. Veranstaltung: Demografie und Alterssicherung: eine unendliche Geschichte?, , Berlin.

Blindtext Blindtext Blindtext. Beschäftigtenbefragung Sachsen-Anhalt Wichtigste Ergebnisse. Gute Arbeit in Sachs.

Erwerbstätige: immer älter und immer länger krank - Betriebliches Gesundheitsmanagement rückt in den Fokus -

Digitalisierung im öffentlichen Dienst Auswirkungen aus Sicht der Beschäftigten. Sonderauswertung des DGB-Index Gute Arbeit

2,1 Milliarden Überstunden, die Hälfte davon unbezahlt: Arbeitsverdichtung nimmt dramatisch zu!

DGB-Jugend Index Gute Arbeit Ergebnisse einer repräsentativen Befragung von Jugendlichen zur Arbeitsqualität in Deutschland

Arbeitsmarkt Perspektive der Arbeitnehmer. Stories für Journalisten Teilzeit die gemütliche Karrierefalle

Arbeitsklima Index: Die Krise gut bewältigt, aber Oberösterreichs Beschäftigte zahlen den Preis

Daten & Fakten GESUNDHEIT: ZAHL DER KRANKENSTÄNDE KONSTANT NIEDRIG!

Arbeitszeit. Für selbstbestimmtes Arbeiten und Leben

Ringvorlesung im WS 2013/2014 an der Technischen Universität Berlin

INFOSAMMLUNG ZUM THEMA STRESS

Presse- gespräch. Allianz Studie: Wie gestresst ist Österreich? Dr. Inge Schulz Leiterin der Abteilung Human Resources Allianz Gruppe in Österreich

ARBEIT 4.0 Unsere Zukunft gestalten

Arbeitszeit. Für selbstbestimmtes Arbeiten und Leben

Pflege unter Druck: Auswirkungen der Spitalsreform auf die Arbeitssituation der Gesundheitsbeschäftigten

Ausgewählte Ergebnisse aus dem Österreichischen Arbeitsgesundheitsmonitor

Der Mensch im Mittelpunkt des Wirtschaftens. Die Initiative Neue Qualität der Arbeit

Arbeitsqualität aus Sicht. Sonderauswertung des DGB-Index Gute Arbeit 2008

DGB fordert klare Regelungen zur ständigen Erreichbarkeit. Europäische Kampagne Partnerschaft für Prävention. Knut Lambertin.

fair Arbeitnehmerfreizügigkeit sozial, gerecht und aktiv Arbeit im Schlachthof Deine Rechte als Beschäftigter in Deutschland

Ständig erreichbar, dauernd gehetzt. So beurteilen die Beschäftigten in den Dienstleistungs-Branchen die Lage. Gute Arbeit

Arbeitszeit und gewerkschaftlicher Arbeitsschutz Ein zentrales Handlungsfeld der IG Metall

DGB Index Gute Arbeit Psychostress und Prävention am Arbeitsplatz

DGB-Jugend Index Gute Arbeit Ergebnisse einer repräsentativen Befragung von Jugendlichen zur Arbeitsqualität in Deutschland

Auswertung der DGB-Umfrage unter Sylt-Pendlerinnen und Pendlern

Mit dem Rad zur Arbeit: Auftakt 2015

Work-Life-Balance im Zeichen ständiger Erreichbarkeit Das Konzept Gute Arbeit

Beschäftigte aus welchen Branchen haben wir mit unserer Umfrage erreicht?

WIENER FRAUENBAROMETER ARBEITSWELT

Gesunde Arbeit ohne Druck. Die Arbeitnehmenden haben ein Recht darauf.

DGB-Index Gute Arbeit Der Report 2015 Supplementband. Wie die Beschäftigten die Arbeitsbedingungen in Deutschland beurteilen

Grußwort von Frau Senatorin Prüfer-Storcks anlässlich der Fachtagung Gute Arbeit gesunde Arbeitsbedingungen? des DGB am

Bremen: Fast eine Millionen Fehltage in 2012 durch Psycho-Leiden

Ergebnisse Umfrage Generationengerechtigkeit. TNS Infratest im Auftrag der IG Metall, April 2014

Info Psyche und Arbeit

Starke Vertretung. Für Mitbestimmung und Gestaltung

Zahlen-Daten-Fakten zum Thema

Führungskräfte sind trotz hoher Anforderungen zufriedener als ihre Mitarbeiter

Ausbildungsreport Ergebnisse einer Befragung von Auszubildenden zur Ausbildungsqualität in Deutschland

Info Psyche und Arbeit Januar 2014

Beschäftigten-Befragung Gemeinsam für gute Arbeit Frankfurt, 24. Februar 2016

Armut trotz. Erwerbstätigkeit. steigt

Beruflicher Aufstieg immer schwieriger Zahl der Führungskräfte erneut gesunken

Wissenschaftliches Institut der AOK

Informationen zum DGB-Index Gute Arbeit. Anne Tenbruck Rat.geber GmbH Hamburg

Stressfaktor Wochenend-Arbeit

Endstation Depression: Wenn Schülern alles zu viel wird

Mehr als 8,5 Millionen Fehltage durch psychische Erkrankungen in Baden-Württemberg in 2012

Krankmeldungen durch psychische Leiden steigen in Mecklenburg-Vorpommern überproportional an

Generation Praktikum 2011 Es gilt das gesprochene Wort!

Arbeits- und Gesundheitsschutz in der Kontraktlogistik

DGB-Index Gute Arbeit. Work-Life-Balance 2007 Der Report. Wie die Beschäftigten die Vereinbarkeit von Berufs-, Familien- und Privatleben beurteilen


Inhalt. Arbeitsschutz. Termine. DGB fordert Maßnahmen gegen Stress am Arbeitsplatz DGB setzt sich für die Senkung des allgemeinen Staubgrenzwertes ein

Ausbildungsreport 2017 Themenschwerpunkt: Qualität der Berufsschule

Beeinflusst die Arbeit unsere Psyche?

DGB-Index Gute Arbeit 2007

Werden Sie von Ihrer Rente leben können?

Gute Arbeit in Europa Ergebnisse der Europäischen Erhebung über die Arbeitsbedingungen

Fehlzeiten-Report 2012

BLICK AUF THÜRINGEN Allianz für den freien Sonntag

ISW-Betriebsräte-Befragung 2016 zeigt: Oberösterreichs Unternehmen im Aufschwung

position Stellungnahme des DGB und der Mitgliedsgewerkschaften

Informationen der Sozialpartner der Bankbranche

Mindestlohn, Tarifpolitik, Gesundheitsschutz - aktuelle gewerkschaftliche Herausforderungen

Wenger Fenster AG, Wimmis //

Die Arbeitszeit in der Metall- und Elektro-Industrie

DGB-Index Gute Arbeit 2007

Psychische Erkrankungen rücken in NRW erstmals auf Platz 2 vor

Transkript:

Es gilt das gesprochene Wort! Annelie Buntenbach Geschäftsführender Bundesvorstand des Deutschen Gewerkschaftsbundes DGB INDEX Gute Arbeit Arbeitshetze, Arbeitsintensivierung, Entgrenzung Pressekonferenz zur Repräsentativumfrage 2011 Berlin, 27. März 2012

- 2 - Sehr geehrte Damen und Herren, seit Einführung des DGB-Index Gute Arbeit im Jahr 2007 beurteilen rund ein Drittel ihre Arbeitsverhältnisse als schlecht, rund die Hälfte sieht sich im Mittelfeld und nur 15 Prozent sind zufrieden. Diese Zahlen sind über die Jahre relativ stabil. Grund zur Entwarnung ist das nicht im Gegenteil. Mit der jüngsten Repräsentativumfrage die wir Ihnen heute vorstellen möchten haben wir uns auf einen besonderen Aspekt konzentriert: Wir haben die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland nach dem Stressfaktor Arbeitsbedingungen gefragt. Denn nicht nur die Krankenkassen warnen: Burnout ist auf dem Vormarsch. Der Arbeitsplatz gilt als Stressfaktor Nummer Eins. Burnout ist inzwischen kein Tabu mehr.

- 3 - Dennoch wird der Zusammenhang von psychischen Erkrankungen und Stress durch Arbeit immer wieder von interessierter Seite bestritten. Dabei ist die Zahl der psychischen Erkrankungen in den letzten zehn Jahren geradezu explodiert. Seit 1994 sind die Fehlzeiten in den Betrieben aufgrund psychischer Leiden um 80 Prozent gestiegen. Bei rund 40 Prozent der Frauen und 30 Prozent der Männer, die als vermindert erwerbsfähig anerkannt sind, ist eine psychische Erkrankung der Grund für Erwerbsminderung. Und um die Dimensionen zu verdeutlichen: Fast 20 Prozent der Rentenzugänge erfolgen inzwischen über die Erwerbsminderungsrente. Erwerbsminderung ist also keine Randerscheinung. Sehr geehrte Damen und Herren, was haben Stress und Burnout mit Arbeit zu tun?

- 4 - Wir haben die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bundesweit in einer Repräsentativerhebung befragt und hier sind die Ergebnisse: Mehr als die Hälfte der befragten Beschäftigten 52 % fühlen sich Arbeitshetze ausgesetzt. Stress bei der Arbeit ist also keine Ausnahme, sondern eher zur Regel geworden. Dies gilt im Besonderen für Frauen hier liegt der Anteil bei 58 %. Gleichzeitig müssen die Beschäftigten seit Jahren immer mehr in der gleichen Zeit leisten dies geben 63 % an. Der Druck nimmt also zu. Aus den Angaben der Beschäftigten geht auch eindeutig hervor: Die Arbeitsverdichtung führt zu mehr Stress. Denn die Beschäftigten, die immer mehr leisten müssen, fühlen sich auch besonders gehetzt. Hier sind es 73 % also deutlich über dem allgemeinen Wert von 52 %.

- 5 - Dieser Zusammenhang zeigt, dass es nicht in erster Linie darum gehen kann, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer stressresistenter zu machen ( Resilienzstärkung ). Angebote zur Gesundheitsförderung sind gut und wichtig, aber: Wir brauchen kein Konditionstraining für die Beschäftigten, sondern vor allem eine bessere Arbeitsorganisation, um Stress am Arbeitsplatz abzubauen, also Arbeitbedingungen, unter denen weniger Stress produziert wird. Es gibt einen weiteren Beleg für den Zusammenhang von Arbeitsdruck und Stress: Zwei Drittel der Beschäftigten leisten Überstunden jede/r Fünfte mehr als zehn Überstunden pro Woche. Nun könnte man auf die Idee kommen, dass in den Betrieben, in den länger gearbeitet wird, weniger Stress herrscht. Das Gegenteil ist der Fall: Dort, wo länger gearbeitet wird, steigt auch die Arbeitshetze.

- 6-72 % der Beschäftigten, die mehr als 10 Überstunden pro Woche machen, fühlen sich gehetzt. Sehr geehrte Damen und Herren, die Ergebnisse der Index-Befragung zeigen auch, dass die Grenzen der Arbeit mehr und mehr zerfließen: Gut ein Viertel (27 %) der Beschäftigten muss auch in der Freizeit sehr häufig oder oft für die Arbeit erreichbar sein. Jede/r Siebte (15 %) arbeitet sehr häufig oder oft in seiner Freizeit unbezahlt für den Arbeitgeber. Einem Drittel (34 %) fällt es schwer, nach der Arbeit abzuschalten und mehr als ein Drittel (37 Prozent) muss auch zu Hause an Schwierigkeiten bei der Arbeit denken. Ein klarer Trend dabei: Der Anteil ist bei denjenigen, die bei der Arbeit gehetzt sind, jeweils deutlich höher.

- 7 - Sehr geehrte Damen und Herren, die Daten zeigen: Arbeitshetze, eine steigende Arbeitsintensität und Entgrenzung gehören zum Alltag der Beschäftigten. Eine Besorgnis erregende Zahl in diesem Zusammenhang ist: Fast die Hälfte (49 %) der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer geben an, dass sie mehr als einmal krank zur Arbeit gegangen sind obwohl sie sich richtig krank gefühlt haben. Und je größer die Arbeitshetze ist, desto mehr Beschäftigte (70 %) gehen wiederholt krank zur Arbeit. Das Urteil der Beschäftigten ist also eindeutig. Die psychischen Belastungen durch Arbeit sind so hoch, dass die Gesundheit und die Leistungsfähigkeit der Beschäftigten gefährdet sind. Nicht zuletzt die demografische Entwicklung und der Strukturwandel auf dem Arbeitsmarkt stellen neue Anforderungen an die Qualität der Arbeit.

- 8 - Wir brauchen eine umfassende Strategie, um die psychischen Belastungen im Zusammenhang mit der Arbeit abbauen zu können: klare Regeln für die Arbeitgeber Kontrollen und Sanktionen, wenn die Arbeitsschutzbestimmungen nicht eingehalten werden eben auch in Bezug auf psychische Belastungen Sozialversicherungen, die die Betroffenen und deren Arbeitgeber beraten und unterstützen und starke Beschäftigtenvertretungen in den Betrieben, die sich um dieses Thema kümmern können. Dazu gibt es eine Reihe von Ansätzen der Gewerkschaften, die Ihnen meine Kollegin Edeltraud Glänzer von IG BCE und mein Kollege Hans-Jürgen Urban von IG Metall vorstellen werden. Vielen Dank.