Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) im Arbeitsrecht

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Transkript:

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) im Arbeitsrecht Wovor und wen schützt das AGG? Im arbeitsrechtlichen Teil des AGG werden die Beschäftigten vor Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft wegen des Geschlechts wegen der Religion oder Weltanschauung wegen einer Behinderung wegen des Alters oder der sexuellen Identität geschützt. Diese Benachteiligungsmerkmale sind im Gesetz selbst nicht legal definiert nach der Gesetzesbegründung und der Rechtsprechung sind die Kriterien weit zu verstehen. Zu den Beschäftigten im Sinne des Gesetzes zählen: Arbeitnehmer/innen Leiharbeitnehmer/innen Auszubildende Arbeitnehmerähnliche Personen/Heimarbeiter/innen Bewerber/innen für ein Beschäftigungsverhältnis Ehemalige Beschäftigte Wichtig: Beim Zugang zur Erwerbstätigkeit (z. B. bei der Auftragsvergabe) und für den beruflichen Aufstieg auch Selbständige (freie Mitarbeiter/innen, Subunternehmer/innen) und Organmitglieder (Geschäftsführer/innen) Eine Benachteiligung kann unmittelbar und mittelbar erfolgen. Eine unmittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn eine Person wegen eines der o.g. Benachteiligungsmerkmale eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation. Bei einer mittelbaren Benachteiligung können dem Anschein nach neutrale Vorschriften etc. dennoch eine Benachteiligung hervorrufen. Beispiel: Jubiläumszuwendung Alle Beschäftigten erhalten nach 20 Jahren Betriebszugehörigkeit eine Prämie in Höhe von 500, Teilzeitbeschäftigte erhalten die Hälfte. Da in der Regel Frauen in Teilzeitbeschäftigungsverhältnissen anzutreffen sind und grundsätzlich eher Männer als Frauen eine langjährige Betriebszugehörigkeit haben, stellt sich die neutrale Vorschrift Jubiläumszuwendung als mittelbare Benachteiligung von Frauen dar. Als Benachteiligung gelten auch Belästigungen einschließlich sexueller Belästigungen. 1

An wen richten sich die Verbote und wie weit reichen sie? Das Verbot der Benachteiligung gilt für öffentlich-rechtliche und private Arbeitgeber in Unternehmen jeglicher Größe. Als Arbeitgeber i. S. des Gesetzes gilt bei der Arbeitnehmerüberlassung/Zeitarbeit auch der Entleiher. Beachte: Auch eine Benachteiligung durch andere Beschäftigte kann sich für den Arbeitgeber als Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten darstellen, die u. U. Schadensersatz- und Entschädigungspflichten auslösen kann. Das Benachteiligungsverbot umfasst grundsätzlich den gesamten Bereich des Arbeitsrechts. Unzulässig ist eine Benachteiligung im Bewerbungsverfahren/bei Einstellung beim beruflichen Aufstieg (Beförderung) bezüglich Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen einschließlich Arbeitsentgelt und Entlassungsbedingungen, insbesondere auch in kollektivrechtlichen Vereinbarungen (Betriebsvereinbarungen, Tarifverträgen) und bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei der Berufsbildung (Aus- und Weiterbildung) Beachte: Gemäß 2 Abs. 4 AGG gelten für Kündigungen ausschließlich die allgemeinen und besonderen Kündigungsschutzbestimmungen. Die Rechtsprechung wendet das AGG unmittelbar auf alle ordentlichen Kündigungen an, die nicht dem KSchG unterliegen. Insbesondere Kleinbetriebe sollten hierauf achten. Bei bestehendem Kündigungsschutz sind die Wertungen des AGG im Rahmen der Auslegung insbesondere bei Beurteilung der Sozialwidrigkeit heranzuziehen. Welche Ungleichbehandlungen sind zulässig? Nicht alle Benachteiligungen sind unzulässig. Unter bestimmten Voraussetzungen können Ungleichbehandlungen gerechtfertigt sein. Berufliche Anforderungen ( 8 AGG) Eine unterschiedliche Behandlung wegen eines o.g. Benachteiligungsmerkmales kann zulässig sein, wenn dieses Merkmal wegen der Art der auszuübenden Tätigkeit eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt, sofern der Zweck rechtmäßig und die Anforderung angemessen ist. Umstritten ist, inwieweit Kundenerwartungen berücksichtigungsfähig sind, also ob der Unternehmer im Zweifel die Geschäftsbeziehung aufs Spiel setzen muss. Beispiele: Fließende Deutschkenntnisse dürften eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung für einen Radiosprecher sein, nicht aber für die Stelle eines Bauhelfers. Dass ein Pilot körperlich fit sein und uneingeschränkte Sehfähigkeit haben muss, dürfte unbestritten sein, weshalb hier eine Benachteiligung wegen einer Behinderung zulässig sein dürfte. Nach der Gesetzesbegründung sollen Organisationen der in Deutschland anerkannten nationalen Minderheiten bevorzugt Personen einstellen dürfen, die der jeweiligen Gruppe angehören. 2

Religion oder Weltanschauung ( 9 AGG) Religionsgemeinschaften dürfen z. B. hinsichtlich der Religion oder Weltanschauung differenzieren, wenn diese nach der Art der Tätigkeit eine gerechtfertigte berufliche Anforderung darstellt. Beispiel: In einem katholischen Kindergarten wird man wohl entsprechende Anforderungen an Erzieher/innen stellen dürfen. Bei einer Reinigungskraft wäre eine Differenzierung nach der Religion dagegen wahrscheinlich nicht gerechtfertigt. Alter ( 10 AGG) Zulässig sind auch unterschiedliche Behandlungen wegen des Alters, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt sind. Die Vorschrift enthält einen ausführlichen Beispielkatalog, der aber nicht abschließend ist. Einzelne Beispielfälle des 10 AGG: Mindestalter/Berufserfahrung für den Zugang zur Beschäftigung oder für bestimmte Vorteile, insbesondere für Entgeltregelungen Höchstalter für Einstellung auf Grund spezifischer Ausbildungsanforderungen oder der Notwendigkeit einer bestimmten Beschäftigungszeit vor dem Ruhestand Festsetzung von Altersgrenzen bei betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit Vereinbarungen, die die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses ohne Kündigung ab Erreichen des Rentenalters vorsehen Beachte: Selbst bei Vorliegen der Beispielfälle wird immer zu prüfen sein, ob die Mittel zur Erreichung des Ziels angemessen und erforderlich sind und ob das Ziel objektiv und angemessen ist. Ausgleich bestehender Nachteile ( 5 AGG) Dieser Rechtfertigungsgrund kommt v. a. in Betracht bei Regelungen, die die Einstellung von Frauen oder von Behinderten fördern sollen. Was sind die Folgen der nicht gerechtfertigten Verletzung des Benachteiligungsverbotes? Beachte: Beweislastverteilung: Abweichend von den allgemeinen Beweislastregelungen muss der Beschäftigte oder die Beschäftigte lediglich Indizien beweisen, die eine Benachteiligung wegen eines der o. g. Benachteiligungsmerkmale vermuten lassen (z. B. eine diskriminierende Stellenausschreibung, entsprechende Bemerkungen im Vorstellungsgespräch). Der Arbeitgeber trägt sodann die volle Beweislast dafür, dass keine Benachteiligung nach dem AGG vorliegt. 3

Diskriminierende Bestimmungen in Vereinbarungen sind unwirksam ( 7 Abs. 2 AGG) Beschwerderecht ( 13 Abs. 1 AGG) und Maßregelungsverbot ( 16 AGG) Benachteiligte können sich bei der zuständigen Stelle des Betriebes beschweren. Der Arbeitgeber darf Beschäftigte nicht wegen der Inanspruchnahme von Rechten nach dem AGG benachteiligen. LEISTUNGSVERWEIGERUNGSRECHT ( 14 AGG) Im Falle einer Belästigung oder sexuellen Belästigung hat der oder die Beschäftigte das Recht zur Arbeitsverweigerung unter Entgeltfortzahlung, sofern der Arbeitgeber keine geeigneten oder aber ungeeignete Maßnahmen zur Unterbindung der Belästigung ergriffen hat. SCHADENSERSATZ UND ENTSCHÄDIGUNG ( 15 AGG) Schadensersatz Es besteht Anspruch auf Ersatz des entstandenen Schadens, wenn der Arbeitgeber die Pflichtverletzung zu vertreten hat. Dies ist der Fall bei: eigenem Verschulden, d. h. bei Vorsatz und Fahrlässigkeit ( 276 BGB); Verschulden der Organmitglieder, z. B. des Geschäftsführers ( 31 BGB); Verschulden von Erfüllungsgehilfen, z. B. Vorgesetzten ( 278 BGB). Materielle Schäden sind alle Vermögensschäden, bspw. der durch die Diskriminierung entgangene Lohn oder Rechtsanwaltskosten. Der Schadensersatzanspruch ist der Höhe nach nicht begrenzt. Entschädigung Für Schäden, die keine Vermögensschäden sind, kann der oder die Benachteiligte eine angemessene Entschädigung verlangen. Ausgeglichen wird hier die Verletzung der Würde. Dieser Anspruch besteht neben einem evtl. Schadensersatzanspruch, ist mit dem Schmerzensgeld vergleichbar und der Höhe nach ebenfalls nicht begrenzt. Dieses Schmerzensgeld ist unabhängig vom Verschulden des Arbeitgebers. Die Entschädigungshöhe muss angemessen sein. Bei Nichteinstellung ist sie auf höchstens drei Monatsgehälter begrenzt, wenn die Einstellung auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht erfolgt wäre. Ansonsten gibt es keine Höchstgrenzen. Gemäß 15 Abs. 3 AGG ist der Arbeitgeber bei der Anwendung kollektivrechtlicher Vereinbarungen nur dann zur Entschädigung verpflichtet, wenn er vorsätzlich oder grob fahrlässig handelt. Frist zur Geltendmachung Schadensersatz und Entschädigung müssen binnen zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden ( 15 Abs. 4 AGG), es sei denn die Tarifvertragsparteien haben etwas anderes vereinbart. Die Frist beginnt bei einer Bewerbung oder Beförderung mit dem Zugang der Ablehnung, ansonsten mit der Kenntniserlangung von der Benachteiligung. 4

Die Klagefrist für die Geltendmachung der Entschädigung beträgt drei Monate nach schriftlicher Geltendmachung ( 61 b Abs. 1 Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG). Werden die Fristen versäumt, entfällt der Anspruch! KEINE PFLICHT ZUM VERTRAGSABSCHLUSS Ein Verstoß des Arbeitgebers gegen das Benachteiligungsverbot begründet keinen Kontrahierungszwang, also keinen Anspruch auf Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses, Berufsausbildungsverhältnisses oder auf einen beruflichen Aufstieg, es sei denn dies ergibt sich aus einem anderen Rechtsgrund (bspw. aus einem Tarifvertrag). WAS GILT ES ZU BEACHTEN? ÜBERPRÜFUNG INTERNER ABLÄUFE Alle Arbeitgeber sollten bestehende Arbeitsverträge und Betriebsvereinbarungen auf Benachteiligungen überprüfen, z. B. ob hier Altersdifferenzierungen enthalten sind oder Teilzeitkräfte und damit mittelbar Frauen ungleich behandelt werden. Zur Erleichterung diskriminierungsfreier Personalarbeit sollten Konzepte für Beurteilunssysteme, Bonuszahlungen, Beförderungen, Gesprächsführung bei Einstellung etc. erstellt werden bzw. bestehende Konzepte überprüft werden. Alle Personalentscheidungen sollten dokumentiert werden. NEUTRALE STELLENAUSSCHREIBUNG Stellen müssen durchweg neutral ausgeschrieben werden. Stellen Sie sicher, dass Stellenausschreibungen nicht nur geschlechtsneutral formuliert sind, sondern auch keine Benachteiligung aus den anderen Gründen enthalten. Es wird empfohlen, auf die Anforderung von Fotos, Alters- und Geburtsortsangabe zu verzichten. Bei Einschaltung der Bundesagentur für Arbeit bzw. von Personalagenturen hat der Arbeitgeber den Dritten im Hinblick auf diese Vorgaben sorgfältig zu überwachen, ansonsten besteht ein Haftungsrisiko. Vorsichtshalber raten wir, Vorstellungsgespräche auf Arbeitgeberseite mit zwei Personen zu führen. Die Auswahl der Bewerber sollte sorgfältig dokumentiert werden. Bewahren Sie alle relevanten Informationen wenigstens für die Dauer der Klagefrist auf. Bei Risikofällen und evtl. bei hochdotierten Stellen sollte darüber nachgedacht werden, die Absage per Einschreiben zu versenden, um den Zugang der Ablehnung beweisen zu können. Die Personalabteilung sollte jedenfalls eine Liste über die Absagen führen, um deren Versand beweisen zu können. Absageschreiben sollten neutral und inhaltsleer abgefasst werden. UMGANG MIT BESCHWERDEN (BESCHWERDEMANAGEMENT) Arbeitgeber sind verpflichtet eine Beschwerdestelle einzurichten und die Mitarbeiter darüber zu informieren. Beschwerden von Mitarbeitern müssen von der Beschwerdestelle geprüft werden. Sind sie berechtigt, ist Abhilfe zu schaffen. Das Ergebnis ist dem Betroffenen mitzuteilen. Die zur Prüfung und Abhilfe getroffenen Maßnahmen sollten von der Beschwerdestelle schriftlich dokumentiert werden. Es empfiehlt sich, sog. Verfahrensrichtlinien (zur Organisation, Zusammensetzung, Kompetenz etc.) aufzustellen. MASSNAHMEN ZUM SCHUTZ DER MITARBEITER Dem Arbeitgeber obliegt die Pflicht, erforderliche Maßnahmen zum Schutz seiner Mitarbeiter vor Benachteiligungen zu treffen. Der Arbeitgeber muss seine Arbeitnehmer für dieses Thema sensibilisieren. Er muss deutlich 5

machen, dass er keinerlei Benachteiligung duldet und jegliche Benachteiligung von Kollegen arbeitsrechtliche Sanktionen zur Folge hat. Verpflichten Sie auch Ihre Lieferanten oder Kunden zu einer diskriminierungsfreien Vertragsdurchführung und nehmen Sie entsprechende Regelungen in Ihre AGB auf. Alle Mitarbeiter, Betriebsrat und v. a. Führungs- und Personalverantwortliche sind entsprechend zu informieren und mit Nachweis zu schulen. Bei Neueinstellungen ist auf eine entsprechende Belehrung zu achten. Hinweis: Dieses Merkblatt wurde mit freundlicher Unterstützung der IHK Berlin erstellt und soll nur erste Hinweise geben und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Es kann keine Haftung für die inhaltliche Richtigkeit übernommen werden. 6