Wenn wir die GroKo ablehnen, gibt es Neuwahlen und wie die SPD dann dasteht ist völlig ungewiss! Auch wenn die Mitglieder der SPD eine weitere Große Koalition ablehnen, gibt es nicht automatisch Neuwahlen. Der Bundespräsident hat das Recht eine Kandidatin oder einen Kandidaten für das Amt der Bundeskanzlerin oder des Bundeskanzlers vorzuschlagen. Der Bundestag stimmt dann ab. Erhält ein*e Kandidat*in die absolute Mehrheit, muss der Bundespräsident ihn oder sie ernennen. Erhält im dritten Wahlgang ein*e Kandidat*in die relative Mehrheit muss der Bundespräsident entscheiden, ob er die gewählte Person ernennt oder den Bundestag auflöst. Sollte ein*e Kandidat*in eine Mehrheit erhalten, wird eine Minderheitsregierung gebildet. Diese Regierung wird dann vom Bundespräsidenten ernannt und muss sich im Bundestag für ihre jeweiligen Gesetzesinitiativen wechselnde Mehrheiten suchen. Es gibt keinen also Automatismus, der zu Neuwahlen führt.
Ihr könnt bei 20,5% doch nicht 100% SPD erwarten! Stimmt! Tun wir auch nicht. Genauso, wie wir nicht erwartet haben, dass unsere Verhandler*innen ohne etwas im Gepäck nach Hause kommen. Was wir erwarten können, ist aber Konsequenzen daraus zu ziehen, wie wir auf die 20,5 Prozent fallen konnten. Seit 1998 hat die SPD die Hälfte ihrer Wähler*innenschaft verloren. Das ist ein massiver Glaubwürdigkeits- und Vertrauensverlust, der zum einen mit falschen, eigenen politischen Entscheidungen, aber auch mit einer mangelnden Unterscheidbarkeit zur Union zusammenfällt. Die SPD muss an Profil gewinnen, um dieses verlorene Vertrauen zurück zu holen. Das wird mit einem Weiter so als Korrekturbetrieb für itere vier Jahre Stillstand nicht funktionieren.
Wir haben viel Gutes erreicht, wieso wollt ihr das den Menschen verwehren? Wir bestreiten nicht, dass der Koalitionsvertrag Punkte enthält, die Verbesserungen bringen, alles andere haben wir auch nicht erwartet, wenn die SPD in Koalitionsverhandlungen geht. Was uns fehlt sind große Antworten auf, die drängenden Probleme unserer Zeit angehen: Rente, Pflege, Steuerpolitik, Arbeit 4.0, Digitalisierung, Klimawandel und Energiewende überall werden tiefgreifende Reformen seit Jahren verschoben.
Was fehlt euch denn im Koalitionsvertrag? Grundsätzlich ist uns klar, dass man in Koalitionen nicht all seine Punkte unterbringen kann. Aber wir sind angetreten für einen Politikwechsel, für mehr Gerechtigkeit. Das, was im Koalitionsvertrag steht, ist ein Weiter so und gibt keine echten Antworten auf die Zukunft. Es gibt keine Abschaffung der sachgrundlosen Befristung von Arbeitsverträgen, keine Verbesserungen rund um die Leiharbeit, Werksarbeit und Plattformarbeit, keine Erhöhung des Mindestlohns. Die Bürgerversicherung ist ad acta gelegt und die Zwei-Klassen-Medizin besteht fort. Die Anhebung des Spitzensteuersatzes oder eine Erbschaftsteuerreform ist vom Tisch, dabei konzentriert sich Vermögen immer stärker in den Händen Weniger. Wir können die Liste fortsetzen: Der Schutz von Arbeitnehmer*innenrechten in Europa, ein echter Familiennachzug für Geflüchtete, fairer statt freier Handel, die Ausbildungsplatzgarantie, das Festhalten am acht Stundentag (oder besser noch Arbeitszeitreduzierung), Stärkung von Tarifbindung, das Entgeltgleichheitsgesetz, die Regulierung des Finanzsektors, Familienarbeitszeit und Familiengeld, nach Einkommen gestaffeltes Kindergeld, Reformierung des Transsexuellengesetzes, Wahlalter 16, Jugendcheck, Jugendmedienschutz und und und
Ihr seid doch noch grün hinter den Ohren und müsst erstmal was leisten! Wir sind vielleicht jünger als die meisten Mitglieder der SPD, aber deswegen sorgen wir uns nicht weniger um die Zukunft der Sozialdemokratie und der Gesellschaft. Wir wollen irgendwann mal Verantwortung übernehmen in der Partei und die SPD dann nicht abwickeln. Alle drängenden Fragen, die heute nicht beantwortet werden, betreffen unsere Zukunft. Wir wollen auch noch was von unseren Rentenbeiträgen bekommen, wollen in Würde alt werden, wollen Familien gründen, gut leben und wohnen und nicht ein von den vorhergehenden Generationen völlig zerstörten Planeten übergeben bekommen.
Ihr seid schlechte Verlierer*Innen und akzeptiert das Ergebnis des Bonner Parteitags nicht! Beim Parteitag in Bonn hat eine knappe Mehrheit der Delegierten für die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen auf Basis des Sondierungsergebnisses votiert. 44% der Delegierten haben gegen die Aufnahme von Koalitionsgesprächen gestimmt, dazu gehören viele Jusos aber auch Genossinnen und Genossen, die nicht mehr im Juso-Alter sind. Bereits beim Parteitag im Dezember wurde beschlossen, dass am Ende möglicher Koalitionsverhandlungen ein Mitgliedervotum stehen wird. Im Unterschied zur SPD haben wir Jusos unsere Entscheidung gegen eine Fortsetzung der GroKo nicht revidiert. Im Gegenteil: Wir stehen zu den Vorstandsbeschlüssen vom 25.9. und 20.11. und lehnen eine weitere GroKo ab. Dafür haben wir beim Juso-Bundeskongress im November mit 100% Zustimmung von allen Landesverbänden und Bezirken ein eindeutiges Mandat bekommen. Es gehört zu unserer Partei, schwierige Entscheidungen zu diskutieren und Argumente zu unterschiedlichen Positionen austauschen zu können. Wir machen das orientiert an den verhandelten Inhalten auf der Sachebene orientiert an unseren Grundwerten und unseren Beschlusslagen. Es kommt hinzu: Die Forderungen, die die Delegierten beim Bundesparteitag in Bonn aufgestellt haben, werden in zwei von drei Fällen (Familiennachzug und Ausstieg aus der Zweiklassen-Medizin) überhaupt nicht erfüllt. Das Ergebnis bleibt also weit hinter den vom Parteitag beschlossenen Erwartungen zurück.
Es gibt eine rechte Mehrheit im Parlament, wenn wir jetzt nicht in die Regierung gehen wird alles noch schlimmer!! Auch weil wir einer rechten Partei nicht die Oppositionsführerinschaft überlassen wollen, sind wir gegen die Gro- Ko. Die Opposition erfüllt eine viel zu wichtige Rolle in unserer Demokratie. Aus der Opposition heraus kann die Sozialdemokratie die Polarisierung in unserer Demokratie wiederherstellen. Das Fehlen des politischen Streites zwischen Regierung und Opposition hat das Erstarken der Rechten in dieser Form erst ermöglicht. Wenn die rechte Parlamentsmehrheit wie kürzlich bei der verlängerten Aussetzung und anschließenden Einschränkung des Familiennachzugs dazu führt, dass wir rechte Politiken mittragen müssen, brauchen wir uns auch nicht für ein paar sozialdemokratische Verhandlungserfolge auf die Schulter klopfen. Obergrenze, Heimatministerium und wer weiß was noch kommt den gesellschaftlichen Rechtsruck darf die SPD nicht durch ein gehorsames Mitstimmen rechtspopulistischer Politik unterstützen.
Ihr seid schuld an den schlechten Umfragewerten und der miserablen Außendarstellung der SPD! Das ist reine Spekulation. Ebenso könnte man sagen, das Personalkarussell, die Streitereien um den Parteivorsitz, die Aussicht auf eine weitere Große Koalition und der kurzsichtige Koalitionsvertrag sind die Gründe für die schlechten Umfragewerte.